Fachdidaktisches Seminar Geobiologie Verkarstung – am Beispiel von Karsterscheinungen in der Steiermark Helmut Ortner 15.05.2017 1 Verkarstung Einleitung Karst = „steiniger Boden“ (serbokr.) Karstgebiete spezifische Oberflächenformen lösende Wirkung von Grund- und Oberflächenwasser (→ eigener Relieftypus und Wasserkreislauf) weit verzweigte Höhlensysteme besonderes unterirdisches Entwässerungsnetz Abb.1: Schwäbische Alb Arbeitsgrundlage: http://www2.klett.de/sixcms/list.php?page=infothek_artikel&extra=Haack%20WeltatlasOnline&artikel_id=108632&inhalt=klett71prod_1.c.164537.de 2 Verkarstung Voraussetzungen Vorhandensein von Wasser im flüssigen Zustand Löslichkeit des Gesteins karstbildende Gesteine • • • • Steinsalz Gips Kalkstein Dolomit Durchlässigkeit des Gesteins (unterirdische Entwässerung) mineralogische Reinheit des Gesteins 3 Verkarstung Verkarstungsprozess Lösung von Gestein an der Erdoberfläche chemische Verwitterung als grundlegender Prozess Hydrationsverwitterung Lösungsverwitterung (v. a. leicht lösliche Salze) Kohlensäureverwitterung CaCO3 + CO2 + H2O ↔ Ca(HCO3)2 Abb.: Salzkarst Arbeitsgrundlage: http://www2.klett.de/sixcms/list.php?page=infothek_artikel&extra=Haack%20WeltatlasOnline&artikel_id=108632&inhalt=klett71prod_1.c.164537.de 4 Verkarstung eingeschränkte Nutzungsmöglichkeiten von Karstlandschaften ungünstige Reliefgestaltung Begrenzung ertragreicher Böden Wasserarmut Behinderung im Verkehrs- und Wasserbau Einsturz- und Senkungsgefahr Abb.: dinarischer Karst Arbeitsgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Dinarisches_Gebirge#/media/File:Carbonate_platform_of_the_dinaric_alps,_karst_geomor phy_Bijela_gora_Montenegro.JPG 5 Verkarstung Karstformen 6 Tropische Karstformen Kegelkarst in Tropen und Subtropen mit feucht-heißem Klima turmartige Karstberge (Vollformen) mit bis zu 200 m Höhe steile Wände kompliziertes Hohlraumsystem Abb.: Kegelkarst in China Arbeitsgrundlage: http://www2.klett.de/sixcms/list.php?page=infothek_artikel&extra=TERRAOnline%20Lehrerservice&artikel_id=108641&inhalt=klett71prod_1.c.581277.de 7 Tropische Karstformen Kegelkarst (Fs.) intensive Korrosionsvorgänge → Ausbildung von tiefen Hohlformen (= „cockpits“) Beendigung des Tiefenwachstums: mit Erreichen nicht lösungsfähiger Gesteine unterhalb des Karbonatgesteins oder des Niveaus des Vorfluters (Meeresspiegelniveau) Abb.: Karstentwicklung in den Tropen Arbeitsgrundlage: http://www.spektrum.de/lexikon/geowissenschaften/kegelkarst/8261 8 Tropische Karstformen Kegelkarst (Fs.) Folgen der fortgesetzten Korrosion an der Basis der Kuppen: Versteilung der Flanken Ausbildung der typischen Karstkegel (isolierte Formen) steilwandige Karsttürme mit zahlreichen Lösungsformen Abb.: Kegelkarst im Querschnitt Arbeitsgrundlage: http://www.spektrum.de/lexikon/geowi ssenschaften/kegelkarst/8261 9 Karstformen der gemäßigten Breiten Karstformen der gemäßigten Breiten – am Beispiel von Karsterscheinungen in der Steiermark Untersuchungsgebiete: Bereich um den Wildoner Schlossberg und Buchkogel Semriacher Becken und Teile des Tannebenmassivs zwischen Semriach und Peggau (Teil des Mittelsteirischen Karsts) 10 Karstformen der gemäßigten Breiten Wildoner Schlossberg und Buchkogel – Geologie Abgrenzung zwischen dem Grazer und dem Leibnitzer Feld tertiäre Ablagerungen wie Sande, Tone und Lehme Regression der Parathetis → Auffüllung mit Meeressedimenten Abb.: Wildoner Buchkogel Arbeitsgrundlage: eigene Aufnahme. 