Versuch: DD Erstellt: Fachrichtung Physik Physikalisches Grundpraktikum L. Jahn am 01. 09. 1998 Bearbeitet: M. Kreller J. Kelling F. Lemke S. Majewsky Aktualisiert: am 16. 09. 2009 Drillungen und Drehschwingungen Inhaltsverzeichnis 1 Aufgabenstellung 2 2 Elastische und plastische Verformung 2.1 Mechanische Spannungen im isotropen Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Hooke’sches Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2 2 3 Schubelastizität und Drillung 3.1 Statische Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Dynamische Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 4 4 Anhang 4.1 Zusammenhang zwischen den elastischen Konstanten . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Zur Verdrillung eines elastischen Zylinders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Zum Massenträgheitsmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 5 6 Fragen 6 Literatur 6 Versuch: DD Elastische und plastische Verformung Seite 2 1 Aufgabenstellung Das Schubmodul eines Drahtes ist statisch und dynamisch zu bestimmen. 2 Elastische und plastische Verformung 2.1 Mechanische Spannungen im isotropen Körper Unter der Einwirkung einer äußeren Kraft deformiert sich ein Festkörper. Das Verhältnis aus β = π΄ · βπ heißt Spannung. Je nachdem, wie diese Kraft bezüglich der Kraft πΉβ und Fläche π΄ Normalen βπ der Angriffsfläche gerichtet ist, unterscheidet man zwischen β Normalspannung: π = πΉπ /π΄ β Tangential- bzw. Schubspannung: π = πΉπ‘ /π΄ β allseitigem Druck: π = πΉ/π΄ 2.2 Hooke’sches Gesetz Die mit diesen Spannungen gekoppelten Deformationen βππ , βππ‘ und βπ können reversibel (elastisch) oder bleibend (plastisch) sein. Es gibt die folgenden relativen Verformungen: β relative Längenänderung: π = βππ /π β Schubwinkel: πΎ = βππ‘ /π β relative Volumenänderung: βπ /π Sie hängen mit den auf einem Festkörper lastenden Spannungen wie folgt zusammen: βππ ·πΈ π βππ‘ π = πΎ·πΊ= ·πΊ π βπ βπ = − ·πΎ π π = π·πΈ = 2 (1a) 1,5 (1b) (1c) 1 Bei der Dehnung eines Drahtes beobachtet man weiterhin eine zur relativen Längenänderung π proportionale Verringerung des Drahtdurchmessers π, die Querkontraktion: βπ βππ = −π · (1d) π π Die vier damit definierten elastischen Konstanten eines isotropen Körpers (Elastizitätsmodul πΈ, Schubmodul πΊ, Kompressionsmodul πΎ und Poissonsche Querkontraktionszahl π) sind nicht unabhängig. Vielmehr gilt: πΈ = 3πΎ · (1 − 2π) (2a) πΈ = 2πΊ · (1 + π) (2b) K/E 0,5 G/E 0 0 0,1 0,2 0,3 0,4 Poissonzahl µ 0,5 Abb. 1: Zusammenhang zwischen den elastischen Konstanten [6] Aus Abbildung 1 bzw. aus obigen Gleichungen erkennt man außerdem die folgenden Bedingungen: 0 < π < 0,5 und πΈ πΈ <πΊ< 3 2 Versuch: DD Schubelastizität und Drillung Material πΌ-Eisen Gusseisen Kupfer Zinn Aluminium Blei Nickel Messing πΈ/GPa 211 100 130 50 71 16 200 100 πΊ/GPa 82 35 46 18 26 5,6 76 38 π 0,28 0,25 0,34 0,36 0,35 0,44 0,31 0,37 Seite 3 ππ§ /GPa 2 0,3 0,4 0,04 0,06 0,02 0,50 0,50 Tabelle 1: Richtwerte elastischer Konstanten und der Zerreißfestigkeit [8] [9] Die Tabelle 1 zeigt Richtwerte für elastische Konstanten einiger Metalle, sowie deren Zerreißfestigkeit ππ§ (bezogen auf den Ausgangsquerschnitt π΄0 ). Man beachte, dass die tatsächlichen Werte stark vom Herstellungsverfahren (Gießen, Walzen, Wärmebehandlung, evtl. vorherige überelastische Beanspruchungen) abhängen. 3 Schubelastizität und Drillung 3.1 Statische Methode In diesem Versuch wird die Schubelastizität im Rahmen des Hooke’schen Gesetzes betrachtet. Für eine Vorbetrachtung sei ein isotroper, elastischer Quader der Höhe π an der Basisfläche fixiert (Abb. 2(a)). An der Deckfläche wirkt die (hinreichend kleine) horizontale Tangentialkraft πΉπ‘ , sodass die Deckfläche um die Strecke βππ‘ horizontal verschoben wird und die vertikalen Seiten um den Schubwinkel πΎ = βππ‘ /π gekippt werden. Der Zusammenhang dieses Schubwinkels mit der Tangentialspannung π = πΉπ‘ /π΄ = πΉπ‘ /π2 ist in Gleichung 1b gegeben. Im Praktikumsversuch wirkt auf einen vertikal hängenden, am oberen Ende eingespannten zylindrischen (dicken) Draht am unteren Ende ein Kräftepaar (siehe gestrichelte Pfeil in Abb. 2(b)) und somit ein Drehmoment. Die Kräfte werden durch zwei an Seilen aufgehängte Massen π erzeugt (Gesamtmasse 2π). Greift die Kraft tangential an, so steht die Kraft senkrecht auf dem Ortsvektor βππ des Angriffspunktes bzgl. der Drahtachse (ππ ist der Radius der Kreisscheibe, an der die Seile befestigt sind) und der Betrag des äußeren Drehmomentes vereinfacht sich zu: ππ = 2ππ · ππ (3) Durch die eintretende Drillung des Drahtes entsteht ein rücktreibendes Drehmoment πel = π· ·π, das linear vom Drillwinkel π abhängt, wobei das Richtmoment π· eine Materialkonstante ist. Im Gleichgewichtsfall heben sich ππ und πel auf. Dann hängen π· und π wie folgt mit der Drahtlänge π, dessen Radius π sowie dem Schubmodul πΊ zusammen: 2π · ππ ππ 4 · πΊ ππ 4 · πΊ 2π π = π· = (4a) (4b) Unter Beachtung von Gleichung (3) folgt somit: πΊ=4· ππ · ππ π · ππ 4 π (4c) Versuch: DD Anhang (a) Schubelastizität am Würfel (b) Verdrillung am Zylinder Seite 4 (c) Aufteilung eines Zylinders in Hohlzylinder Abb. 2: Zur statischen Bestimmung des Schubmoduls 3.2 Dynamische Methode Der eingespannte, vertikal hängende zylindrische Draht (Abbildung 2(b)) wird leicht verdrillt und führt nach dem Loslassen harmonische Drehschwingungen um die Drahtachse aus, deren Schwingungsdauer π gemessen wird. Diese hängt vom rücktreibenden Richtmoment π· und dem Trägheitsmoment π½ der schwingenden Anordnung ab: √οΈ π½ π = 2π · (5a) π· Um eine stabile Rotation zu ermöglichen, wird der Draht am unteren Ende mit einem Zylinder beschwert. Das Gesamtträgheitsmoment π½1 von Draht und Zylinder ist nicht bekannt. Nun misst man zunächst: √οΈ π½1 π1 = 2π · (5b) π· In dieser Gleichung gibt es zwei Unbekannte (π½1 und π·). Zur Bestimmung des Richtmomentes π· braucht man eine zweite Gleichung. Diese erhält man, indem man einen Zusatzzylinder mit dem Trägheitsmoment π½2 anhängt und die veränderte Schwingungsdauer √οΈ π½1 + π½2 π2 = 2π · (5c) π· misst. Nunmehr kann das unbekannte Trägheitsmoment in (5b) durch Gleichung (5c) eliminiert werden und für das Richtmoment gilt: π·= 4π 2 · π½2 π22 − π12 (6) Ist der Zusatzzylinder ein regelmäßiger rotationssymmetrischer Hohlzylinder mit den Radien ππ (außen) und ππ (innen), so lautet dessen Trägheitsmoment (siehe Anhang, Abschnitt 4.3): π½2 = π · (ππ2 + ππ2 ) 2 Versuch: DD Anhang Seite 5 4 Anhang 4.1 Zusammenhang zwischen den elastischen Konstanten Dehnt man einen Würfel geringfügig allseitig, so gilt zunächst überschlägig: (π + βπ)3 − π3 βπ π βπ = ≈3· = 3π = 3 3 π π π πΈ und πΈ ≈ 3πΎ (7) Berücksichtigt man jedoch in jeder Richtung die Querkontraktion, erhält man mit πβ = π/πΈ und π⊥ = −π · πβ eine relative Längenänderung π = πβ + 2 · π⊥ und damit βπ π = 3π = 3 · (πβ + 2π⊥ ) = 3 · (1 − 2π) · πβ = 3 · (1 − 2π) · , π πΈ (8) woraus nach Umstellen die Gleichung (2a) folgt. Zur Herleitung der Gleichung (2b) betrachtet man die in Abbildung 2(a) bzw. Abbildung 3 skizzierte Scherung eines Würfels durch eine Tangentialspannung π = πΉπ‘ /π΄ = πΉπ‘ /π2 . Diese kann auch durch √ eine Zugspannung in Richtung der Flächendiagonalen π = π ·√ 2 erreicht werden. Diese