RNA-bindende Proteine und MikroRNAs im Säugetierembryo RNA

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Jahrbuch 2010/2011 | W inter, Jennifer | RNA-bindende Proteine und MikroRNAs im Säugetierembryo
RNA-bindende Proteine und MikroRNAs im Säugetierembryo
RNA-binding proteins and microRNAs in the mammalian embryo
W inter, Jennifer
Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik, Freiburg
Korrespondierender Autor
E-Mail: w [email protected]
Zusammenfassung
Posttranskriptionelle Regulation, vermittelt durch RNA-bindende Proteine und MikroRNAs, ist w ichtig für die
normale Entw icklung des Embryos. Das liegt daran, dass der Embryo ein sehr dynamisches System ist. Zellen
im sich entw ickelnden Embryo müssen in der Lage sein, sich innerhalb kürzester Zeit in einen anderen Zelltyp
zu verw andeln oder zu anderen Stellen innerhalb des Organismus zu w andern. W issenschaftler am MaxPlanck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik untersuchen die Funktionen von RNA-bindenden Proteinen
und MikroRNAs (miRNAs) im sich entw ickelnden Mausembryo.
Summary
Posttranscriptional regulation mediated by RNA-binding proteins and microRNAs is essential for proper
development of the embryo. This is due to the fact that the embryo is a very dynamic system in w hich cells
have to acquire new characteristics rapidly or have to migrate to distant places in the organism. Scientist at
the Max Planck Institute of Immunobiology and Epigenetics study functions of RNA-binding proteins and
microRNAs (miRNAs) in the developing mouse embryo.
Posttranskriptionelle Regulation
Die Expression eines Gens w ird über die Bindung von Transkriptionsfaktoren (TFs) an den Promotor gesteuert.
Es gibt aktivierende und reprimierende TFs; ein Gen kann also an- und auch w ieder abgeschaltet w erden. Die
posttranskriptionelle Regulation ist der transkriptionellen Regulation nachgeschaltet. Die Expression eines
Gens, das bereits als mRNA transkribiert vorliegt, kann durch die Bindung von RNA-bindenden Proteinen (RBPs)
oder miRNAs an diese mRNA verstärkt oder inhibiert w erden. Über diese Mechanismen können Gene
vollständig an- und abgeschaltet w erden. Es kann aber auch eine Feinjustierung durchgeführt w erden, w as
dazu führt, dass die Expression bestimmter Gene verstärkt oder verringert w ird.
RBPs sind Proteine, die RNA-bindende Domänen enthalten und somit direkt an mRNAs binden können. Oftmals,
aber nicht immer, binden sie an Sequenzmotive, die in den 3'untranslatierten Bereichen ihrer Ziel-mRNAs
liegen. Haben RBPs an Sequenzmotive gebunden, können w eitere Proteine, z.B. Translationsfaktoren,
rekrutiert w erden, w as zur Bildung eines Proteinkomplexes führt. Je nachdem, w elche Proteine diese
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Komplexe enthalten, kann entw eder die Lokalisation, die Stabilität oder die Translation der Ziel-mRNAs
beeinflusst
w erden.
Darüber
hinaus
können
RBPs
alternatives
Spleißen
regulieren,
indem
sie
an
Sequenzmotive, w elche in den Introns oder Exons liegen können, binden. Beim Spleißen w ird die sog. prämRNA, die noch Introns und Exons enthält, durch Ausschneiden der Introns in die reife mRNA überführt. Die
Bindung eines RBPs an spleißregulatorische Sequenzen kann dazu führen, dass das regulierte Exon in die
mRNA hineingespleißt oder aus der mRNA herausgespleißt w ird. Durch dieses alternative Spleißen können
Proteine mit veränderten Eigenschaften entstehen. Z. B. kann die Affinität, an andere Proteine zu binden, oder
die katalytischen Eigenschaften des Proteins verändert w erden. Außerdem können durch alternatives Spleißen
vorzeitige Translations-Stop-Kodons in die mRNA eingeführt w erden, w as zu einem Abbruch der Translation
und einem Abbau der mRNA führen kann.
MikroRNAs (miRNAs) sind 21-23 Nukleotide lange, nicht-kodierende RNAs, die eine w ichtige Rolle bei der
Genregulation spielen, insbesondere beim Abschalten von Genen. miRNAs binden an teilw eise komplementäre
Sequenzmotive, die meistens, aber nicht immer, in der 3'untranslatierten Region der mRNA von Zielgenen
liegen. Durch die Bindung können diese mRNAs entw eder in der Translation gehemmt oder abgebaut w erden.
Welcher der beiden Mechanismen greift, hängt von verschiedenen Faktoren w ie z. B. dem Grad der
Komplementarität zw ischen miRNA und Ziel-mRNA ab.
Die Maus als Modellorganismus für posttranskriptionelle Regulation
Posttranskriptionelle Regulation w ird seit Jahrzehnten studiert und viele bahnbrechende Entdeckungen
w urden w ährend
Zellkultursystem,
dieser Zeit gemacht. Die
in
Invertebraten
w ie
z.
