Beton – der Baustoff für anspruchsvollen Hochbau

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07 Holcim_BauPortal 26.02.13 15:55 Seite 2
Beton –
der Baustoff für anspruchsvollen Hochbau
18. Holcim Betontagung
Zur Veranstaltung der Holcim (Schweiz) AG,
diesmal in der ETH Hönggerberg in Zürich,
kamen zahlreiche Fachleute – teilweise auch
aus dem benachbarten Ausland. Die Betontagung befasste sich mit neuen Herausforderungen im Betonbau, wie hochfesten Stützen, modularer Bauweise, schlanken und vorgespannten Konstruktionen oder mit textiler
Bewehrung. Mit ausgefeilten Rezepturen,
neuartigen Materialien und objektspezifischen Eigenschaften erfüllt Beton auch die
höchsten Anforderungen eines anspruchvollen Hochbaus. Gezeigt wurde, was der Baustoff alles kann, mit einem Überblick über
den neuesten Stand der Technik und des Normenwesens sowie mit konkreten Beispielen
aus der Praxis.
Peter Wellauer (Bau- und Anwendungstechnik Zementhersteller Holcim Schweiz AG)
eröffnete die Fachtagung und wies darauf
hin, dass einige Gebäude ohne die Festigkeit
und Formbarkeit von Beton nicht ausführbar wären. Deshalb wurden auf der Holcim
Betontagung solche Gebäude präsentiert,
deren Architektur den Baustoff Beton verlangten. Danach berichtete Prof. Dipl.-Ing.
ETH Thomas Vogel (ETH Zürich) über wichtige Forschungsvorhaben, die zu Neuentwicklungen im Betonbau beigetragen haben.
Tragwerk des höchsten Hochhauses
in der Schweiz
Der kürzlich fertiggestellte Prime Tower in
einem ehemaligen Industriegelände Zürichs
ist das höchste Hochhaus der Schweiz (295
Mio. € Baukosten), 126 m hoch mit 36 Stockwerken (228. 000 m3 umbauten Raum) mit
Ortbeton-Skelettbau [4].
Die vertikale Lastabtragung erfolgt über die
im mittig liegenden Kern eingespannten Ortbetondecken (25 und 28 cm, 7,5 und 9,5 m
Spannweite) zu den Fassadenstützen aus
hochfestem Beton mit hohem Armierungsgehalt. Die Kernwände in Ortbeton schwinden und kriechen stärker als die vorgefertigten Stützen, was bei der Ausbildung der
Bodenplatte berücksichtigt wurde.
Bei der horizontalen Stabilität in Gebäudequerrichtung ist der Wind die maßgebende
Einwirkung, in Gebäudelängsrichtung das
Erdbeben. Dank der verhältnismäßig hohen
Normalkraft aus dem Gebäude, können die
Kernwände diese Druckspannungen aufnehmen. Das Hochhaus kann durch Wind
dynamisch angeregt werden. Die Auslenkung bei einem 10-jährigen Sturm wird
21 cm betragen, das ist 1/600 im Verhältnis
zur Höhe.
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Damit der Limmatschotter als Grundwasserleiter möglichst wenig beeinträchtigt wird,
ist die Bodenplatte nur 2,20 m dick. Zusammen mit den 79 Bohrpfählen der Gründung
von 1,0 m Durchmesser und 15–35 m Länge
werden die Setzungen möglichst gering gehalten. Zur Überprüfung der Pfahlstauchung
und -setzungen während und nach der Bauzeit wurden Gleitmikrometer installiert.
Der Turm wurde in ganzer Höhe ohne Fassadengerüst errichtet und durch den Einsatz
von Doka-Selbstkletterschalung (SK 50 plus)
die Bauzeit wesentlich verkürzt. Äußeres
Kennzeichen des Turms ist seine grün schimmernde Glasfassade (21.000 m2). Die wegweisende Nachhaltigkeit des Turms wurde
durch das internationale Gütesiegel LEED
(Leandership in Energy and Environmental
Design) in Gold ausgezeichnet [4].
