Stellenwert der Liquid Biopsy in der Therapiesteuerung des

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Diagnostik in der Onkologie
Stellenwert der Liquid Biopsy in
der Therapiesteuerung des
Kolonkarzinoms
Alexander Baraniskin, Wolff Schmiegel
Die „Personalisierte Medizin“ stellt einen Meilenstein in der Entwicklung der modernen Onkologie dar. „Personalisiert“ bedeutet hier, dass man eine bestimmte Krebserkrankung nicht mehr nur mit einer Chemotherapie mit breiter
und mehr oder weniger guter Wirksamkeit behandelt, sondern mit einem speziÞschen Medikament, das bei einer
Subgruppe von Tumoren hochselektiv Wirkung zeigt. Diese Subgruppen wiederum werden meist durch molekulare
Diagnosemethoden bestimmt. Unabdingbar für den Einsatz personalisierter Therapien in der Krebsmedizin ist daher
die Erstellung des molekularen ProÞls des Tumors. Das geschieht derzeit standardmäßig aus dem operativ entfernten
Tumorgewebe oder aus Biopsien. Seit Kurzem ist es möglich, das molekulare ProÞl des Tumors durch Charakterisierung der im Blut des Patienten frei zirkulierenden Tumor-DNA schnell und zuverlässig zu erstellen. Die hochsensitiven
Verfahren, die den Nachweis der genetischen Alterationen aus dem Blut gestatten, werden unter dem Begri΍ „Liquid
Biopsy“ zusammengefasst. Die Analyse von frei zirkulierender DNA erlaubt außer einer nicht-invasiven kontinuierlichen Überwachung des Therapieansprechens auch die IdentiÞzierung erworbener Resistenzmechanismen.
Das kolorektale Karzinom (KRK) ist
die dritthäufigste Krebserkrankung in
Deutschland. Jährlich erkranken über
60.000 Menschen, etwa 30.000 sterben an
Darmkrebs, der damit die zweithäufigste
krebsbedingte Todesursache in Deutschland ist [1]. Das Risiko, im Laufe des Lebens an Darmkrebs zu erkranken, liegt
aktuell bei ca. 5% [2].
Bereits bei der Diagnose des kolorektalen Karzinoms weisen ca. 25% der Patienten Metastasen auf (synchrone Metastasierung). Weitere 25% der Patienten entwickeln metachrone Metastasen, d. h. diese
Metastasen kommen erst im Verlauf der
Erkrankung zum Vorschein [3]. Bei diesen
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Patienten ist eine Chemoimmuntherapie in
der Regel die einzige Therapieoption. Umso essenzieller ist es bei dieser kritischen
Patientengruppe, die optimale, auf den
einzelnen Patienten und seine Erkrankung
zugeschnittene Therapie auszuwählen.
Eine Therapie mit Antikörpern gegen
den Rezeptor für den Epidermal Growth
Factor (EGFR) verlängert das Überleben
von Patienten, deren Tumoren keine Mutationen im KRAS- und im NRAS-Gen
bzw. einen RAS-Wildtyp aufweisen. Insbesondere gilt das für linksseitige Karzinome. Insgesamt findet sich bei ca. 50%
aller Patienten mit fortgeschrittenen kolorektalen Karzinomen ein RAS-Wildtyp
[4]. Bei mutiertem RAS-Status oder bei
nicht durchgeführter Bestimmung des
RAS-Status ist die Verabreichung eines
Antikörpers gegen den EGFR nicht erfolgreich und daher nicht zugelassen. Laut der
aktuellen S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“ gehört die Bestimmung des RASStatus zur Standarddiagnostik vor der
Einleitung der palliativen Chemotherapie
[5].
