Projekt „Angstfreier Operationssaal“. Medizinische PProrozezedu

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zt Dr. Holger Sauer.
Interview: Stephan Lücke
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OP-PFLEGE
Es gibt viele Möglichkeiten,
so wesentlich gegen Ängste
vorzugehen, dass sie von
Patienten als nicht mehr
quälend empfunden werden
Dr. Holger Sauer ist Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie,
Intensivmedizin und Schmerztherapie (Standort Lünen) und Direktor
des Instituts für medizinische Psychophysik am Klinikum Westfalen
Herr Dr. Sauer, kann es einen
angstfreien Operationssaal überhaupt geben?
Es sollte zumindest angestrebt
werden, diesem Ziel möglichst
nah zu kommen – und man kann
ihm näher kommen, als viele zunächst denken.
Warum ist das so wichtig?
Schmerzen, Angst und Stress können zu schädlichen Folgen führen.
Insofern ist es auch eine medizinische Notwendigkeit, die Patienten mit ihrem Stress nicht allein
zu lassen, sondern aktiv etwas dagegen zu tun. Natürlich können
wir den Patienten nicht jegliche
Ängste nehmen. Aber es gibt viele
Möglichkeiten, so wesentlich dagegen anzugehen, dass sie von den
Patienten als nicht mehr quälend
empfunden werden. Das sind zumindest unsere Erfahrungen nach
sechs Jahren Laufzeit des Projekts
„Angstfreier Operationssaal“ –
kurz AFRO.
Welche Möglichkeiten bestehen?
Zielführend ist, die Sinne des Patienten positiv zu beeinflussen.
Individuelle audiovisuelle, olfaktorische und taktile Angebote sowie eine spezielle bauliche Gestaltung können wesentlich dazu
beitragen, dass das Wohlbefinden
des Betroffenen steigt und Angst
reduziert wird. Dies sollte nicht
nur während einer Operation geschehen, sondern möglichst schon
vorher.
Wann genau?
Von Anfang an. Eine unserer Untersuchungen hat gezeigt, dass Patienten schon über ein enormes
Stressniveau verfügen, sobald sie
das Krankenhaus betreten. Dieses
ist übrigens wesentlich höher als
in der Situation unmittelbar nach
einer Operation, wenn Patienten
Schmerzen haben und verwirrt
sind. Es ist erfreulich, dass derzeit
viel dafür getan wird, die postoperative Schmerztherapie und das
Delirmanagement zu verbessern.
Gleichzeitig ist aber zu beklagen,
dass zu wenig präoperativ läuft.
Welche Angebote haben sich in
Ihrem Projekt bewährt?
Eine sehr gute Wirkung haben Angebote, die auf Körper und Geist
entspannend wirken. Da die Ressourcen der Mitarbeiter dabei
zwangsläufig begrenzt sind, haben
wir von Anfang an auf einen Mix
aus menschlicher Zuwendung
und innovativer Technik gesetzt.
Wir bieten unseren Patienten beispielsweise programmgesteuerte
Massagen in einem speziellen Sessel an, die um audiovisuelle Inhalte ergänzt werden. Diese audiovisuelle Suggestion kann auch außerhalb des Massagesessels fortge-
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OP-PFLEGE
führt werden: Kopfhörer und Visualisierungsbrillen ermöglichen
einen
abteilungsunabhängigen
Einsatz – auch im OP selbst oder
auf der Intensivstation machen
wir damit sehr gute Erfahrungen.
Wir haben sogar in bestimmten
Fällen probiert, solche Angebote
bewusstlosen, beatmeten und narkotisierten Patienten anzubieten,
und auch hier sind die Resultate
erstaunlich gut.
Wie läuft die audiovisuelle Suggestion ab?
Patienten erhalten einen Kopfhörer und eine Visualisierungsbrille.
Über diese Brille werden in einer
ganz bestimmten Frequenz, die
der Ruhefrequenz eines EEG entspricht, Lichtimpulse gesendet.
Dies erzeugt bei vielen Patienten
– wenn auch nicht bei allen – kaleidoskopartige Bilder, die eine
beruhigende Wirkung haben.
Gleichzeitig wird über die Kopfhörer gesprochene oder musikalische Suggestion eingesetzt, die
ebenfalls relaxierend wirken soll.
Die Patienten sind sozusagen in
einer anderen Welt, abgeschnitten
von potenziell unangenehmen
Geräuschen des Medizinbetriebs,
zum Beispiel das häufig vorkommende Aufreißen von Verpackungen. Das wirkt sich sehr positiv
auf die Betroffenen aus. Wir verfügen auch über andere Brillen, über
die wir den Patienten dreidimensionale Filme zeigen können. In
diesem Zusammenhang ist interessant, dass im Ausland – unabhängig von unserem Projekt –
kürzlich eine Reduktion postoperativer Komplikationen nachgewiesen wurde, wenn Patienten intraoperativ Wunschfilme dargeboten bekamen. Beide audiovisuelle
Verfahren setzen wir jedenfalls
vor und während Operationen in
Regionalanästhesie ein.
Zudem arbeiten Sie mit einer speziellen baulichen Gestaltung …
Genau, das ist allein schon deswegen wichtig, weil nicht alle Patienten die Kopfhörer und Visualisierungsbrille wünschen. Wir setzen auf kleinere modulare Einhei-
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ten, die für ein angenehmes, kokonartiges Ambiente sorgen und
damit eine gesundheitsförderliche
Wirkung entfalten sollen. Entsprechend der Blickrichtung des
Patienten ist die Raumdecke der
wichtigste Teil, wenn es um eine
erfolgreiche visuelle Gestaltung
geht. Aber auch die Wände und Einrichtungsgegenstände sind wichtig.
Hinzu kommt eine dämpfende
Lichtinstallation, die langsam die
Farben wechselt. Beruhigende Musik kann hervorragend zur Abrundung beitragen. Momentan arbeiten wir an einem zweiten Prototypen einer solchen baulichen Einheit, um das Konzept weiterzuentwickeln. Moderne Video- und
Unterhaltungstechnik inklusive
3-D-Videotechnologie wird künftig
eine wichtigere Rolle spielen. Zudem wird der Stellenwert der
Serious Games steigen. Dies sind
speziell konzipierte digitale Spiele,
die über den Unterhaltungswert
hinaus einen konkreten, quasi
höheren Zweck verfolgen. Zum
Beispiel hat man bei Verbrennungsopfern dadurch nachweisbare
Schmerzlinderungseffekte
erzielen können. In unserem
Zusammenhang geht es um die
Überspielung von Angst und
Stress. Dies geschieht, indem die
Konzentration auf spielerische
Inhalte gelenkt wird.
All diese Maßnahmen sind eingebettet in ein Gesamtkonzept zur
Stressreduzierung in Funktionsabteilungen, das dem AFRO-Projekt zugrunde liegt. Was zeichnet
dieses aus?
Sie sprechen einen wichtigen
Punkt an: Die einzelnen Maßnahmen entfalten ihr volles Potenzial
erst dann, wenn sie eingebettet
sind in ein Gesamtkonzept. Einem regionalanästhesierten Patienten während der OP lediglich
einen Film anzubieten ist ganz
nett, die große Wirkung wird aber
ausbleiben. Bei AFRO verfolgen
wir eine Doppelstrategie: Das
Anti-Stress-Programm soll einerseits negative Stressoren reduzieren und andererseits gleichzeitig
positive
Impulse
vermitteln.
AFRO zielt somit sowohl auf die
Soll- als auch die Habenseite der
menschlichen Empfindung ab.
Auf der Sollseite sind wir bemüht,
negative Impulse zu vermeiden:
Belastende Maßnahmen werden
bis auf das unumgänglich Nötige
reduziert und von außen kommende unangenehme Sinneseindrücke
wie Lärm nach Möglichkeit vermieden. Von belastenden Gedanken soll zudem abgelenkt werden.
Und auf der Haben-Seite?
Hier engagieren wir uns im positiven Bereich: Sicherheit und Geborgenheit werden durch plausible Erläuterungen und glaubwürdig vermittelte Verwechslungssicherheit ermöglicht. Darüber
hinaus werden positiv wirkende
Sinnesreize angeboten und selbstbestimmtes Handeln ermöglicht.
Das Projekt AFRO ist vor sechs
Jahren gestartet. Was war der Auslöser?
