189 IV.1.1 DOPPEL-XX (D) GARTENSTADT UNTER GLAS Reto Miloni, Peter Schwehr, Peter Wild Baujahr 1999 Ort Hamburg Nutzung Büro BGF Atrium 686 m2 (Basis 7 x 7 m) Höhe Atrium 42 m Kosten Bauherr 23 Mio. € Dipl.-Ing. Dieter Becken, Hamburg Bothe, Richter Teherani (BRT), Hamburg Architekt Projektleitung Generalunternehmer Alexander Maul, Dipl.–Ing. imbau GmbH, Hamburg Tragwerksplanung Fassadenplanung Fritjof Brakemeier, Hamburg PBI Planungsbüro GmbH, Wertingen Bauphysik Strömungssimulation DS-Plan, Stuttgart Ruscheweyh Consult GmbH, Aachen Haustechnikplanung Brandschutzplanung Ridder, Meyn, Hamburg Hosser, Hass & Partner, Braunschweig Landschaftsarchitektur Schoppe Landschaftsarchitekt, Hamburg Ausführung Fassade Frener & Reifer Metallbau GmbH, Brixen (I) Weitere Abbildungen: I.2, II.6.2.3, II.6.3.3 copyright ganzes Dokument Architektur + Technik, HTA Luzern Birkhauser Verlag Mit einem in konzeptioneller und konstruktiver Hinsicht mehrschichtig angelegten Gebäude ist es dem Architekturbüro Bothe Richter Teherani (BRT) gelungen, im Inneren ein urbanes Gefüge aus Räumen, Plätzen, Grünzonen und Kommunikationsforen zu schaffen, und damit Qualitäten zu erzeugen, die der Stadt im Außenraum mehr und mehr abhanden kommen. Zwischen Hamburgs backsteinerne Kontore, genieteten Stahlbrücken und zugigen Hafenstraßen hat das Architekturbüro einen Bau gesetzt, den man als Archetypus eines offenen, vernetzten Kontorhauses und als Trendsetter für innovatives Stadtimage bezeichnen darf. Es handelt sich um eine 12 Etagen hohe gläserne Gartenstadt, deren innere Vielfalt von einem durchgehenden Glasmantel umhüllt wird. Das Objekt, genannt ‹Doppel-XX›, liegt an einer stark befahrenen Straße, im Schnittpunkt von Hamburger Innenstadt und Hafenquartier, wo derzeit auf ehemaligen Hafenflächen Wohnungen für 10’000 bis 12’000 Menschen und Dienstleistungsflächen für rund 20’000 Arbeitsplätze entstehen. Zwei mit Atrien eingekerbte zwölfgeschossige, X-förmige Baukörper gruppieren sich um zentrale Erschließungskerne. Die Flächen für Vertikalerschließung, Korridore und Nebenräume (Technik, Toiletten etc.) sind im Kreuzungspunkt des XX-förmigen Grundrisses angeordnet. Von hier aus können die einzelnen Mietbereiche sternförmig 190 Schotten zur Reinigung öffenbar Schotten zur Reinigung öffenbar Schotten zur Reinigung öffenbar Schotten zur Reinigung öffenbar erreicht werden. Die Mietbereiche bestehen aus 72 Raumzonen à 220 m2, die über die Servicekerne miteinander verbunden werden können. Der praktisch vollständige Wegfall von dunklen Arbeits- und Technikflächen bewirkt demgegenüber eine hohe Wirtschaftlichkeit sowie großzügige Raumverhältnisse. Um die internen Verbindungsflure und die innen liegenden Sicherheitstreppenhäuser mit Tageslicht zu versorgen, wurden als Neuheit Glasbausteine mit der Feuerwiderstandsklasse F 90 eingesetzt. Die mittleren Verbindungsflügel der XX-Form sind wechselseitig über je zwei Geschosse offen gestaltet und durch begrünte Etagengärten ersetzt. Wie in einem übergroßen Kubus, fließen die Büroflächen terrassenartig durch den gläsernen Großraum, umrankt von Grünflächen in sechs dreieckigen Wintergärten. Dieses Konzept der vertikalen Gartenstadt schafft sowohl ein Mikroklima als auch abwechslungsreiche Raumabfolgen und Durchblicke, in eine sich in die Höhe entwickelnde