Der derzeitige Goldstandard ist die
Bestimmung des RAS-Mutationsstatus
aus dem Gewebe. Dafür ist die Entnahme
einer Gewebeprobe/Biopsie z. B. durch
einen chirurgischen Eingriff oder durch
eine Punktion notwendig. Jedoch ist die
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Nachweis des RAS-Status von metastasierten
Darmkrebspatienten aus dem Blut
Q Analyse von 34 Mutationen in den KRAS- und NRAS-Onkogenen
Q Echtzeit-Informationen zur Tumordynamik
Q Verlaufskontrolle durch Mehrfachmessungen zur Erkennung
des Therapieansprechens und der Resistenzentwicklung
Q Schnelle Verfügbarkeit der Ergebnisse
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Go Beyond Biopsy with Blood
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Interpretation der Ergebnisse hier durch
intra- und interläsionale Heterogenität des
Karzinoms limitiert [6, 7]. Durch eine Biopsie kann man sich einen Überblick über
einen Ausschnitt des Tumors verschaffen.
Jedoch werden die pathologischen Veränderungen bzw. molekulargenetischen Profile in angrenzenden Tumorbereichen oder
anderen Tumormanifestationen wie Fernmetastasen, die folgenschwer für die Therapiewahl sein können, nicht erfasst. Bezogen auf den RAS-Status liegt die interläsionale Heterogenität bei ca. 20% [8, 9].
Genomische Instabilität und klonale
Selektion begünstigen die Entstehung von
Tumorheterogenität. Außerdem gilt, dass
die molekulargenetischen Profile der einzelnen Tumormanifestationen desto heterogener sind, je aggressiver die Tumorerkrankung wächst [5]. Insbesondere während der
Behandlung kann es durch unterschiedliche
Empfindlichkeit der einzelnen Klone gegenüber der Therapie zur klonalen Umverteilung und damit zu Änderungen des molekularen Profils des Tumors kommen. Um
die Tumorheterogenität mittels einzelner
Biopsien erfassen zu können, müsste man
simultan an mehreren Stellen des Tumors
biopsieren. Dynamische Veränderungen
wären nur mittels der Durchführung von
sequenziellen Biopsien zu erfassen. Diese
Belastung durch invasive Eingriffe ist dem
Patienten nicht zuzumuten, sodass es nichtinvasiver Lösungen bedarf.
Den RAS-Mutationsstatus
aus dem Blut bestimmen
In den letzten Jahren wurden einige
Methoden entwickelt, die mit hoher Sensitivität zielgerichtet einzelne Mutationen
in der zirkulierenden DNA quantitativ
nachweisen und unter anderem auch die
Bestimmung des RAS-Mutationsstatus
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aus dem Blut ermöglichen. Diese Untersuchungen werden unter der Bezeichnung
„Liquid Biopsy“ zusammengefasst
(Abb. 1). Der Tumor bzw. einzelne Mutationen können mithilfe von aus dem Blut
der Patienten isolierten freien zirkulierenden DNA-Abschnitten der Tumorzellen
charakterisiert werden [10, 11]. Die Menge
an freier DNA, die man aus dem Plasma
isolieren kann, ist sehr gering: Ihre Konzentration liegt meist nur zwischen 1 und
100 ng/ml [11]. Methoden, die einen spezifischen Mutationsnachweis im Plasma
ermöglichen, sind u. a. BEAMing (Beads,
Emulsion PCR, Amplification und Magnetic Beads) und ddPCR (digital droplet
hältnis der Kompartimente berechnet, die
die Mutation tragende bzw. den Wildtyp
tragende DNA-Fragmente enthalten.
PCR) und werden wie im Folgenden beschrieben durchgeführt.
Das entscheidende Merkmal beider
Verfahren ist die Verteilung des Reaktionsansatzes auf sehr viele kleine Partitionen/Tröpfchen, in denen die Amplifikation der einzelnen Messsignale unabhängig
voneinander stattfindet. Diese Amplifikate, die als spezifische Messsignale erfasst
werden, entstammen jeweils einem einzigen DNA-Molekül. Je nach Häufigkeit des
Messsignals müssen demzufolge viele
Einzelereignisse erzeugt werden. Die Anzahl an mutierten DNA-Kopien, die in der
Probe enthalten sind, wird über das Ver-
messer von 1 µm. Durch Auf- und AbPipettieren wird die Suspension aus wässriger Lösung, magnetischen Kügelchen
und Öl zu einer Emulsion durchmischt.
