1 Interview: Vis.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Helmut Floegl / 02.08

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Interview: Vis.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Helmut Floegl / 02.08.2011
Dr. Helmut Floegl ist an der Donau-Universität Krems innerhalb des Departments Bauen und
Umwelt der Zentrumsleiter für Facility Management und Sicherheit. Im Fokus der Forschung
der Fachbereiche stehen die Zusammenhänge zwischen der Gestaltung des Gebäudes und den
daraus entstehenden Kosten über den Gebäudelebenszyklus.
In wie weit konnten Entscheidungsträger der Immobilienwirtschaft bereits überzeugt werden,
dass nachhaltiges Bauen nicht nur ein Trend ist, sondern für die volkswirtschaftliche
Entwicklung Österreichs relevant ist?
Die Akzeptanz für nachhaltiges Bauen ist in den letzten beiden Jahren innerhalb der
Immobilienwirtschaft stark angestiegen. Grund dafür sind mittelfristige wirtschaftliche
Überlegungen über eine in absehbarer Zeit zu erwartende CO2-Steuer und drohende
Energiepreissteigerungen und damit die Unausweichlichkeit, sich mit diesem Thema
auseinanderzusetzen. Auch wenn der Begriff Nachhaltigkeit in vielen Zusammenhängen gerne
verwendet wird, ist er kein Modewort, sondern ein zentrales Element der Strategie. . Es
zeichnet sich ein Paradigmenwechsel im Zeitgeist ab – von der Gesellschaft des „ich will Alles
und jetzt“ zur nachhaltigen Gesellschaft. Dazu müssen Experten die strategischen Ziele der
Nachhaltigkeit „greifbar“ machen, d.h. konkret für die operative Umsetzung formulieren. Für
ökonomisch nachhaltige Gebäude heißt dies Lebenszykluskennzahlen als Basisvorgaben zu
schaffen.
Wir haben jetzt von nachhaltigen Trends und Entwicklungen rund um die Immobilie
gesprochen. Wie sehen Sie die Ziele der „Energiestrategie Österreichs“ und die drei
Säulenstrategie (Steigerung der Energieeffizienz, Ausbau erneuerbarer Energien und
Sicherstellung der Energieversorgung)?
Im Wesentlichen gibt es zwei große Ziele: einerseits das Energiesparen durch Reduktion der
Abhängigkeit von Außen und andererseits den Verbrauch von CO2-Äquivalenten zu
reduzieren. Das bedeutet zuerst, Gebäude so zu bauen, dass sie grundsätzlich weniger Energie
brauchen und zweitens, dass die zu verbrauchende Energie von erneuerbaren Energieträgern
stammt. Maßnahmen dafür können die Förderungen von Solarthermie, Photovoltaikanlagen
oder Pelletsheizungen sein.
Die Ziele der Energiestrategie sind zwar ökologische Ziele, doch diese können nur dann
erreicht werden, wenn sich die Beteiligten (Errichter, Nutzer, Betreiber) dies auch leisten
können, d.h. diese ökologischen Ziele sind auch mit den ökonomischen Zielen, der
dauerhaften Leistbarkeit von Gebäuden in Wechselwirkung. Leider sind die Folgekosten,
bezogen auf den Quadratmeter Nutzfläche der in den letzten zwanzig Jahren errichteten
Gebäude, höher als die Folgekosten der früher errichteten Gebäude - hier muss eine
Trendwende erreicht werden. Als Folgekosten bezeichnet man die Kosten, die nach der
Errichtung im Betrieb und in der Nutzung entstehen. Zum Beispiel sind Reinigungskosten hohe
Folgekosten, die bei einem Bürogebäude etwa nach 20 Jahren höher als die gesamten
Errichtungskosten sind. Die Gebäudetechnik ist ein nicht zu unterschätzender
Folgekostentreiber. Diese muss laufend gewartet werden und verbraucht Strom für Lüftung,
Kühlung, Beleuchtung und IT. Die Lebensdauer elektronischer Komponenten liegt zwischen 3
bis 10 Jahren, Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik wird rund einmal in 20 Jahren erneuert.
Für ein typisches modernes Bürogebäude gibt es bei den Lebenszykluskosten vier etwa gleich
große Kostenblöcke: Die Errichtung, die Reinigung und Pflege, die Ver- und Entsorgung
(Energie, Wasser- und Abwasser, Müll) und die Instandsetzung und Erneuerung bei einer
angenommenen Gebäudelebensdauer von 40 Jahren.
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Wir alle wissen, dass wir Energie grundsätzlich im täglichen Leben effizient einsetzen sollen –
bei Immobilien ist ja der Technisierungsgrad und das Nutzerverhalten für den
Energieverbrauch entscheidend. Wie sehen Sie die Entwicklung in Europa und im
Speziellen in Österreich.