Parklandschaft. Die durch die vernetzten Atrien und Gärten geschaffene Atmosphäre erhöht die Qualität des Arbeitsplatzes als Lebensraum. Alle zwei Geschosse wechseln sich die Bürobereiche und die fast sieben Meter hohen Etagengärten ab. Hochhausgärtner finden hier trotz automatisierter Bewässerungsanlagen in der Pflege von Azaleen, Bambus, Magnolien, Buchs- und Zitronenbäumen eine anspruchsvolle Daueraufgabe. Und die Nutzer verlassen das attraktive Haus während des Tages nur, wenn sie wirklich müssen. Im Sommer lassen sich die dreieckigen Glasdächer zur Steigerung des Außenraumbezuges auch öffnen. Darunter liegende Wasserbecken nehmen Regengüsse auf. Klima Die Atrien zwischen der äußeren Glashülle und der inneren Fassade bilden einen Übergang zwischen außen und innen und können von den Büros aus bei geöffnetem Fenster erlebt werden. Die doppelte Hülle moduliert ein inneres Mikroklima – im Sommer ist es weniger heiß, im Winter weniger kalt. Die Belüftung erfolgt über sechs untere Zuluftöffnungen der Atrien und den vertikalen Verlauf des Kamineffekts. Als ein Gebäude ohne den Einsatz von Klimaanlagen konzipiert, entsteht durch die beiden Fassadenebenen ein klima- und schalltechnischer Pufferbereich, der es erlaubt, die Büros natürlich zu be- und entlüften. Dadurch konnten die Heizkosten um fast die Hälfte reduziert werden. Die über mehrere Geschosse reichenden, horizontal und vertikal vernetzten Gärten und Atrien, wirken, zusammen mit der vollständig verglasten Hülle, sehr luxuriös. Die interne Verbindung der Gärten über die Atrien regt einen energetisch günstigen, horizontalen natürlichen Luftaustausch zwischen den jeweiligen sonnenbeschienenen Fassaden und den Schattenseiten an. Der transversale Luftaustausch erleichtert die sommerliche Enthitzung und winterliche Wärmespeicherung. Die Temperaturen liegen im Sommer rund 5 °C unter, im Winter deutlich über den Außentemperaturen (selten unter 0 °C). Die unverkleidete Stahlbetonkonstruktion und der Bodenbelag aus brasilianischem Schiefer dienen als Speichermassen. Sie sorgen im Sommer für Kühlung und im Winter als Wärmespeicher. Zusätzlich tragen die Pflanzen und die Wasserbecken zu einem ausgeglichenen Klima mit gutem Feuchtigkeitsgehalt bei. Die Luftmengen- und Temperaturregulierung erfolgt computergestützt und in Abhängigkeit von Wind, Betriebszeit, Temperatur, Regen und Rauchmeldung über gläserne Zuluft-Lamellen, etwa fünf Meter über Straßenniveau. Konstruktion Der Rohbau ist aus ca. 560 Betonfertigteilen erstellt worden. Die Anlieferung an die Baustelle erfolgte ‹just-in-time›, sodass lediglich 4 Wandscheiben aufgrund ihres hohen, nicht transportfähigen Gewichtes vor Ort angefertigt wurden. Durch die Fertigteilkonstruktion konnte eine kostengünstige Montagezeit von vierzehn Tagen pro Geschoss erreicht werden. Der Bürobereich (ca. 140 m2) ist durch die Verwendung von vorgespannten Rippendecken vollständig stützenfrei ausgebildet worden und kann dadurch variabel genutzt werden. Die Lasten der über 42 m hohen hängenden Außenverglasung der Wintergärten werden im elften Obergeschoss über ein geschosshohes Raumfachwerk und über Betonkragarme in den Rohbau geleitet. Die unteren 191 Punkthalter der Hängefassade sind am Erdgeschossboden befestigt und können über Langlöcher eine Temperaturlängenänderung der Fassade von ca. 