Diese enthält Millionen von mikroskopisch kleinen Emulsions-Tröpfchen, von
denen jedes idealerweise ein magnetisches
Kügelchen und ein Fragment der Zielregion (Wildtyp oder Mutante) enthält.
Die Zielsequenzen in den EmulsionsTröpfchen werden nun in der sogenannten
Emulsions-PCR weiter amplifiziert. Die
DNA-Fragmente (Wildtyp oder Mutante)
binden an die universellen Primer, die an die
magnetischen Kügelchen in einem Emulsi-
Das BEAMing-Verfahren
Im ersten Schritt des BEAMing-Verfahrens (Sysmex Inostics) wird zellfreie
DNA aus 3 ml Plasma isoliert. Anschließend werden die Zielregionen in einem
Multiplex-PCR-Schritt mithilfe von unterschiedlichen Primer-Paaren amplifiziert
und in eine wässrige Lösung mit weiteren
Primer-Paaren und Öl überführt.
Einer der Primer befindet sich dabei
gebunden auf der Oberfläche eines magnetischen Kügelchens mit einem Durch-
Hirnmetastasen
Lebermetastasen
Primärtumor
Zellfreie DNA im Blut
Abb. 1: Das Prinzip der Liquid Biopsy: Zellfreie Tumor-DNA aus dem Blut kann analysiert werden – unabhängig davon, wo der Tumor lokalisiert ist und ohne dass invasive Eingri΍e notwendig sind.
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ons-Tröpfchen gekoppelt sind, und werden
durch die Polymerase amplifiziert. Dabei
werden tausende von Kopien des DNAFragments an die Oberfläche der magnetischen Kügelchen gekoppelt. Im Hybridisierungsschritt werden die Kügelchen re-suspendiert und im Falle der Bestimmung des
RAS-Mutationsstatus sowohl zwölf basenspezifische, Fluoreszenz-markierte RASWildtyp-Sonden als auch 34 basenspezifische, Fluoreszenz-markierte RAS-Mutations-Sonden mit den DNA-Fragmenten
hybridisiert. Die Intensität des Messsignals –
eines sequenzspezifischen Fluoreszenzsignals, das mittels FACS-Analyse gemessen
wird – korreliert mit der Zahl der Einzelereignisse und damit mit der Konzentration
des entsprechenden DNA-Moleküls im
Ausgangsmaterial. Mit der BEAMing-Technologie lassen sich Mutationen mit Frequenzen von bis zu 0,01‰ mutierter DNA vor
Wildtyp-Hintergrund detektieren [11].
Das Droplet Digital PCR-Verfahren
Auch beim ddPCR-Verfahren wird im
ersten Schritt zellfreie DNA aus 3 ml Plasma isoliert. Beim Verfahren des Unternehmens Bio-Rad oder RainDance Technologies werden anschließend die Zielregionen
in einer sogenannten Droplet Digital PCR
mithilfe spezifischer Primer-Paare in einer
Wasser-Öl-Emulsion in kleinste TröpfchenVolumina partitioniert. Die Verteilung soll
so erfolgen, dass statistisch nur ein Ausgangs-DNA-Fragment in einem Tröpfchen
zusammen mit den Primer-Paaren, PCREnzymen und sequenzspezifischen Sonden
zu finden sind. Die Tröpfchen werden
durch ddPCR-Puffersysteme so stabilisiert,
dass ein Wiederverschmelzen verhindert
wird und eine Homogenität des TröpfchenVolumens erreicht werden kann.
Nach Herstellung der Nanoliter-großen
Mikrokompartimente erfolgt die Amplifi-
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kation des im Tröpfchen eingeschlossenen
DNA-Fragments. Dabei werden sequenzspezifisch Fluoreszenzsignale freigesetzt.