überw iegende
Anzahl der Studien w urde
B. Drosophila melanogaster oder in
entw eder im
niederen
Vertebraten
durchgeführt. Relativ w enig ist bekannt über posttranskriptionelle Regulation im Säugetierembryo.
Prozesse, die w ährend der Embryonalentw icklung ablaufen und essentiell für die normale Entw icklung des
Embryos sind, können im adulten Organismus fälschlicherw eise reaktiviert w erden und hier zur Entstehung
von Krankheiten w ie z. B. Tumoren führen. Viele dieser Prozesse w ie z. B. die epithelial-mesenchymale
Transition
w erden
über
posttranskriptionelle
Regulationsmechanismen
gesteuert.
Bei
der
epithelial-
mesenchymalen Transition verlieren Epithelzellen ihre epithelialen Eigenschaften, indem sie ihre Zellkontakte
auflösen. Dadurch gew innen sie mesenchymale Eigenschaften und können migrieren. Im Embryo ist die
epithelial-mesenchymale Transition w ichtig, damit Zellen ein neues Zielgebiet erreichen können. W ird sie
jedoch w ährend der Tumorgenese fälschlicherw eise reaktiviert, können Zellen aus dem Primärtumor
ausw andern und in anderen Körperregionen Metastasen bilden.
Posttranskriptionelle Regulation im
Säugetierembryo zu verstehen, könnte also dazu beitragen, die Entstehung und das Fortschreiten von
Krankheiten besser zu verstehen (Abb.1).
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A bb. 1: De r Fok us de r Arbe itsgruppe um Je nnife r W inte r. R NAbinde nde P rote ine (R BP s) und Mik roR NAs (m iR NAs) re gulie re n
die Ex pre ssion de r Ge ne im sich e ntwick e lnde n Ma use m bryo
posttra nsk riptione ll. W ä hre nd R BP s die Sta bilitä t und die
Tra nsla tion ge bunde ne r m R NAs ne ga tiv ode r positiv
be e influsse n k önne n, ve rringe rn m iR NAs zum e ist die
Ex pre ssion ge bunde ne r m R NAs. Die Erforschung
posttra nsk riptione lle r R e gula tion im Ma use m bryo soll
R ück schlüsse a uf die Entwick lung hum a ne r Kra nk he ite n
e rla ube n.
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Die Maus eignet sich besonders gut als Modellorganismus, um posttranskriptionelle Regulation in vivo zu
studieren. Neben den klassischen genetischen Methoden w ie etw a dem Gen-Knockout sind in den letzten
Jahren w eitere Methoden entw ickelt w orden, mit deren Hilfe die Expression von Genen beeinflusst w erden
kann. Die Arbeitsgruppe von Jennifer W inter nutzt die Technik der In-utero-Elektroporation, um Gene
überzuexprimieren oder herunterzuregulieren. Die In-utero-Elektroporation ist eine Methode zur Studie der
embryonalen Entw icklung im zentralen Nervensystem der Maus. Bei der In-utero-Elektroporation w erden
zunächst Mäuseembryonen vorübergehend gemeinsam mit dem Uterus aus dem Mutterleib entnommen. DNA
w ird dann durch den intakten Uterus des Muttertieres hindurch in einen Hohlraum des Großhirns, den
sogenannten lateralen Ventrikel,
injiziert. Anschließend w erden Elektroden an das Gehirn des Embryos
angelegt, kurzzeitig ein elektrisches Feld erzeugt und dadurch die injizierte DNA in die benachbarten Zellen
aufgenommen. Daraufhin w erden die Embryonen in die Mutter zurückgegeben. Nach 24 - 48 Stunden w erden
die Embryonen w ieder entnommen und analysiert (Abb.2).
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A bb. 2: In-utero-Ele k tropora tions-Te chnik . Ein GFP e x prim ie re nde s P la sm id wurde in de n Ve sik e l de s
Te le nze pha lons e ine s Ma use m bryos a n Ta g 13,5 de r
Em bryona le ntwick lung injizie rt und in da s Ne uroe pithe l
e le k troporie rt. Anschlie ße nd wurde n die Em bryone n in da s
Mutte rtie r zurück ge se tzt. 48 Stunde n spä te r wurde die GFP Ex pre ssion (grüne s Signa l) a na lysie rt. Die Ze llk e rne wurde n
m it DAP I bla u ge fä rbt.
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Der sich entwickelnde zerebrale Kortex als experimentelles System
Die
Entw icklung
der In-utero-Elektroporation
ermöglicht
einen
räumlich
und
zeitlich
eng
begrenzten
Gentransfer. Darüber hinaus sind – verglichen z.B. mit Gen-Knockouts – relativ zeitnahe Analysen möglich. Die
Entw icklung der In-utero-Elektroporation lässt den sich entw ickelnden zerebralen Kortex daher zu einem
attraktiven experimentellen System w erden. Da im Gehirn eine besonders große Anzahl RNA-bindender
Proteine und miRNAs exprimiert w ird, ist der zerebrale Kortex als experimentelles System insbesondere für
Studien zur posttranskriptionellen Regulation geeignet.