Änderungen bei den Betonnormen
Es wurden die wichtigsten Änderungen der
Betonnormen über Bemessung, Ausführung,
Baustoffe, Prüfungen und Erhaltung sowie
der Merkblätter über nichtrostende Bewehrungsstähle, Recyclingbeton und AAR erläutert. Für die Überarbeitung und Ergänzung
hinsichtlich Brand/Feuer, Mindestbewehrung
und Ermüdung sowie Vorfertigung, Faserbeton und Befestigungen werden derzeit
besondere Arbeitsgruppen gebildet.
Textilbewehrter Spritzbeton
Bauen im Bestand hat heutzutage eine
große Bedeutung, wobei eine Erhöhung der
Lebensdauer im Sinne der Nachhaltigkeit
und des Werterhalts angestrebt wird. Spritzbeton und Betonstahlbewehrung haben
sich für die Instandsetzung und Verstärkung
von Stahlbetonbauwerken bewährt. Besonders der verfahrensbedingte gute Verbund
zwischen Spritzbeton und Untergrund ist
ein Entscheidungskriterium für diesen Baustoff.
Ersetzt man den Stahl durch textile Flächengebilde aus Hochleistungsfasern, entsteht
ein textilbewehrter Beton. Dieser neue Verbundbaustoff erlaubt sehr dünnwandige
Bauteile, die in Verbindung mit der Formbarkeit der textilen Bewehrung eine völlig neue
Anwendung des Baustoffs Beton ermöglichen und die Planungsfreiheit von Architekten und Ingenieuren enorm erweitern. Mit
dünnen Textilbetonschichten kann die Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit von
Stahlbetonbauteilen deutlich erhöht werden.
Beim Herstellen einer textilbewehrten Verstärkungsschicht werden feiner Spritzmörtel
und textile Bewehrung abwechselnd in mehreren Lagen auf einem vorbereiteten Stahlbetonuntergrund aufgebracht (< 20 mm Gesamtdicke). Die textile Bewehrung ist nicht
korrosionsanfällig und benötigt nur 3 mm
Deckung. Da die Textilien in den feinen
Spritzmörtel leicht eingedrückt/eingebettet
werden, sind Spritzschatten wie beim Einspritzen von Stahlbewehrung ausgeschlossen. Mit einer bauaufsichtlichen Zulassung
ist für die Anwendung in Deutschland eine
Zustimmung im Einzelfall erforderlich.
Aktualität der Betonschalen
Die unverkennbare Kuppel des Shoppingcenters in Chiasso sollte ursprünglich aus
Holz oder Stahl bestehen. Doch Holz nahm
viel zu viel Platz in Anspruch und Stahl war
ungeeignet, weil sich die Ausbildung der
konstruktiven Einzelheiten als zu schwierig
herausstellte. Deshalb entschied man sich
für eine Betonschale (Abb. 1–3). Dank ihrer
doppelten Krümmung erlaubt dieses Bauteil
große weite Spannweiten mit einer Betonstärke von wenigen cm. Im Falle des 5-stöckigen Shoppingcenters in Chiasso hat die
bis 22 m hohe Betonschale die Form eines
Ellipsoids (93 x 52 m) mit 10–12 cm Wandstärke aus bewehrtem Trockenspritzbeton
auf Holzschalung.
Abb. 1:
5-geschossiges
Shoppingcenter
in Chiasso mit als
Ellipsoid geformter
Betonschale als
Gebäudehülle
(Foto: A. Muttoni, Mendrisio)
www.baumaschine.de/Betontechnik – BauPortal 3/2013
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Abb. 2: Innenseite der Betonschale mit Geschossdecke (Foto: A. Muttoni, Mendrisio)
Betonschalen sind eine wettbewerbsfähige
und wirtschaftliche Lösung für eine Vielzahl
von Bauwerken, wie Silos, Kühltürme und
Dächer. Durch ihre Anpassungsfähigkeit lassen sich architektonische Meisterwerke erfolgreich verwirklichen.