11 Karstformen der gemäßigten Breiten Wildoner Schlossberg und Buchkogel – Geologie (Fs.) einst flachmariner Bereich → Ausbildung von Leithakalk (hpts. Kalkabscheidungen von marinen Rotalgen) Wechsel von Kalke, Mergel und Sande charakteristisch Abb.: ehemaliger Abbau von Leithakalk im Steinbruch am Wildoner Schlossberg Arbeitsgrundlage: eigene Aufnahme. 12 Karstformen der gemäßigten Breiten Wildoner Schlossberg und Buchkogel – Geologie (Fs.) Abb.: Negativabdruck einer Muschel auf der Burgmauer am Wildoner Schlossberg Arbeitsgrundlage: eigene Aufnahme. 13 Karstformen der gemäßigten Breiten Tannebenmassiv – Geologie zwischen Semriach und Peggau 400-500 m dicke Kalkscholle auf Schieferschicht paläozoisches Karbonatgestein aus dem Devon (Grazer Paläozoikum) – „Schöckelkalk“ reiche Vielfalt an oberirdischen (Exokarst) und unterirdischen Karstphänomenen (Endokarst) Abb.: nördlicher Teil des Untersuchungsgebiets Tanneben. . 14 Karstformen der gemäßigten Breiten Tannebenmassiv . Abb.: Blick Richtung Semriach. Arbeitsgrundlage: eigene Aufnahme. 15 Karstformen der gemäßigten Breiten Tannebenmassiv – Hydrogeologie intensive Verkarstungen gänzlich unterirdische Entwässerung Einzugsgebiet des Lurchbachs im Süden drei Quellaustritte Abb.: Quellaustritt auf Südseite des Tannebenmassivs Arbeitsgrundlage: eigene Aufnahme. 16 Karstformen der gemäßigten Breiten Exogene Karsterscheinungen Karren kleinförmige Karstoberflächenphänomene Lochkarren rundliche, ovale oder gestreckte Hohlformen Regenwasser in kleinen Vertiefungen des Kalksteins → Lösungsprozesse → Ausspülung der gelösten Materialien durch Regen Abb.: Lochkarre mit typischer Hohlform am Wildoner Schlossberg Arbeitsgrundlage: eigene Aufnahme. 17 Karstformen der gemäßigten Breiten Karren Rillenkarren auf entblößten, geneigten und kluftfreien Gesteinsflächen Entstehung durch vom herablaufenden Regenwasser verursachten Lösungstätigkeiten Abb.: Rillenkarre Arbeitsgrundlage: http://static2.bergfex.com/images/dow nsized/81/8623db6332eaa181_e0ba2 3a45352c95e.jpg Kluftkarren ausstreichende Klüfte an Gesteinsoberflächen als Voraussetzung Ausrichtung durch Anpassung an Kluftverlauf 18 Karstformen der gemäßigten Breiten Dolinen geschlossene Hohlformen mit Durchmessern bis zu mehreren hundert Metern meistens Störungen der Kalkbank im Untergrund → linienförmige oder geklasterte Anordnung Abb.: Doline Arbeitsgrundlage: http://agsr.ch/hoehlenfo rschung/karst/ 19 Karstformen der gemäßigten Breiten Einsturzdolinen Zusammenbruch der Höhlendecke Ursachen: sich lösender Kalkstein in einer Höhlendecke Einsturz der Höhlenseiten Absinken