12.2 Untersuchungsmöglichkeiten 12 Volumenstatus und Ansprechen auf Volumen 12.1 Einleitung 12.2.1 Statische Parameter ▶ Füllungszustand. Der Füllungszustand und der Volumenstatus können echokardiografisch basal durch reine Beurteilung des 2D-Bildes abgeschätzt werden. Charakteristische Merkmale des 2D-Bildes erlauben eine rasche Blickdiagnose des Füllungszustandes. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Messparametern, die dazu dienen, den Eindruck des 2D-Bildes mit Zahlen zu untermauern. Das echokardiografische Abschätzen von Füllungsdrücken (Zentralvenendruck [ZVD], pulmonalkapillärer Verschlussdruck [PCWP]) und die Messung anderer statischer Parameter des Herzens können ebenfalls zum Abschätzen des Volumenzustandes benutzt werden. ▶ Typische 2D-Bild-Zeichen. Im 2D-Bild stellt sich ein hypovolämes Herz mit kleinen Herzhöhlen dar und weist ein hyperdynamisches tachykardes Zustandsbild auf (▶ Abb. 12.1). Die Ventrikel pumpen während der Systole leer und das Endokard der gegenüberliegenden Seiten scheint sich zu berühren („kissing papillary muscles“). Dieses typische Leerschlagen des Ventrikels ist zu unterscheiden von den ebenfalls kleinen Ventrikel bei konzentrischer Hypertrophie, wie sie bei chronisch erhöhter Nachlast auftreten kann. ▶ Volume Responsiveness. Schwieriger ist es, die Frage zu beantworten, ob ein individueller Patient von zusätzlicher Volumengabe profitiert. Insbesondere dann, wenn eine reduzierte Ventrikelfunktion oder eine Hypertrophie des Myokards vorliegt, liefern die herkömmlichen 2DMerkmale keine ausreichende Antwort nach dem Ansprechen auf Volumen eines individuellen Patienten. Letztlich ist das Ziel der Echokardiografie aber, die Antwort auf die Frage nach der individuellen Volume Responsiveness zu finden. Physiologischerweise auftretende respiratorische Schwankungen der Flussmuster – sowohl links- als auch rechtskardial – können durch Hypovolämie verstärkt werden. Abgeleitet von diesen respiratorischen Schwankungen werden dynamische Parameter zur Beurteilung des Volumenstatus verwendet. 12.2 Untersuchungsmöglichkeiten Ausblick Aufbaumodule Ein weiteres 2D-Bild-Zeichen einer ausgeprägten Hypovolämie ist eine von der Respiration abhängige Hin-undHerbewegung des interatrialen Septums. Bleibt während des Atemzyklus eine Wölbung in eine Richtung bestehen, ist dies ein Hinweis auf eine bestehende Volumenoder Druckbelastung. Die Messung der Fläche oder der Durchmesser als Maß für eine mögliche Hypovolämie ist nur bei sehr leeren und hyperdynamen Ventrikeln zulässig. Zur Beurteilung dieser Fragestellung ist der apikale Vierkammerblick am besten geeignet, da alle Herzhöhlen zur Darstellung kommen und somit auch der Füllungszustand der Vorhöfe beurteilt werden kann. Es ist aber auch ein subkostaler Blick oder eine transgastrische Schnittführung dazu geeignet, die typischen 2D-Bild-Merkmale der Hypovolämie darzustellen. ▶ Tab. 12.1 zeigt Parameter, die die Beurteilung des Füllungszustandes ermöglichen. 12 Tab. 12.1 Untersuchungsparameter zur Beurteilung des Füllungszustands. Statische Parameter ● ● ● ● ● ● ● „Eye-Balling“: typische 2DBild-Zeichen, wie „kissing papillary muscles“, Leerschlagen der Ventrikel linksventrikuläre enddiastolische Fläche* V.-cava-Diameter Mitralflussprofil E/A* E/A < 1* E/E‘* Herzzeitvolumen* Dynamische Parameter ● ● ● respiratorische Variation des Aortenflussprofils* respiratorische Kalliberschwankungen der V. cava Volumengabe – „passive leg raising test“ * Inhalte zukünftiger Aufbaumodule Abb. 12.1 2D-Bild-Merkmal: Kissing papillary Muscles im subkostalen Langachsenblick. 89 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. H. Koinig Volumenstatus und Ansprechen auf Volumen Merke H Ist der Durchmesser der V. cava inferior kleiner als 1 cm, hat Volumengabe wahrscheinlich positive hämodynamische Effekte, ist der Durchmesser größer als 2 cm wahrscheinlich nicht. Ausblick Aufbaumodule E/A-Ratio Eine Möglichkeit zur Beurteilung des Füllungszustandes ist die Beurteilung der diastolischen Füllung des linken Ventrikels, da diese vom Füllungszustand beeinflusst wird. Hypovolämie bewirkt einen verminderten venösen Rückstrom zum Herzen und somit eine reduzierte „early inflow velocity“ während der diastolischen Füllung des Ventrikels im Mitralklappenflussmuster (▶ Abb. 12.2). Die Darstellung dieses Flussmusters erfolgt im apikalen Vierkammerblick mittels Positionierung eines PW-Dopplers an die Spitze der Mitralklappensegel. Bei Hypovolämie reduziert sich die E-Wave Velocity und das Verhältnis zum atrialen Anteil (Vorhofkontraktion) der diastolischen Füllung nimmt ab (E/A-Ratio < 1). Dagegen kommt es bei Hypervolämie zu entgegengesetzten Änderungen(Zunahme der E/A-Ratio). Allerdings ist die Aussagekraft dieses Parameters dadurch limitiert, dass jede Veränderung der diastolischen Relaxation (diastolische Funktionsstörung, Hypertrophie des Myokards) auch eine Veränderung der E/A-Ratio bewirkt. Tab. 12.2 Durchmesser der V. cavainferior und respiratorische Schwankungen bei Spontanatmung. Druck im rechten Vorhof –ZVD (mmHg) V.