Jedes der dabei entstehenden Zehntausende
fluoreszierender Tröpfchen enthält die vervielfältigte Kopie des Ausgangs-DNA-Fragments und das entstandene sequenzspezifische Fluoreszenzsignal. Enthält das Tröpfchen Fragmente verschiedener Sequenzen,
so entsteht ein gemischtes Fluoreszenzsignal. Anzahl und Art der Fluoreszenzsignale der Tröpfchen können mit einem
geeigneten Durchflusszytometer erfasst
werden. Dass auch bei ungleicher Verteilung der DNA-Fragmente eine Analyse
einzelner Fragmente erfolgen kann, stellt
Die Freisetzung der DNA ins Blut ist
ein physiologischer Prozess. Auch bei
gesunden Menschen ist zirkulierende
DNA im Blut nachweisbar. Seit Jahren ist
die Untersuchung der fetalen frei zirkulierenden DNA im Blut schwangerer Frauen
im Rahmen der Pränatal-Diagnostik im
Einsatz. Bei rheumatischen Erkrankungen oder bei Infektionen wird passager
mehr DNA ins Blut freigesetzt. Jedoch
sind die DNA-Konzentrationen im Blut
von Krebspatienten deutlich höher. Eine
mögliche Erklärung dafür ist neben der
hohen Teilungsaktivität von Tumorzellen
eine erniedrigte DNase-Aktivität bei Tumorpatienten [15].
eine Software-seitig gesteuerte Korrektur
mithilfe einer Poisson-Verteilung sicher.
Im Blut zirkulierende Tumor-DNA
findet sich bis auf wenige Ausnahmen bei
allen Krebserkrankungen, wobei die
Nachweiswahrscheinlichkeit wesentlich
von Tumorstadium, Tumorlast, Vaskularisation, Lokalisation und Anzahl der
Tumorabsiedlungen abhängt [16]. Bei
Patienten mit kolorektalen Karzinomen
im metastasierten Stadium lässt sich die
zirkulierende DNA bei 100% der Patienten nachweisen, in lokal fortgeschrittenen
Stadien jedoch nur bei 73% [16].
Woher kommt die
zirkulierende Tumor-DNA?
Die aktuellen Messergebnisse zeigen,
dass der Mutationsstatus aus dem Blut in
über 90% der Fälle mit dem Mutationsstatus, der direkt aus dem Tumorgewebe
bestimmt wurde, übereinstimmt [12]. Die
Herkunft der zirkulierenden Tumor-DNA
ist noch nicht abschließend geklärt. Aggressive, schnell wachsende Tumorzellen
zeigen einen hohen Zellumsatz im Sinne
von gesteigerter Apoptose und Nekrose.
Immer wenn eine Krebszelle durch Apoptose oder Nekrose abstirbt, werden
DNA-Fragmente freigesetzt und gelangen
so als zirkulierende Tumor-DNA in die
Blutbahn [13, 14]. Die Interpretation der
Messergebnisse wird durch die ungeklärte Frage erschwert, ob alle Tumorzellen
gleich viel Tumor-DNA beisteuern oder
ob Klone mit aggressiverem Wachstum
mehr DNA freisetzen und dadurch durch
die Messungen der zirkulierenden DNA
präferenziell erfasst werden.
Domäne der Liquid Biopsy:
Nachweis von Resistenzmutationen
Dadurch, dass DNA-Spuren unterschiedlicher Krebsabsiedlungen sich im
Blut nachweisen lassen, ermöglicht die
Liquid Biopsy trotz der heterogenen molekularen Profile innerhalb des Tumors
oder zwischen unterschiedlichen Tumormanifestations-Orten eine repräsentative
Charakterisierung der molekularen Veränderungen des Tumors (Abb. 1).
In den meisten Fällen ist bei der Erstdiagnose des kolorektalen Karzinoms eine
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Diagnostik in der Onkologie
ausreichende Menge an Tumor-Primärgewebe vorhanden, um daraus die molekulare Charakterisierung im Sinne der Bestimmung des RAS-Status durchzuführen. Die
Bestimmung des RAS-Mutationsstatus aus
dem Blut stellt zu diesem Zeitpunkt lediglich eine Ergänzung zum Gewebe-basierten
Test dar. Einen deutlich höheren Stellenwert
gewinnt die Liquid Biopsy in der späteren
Therapiephase, und zwar während der
zielgerichteten Therapie durch den Nachweis erworbener Resistenzmutationen. Es
gibt drei Hauptmechanismen, durch die
kolorektale Tumoren eine sekundäre Resistenz gegenüber der Therapie mit AntiEGFR-Antikörpern entwickeln:
• Reaktivierung der nachgeschalteten
Signalübertragungswege, z. B.