des Grundwasserspiegels unter das Niveau der Höhlendecke Abb.: Einsturzdoline Arbeitsgrundlage: https://www.geocaching.com/geocache/GC 4N2VX_die-stadtbergdolinen?guid=b6cf8fa7-2e7c-408f-bec7a31d1896df28 20 Karstformen der gemäßigten Breiten Lösungsdolinen vorhandene Klüfte im darunterliegenden Gestein starke Lösungsabtragung und Transport des gelösten Materials in das Gestein (Grundwasser) flache Mulden oder Schüsseln Abb.: Lösungsdoline am Wildoner Buchkogel Arbeitsgrundlage: eigene Aufnahme Abb.: Lösungsdoline Arbeitsgrundlage: https://www.geocaching.com/geocache/GC4N2VX_die-stadtbergdolinen?guid=b6cf8fa7-2e7c-408f-bec7-a31d1896df28 21 Karstformen der gemäßigten Breiten Sackungsdolinen kleinere Einstürze über einen längeren Zeitraum Verfrachtung und Lösung von Gestein durch Erosion im Untergrund Karstgestein überlagernde nichtlösliche Gesteinsschicht als Voraussetzung Abb.: Sackungsdoline Arbeitsgrundlage: https://www.geocaching.com/geocache/G C4N2VX_die-stadtbergdolinen?guid=b6cf8fa7-2e7c-408f-bec7a31d1896df28 22 Karstformen der gemäßigten Breiten Poljen größte geschlossene Karsthohlformen Becken in einem verkarstungsfähigen Gebiet, das durch karsthydrographische Entwässerung gekennzeichnet ist Wasserlauf → Karstschwinden, sog. Ponore (Schlucklöcher) Abb.: Modell einer sedimentefüllten Polje Arbeitsgrundlage: https://upload.wikimedia.org/wikip edia/commons/1/11/PoljeModell.jpg 23 Karstformen der gemäßigten Breiten Poljen – Semriacher Becken Ponore: Lurbachschwinde im Eingangsbereich der Lurgrotte Katzenbachschwinde nördlich von Pöllau Eisgrube nördlich des Eichbergs Abb.: Die Karstschwinde „Eisgrube“ nordwestlich von Pöllau Arbeitsgrundlage: eigene Aufnahme 24 Karstformen der gemäßigten Breiten Endogene Karsterscheinungen Karsthöhlen Kreuzungsstellen von großen, stark wasserführenden Klüften als Voraussetzung (höhere Lösungsaktivität → Ausbildung von größeren Höhlenkammern) epiphreatische Höhlen Ausbildung im Schwankungsbereich des Karstwasserspiegels phreatische Höhlen (langsamere) Ausbildung unterhalb der dauerhaften Karstwasseroberfläche Neben Lösungsformen auch Erosionsformen 25 Karstformen der gemäßigten Breiten Höhlen im Mittelsteirischen Karst fast 900 Höhlen 510 im Bereich des mittleren Murtals zwischen Graz und Bruck/Mur Tannebenstock: über 230 Höhlen Lurgrotte 6 km Länge, Große Badlhöhle 900 m Länge Abb.: Eingangsportal der Lurgrotte auf Semriacher Seite Arbeitsgrundlage: eigene Aufnahme. 26 Karstformen der gemäßigten Breiten Lurgrotte Höhlensystem im Tannebenmassiv Entstehung aufgrund von Kluftspalten im vorherrschenden Gestein Beginn der Höhlenbildung vor ca. 10 Mio. Jahren Entwässerungsgebiet des Lurbachs (Hammerbach, Schmelzbach) Gewölbe der Dome der Lurgrotte aus grobkörnigen Kalkbänken anthropogen bedingte „Lampenflora“ 27 Karstformen der gemäßigten Breiten Lurgrotte – Ausbildung von Sinterkalken oder Tropfsteinen Stalaktiten an der Deckenoberfläche entstehenden Tropfsteine kalkgesättigtes Sickerwasser trifft bei gleichzeitiger Druckminderung auf CO2 -ärmere Höhenluft → Diffusion von CO2 aus Wasser in die Luft → Ausfällung von Kalk aus der übersättigten Lösung Stalagmiten Bedingt durch Abtropfen von Wasser von der Höhlendecke (Freisetzung von CO2) Abb.: Stalaktiten und Stalagmiten in der Lurgrotte Arbeitsgrundlage: eigene Aufnahme. 