-cavaDurchmesser (cm) Inspiratorische Kaliberschwankungen (%) 0–5 < 1,5 Kollaps 5 – 10 < 2,5 > 50 10 – 15 < 2,5 < 50 15 – 20 > 2,5 < 50 > 20 > 2,5 keine ▶ PCWP. Ein weiterer statischer Parameter, der zum Abschätzen des Füllungszustands herangezogen werden kann, ist das Abschätzen des PCWP mittels Echokardiografie. ▶ E/E‘. Das Verhältnis von E (maximale Geschwindigkeit der E-Welle des Mitralklappenflussmusters) zu E‘ (maximale Geschwindigkeit der E-Welle des Gewebedopplers des Mitralklappenrings) kann verwendet werden, um den linksventrikulären enddiastolischen Druck abzuschätzen. Ist das Verhältnis von E/E‘ < 8, ist der linksventrikuläre enddiastolische Druck normal, ist das Verhältnis E/E‘ > 15 ist der linksventrikuläre enddiastolische Druck sicher erhöht und somit eine ausreichende linksventrikuläre Füllung vorhanden. 12.2.2 Dynamische Parameter Dynamische Parameter leiten sich von der Tatsache ab, dass durch die Respiration sowohl in Spontanatmung als auch bei mechanischer Beatmung typische Veränderungen der intrathorakalen Druckverhältnisse bewirkt werden. Bei Patienten, die sich hinsichtlich des Füllungszustands im flachen Teil der Frank-Starling-Kurve befinden, wird die Veränderung der intrathorakalen Drücke 12 Abb. 12.2 Mitralklappenflussprofil. E-Welle = Early Filling des linken Ventrikels, A-Welle = atriale Kontraktion zur Füllung des linken Ventrikels. 90 Abb. 12.3 V. cava inferior mit respiratorischer Variation des Durchmessers bei Spontanatmung 2D-Bild und M-Mode. VCI: V. cava inferior. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ▶ V.-cava-Diameter. Ein typischer statischer Parameter ist die Abschätzung des ZVD mithilfe der Messung der Breite der V. cava inferior. Die Darstellung der V. cava inferior und der Lebervenen erfolgt in subkostaler Schnittführung. Beurteilt wird die Breite der V. cava inferior, dadurch kann die Höhe des ZVD abgeschätzt werden (▶ Tab. 12.2) 12.3 Weiterführende Literatur 12.3 Weiterführende Literatur [1] Feissel M, Michard F, Mangin I et al. Respiratory changes in aortic blood velocity as an indicator of fluid responsiveness in ventilated patients with septic shock. Chest 2001; 119: 867 – 873 [2] Frankel HL, de Bouisblanc BP. Bedside Procedures for the Intensivist. Focused Echocardiography. Heidelberg: Springer 2010; 139 – 182 [3] Ommen SR, Nishimura RA, Appleton CP et al. Clinical utility of Doppler echocardiography and tissue Doppler imaging in the estimation of left ventricular filling pressures: A comparative simultaneous Doppler-catheterization study. Circulation 2000; 102: 1788 – 1794 [4] Voga G. Pulmonary artery occlusion pressure estimation by transesophageal echocardiography: is simpler better? Crit Care 2008; 12: 127 ▶ V-cava-Kaliberschwankung. Ein einfacher klinischer dynamischer Parameter ist die respiratorische Kaliberschwankung der V. cava inferior (▶ Abb. 12.3, ▶ Tab. 12.2). In Spontanatmung erfolgt physiologischerweise eine Abnahme des Durchmessers während der Inspiration und eine Zunahme während der Exspiration. Ausblick Aufbaumodule Pulsdruckvariation Ein weiterer einfacher Parameter zur Beurteilung des Füllungszustandes und des Ansprechens auf Volumengabe, insbesondere bei beatmeten Patienten, ist die Veränderung der Flussverhältnisse über die Aortenklappe und Pulmonalklappe während der Inspiration und Exspiration (▶ Abb. 12.4). Das Ausmaß dieser Veränderungen der maximalen Flussgeschwindigkeit (Δv) oder des Flusses (ΔVTI, Velocity Time Integral) ist umso höher, je ausgeprägter die Hypovolämie eines individuellen Patienten ist und dient daher auch als Prädiktor für eine positive Antwort auf Volumensubstitution. Ein Δv > 12 oder ein ΔVTI > 20 % ist ein Prädiktor für eine positive Antwort auf Flüssigkeitsgabe. 12 V Exsp Insp Abb. 12.4 Aortenflussprofil mit respiratoischer Variation bei mechanischer Beatmung. Die rote Kurve zeigt die respiratorische Variation der maximalen Geschwindigkeit (vmax) des CW-Flussprofils über die Aortenklappe. Δv > 12 %, ΔVTI > 20 %. Insp: Inspiration, Exsp: Exspiration. 91 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. nur eine geringe Veränderung des intrakardialen Füllungszustands und somit des Schlagvolumens bewirken. Im Gegensatz dazu wird bei Patienten, die sich im steilen Teil der Frank-Starling-Kurve befinden, jede Veränderung der intrathorakalen Druckverhältnisse auch eine ausgeprägte Veränderung der Flussverhältnisse und des Schlagvolumens im Ablauf der Respiration bewirken. Diese Veränderungen machen sich die dynamischen Parameter zur Beurteilung des Füllungszustandes und der Ansprechbarkeit auf Volumen zunutze.