Das Projekt ist aus sehr intensiven Gesprächen mit Ärzten und
Pflegepersonen heraus entstanden. Diese drehten sich um die
Frage, wie wir die Prozessqualität
für die Patienten spürbar steigern
können, und dies nicht zuletzt vor
dem Hintergrund, dass wir sehr
viele Regionalanästhesien durchführen und dass Beruhigungsmittel hier nicht immer zur Verbesserung der Situation beitragen – je-
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denfalls nicht über ein bestimmtes Maß hinaus. Insofern war es
notwendig, sich Gedanken über
nicht-medikamentöse Strategien
zu machen.
Welche Rolle spielen Pflegepersonen beim Projekt?
Pflegepersonen haben sich von
Anfang an sehr engagiert und ehrlich gesagt viel früher als manche
Ärzte die Sinnhaftigkeit des Projekts erkannt. Die pflegerischen
Kollegen haben ihrerseits sehr
viele Ideen eingebracht, zum Beispiel die Integration komplementärer Verfahren wie Klangschalenund Aromatherapie, und damit erheblich dazu beigetragen, dass das
Projekt im Laufe der Jahre immer
runder wurde. Aktuell steht uns
im Rahmen von AFRO ein Riesenhorizont an Maßnahmen – gerade auch aus pflegerischer Initiative – zur Verfügung, um viel
Positives zu erreichen. Wichtig ist
natürlich, dass die Mitarbeiter authentisch vorgehen, sonst ist das
Ganze nichts wert.
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Was meinen Sie mit authentisch?
Authentisch im Sinne von dem
Patienten positiv zugewandt. Eine
genervte Pflegeperson, die einem
Patienten ein Entspannungsprogramm anbietet, ist nicht glaubhaft und wird nichts erreichen.
Kein Patient wird sich so ernsthaft entspannt fühlen.
Ein solches Projekt ist aufgrund
des zusätzlichen Material- und
Personalbedarfs mit zusätzlichen
Kosten verbunden. Stehen diese
im Verhältnis zum Nutzen?
Davon bin ich überzeugt, vor allem wenn man das Ganze unter
dem Aspekt der Nachhaltigkeit
betrachtet. Es ist zu erwarten,
dass sich die gezielte Berücksichtigung der psychischen Patientenbelange positiv auf den Behandlungsverlauf auswirkt. Dies belegen insbesondere auch internationale Studien der jüngsten Zeit.
Es gibt Hinweise darauf, dass in
bestimmten
Zusammenhängen
auch die Liegedauer günstig beeinflusst werden kann. Eine unab-
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Kopfhörer und Visualisierungsbrille
ermöglichen einen abteilungsunabhängigen
Einsatz
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Negative Impulse medizinischer
Prozeduren werden mithilfe der
audiovisuellen Suggestion reduziert
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Bauliche Einheiten mit beruhigendem
Ambiente bewirken eine Stressreduktion
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Audiovisuelle Suggestion wird auch
während einer Operation eingesetzt
hängige Arbeitsgruppe der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg untersuchte Teilbereiche von AFRO
und kam zu dem Ergebnis, dass
schon nach wenigen Jahren zu erwarten ist, dass sich die Kosten
amortisieren. Hinzu kommen
weitere positive Aspekte wie Akquiseeffekte und die Steigerung
der Arbeitsplatzqualität. Denn
wir stellen bestimmte Angebote
wie die Massagesessel sowie die
Klangschalen- und Aromatherapie
auch unseren Mitarbeitern im
Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements zur Verfügung. Insofern konnten wir hier
wertvolle Synergieeffekte ausloten.
Mehr Menschlichkeit im Klinikbetrieb ist also zweifellos nicht
nur vom ethischen Standpunkt her
geboten, sondern auch unter ökonomischen Gesichtspunkten gerechtfertigt und machbar.
Herr Dr. Sauer, viel Erfolg weiterhin für Ihr Projekt und vielen
Dank für dieses Gespräch.
Mail: [email protected]
Buchtipp
Der angstfreie
Operationssaal.
Von Holger Sauer.
Springer 2015,
53 Seiten,
9,99 Euro (Softcover),
2,99 Euro (E-Book)
PflegenIntensiv 1/16
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