KRAS- oder NRAS-Mutationen,
Wildtyp entwickeln unter Therapie mit
EGFR-Antagonisten RAS-Mutationen [16,
18]. Beim Auftreten von RAS-Mutationen
ist die Therapie mit EGFR-Antagonisten
nicht mehr wirksam. Um diese komplexen genomischen Veränderungen detektieren zu können, war bisher die erneute
Biopsie des Tumors unerlässlich.
Eine Identifikation neu auftretender
RAS-Mutationen würde dem behandelnden Arzt frühzeitig den Hinweis darauf
liefern, dass die Therapie an das veränderte Tumorprofil angepasst bzw. umgestellt
werden soll. Dadurch können dem Patienten Nebenwirkungen einer nicht mehr
wirksamen Therapie erspart werden. Verglichen mit Gewebeentnahmen, die nicht
regelmäßig und sequenziell durchgeführt
werden können, ist die nicht-invasive Li-
benen RAS-Mutationen nach Absetzen
dieser Therapie wieder deutlich abnehmen
kann [20]. Das gilt insbesondere für eine
leichtgradige Mutationslast von ungefähr
dem Doppelten des Cut-off-Werts [19].
Dieses Phänomen ist am ehesten darauf
zurückzuführen, dass aufgrund der Therapieänderung eine klonale Redistribution
stattfindet, weil der Selektionsdruck auf
die Zellen ohne RAS-Mutation durch das
Fehlen der Anti-EGFR-Therapie wieder
abnimmt. Hierdurch eröffnet sich die
Perspektive einer erneuten Anti-EGFRTherapie (Abb. 2): Die sequenzielle Bestimmung der RAS-Mutationslast mittels
Liquid Biopsy nach Absetzen der AntiEGFR-Therapie kann dem behandelnden
Arzt Informationen darüber geben, zu
welchem Zeitpunkt der Einsatz der Anti-
• Mutation an dem Locus, an den die
Antikörper binden, z. B. Mutation
der extrazellulären Domäne des
EGF-Rezeptors,
• Aktivierung alternativer Signalübertragungswege, z. B. MET-Amplifikation, Aktivierung von ERBB2 und
Aktivierung nachgeschalteter, intrazellulärer Signalwege.
Die einzelnen Resistenzmechanismen
führen zu verschiedenen Ausprägungen
der Resistenz (relative oder absolute Resistenz) und dadurch auch zu verschiedenen
klinischen Verläufen. EGFR-Mutationen
treten eher bei Patienten auf, die ein Ansprechen auf die Therapie mit Anti-EGFRAntikörpern zeigen [17]. Die RAS-Mutationen hingegen treten eher bei Patienten
auf, die unter der Therapie mit Anti-EGFR-Antikörpern eine lediglich geringgradige Tumorschrumpfung und ein kurzes
progressionsfreies Überleben aufweisen
[17]. Den häufigsten Resistenzmechanismus stellen die erworbenen RAS-Mutationen dar. 44–96% der Patienten mit RAS-
quid Biopsy hervorragend dafür geeignet,
die dynamischen Veränderungen des Tumors zu charakterisieren. Das Fehlen von
RAS-Mutationen im Blut kann ein spezifischer Marker für Therapieansprechen
sein, denn erste prospektive Daten zeigen,
dass Patienten, die ein Langzeit-Ansprechen auf die Anti-EGFR-Therapie zeigen,
keine in der Liquid Biopsy nachweisbaren
RAS-Mutationen entwickeln [19].
Erst kürzlich wurde gezeigt, dass die
Last der unter Anti-EGFR-Therapie erwor-
EGFR-Therapie wieder effektiv sein kann.
Noch sind allerdings klinische Studien
notwendig, um zu demonstrieren, dass
dieses Konzept tatsächlich zu einer Überlebensverbesserung führt.
Bei Patienten, die eine hochgradige
Mutationslast entwickeln (ca. das Zehnfache des Cut-off-Werts), muss man von einer
Persistenz der RAS-Mutation ausgehen. Ein
rasanter Anstieg der Mutationslast ist mit
einer schlechten Prognose assoziiert [19].
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Anti-EGFRhaltige Therapie
RAS-Mutationen
RAS-Status mittels
Liquid Biopsy
Anti-EGFR-freie
Therapie
Keine
RAS-Mutationen
Abb. 2: Das Prinzip der Therapiesteuerung durch Ermittlung des RAS-Mutationsstatus mittels Liquid
Biopsy.
Trillium Krebsmedizin 2017; 26(3)
Diagnostik in der Onkologie
Abschätzung des Rezidivrisikos
Ein weiteres vielversprechendes Einsatzgebiet für die Liquid Biopsy ist die
Abschätzung der Rezidiv-Wahrscheinlichkeit beim kolorektalen Karzinom.
Kürzlich wurde an einem Kollektiv von
250 Patienten mit kolorektalen Karzinomen des Stadiums II gezeigt, dass nach
einer formalen R0-Resektion bei weiterhin nachweisbarer zirkulierender TumorDNA und fehlender adjuvanter Therapie
das Rezidivrisiko bei 100% liegt. Hingegen rezidivieren Patienten, bei denen
postoperativ die zirkulierende TumorDNA nicht detektierbar ist, lediglich in
9% der Fälle [21]. Falls diese Daten an
einem größeren Kollektiv bestätigt werden, kann diese Methode eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Indikation zur adjuvanten Chemotherapie
spielen. Im Gegensatz zu den bekannten
Risikofaktoren für ein Tumorrezidiv im
Stadium II, wie der lymphovaskulären
Invasion oder der Anzahl der entnommenen Lymphknoten, stellt die zirkulierende DNA gemeinsam mit dem T-Status bei
Diagnose (T3 oder T4) auch in der multivariaten Analyse einen signifikanten Risikofaktor für ein Rezidiv dar [21].
Außerdem wurde an einzelnen Fällen
gezeigt, dass die postoperativ zunächst
nachweisbare zirkulierende Tumor-DNA
unter adjuvanter Chemotherapie unter
die Nachweisgrenze sinkt. Diese Ergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass auch bei
Patienten mit einem hohen Rezidivrisiko
von 100% Rezidive durch effektive adjuvante Therapie vermeidbar sind und dass
die Messung der zirkulierenden TumorDNA den Anteil der durch die Operation
und eine adjuvante Chemotherapie geheilten Patienten erhöhen könnte [21].
Trillium Krebsmedizin 2017; 26(3)
Im Vergleich zum konventionellen
Tumormarker CEA zeigt die zirkulierende DNA vor dem Rezidiv mehrere Monate früher auff ällige Werte [22].
Fazit
Die Entwicklung hochsensitiver Analyseverfahren ermöglicht den Nachweis
von kleinen im Blut zirkulierenden Tumor-DNA-Fragmenten mittels Liquid
Biopsy. Durch dieses nicht-invasive Verfahren ist der Arzt jederzeit in der Lage,
das genomische Tumorprofil oder die
dynamischen klonalen Veränderungen
im Tumor zu erfassen, die häufig unter
einer gezielten Therapie auftreten und
erworbene Resistenzen offenbaren. Der
Arzt kann dadurch rasch auf Veränderungen im Tumor reagieren. Für den
Patienten bedeutet die Etablierung der
Liquid Biopsy einen Meilenstein in der
personalisierten Therapie. Es ist davon
auszugehen, dass diese Methode in einigen Jahren zur Routinediagnostik bei
hämatologisch-onkologischen Erkrankungen gehören wird.
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PD Dr. med. Alexander Baraniskin
(korrespondierender Autor)
[email protected]
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Prof. Dr. med. Wol΍ Schmiegel
Medizinische Klinik, Universitätsklinikum
Knappschaftskrankenhaus Bochum
In der Schornau 23–25, 44892 Bochum
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