Ein Zukunftslabor für Forschung
und Technologietransfer im Bau
Die Notwendigkeit der Erneuerung und Weiterentwicklung des Gebäudeparks hat angesichts der neuen Energiepolitik und des Bevölkerungswachstums noch weiter an Aktualität gewonnen. Während die Forschung mit
Hochdruck an der Weiterentwicklung neuer
Materialien, Komponenten, Systemen und
Prozessen arbeitet, leidet der Bausektor darunter, dass sich Innovationen vergleichsweise sehr langsam auf dem Markt durchsetzen. Grund dafür ist die Risikoaversion der
Investoren, so lange deren Tauglichkeit nicht
nachgewiesen ist. Mit dem Forschungsprojekt „NEST“ der ETH Zürich und Lausanne
sowie der EMPA (Eidgenössisches Materialprüfamt) Dübendorf bietet sich nun ein Aus-
Abb. 3: Außenansicht der Betonschale (Foto: A. Muttoni, Mendrisio)
weg [5]. NEST ist ein umgestülptes Labor, bei
dem die Forschung außen statt innen stattfindet (Abb. 4a–c). Ein Kern mit auskragenden Platten dient als Grundinfrastruktur für
die 600 m2 großen, durch Steigzonen erschlossenen Stockwerke darüber, worin von
der EMPA genutzte Wohn- und Büroräume
eingerichtet werden. Damit eine maximale
Flexibilität für die Erprobung neuer Technologien gegeben ist, können praktisch jederzeit
Änderungen in den eingerichteten Wohnund Büroräumen vorgenommen werden.
Um möglichst viele Erkenntnisse zu gewinnen, werden themenabhängig in den Räumen periodisch einzelne Komponenten erneuert oder ganze Einrichtungen zurückgebaut und durch neue Generationen ersetzt.
NEST wird damit ein in sich ständig im Wandel befindliches Gebäude sein, in dem immer
wieder neue Konzepte (Abb. 5) unter realen
Bedingungen auf ihre Praxistauglichkeit
erprobt werden können. Dabei geht es auch
um die Gebäudehülle, Komfort, Energie, Wasserverbrauch, Automatisierung und neue
Materialien.
Abb. 4a: NEST-Gebäudeskelett (backbone) Abb. 4b: NEST in weiterer Ausbaustufe
Die Referate stehen zum Download zur
Verfügung www.holcim.ch. Die 19. Holcim
Betontagung wird 2013 wieder in der ETH
in Zürich stattfinden. Beton wird auch in
Zukunft zu den bedeutendsten und meist
verbauten Baustoffen der Welt zählen.
Literatur
[1] Betonbau – Neue Herausforderungen.
16. Holcim Betontagung. BauPortal 11/
2010, S. 670
[2] Beton – Baustoff für die Infrastruktur.
17. Holcim Betontagung. BauPortal 3/
2012, S. 47
[3] Müller, W.: Holcim – eine bewegte
Erfolgsgeschichte. 100-Jahre-Jubiläum
eines Schweizer Unternehmens. Schweizer BauJournal SBJ 5/2012, S. 21
[4] Stadler, R.: Prime Tower Zürich, zeitgemäßes Wahrzeichen. SBJ 1/2012, S. 10
[5] Empa Gebäudelabor macht Experimente
am Bau möglich. Städtebau der Zukunft.
SBJ 5/2012, S. 29
Dipl.-Ing. Gunther Brux
Freier Baufachjournalist
Abb. 5: Ganzheitlicher Ansatz der verschiedenen Forschungsmodule
(Foto: P. Richter, EMPA Dübendorf)
Abb. 4c: NEST in noch weiterer Ausbaustufe, die Forschungsmodule können unabhängig voneinander montiert und entfernt werden (Fotos: P. Richter, EMPA Dübendorf)
BauPortal 3/2013 – www.baumaschine.de/Betontechnik
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