3 cm aufnehmen. Die rund 9’000 m2 große Membran wurde mit einer einzigen Scheibengröße realisiert und soll Europas größte hängende Fassade sein. Die äußere Glashaut besteht aus 4.42 m x 1.73 m großen, querformatig eingebauten ESG-Scheiben, die an zwei Alugusshaltern befestigt sind. Weitere sechs Punkthalter nehmen jeweils nur horizontale Kräfte (Winddruck, Sog) auf, die über Kragarme aus 2 cm starken Flachstählen in die vertikalen Stahlträger geleitet werden. In den Ecken ist die Stahlkonstruktion der Außenfassade geschossweise bzw. zweigeschossig am Rohbau fixiert. Das Konzept wirkt schallberuhigend (-8 dB(A)) und ermöglicht optimales Pflanzenwachstum sowie wirksame Klimapufferung. Die Innenfassaden bestehen aus einer kostengünstigen Aluminium-Schiebefensterkonstruktion und ermöglichen eine individuelle und stufenlose Beeinflussung des Innenraumklimas durch die eintretende Luft der Wintergärten. Die Schiebefenster beanspruchen keinen Raumbedarf und ermöglichen einen günstigen Trennwandanschluss von 1.25 m an die Fassadenpfosten. Hinter den roten Brüstungsgläsern verbirgt sich der elektrisch zu betätigende Alulamellen-Raffstore eines Sonnen- und Blendschutzes. Die hohe Wirtschaftlichkeit der Konstruktion lie- gt in ihrer schlichten Konzeption, der Serienfertigung und der funktionalen Materialisierung. So wurden z.B. alle 10’000 Glashalterungen der riesigen ESG-Scheiben mit lediglich einem Typ einer hundert Gramm schweren Aludruckgusshalterung erreicht. Brandschutz Wegen der Höhe von 42 m hat das Doppel-XX als Hochhaus erhöhte Brandschutzanforderungen zu erfüllen. Im Brandfall werden die innen liegenden Sicherheitstreppenhäuser mit Sicherheitsschleuse und Luftspülung durch zwei weitere Druckluftzonen erweitert. Durch diese Maßnahme und die sternförmige Erschließung der Mieteinheiten, konnten die vorgeschriebenen Fluchtweglängen eingehalten werden. Um im Brandfalle die Rauchfreiheit des durch die Glashülle umschlossenen Inneren des Gebäudes mit den Etagengärten gewährleisten zu können, wurden Entrauchungssimulationen durchgeführt. Aufgrund der Ergebnisse konnten dann die Querschnitte für Zu- und Abluftöffnungen optimiert werden. Sie befinden sich als Zuluft-Glaslamellen der Atrien in Höhe des ersten Obergeschosses, und als auffahrbare Glasdächer über den Dreieckshöfen. Die Steuerung der RWA-Öffnungen erfolgt über eine flächendeckende Brandmeldeanlage. Infolge der interdisziplinären Planung konnte ein Hochhaus ohne Sprinkleranlage realisiert werden. Die Kosten für den Brandschutz wurden dadurch auf ein Minimum reduziert. Interdisziplinäre Planung Die Konzeption für das Objekt wurde unter der Leitung von Alexander Maul, mit einem konstanten Team von Planern entwickelt. Dazu gehörten neben den Architekten und Tragwerksplanern vor allem Spezialisten für die Bereiche Tageslichtoptimierung, Fassaden- und Schalltechnik, thermische Simulationen, Entrauchung, natürliche Be- und Entlüftung sowie Landschafts- und Atriumplanung. Dieses interdisziplinär konzipierte Bauteam evaluierte in einer frühen Projektphase sowohl Wirtschaftlichkeits- wie Machbarkeitsaspekte. So wurden etwa die Wärme speichernden Rippendecken über den Innenhöfen in Zusammenarbeit 192 mit einer Baufirma untersucht oder neuartige Prinzipien und ingenieurtechnische Hilfsmittel für Fassadenreinigung und