Drei FälIe von vertikaler akkommodativer Vergenz

Werbung
136 Kim Monaisbi Augenheilkd 1993; 202
Drei FälIe von vertikaler akkommodativer Vergenz
M. Graf
Augenklinik fur Schielbehandlung und Neuroophthalmologie der Justus-Liebig-Universitat GieBen (Leiter: Prof. Dr. H. Kaufmann)
Kasuistik
Zusammenfassung
urn die durch den Verlust des Fusionsvermogens bedingte Dekompensation einer zuvor kompensierten supranukleären Storung zu handeln.
Schliisselwörter: Vertikale akkommodative Vergenz
Vertical Accommodative Vergence
Three cases of vertical accommodative vergence have
been observed. One patient is described in detail. His
right eye had become blind after a trauma. He showed a
vertical vergence triggered by accommodation that had
not been seen before his loss of sight. The strabismic eye
deviated upwards during desaccommodation and downwards during accommodation. This unusual phenomenon
could he due to a congenital supranuclear abnormality
which became apparent only after the loss of binocular
vision.
Key words: Vertical accommodative vergence
Einleitung
Der Begriff der vertikalen akkommodativen Vergenz
wurde kürzlich von Klein-S cha rff und Komnwrell
(1991) eingefilhrt, die in einem Zeitraum von acht
Jahren funf derartige Fälle beobachten konnten. Wir
stellen drei weitere Fälle von vertikaler akkommodativer Vergenz vor, die uns innerhalb von sechs Monaten auffielen. Die Befunde eines dieser Patienten, bei
dem sich die Storung nach unfallbedingter Erblindung des rechten Auges manifestiert hat, sollen ausfuhrlich geschildert werden.
KIm Monatsbl Augenheilkd 1993: 202:136—137
1993
F. Enke Verlag Stuttgart
Der Patient 1 suchte unsere Klinik mit dem Wunsch der
operativen Schielbehandlung auf. Der 3ljahrige Patient hatte irn Alter von neun Jahren eine perforierende Verletzung
des rechten Auges erlitten, weiches seither blind ist. Vor
dem Unfall sei niernals em Schielen beohachtet worden.
Auf einer gut beurteilbaren Fotografie, die den Patienten in
seinem funften Lebensjahr ahbildet, war nach Hornhautreflexen kein Strabismus erkennbar. Bereits wenige Wochen
nach dem Unfall sei eine zunehmende Abweichung des
rechten Auges aufgefallen. Es konnte nicht angegeben werden, ob dabei nur das AuBen- oder bereits auch em Hohenschielen vorlag. Eine Fotografie aus dem neunten Lebensjahr zeigt auBer der nasal unten befindlichen Hornhautnarbe eine deutliche Exo- und Hypertropie.
Bei der Untersuchung am 12. 10. 1990 bestand eine rechts-
seitige Amaurose. Bindehaut, Hornhaut und Iris wiesen
Narben auf. Wegen Seclusio pupillae war kein Funduseinbuck moglich. Echografisch war eine totale Netzhautablösung nachweisbar. Am linken Auge bestand voller Visus bei
einer Hypermetropie von 2,0 dpt und einer Akkommodationsbreite von 7 dpt. Folgende Schielwinkel wurden nach
Hornhautreflexen gemessen:
Ferne (5 in): PP —14° +VD 10°, Aufblick —18° +VD 8°,
Abblick — 8° + VD 8°, Rechtshlick — 14° + VD 6°, Linksbuck — 10° +VD 8°. NShe (30 cm): PP —20°, keine VD.
Nach doer kombinierten Divergenzoperation 4/4 mit 8 mm
Rucklagerung des M. obi. inf. am rechten Auge am 20. 8.
1991 bestand in PP anfanglich keine Horizontalabweichung.
Das Hohenschielen wies bei 6 ambulanten Kontrollen Werte von —VD 2° his +VD 10° fur die Ferne und keiner VD
bis —VD 6° für die Nahe auf, mit einem durchschnittlichen
Fern-Nah-Unterschied von 7,5°. Da sich erneut eine Exotropie entwickelte, wurde am 21. 8. 1992 eine zweite Divergenzoperation 4/4 am rechten Auge durchgefuhrt. Die bei
der letzten Kontrolle am 16. 10. 1992 gemessenen Winkel
gehen aus den Tabellen 1 und 2 hervor.