Funktion des RNA-bindenden Proteins Fox2 im sich entwickelnden zerebralen Kortex
Das RNA-bindende Protein Fox2 ist ein alternativer Spleißfaktor. Fox2 kann an bestimmte Sequenzmotive
binden, die in den Introns oder Exons seiner Zielgene liegen, und das alternative Spleißen von Exons
regulieren. Ob das jew eilige Exon aus der mRNA heraus- oder in die mRNA hineingespleißt w ird, hängt dabei
anscheinend von der genauen Lage der Sequenzmotive ab. Über alternatives Spleißen reguliert Fox2 die
Produktion epithelialer Isoformen einer Reihe von Proteinen. Auf Grund der spezifischen Regulation des
Spleißens von epithelialen Isoformen, w elche zur Unterdrückung der Expression von mesenchymalen
Isoformen
führt, w ird
vermutet, dass
Fox2
epithelial-mesenchymale
Transitionen
verhindert. Hiermit
übereinstimmend w urde beschrieben, dass die Unterdrückung der Fox2-Expression in Tumorzellen mit
erhöhter Migration dieser Zellen einhergeht. Obw ohl dies zeigt, dass die Analyse der Fox2-Funktionen von
generellem Interesse ist, w urden noch keine In-vivo-Studien durchgeführt.
Im sich entw ickelnden zerebralen Kortex des Mausembryos w ird Fox2 sow ohl in Neuronen als auch in neuralen
Stammzellen des Neuroepithels exprimiert. Die Arbeitsgruppe um Jennifer W inter untersucht die Funktion von
Fox2 w ährend der embryonalen Entw icklung des zerebralen Kortex. Mithilfe der In-utero-Elektroporation w ird
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die Expression von Fox2 im sich entw ickelnden zerebralen Kortex der Maus gezielt verändert, um die
Konsequenzen für die Neurogenese zu untersuchen.
Posttranskriptionelle Regulation von N-cadherin durch miRNAs
E-cadherin
(Ecad)
und
N-cadherin
(Ncad)
sind
transmembrane
Zelladhäsionsmoleküle,
die
zur
Proteinüberfamilie der Cadherine und zur Unterfamilie der Typ-I-Cadherine gehören. Ecad und Ncad besitzen
einen sehr ähnlichen Proteinaufbau; beide Moleküle sind Komponenten der adherens junctions und regulieren
Zellpolarität. W ährend Ecad jedoch in Epithelien exprimiert w ird und hier durch die Lokalisation in den
basolateralen adherens junctions die apikal-basale Polarität der Epithelzellen reguliert, w ird Ncad vor allem im
Nervengew ebe und der Muskulatur exprimiert. Im Gegensatz zum proadhäsiven Ecad w erden Ncad
promigratorische Eigenschaften zugeschrieben. W ährend der epithelial-mesenchymalen Transformation erfolgt
ein switch in der Expression von Ecad zu Ncad. Dieser bew irkt, dass die Zellen ihre epithelialen Eigenschaften
verlieren und die Fähigkeit zur Zellw anderung gew innen. W ährend dieser switch in der Embryonalentw icklung
w ichtige Funktionen erfüllt, z. B. w ährend der Gastrulation,
führt er bei der Tumorentw icklung zu einem
invasiven Phänotyp und einer erhöhten Motilität der Tumorzellen und damit letztendlich zur Metastasierung.
Aufgrund der Bedeutung der epithelial-mesenchymalen Transformation für die Embryonalentw icklung und
w ährend der Tumorgenese ist es w ichtig zu verstehen, durch w elche Mechanismen die Expression von Ecad
und Ncad reguliert w ird. W ährend bereits zahlreiche Studien zur Expressions-Regulation von Ecad bestehen,
ist über die Regulation der Expression von Ncad bisher relativ w enig bekannt. Die Arbeitsgruppe um Jennifer
W inter beschäftigt sich mit der posttranskriptionellen Regulation von Ncad. Die 3'UTR der Ncad-mRNA ist in
Vertebraten ungew öhnlich stark konserviert, w as darauf hinw eist, dass sie eine w ichtige Funktion erfüllt.
Mithilfe eines screens w urden mehrere MikroRNAs identifiziert, die die Expression von Ncad im Zellkultursystem
regulieren. In der Zukunft soll untersucht w erden, zu w elchen Zeitpunkten der Embryonalentw icklung und in
w elchen Gew eben die identifizierten miRNAs die Expression des Ncad-Gens verringern. Erste Experimente
unter Einsatz der In-utero-Elektroporation w eisen auf eine Funktion w ährend der Entw icklung des zentralen
Nervensystems hin.
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