Department für Pflegewissenschaft UNI – WH.DE/ Internationale Perspektive: Arbeitsbedingungen sind für die Pflegequalität zentral Zürich 08.05.2017 Prof. Dr. Sabine Bartholomeyczik Universität Witten/Herdecke Department für Pflegewissenschaft Department für Pflegewissenschaft UNI – WH.DE/ Einführung: DRG Prinzipien Aus pflegerischer Sicht zwei Grundprobleme: 1. Basis sind „nur“ ärztliche Diagnosen, mit denen ärztliche Behandlung verbunden wird (Pflege wird natürlich „mitgedacht“). Patienten kämen aber nicht ins Krankenhaus, wenn sie keine Pflege bräuchten Pflegeaufwand variiert nicht immer mit DRG-Versorgungsaufwand (Baumberger et al. 2014) 2. DRG sind Setting spezifisch, obwohl sie Fallspezifik vortäuschen Anreiz zur kürzesten Verweildauer Patienten im Durchschnitt immer intensiver krank und pflegebedürftig DRG als Finanzrahmen erhöht die Anforderungen an die pflegerische Versorgung sowohl quantitativ als auch qualitativ Bartholomeyczik 8.5.20.17 Department für Pflegewissenschaft UNI – WH.DE/ DRG Einführung in USA • Einführung in USA seit Beginn 1980er Jahre (zunächst nur für Medicare) • Ziel: Kostendämpfung, nicht jede erbrachte Leistung abrechenbar: • US-Studien zu Folgen für die Pflege (1990er Jahre, 14 Artikel): – Reduzierung von Pflegestellen (teilweise durch mehr Teilzeitstellen) – Skill Mix: Senkung (mehr Hilfskräfte), aber auch Steigerung (mehr RNs, besonders in Magnet Hospitals) – Steigende Arbeitsanforderungen (intensiver kranke Pat.) – Entwicklung von Kostenbewusstsein Quasdorf 2007 Heutige USA-Studien beziehen sich immer auf Krhs mit DRG-Finanzierung Bartholomeyczik 8.5.20.17 Department für Pflegewissenschaft UNI – WH.DE/ Arbeitsbedingungen Schichtarbeit (bei Ökonomisierungsdiskussion schnell vergessen) • Lange Tradition von Untersuchungen zur Schichtarbeit • Arbeitsfehler bei – Schichten von > 12 Std tägl., > 40 Std. wöchentlich, Überstunden – rotierend mit Nachtschicht: Risiko für psychologische und kardiovaskuläre Symptome bei Pflegenden – Kurze Abstände zwischen den Schichten erhöhen pathologische Müdigkeit (Dall‘Ora et al. 2016, Ferri et al. 2016) Bartholomeyczik 8.5.20.17 Department für Pflegewissenschaft UNI – WH.DE/ Rahmenbedingungen: Management USA: Magnet Hospitals (McClure et al. 1982, Anlass: Pflegepersonalmangel) Zieht Pflegepersonal an, das auch bleibt • Leitung fördert und tritt für Pflege ein • Flache Entscheidungsstrukturen • Partizipatives Management • • Hohe Motivation der Pflegenden zur Qualität ihrer Arbeit Fähigkeit zu autonomer Arbeit • Qualitätsmanagement mit Erfolgsmessungen • Professionelle Entwicklung und Monitoring für Pflegende und Lernende • Wertschätzung interdisziplinärer Zusammenarbeit Bartholomeyczik 8.5.2017 Department für Pflegewissenschaft UNI – WH.DE/ Magnet vs. Non-Magnet Krankenhäuser Systematisches Review von 10 Studien Ergebnis unterschiedlich und uneinheitlich • Bei 7: weniger Dekubitus, Stürze, 30-Tage-Mortalität • Bei 3: größere Arbeitszufriedenheit bei Pflegenden seltener Pläne Beruf zu verlassen Geringere Fluktuation • Schlussfolgerung: Ergebnisse nicht eindeutig, – oft nicht vergleichbar – Nicht Status als Magnet oder Non-Magnet wichtig, – Sondern die tatsächlichen messbaren Bedingungen (Petit et al. 2014) Bartholomeyczik 8.5.2017 Department für Pflegewissenschaft UNI – WH.DE/ Pflege im Krankenhaus: notwendig? 2001 Bericht von us-amerikanischer Querschnittstudie zu Personalausstattung und patientenseitigen Ergebnissen: Administrative Entlassungsdaten von > 1 mio Pat. aus 799 Krankenhäusern in 11 US-Staaten Pflegepersonalausstattung und patientenseitige Ergebnisse hängen zusammen: • • • • • Krankenhausverweildauer Harnwegsinfekte Lungenentzündung Herzstillstand Erfolglose Wiederbelebung Bartholomeyczik 8.5.20.17 Department für Pflegewissenschaft UNI – WH.DE/ DRG vorher/nachher in D 1998/99 mit 2600 Pflegenden (IHOS) und 2009/10 mit 1500 Pflegenden (RN4CAST), 2004 Einführung DRG in D • Arbeitsbedingungen in allen Dimensionen verschlechtert – Ausnahme Partizipation in Krankenhausangelegenheiten • Verschlechtert wahrgenommene Pflegequalität – Ausnahme Patientensicherheit • Zunahme von Unzufriedenheit und emotionaler Erschöpfung • Stärkere Verschlechterung auf internistischen Stationen: Versorgung folgt DRGSystematik schwerer • Zusammenarbeit Pflegende/ Ärzte: großer Einfluss auf wahrg. Versorg.qualität • Unterstützendes Management: großer Einfluss auf Zufriedenheit Pflegender (Zander et al. 2013) Problem: Zwei Querschnittstudien mit unterschiedlichen Stichproben Bartholomeyczik 8.5..20.17 Department für Pflegewissenschaft UNI – WH.DE/ Arbeitsumgebung erfassen Vielfach eingesetztes Instrument zur Befragung Pflegender: Practice Environment Scale of the Nursing Work Index (PES-NWI), 5 Subskalen • managerial support for nursing • nurse participation in hospital affairs • collegial nurse–physician relations • promotion of care quality (Nursing care is based on a nursing, rather than a medical, model) • staffing and resource adequacy (aus Sicht der Befragten) (Lake 2002, 2007) Bartholomeyczik 8.5.2017 Department für Pflegewissenschaft UNI – WH.DE/ RN4CAST (EU Projekt) Studie 2009/ 2010 in 9 europäischen Ländern: Zusammenhang von Personalausstattung und Pflegebildung mit (Aiken et al. 2014) Krankenhausmortalität • Krankenhausentlassdaten zu Patienten • Personalausstattung: Angaben Pflegender zur letzten Schicht • Kontrollvariable PES-NWI • Outcome: Mortalität innerhalb von 30 Tagen im Krankenhaus nach „normaler“ Op • > 400 ts Pat., > 50 Jahre, Risikoadjustierung Ergebnisse • Quantität: Je mehr Patienten pro Pflegeperson, desto größer Mortalitätsrisiko innerhalb von 30 Tagen im Krankenhaus • Qualifikation: Je weniger Pflegende mit Bachelorabschluss, desto größer Mortalitätsrisiko Europäische Bestätigung nordamerikanischer Studien Bartholomeyczik 8.5.2017 Department für Pflegewissenschaft UNI – WH.DE/ Drehtüreffekt? Pflege-Personalausstattung und ungeplante Wiedereinweisug innerhalb von 30 oder 10 Tagen nach Entlassung bei Knie oder Hüftop (USA) • Hälfte der Pat. mit kurzfristiger Wiedereinweisung bereits nach 10 Tagen • Meistens postoperative Infektion Ergebnisse: • Größere Wahrscheinlichkeit der Wiedereinweisung (nach Risikoadjustierung sowohl für Patienten als auch Arbeitsumgebung): • Schlechtere Pflege-Personalausstattung • Je früher die Wiedereinweisung, desto deutlicher der Zusammenhang zur Personalausstattung Diskussion zu Aufgaben Pflegender bei Infektionsverhütung: (z.B. Wundversorgung, Händehygiene, Früherkennung von Infektionsanzeichen, Patientenedukation) (Lasater et al. 2016) Bartholomeyczik 8.5.2017 Department für Pflegewissenschaft UNI – WH.DE/ Unterlassene Pflegeaufgaben Angaben Pflegender, 488 Krankenhäusern in 12 Europäischen Ländern Unterlassene Pflegeaufgaben (implizite Rationierung) Häufigste unterlassene Aufgaben % Pflegender Gesamt D England CH Zuwendung, Patientengespräche 52,6 81 65 51,8 Patienten-, Angehörigenedukation 44 51,3 52,1 30,9 Erstellen von Pflege-, Versorgungsplänen 43,4 55,2 46,5 38,3 (Ausserhofer et al. 2013) Wichtige vorausschauende Aufgaben werden weggelassen = Patienten werden mit Bewältigung von Krankheit alleine gelassen Bartholomeyczik 8.5.2017 Department für Pflegewissenschaft UNI – WH.DE/ Unterlassene Pflegeaufgaben Weniger Pflegeaufgaben werden weggelassen bei: • Besserer Arbeitsumgebung • Besserer Pflegepersonalausstattung • Weniger Anforderungen an Erledigung nicht-pflegerischer Aufgaben • Geringerem Burn-Out Bartholomeyczik 8.5.2017 Department für Pflegewissenschaft UNI – WH.DE/ Organisation • Zeit (Schicht) • Personalschlüssel • Management: Struktur Zusammenfassung Management • Inhaltliche Förderung pflegerischer Arbeit • Kooperation der Gesundheitsberufe Pflegende • Qualifikation • Erfahrung • Motivation • Fachverständnis Burn Out Pflege- und Versorgungsqualität Gesundheitliche Chancen der Patienten Bartholomeyczik 8.5.2017 Department für Pflegewissenschaft UNI – WH.DE/ Forschung: was jetzt? Offensichtlich: Personalbesetzung quantitativ und qualitativ ist Voraussetzung • Querschnittstudien, die nur Hypothesen über Kausalität zu lassen! • Große Heterogenität von Rahmenbedingungen bei länderübergreifenden Studien: was ist wirklich vergleichbar? • Klare Schlüsse zur Umsetzung sind ansatzweise zu ziehen. Dringende Notwendigkeiten: • Langzeitstudien mit Evaluation pflegerischer Maßnahmen und patientenseitigen Outcomes • Studien über die Qualität bei multiprofessioneller Aufteilung der Gesamtversorgung Bartholomeyczik 8.5.2017 Department für Pflegewissenschaft UNI – WH.DE/ Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit