energie- und nachhaltigkeitskonzept des gebäudes alterra

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ENERGIE- UND NACHHALTIGKEITSKONZEPT DES GEBÄUDES ALTERRA,
WAGENINGEN
Der Anspruch an das Gebäude, ‚menschenfreundlich' und ‚energieeffizient' zu sein, bot den Architekten die
Chance, sich bei der Planung und Realisierung von Alterra, Wageningen, intensiv mit den Aspekten der
Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Aufgrund nicht vorhandener Instrumentarien zu jener Zeit, wurde für jedes
verwendete Bauteil ein Bewertungskatalog erstellt. Angefangen von der Primärenergie, über den Transport,
die Herstellung, die Materialität und den Einbau, bis hin zum Verhalten in Betrieb und Unterhalt, wurden
Aspekte der Erneuerbarkeit und Wiederverwertbarkeit, der Flexibilität, des energetischen Verhaltens und
schließlich auch soziale Aspekte beurteilt. Dieses Verfahren wurde zusammen mit den späteren Nutzern
(Wissenschaftler) entwickelt und durchgeführt und führt zu einer hohen Identifikation der Nutzer mit dem
Gebäude. Im ganzen Gebäude wurde auf die Verwendung von Aluminium und Materialien die aus
chlorierten Kohlenwasserstoffen bestehen verzichtet. Zusätzlich wurde darauf geachtet, möglichst lokal
verfügbare Baustoffe einzusetzen.
Nachhaltigkeit
Ziel war es, durch das interdisziplinäre Zusammenspiel von Konzeption, Konstruktion und Materialität das
Gebäude nach den Grundsätzen der Nachhaltigkeit auszuführen. Eine maßgebliche Rolle kommt dabei den
verglasten Gärten zu. Sie sind zentrales Element des Klimakonzeptes (Wärmepuffer, Schattenspender,
Pflanzen verbessern das Mikroklima). Dabei erfährt der Begriff der gebauten Umwelt eine neue Sichtweise.
Nicht die Natur ordnet sich dem Gebäude unter, sondern das Gebäude fügt sich in die Gartenstruktur ein
und wird so Element dieser Struktur.
Durch die Atrien boten sich einfache Möglichkeiten zur Minderung der Heizenergie und zur weitreichenden
Tageslichtnutzung für die Raumbeleuchtung. Durch die Ausbildung von Atrien wurde das Verhältnis von
Volumen zu Hüllfläche optimiert, d.h., der Anteil der bewitterten Außenfläche konnte gering gehalten werden.
Zusätzlich gleichen die großen Luftvolumen der überdachten Gärten Temperaturunterschiede zwischen
innen und außen aus (Pufferwirkung).
Aus ökonomischen Überlegungen sind nur die Nutzflächen und nicht die ‚nutzungsneutralen‘ Atrien beheizt.
Die Fassade der Atrien ist reiner Wetterschutz und besteht aus Einfachverglasung. Dadurch konnte die
Fassade zwischen Atrium und Büroflügel kostengünstig ausgeführt werden. Zusätzlich wurde bei der
Konzeption der Atrien nicht das Ziel verfolgt, Komfortbedingungen für einen dauerhaften Aufenthalt zu
schaffen. Es wurde beabsichtigt, dem Mitarbeiter das ganze Jahr hinweg ein angenehmes Klima anzubieten,
ohne die verschiedenen Jahreszeiten und unterschiedlichen klimatischen Bedingungen gleichzuschalten. Im
Winter kann man sich mit einem Pullover bekleidet sonnen und im Sommer sucht man die Kühle der
Schatten spendenden Pflanzen im Atrium. Als Anforderungen wurde formuliert, dass die Temperaturen in
den Atrien bei durchschnittlicher Nutzung nicht unter 0 °C und an weniger als 100 Stunden unter 5 °C
absinkt.
Mit folgenden kurzen Überlegungen lassen sich die drei Grundpfeiler der Nachhaltigkeit aufzeigen:
Die Gesellschaft
Gemeinschaft
- Partizipation des Bauherren und Nutzers an der Planung
- Planung erfolgte in einem interdisziplinären Team
Gestaltung
- Das Gebäude lässt Spielraum für Entwicklung und individuelle Nutzung der Räume
- Durch die charakteristischen und aufwändig gestalteten Gärten findet eine räumliche Identität statt
Wohlbefinden/Gestaltung
- Durch Atrien werden die angrenzenden Büros mit Tageslicht versorgt.
- Die Gärten und die Materialisierung schaffen eine besondere Atmosphäre
Die Wirtschaft
Gebäudesubstanz
- Die Konzeption des Gebäudes weist eine hohe Flexibilität für verschiedene Raum- und
Nutzungsbedürfnisse aus
© Dr. Peter Schwehr, HTA Luzern, [email protected]
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Anlagenkosten
- Bei der Realisierung des Gebäudes wurden die verwendeten Materialien in Bezug auf die
Lebenszykluskosten untersucht
Betriebs-/Unterhaltskosten
- Durch eine frühzeitige ganzheitlich ausgelegte Planung und wegen des kompakten Baukörpers konnten die
Instandhaltungskosten und die Betriebskosten minimiert werden
Die Umwelt
Baustoffe
- Verwendung lokal verfügbarer Baustoffe und Verwendung von lokal verfügbaren Materialien und natürlich
haltbaren Holzarten
- Wenig Schadstoffe in den Baustoffen
- Materialisierung und Detailausbildung ermöglichen eine einfache Trennung von Verbundstoffen bzw.
Konstruktionen für eine spätere Wiederverwendung oder Verwertung
Betriebsenergie
- Geringer Heizwärmebedarf durch die Ausbildung der Atrien
- Passive Nutzung der Solarenergie durch zwei verglaste Atrien
- Minimierter Elektrizitätsbedarf durch die Gesamtkonzeption des Gebäudes mit lichtdurchlässigen Atrien
Boden/Landschaft
- Im Außenraum wird weitgehend auf bauliche Maßnahmen verzichtet. Die Natur soll sich selbst entwickeln
können
- Extensive Begrünung der Dächer
- Regenwassernutzung für Toilettenspülungen
- Revitalisierung eines verseuchten landwirtschaftlichen Gebiets
Klimakonzept
Ausgehend von dem Wunsch, unterschiedliche Jahreszeiten in den Gärten klimatisch nicht gleichzuschalten,
sondern für den Nutzer erlebbar zu belassen, wurden die Anforderungen an den Komfort in den
Aufenthaltszonen auf die thermisch zumutbare Größenordnung begrenzt.
Sommerfall
Mit einer temporär schließbaren, innen liegenden Beschattung, welche im Winter als zusätzlicher
Wärmeschutz für die Fassade eingesetzt wird, kann eine Überhitzung der Atrien und angrenzenden Büros
durch die großen Glasflächen der Atrien verhindert werden. Die Atrientemperaturen bleiben unter 28 °C.
Dieses Kombisystem von Beschattung, Überhitzungsschutz und Wärmeschutz dient als bekanntes
Konstruktionssystem bei Tomaten-Gewächshäusern.
Im Sommer werden Atrium und Büros natürlich belüftet. Der Benutzer kann die Büroräume durch Kipp- und
Schiebefenstertüren sowie rahmenlose Öffnungen individuell und natürlich belüften. Dank einer
ausreichenden Querlüftung konnte auf eine mechanische Kühlung, außer bei der Küche und der Bibliothek,
verzichtet werden und damit der Einsatz von Energie minimiert werden. Die geeignete Luftführung und
zusätzliche Lüftungsöffnungen ermöglichen für den Sommer einen zweifachen Außenluftwechsel zur
Abkühlung der Gebäudemassen. Die Speichermassen der Gebäudetragstruktur schaffen ein
ausgeglichenes Raumklima und dienen der Nachtauskühlung.
Die reichhaltige Bepflanzung der Atrien und die im Hof befindlichen Wasserbassins leisten, nebst dem
spürbaren Erholungswert, einen aktiven Beitrag an der Kühlung der Atrien und ihrer angrenzenden Räume.
Durch die Verdunstung des Wassers aus den Bassins, und durch die Pflanzen, werden die Innengärten
gekühlt und die Luftqualität verbessert.
Winterfall
Die Atrien wirken im Winter als Wärmepuffer zum Gebäude und unterstützen den Wärmeschutz der
Gebäudefassade. Für eine nochmals verbesserte Wärmeenergiebilanz können die Folienrollos, welche
tagsüber als Beschattung dienen, auch nachts als zusätzlicher Wärmeschutz geschlossen werden.
© Dr. Peter Schwehr, HTA Luzern, [email protected]
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Die Gebäudemassen der Tragstruktur dienen der Speicherung der passiven Solargewinne. Aufgrund der
solaren Gewinne in den Büroräumen konnte auf ein schnell reagierendes und eher teueres Heizsystem
verzichtet werden. Installiert wurde ein Niedertemperaturheizsystem, bei welchem die jeweiligen
Nutzungsbereiche getrennt regelbar sind. Als Brennstoff wurde ein mit Erdgas betriebener Brennwertkessel
installiert, da kein Fernwärmeanschluss zur Verfügung stand. Der Heizenergiebedarf (inkl. Labors) liegt bei
ca. 120 kWh/m2a.
Die Atrien dienen im Winter als Zuluftverteiler für das Gebäude. Aufgrund des fehlenden Winddrucks ist in
der Mitte des jeweiligen Bürotraktes eine teilweise nutzergesteuerte Abluftanlage installiert, welche für ein
Nachströmen der Luft über die Büroräume sorgt. Über eine Wärmerückgewinnung wird ein Großteil der dem
Gebäude entzogenen Energie wieder dem aktiven Heizsystem zugeführt. Dadurch sinkt der
Heizenergiebedarf deutlich unter 90 kWh/m2a.
Resultat
Durch die Einfachverglasung der Atrien entfällt der Wetterschutz bei den zum Atrium hin orientierten
Gebäudefassaden. Der innen liegende Sonnenschutz ist eine einfache Standardausführung und funktioniert
zugleich als wärmedämmendes Element. Für die Fassaden der angrenzenden Gebäude konnten die
Leistungen durch den Einsatz der Atrien auf die Hälfte reduziert werden. Die daraus resultierenden
Kosteneinsparungen für die Konstruktion des Atriums betragen ca. 15-20 %. Darüber hinaus lässt sich der
Heizenergiebedarf, und damit die Heizkosten, um über 230'000 € (Stand 1998) jährlich reduzieren.
Tageslichtkonzept
Es galt der Grundsatz der Tageslichtkonzeption: „Im Winter so viel Tageslichtnutzung, und damit
Solarenergienutzung, wie möglich, im Sommer nicht mehr Tageslichtnutzung als nötig“.
Die Glasdächer sind in Einfachverglasung ausgeführt. Dadurch konnte gewährleistet werden, dass
genügend Licht von den Atrien in die angrenzenden Büroräume geleitet wird.
Alle Arbeitsräume werden natürlich über Fenster nach außen oder zum verglasten Atrium hin belichtet.
Dabei wurden Wärmeschutzgläser mit einem g-Wert von 0.62 und einem Lichttransmissionsgrad von 0.70
eingesetzt. Eine Ausnahme bildet die Nordfassade mit einem g-Wert von 0.51 und einem
Lichttransmissionsgrad von 0.66.
Die großflächige Verglasung der Büroräume zum Atrium (60 %) und die Einfachverglasung der Atriumdächer
mit hohem g-Wert, gewährleisten eine gute Tageslichtbeleuchtung in den angrenzenden Büroräumen.
Die Verwendung von Wasserflächen und hellen Bodenbelägen in den Atrien, v.a. in unmittelbarer Nähe zu
den angrenzenden Büros, verbessert die Tageslichtsituation zusätzlich. Der kritischste, an den Atrien
angrenzende Büroraum im EG, besitzt einen Tageslichtquotienten von durchschnittlich 9 % nach DIN 5304,
in der Raummitte von ca. 1 %.
Blend-/Sonnenschutz
Die Atrien werden mit innen liegenden Rollos aus Baumwolle und einer speziellen Wärmebeschichtung
beschattet. Um den visuellen Komfort zu verbessern und übermäßige solare Gewinne in den Büros zu
reduzieren, sind die Bürofassaden mit einem eigenen Blend-, bzw. Sonnenschutz ausgestattet. Während der
Blendschutz individuell am Arbeitsplatz einstellbar ist, wird ein optimierter Sonnenschutz, welcher Kühllasten
oder Überhitzung mindert, in Abhängigkeit vom Strahlungsangebot, der Tageslichtsituation im Raum und
den Temperaturen, automatisch gesteuert.
Auszüge aus diesem Text sind im Planungshandbuch ATRIUM im Birkhäuser Verlag erschienen.
ATRIUM – verglaste Höfe und Hallen, ISBN 3-7643-7176-5
© Dr. Peter Schwehr, HTA Luzern, [email protected]
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