ändert sich somit um βπ = βπ/ 2. Dieser Zugspannung √ πΉπ‘ · 2 πΉπ‘ π= = 2 =π ππ π entspricht in Richtung der anderen Flächendiagonalen die Druckspannung π = π . Die resultierende Elongation in der verlängerten Diagonalen setzt sich wie folgt zusammen: (οΈ )οΈ (οΈ )οΈ βπ βπ βπ π π π Abb. 3: Berechnung der Gesamt= + = +π· = (1 + π) · deformation am gescherπ π zug π druck πΈ πΈ πΈ ten Würfel nach [2] Hieraus folgt Gleichung (2b), wenn man noch berücksichtigt: 1 βπ 1 1 π βπ = · = ·πΎ = · π 2 π 2 2 πΊ 4.2 Zur Verdrillung eines elastischen Zylinders Ein Zylinder der Länge π sei entsprechend der Abbildung 2(c) aus infinitesimal dicken Hohlzylindern der Dicke dπ zusammengesetzt. Aus einem solchen Hohlzylinder denke man sich einen senkrechten Streifen der Breite π · dπ herausgeschnitten und mit Abbildung 2(a) verglichen. An jeder Stirnseite (oben und unten) greift gemäß Gleichung (1b) die infinitesimale Schubkraft dπΉπ‘ = πΊπΎ · π · dπdπ an. Eine erste Integration über π ergibt πΏπΉ = πΊπΎ · 2ππ · dπ = πΊπΎ · dπ΄. Diesem Kräftepaar entspricht das Drehmoment πΏπ = π · πΏπΉ = πΊπΎ · 2ππ2 · dπ. Der Zusammenhang zwischen Schubwinkel πΎ und gemessenem Drillwinkel π folgt aus der Gleichheit der Bögen (π · π = π · πΎ), also folgt: π·π πΏπ = πΊ · · 2ππ2 dπ π ∫οΈ ⇒ π= π πΏπ = 0 ππΊ · π · π 4 2π Versuch: DD Literatur Seite 6 4.3 Zum Massenträgheitsmoment Bei den Rechnungen zur dynamischen Methode wird das Trägheitsmoment eines Kreiszylinders vom Radius ππ benötigt, der eine axiale Bohrung vom Radius ππ aufweist. (Zum Vollzylinder ∫οΈ gelangt man, indem man ππ = 0 setzt.) Wählt man in der allgemeinen Definition π½ = π2 dπ als Massenelemente infinitesimal dicke Hohlzylinder mit dem Radius π und der Dicke dπ (wie in Abbildung 2(c)), so ist: ∫οΈ ππ dπ = ππ · 2ππ · dπ ⇒ π½ = ππ · 2π · π3 dπ ππ Da der Zylinder die Gesamtmasse π = ππ · π(ππ2 − ππ2 ) hat, folgt unter Ausnutzung der dritten binomischen Formel: 1 π½ = · π(ππ2 + ππ2 ) 2 Fragen 1. Nennen sie Beispiele für mechanische Spannungen, elastische Verformungen und elastische Konstanten! 2. Wie hängen die 4 elastischen Konstanten eines isotropen Körpers zusammen? 3. Wie beschreibt man die Dehnung eines Drahtes im Bereich des Hooke’schen Gesetzes und darüber hinaus? Wie weist man nach, dass eine elastische Verformung im Bereich des Hooke’schen Gesetzes bzw. innerhalb der Elastizitätsgrenze verläuft? 4. Wie berechnet sich der Verdrillungswinkel eines verdrehten Zylinders? 5. An einen am oberen Ende eingespannten elastischen dünnen Metallstab wird ein Kreiszylinder der Masse π gehängt und zu axialen Drehschwingungen angeregt. Wovon hängt die Schwingungsdauer ab? Wie lautet die Bewegungsgleichung und deren Lösung? 6. Wie ist das Massenträgheitsmoment definiert, und wie berechnet es sich für einen axial rotierenden Zylinder? Literatur [1] W. Ilberg (Hrsg.), M. Krötzsch (Hrsg.) et. al., Physikalisches Praktikum für Anfänger, Teubner-Verlag, Leipzig 1994 [2] H. J. Paus, Physik in Experimenten und Beispielen, Verlag C.-Hanser, München 1995 [3] C. Gerthsen, H. Vogel, Physik, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 1995 [4] A. Recknagel, Physik: Mechanik, Verlag Technik, Berlin 1990 [5] W. Walcher, Praktikum der Physik, Teubner-Verlag, Stuttgart 1989 [6] F. Kohlrausch, Praktische Physik, Band 1, Teubner-Verlag, Stuttgart 1996 [7] W. Bergmann, Werkstofftechnik I, Verlag C.-Hanser, München 1989 [8] P. Paufler, G. E. R. Schulze, Physikalische Grundlagen mechanischer Festkörpereigenschaften I, Vieweg Friedrich & Sohn Verlag, Wiesbaden 1985 [9] G. E. R. Schulze, Metallphysik, Springer-Verlag, Berlin 1982