28 Karstformen der gemäßigten Breiten Große Badlhöhle rund 50 m oberhalb des Badlgrabens Tierknochen und Knochensplitter vor dem Eingangsportal Sedimentbildung aus Überresten organischer Substanz toter Tiere (Phosphat als Düngemittel) Funde aus prähistorischer Zeit (Werkzeug) Abb.: Eingang zur großen Badlhöhle bei Peggau Arbeitsgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Badlh%C3 %B6hle#/media/File:Badlhoehle_Pegg au.JPG 29 Karstformen der gemäßigten Breiten Danke für die Aufmerksamkeit! 30 Verzeichnis der Arbeitsgrundlagen ABLASSER, G. und TSCHERNY, M. (1987): Die Drachenhöhle bei Mixnitz. – Eigenverlag der Gemeinde Pernegg a. d. Mur, Pernegg a. d. Mur, 12 S. AHNERT, F. (2003): Einführung in die Geomorphologie. – Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart, 3. Auflage, 477 S. (zugehörige Zitation im Text: AHNERT 2003) BAUMHAUER, R. (2013): Physische Geographie 1. Geomorphologie. – Verlag Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 3. Auflage, 144 S. BAUER, Ch., und MARKE, T. (2010): Karstformen und Mensch-Karst-Interaktionen im Mittelsteirischen Graz. – In: GeoGraz 46, S. 26-32. BENISCHKE, R. (1997): Zur Topographie des Raumes Peggau – Tanneben – Semriach. – In: Amt der Steiermärkischen Landesregierung. Landesbaudirektion. Fachabteilung III a. Wasserwirtschaft. Referat II. Wasserversorgung (Hrsg.), Berichte der wasserwirtschaftlichen Planung 80, Graz, S. 1-6. BENISCHKE, R., HARUM, T., STADLER, H. (1997): Zur Hydrologie und Hydrogeologie des Gebietes Peggau – Tanneben – Semriach. – In: Amt der Steiermärkischen Landesregierung. Landesbaudirektion. Fachabteilung III a. Wasserwirtschaft. Referat II. Wasserversorgung (Hrsg.), Berichte der wasserwirtschaftlichen Planung 80, Graz, S. 47-93. 31 BRANDTNER, C. J. (1986): Die Lurgrotte Semriach. Ein geschichtlicher Beitrag der Entdeckung, Erforschung und des Ausbaues der Lurgrotte. – Eigenverlag, Gratwein, 76 S. KUSCH, H. (1994): Die kulturgeschichtliche Bedeutung der Höhlenfundplätze entlang des mittleren Murtales (Steiermark). – Unpubl. Dissertation, Karl-FranzensUniversität Graz, 240 S. KUSCH, H. und KUSCH, I. (1998): Höhlen der Steiermark. Phantastische Welten. Steirische Verlagsgesellschaft, Graz, 160 S. PFEFFER, K.-H. (2010): Karst. Entstehung – Phänomene – Nutzung. – Gebr. Borntraeger Verlag, Stuttgart, 338 S. POCK, B. (1992): Vorschläge für die Schaffung eines Landschaftsschutzgebietes am Wildoner Buchkogel in der Südsteiermark. – Unpubl. Diplomarbeit, Institut für Pflanzenphysiologie, Karl-Franzens-Universität Graz, 81 S. REITER, A. (1974): Lurgrotte. – Lurgrottengesellschaft, Graz und Peggau, 20 S. Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (2014): http://www.austrianmap.at/ (Zugriff: 06/2014) 32