Von den Kindern ausgehend gibt es bereits diesen Paradigmenwechsel: sie haben bereits ein –
wohl von den Medien und Schulen - geschärftes Bewusstsein für das Energiethema. Bei den
Erwachsenen muss noch Überzeugungsarbeit geleistet werden. Hilfreich dabei sind
intelligente Stromzähler, so genannte Smartmeter, die zeitnah den Stromverbrauch zeigen
und bei flächendeckendem Einsatz messbare Energieeinsparung bringen könnten. Diese
Möglichkeit der Verbraucherinformation ist ausdrücklich in der EU-Richtilinie über
Energieeffizienz festgehalten.
Die Architektur und Funktionalität einer Immobilie wird ja nicht nur vom Architekten bestimmt
– es gibt da ja noch den Haustechnikplaner. Wie sehen Sie die derzeitige Entwicklung und
die Verzahnung zwischen Architektur und Technik.
Meine Vision ist, dass ganz zu Beginn der Gebäudeplanung, also während des Entwurfs des
Architekten bereits ein erster konzeptioneller Gestaltungsworkshop mit Haustechnikplaner,
Architekten, Facility Manager und Eigentümer stattfinden soll. Ich selbst konnte mich bei
einem kleineren Wiener Büroprojekt als Moderator selbst davon überzeugen, dass ein solches
Vorgehen ein Glücksfall für jedes Bauprojekt ist. Es entstand dabei das „Wir machen ein
gemeinsames Projekt“-Gefühl. Jeder Beteiligte veränderte den „Tunnelblick“ auf seine Disziplin
in den ganzheitlichen Blick auf das Bauvorhaben: die zuverlässige Sicherung der
Bestellqualität.
Neben den Energiekosten einer Immobilie sind die Errichtungskosten, und nicht vom
Stellenwert zu vergessen die Kosten des Gebäudebetriebes für den wirtschaftlichen Erfolg
entscheidend. Die geänderte Norm „ÖNORM B 1801-2“ berücksichtigt ja alle Zyklen eine
Immobilie. Aus welchen Beweggründen wurde die „ÖNORM B 1801-2“ neubearbeitet
und ist diese und nun Triebfeder für die fixe Integration der „Facilitäre Planung“ in den
gegenwärtigen konservativen Planungsprozess.
Die zuvor bestehende Version der ÖNORM enthielt keine genaue Definition der Folgekosten
und war damit in sich nicht konsistent. In der Arbeitsgruppe mit Peter Kovacs/MA34, Bernhard
Sunitsch/Uni Innsbruck, Fritz Seda/BIG und Wolfgang Gschmeidler konnten wir ein tragfähiges
Fundament für Lebenszykluskostenberechnungen schaffen.
PPP-Modelle (Public Private Partnership) in unterschiedlichster Form werden in Zukunft den
Immobilienerrichtungsmarkt wesentlich prägen. Für den Vergabeentscheid dürfen
mittlerweile Lebenszykluskosten als Zuschlagskriterium eingesetzt werden, wenn sie
nachvollziehbar und bewertbar sind. Namhafte Vergabejuristen behaupten, dass
standardisierte LZK-Berechnungsmodelle fehlen – sie meinen die Technik hinkt dem Recht
nach. Sehen Sie die „ÖNORM B 1801-2“ als Basis für die Berechnung und
Nachvollziehbarkeit der Lebenszykluskosten.
Der Begriff „Lebenszykluskosten“ ist ein Begriff, der aufgrund der Komplexität durch die im
Laufe des Lebenszyklus Beteiligten und der Prognose auf eine künftige Nutzungsdauer
normativ ist. Mit der ÖNORM B1801-2 ist die wichtigste Grundlage geschaffen. Für
Lebenszykluskostenprognoseberechnungen bedarf es weiterer normativer Festlegungen, um
diese vergleichbar nachweisen zu können. Die neue OIB-Richtlinie gibt vor, dass im Rahmen
des Energieausweises bereits Berechnungen der Lebenszykluskosten vorgenommen werden
müssen.
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PPP-Modelle wurden und werden in Bezug auf ihre Komplexität und die Sensitivität auf
wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen unterschätzt. Ideal ist ein solches
Modell dann, wenn die Partner gleichberechtigt davon profitieren können und eine laufende
gemeinsame Vertragsanpassung an sich verändernde Rahmenbedingungen möglich ist.
Das Zentrum für „Facility Management und Sicherheit“ an Donau-Universität Krems steht ja
nicht nur für die Lehre sondern auch für ihre anerkannten Forschungsergebnisse. Welche
Forschungsprojekte sind derzeit in ihrem Fachbereich gelistet und gibt es tagesaktuelle
Themen „Rund um die Immobilie“ die wir berichten dürfen.
Die Thematik Lebenszyklusanalysen von Gebäuden und deren umliegenden Infrastrukturen ist
ein
aktueller
Forschungsschwerpunkt
der
Donau-Universität.
Ein
weiterer
Forschungsschwerpunkt beschäftigt sich mit dem Thema „Sicherheit und Kriminalprävention
durch Gebäudegestaltung und organisatorische Maßnahmen im Betrieb“, ein zentrales Thema
der sozialen Nachhaltigkeit von Gebäuden. Eine solche geplante und organisierte Sicherheit ist
Voraussetzung und Leitparameter für das Wohlbefinden in Gebäuden.
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