Tabelle 2 zeigt, dalI es sich hei dem Hohenschielen nicht urn
einen Strabismus deorsoadductorius handelt. Allein aufgrund des vorhandenen dissoziierten Hahenschielens, also
z.B. helichtungsbedingt durch die akkommodative Miosis,
ist die Vertikalvergenz bei Naheinstellung ebenfalls nicht
erklSrbar, denn die durch em Dunkelrotglas vor dem linken
Auge bewirkte Senkung des rechten Auges blieb stets deutlich geringer als die vertikale akkommodative Vergenz.
Die Schielwinkel der beiden anderen Patienten sind in Tabelle 3 aufgefUhrt. Messungen erfolgten jeweils bei Fern- (5
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
Bei 3 Patienten wurde eine vertikale akkornmodative
Vergenz beobachtet. Exemplarisch wird em Patient vorgestellt, der posttraumatisch auf dem rechten Auge erblindet war und jetzt bei Akkornmodation eine vor dem
Trauma nicht beobachtete vertikale Vergenz aufwies.
Das schielende Auge wich bei Ferneinstellung nach
ohen, hei Naheinstellung nach unten ab. Es scheint sich
Kim Monatshi Augenheiikd 1993; 202 137
Drei Fälle von vertikaler akkommodativer Vergenz
Tab. 1 Tieferstand und Esotropie des rechten Auges bei Akkommodationsforderung durch Minusglaser (unter Visuskontrolle) bei Fernfixation, gernessen nach Hornhautreflexen. Maximale durch Dunkelrotglas provozierbare Anderung der Hypotropie:
8°. Patient 1
Akkommodation
Esotropie
Odpt
2 dpt
100
3°
3°
14°
18°
22°
27°
15°
20°
20°
20°
7°
3dpt
4dpt
5 dpt
6 dpt
Tab. 2 Tieferstand des rechten Auges rn Seitblick. Patient 1
Blickrichtung
30° 20°
Vertikaldeviation
Rechtsblick
Linksblick
1°
3°
10°
PP
100
20°
30°
30
3
3°
0°
00
Abb. 1 Positive Vert:kalvergenz und Konvergenz bei Akkommodation. Patient 2. Oben: Ferneinstellung. Unten: Naheinstellung
der Binokularitat scheint es sich im vorliegenden Fall
Tab. 3 Horizontale urid vertikale akkornrnodative Vergenz von
3 Patienten bei 3 dpt Akkomrnodation
urn die Manifestation einer zuvor fusional kompensierten Storung zu handein. Es ist allerdings durchaus
vorsteilbar, daB die vertikale akkommodative Vergenz auch als erworbene Storung vorkornrnen kann.
In alien drei Fallen kann nur die These einer supranukleären Fehlschaltung angenommen werden. wie sic
von Kiemn-Scharff und Kommereli aufgestellt wurde.
Die Tatsache, daB wir bereits in einern reiativ kurzen
Zeitraum drei Fälle sehen konnten, spricht fur eine
höhere Inzidenz der vertikalen akkommodativen
Vergenz, als man hätte erwarten können, nachdern
m) und Nahfixation (33 cm) sowie unter Vorgabe von Plushzw. Minusglasern. Auch bei diesen beiden Patienten. die
angeblich seit fruhester Kindheit geschielt hatten, erfolgte
die Winkelmessung wegen hochgradiger Amblyopie (LP)
bzw. exzentrischer Fixation (Visus 0,5) nach Hornhautreflexen. Wie im dargesteliten Fall war die Hohenabweichung
nicht durch einen Strahismus surso- bzw. deorsoadductorius
erklSrbar. In beiden Fallen konnte unter Verwendung des
Dunkelrotglases ebenfalls em dissoziiertes Hohenschielen
nachgewiesen werden. Bemerkenswert ist, daB die akkommodative Vergenzbewegung des amblyopen Auges in allen
Fallen nach unten gerichtet war (Abb. I oben und unten).
Diskussion
Patient I zeigt eine vertikale akkommodative Vergenz nach Erblindung des rechten Auges. Aufgrund
des fruhzeitigen Schielbeginns nach Unterbrechung
das Phanomen unseres Wissens erst 1991 heschrieben
worden ist.
Literatur
Klein-Scharff U, Ko,nmerell G. Vertikale akkommodative Vergenz.
Kim Monatsbl Augenheiikd 1991 199: 344—345
Manuskript erstmalig eingereicht am 24. 11. 92. in der vorliegenden
Form angenommen am 12. 1. 93
Dr. med. Michael Graf
Augenklmnik für Schielbehandlung und Neuroophthalmologie
der Justus-Liehig-Universttät
FriedrichstraBe 18
6300 Giellen
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
Hypotropie
Herunterladen