Glasmontage geprüft. Ziel der interdisziplinären Planung war es, die Geometrie des Gebäudes durch Nutzung regenerativer Energien zu optimieren und die Klimaund Heiztechnik weitgehend zu minimieren. Hinsichtlich der Funktion der Lage, Witterung und Schallexposition etc., wurden optimale Konstellationen für Öffnungen, Sonnenschutz und isolierende Glashaut durch Simulationen und Modellversuche ermittelt. Selbst beim Innenausbau wurden, gemeinsam mit ausführenden Unternehmern, innovative Lösungen (z.B. Bodenbeläge, Beleuchtung, Möbel) angedacht. In der Planungsphase spielten Modelle und Modellversuche eine zentrale Rolle. Facility-Management Das Bürohaus mit seinen wechselseitig über zwei Geschosse offen gestalteten Etagengärten und den Atrien, mit ihren sehr großen, innen und außen liegenden Glasfassaden, stellt hinsichtlich des Facility-Managements eine große Herausforderung dar. Fassadenreinigung Zu Wartungszwecken und zur Reinigung sind die Fassadenzwischenräume begehbar. Der Sonnenschutz liegt windgeschützt im Fassadenzwischenraum. Die Zuluft des Atriums erfolgt, wie bereits beschrieben, über die im ersten Oberge- schoss angeordneten Zuluft-Lamellen. Die einströmende Außenluft führt zur Verschmutzung der inneren Glasflächen der Atrien, weshalb sie periodisch gereinigt werden müssen. Die Fassadenbefahranlage (Ausladung 9 m) für Reinigung und Unterhalt der äußeren Gebäudefassade wurde so konzipiert, dass diese bei den geöffneten (horizontal aufgefahren) dreieckigen Glasdächern auch die Innenfassade bedienen kann. Für den quadratischen Innenhof und die Unterseite der darüber liegenden Glaspyramide wurde eine zweite, innen liegende Fassadenbefahranlage eingebaut. Gartenpflege Die Realisierung der Gärten über mehrere Stockwerke hinweg verleiht der Gartenanlage einen besonderen Reiz. Um eine ökonomische Pflege der Anlage zu ermöglichen, wurden z.B. Gehwegplatten verlegt, die das Betreten der bepflanzten Flächen erlauben, ohne anschließend die Gänge zu verschmutzen. Die Flächen unter den öffenbaren dreieckigen Glasdächern wurden als Wasserbecken ausgebildet, sodass bei Regen das Wasser in die Becken fließen kann. Ein Problem für die Reinigung stellt die Algenbildung dar; sie ist nur durch geeignete chemische Maßnahmen oder häufige mechanische Reinigung zu verhindern. Architektur als ‹Wegweiser› Die ‹Logo-fähige› Geometrie des Objektes hebt sich als belebende Sehenswürdigkeit vom umlie- genden urbanen Gefüge ab. Das Doppel-XX wird quasi zum Markenzeichen für die ganze Immobilie, dass sich sowohl in ihrer Namensgebung als auch in entsprechenden Logos auf Briefbögen und Werbeunterlagen dortiger Mieter und Interessenten fortsetzt. Bei der Betrachtung der oberirdischen Flächen erreicht das Doppel-XX Werte von ca. 18 m2 pro Arbeitsplatz BGF und ca. 16 m2 pro Arbeitsplatz Mietfläche. Bei reinen Baukosten von ca. 1’140 E/m2 netto inkl. Tiefgarage konnte das Haus für eine Miete von 11.50 E/m2 vermietet werden (Stand 2000). Die zweite Miete, die Betriebskosten, lagen bei ca. 2.25 E/m2. In dem Preis sind die Etagengärten nicht enthalten, sie stehen dem Nutzer zur freien Verfügung. Diese Zahlen führten dazu, dass das Gebäude schon ein Jahr vor der Fertigstellung langfristig vermietet werden konnte. copyright ganzes Dokument Architektur + Technik, HTA Luzern Birkhauser Verlag