Forschungsschwerpunkte – PD Dr. Philipp Kanske

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Forschungsschwerpunkte – PD Dr. Philipp Kanske
Emotionen sind essenzieller Bestandteil menschlichen Erlebens und Verhaltens. Aber wie
beeinflussen sie unsere Wahrnehmung, unser Denken, und wie können andererseits kognitive Prozesse wie „Umdenken“ Emotionen regulieren? Welche Rolle spielen Emotionen außerdem im sozialen Miteinander und wie verstehen wir die Emotionen anderer? In meiner Forschung untersuche ich das Zusammenspiel von Emotion und Kognition sowie die zugrunde
liegenden neuronalen Mechanismen im Gehirn mit dem Ziel, Beeinträchtigungen bei psychischen Erkrankungen verstehen und verändern zu können.
Wenn wir das Erleben und Verhalten in Interventionen zielgenau verändern wollen, sei es in
einer Psychotherapie oder durch mentales Training, ist es zunächst notwendig, den zugrunde liegenden Mechanismus zu verstehen und auch, wie er genau bei einer psychischen Störung verändert ist. Ein Schwerpunkt meiner Forschung ist daher, die Interaktion von Emotion
und Kognition im „gesunden Gehirn“ und bei verschiedenen Erkrankungen zu untersuchen.
Emotionsregulation – Wie wir steuern, was wir fühlen
Unsere Emotionen spielen eine wichtige Rolle dabei, unser Verhalten zu steuern. So können
sie unsere Aufmerksamkeit auf besonders wichtige, gefährliche oder angenehme Dinge in
unserer Umwelt lenken1 und dafür andere Prozesse, die gerade im Gehirn ablaufen, unterbrechen2. Hierfür spielt ein Neuronenkern im medialen Temporalkortex eine bedeutende Rolle, die Amygdala. Sie ist aktiviert, wenn wir besonders starke emotionale Reize wahrnehmen.
Allerdings können wir diese Aktivierung und damit unsere Emotionen auch regulieren, beispielsweise indem wir anders über eine Situation nachdenken3. Ein zunächst angstauslösender Jobverlust kann vielleicht auch eine Chance für neue Erfahrungen und so etwas Positives sein.
Wir konnten in mehreren Studien zeigen, dass Menschen mit bipolarer Störung, die unter
Phasen von Manie und Depression leiden, Emotionen weniger gut regulieren können, weil
sie es nicht schaffen, die Aktivierung der Amygdala bei starken Emotionen zu senken4. Interessanterweise haben gesunde Menschen, die genetisch ein erhöhtes Risiko für eine bipolare Störung in sich tragen, das gleiche Emotions- und Amygdala-Regulationsproblem. Die
Ergebnisse könnten bedeuten, dass wir mit frühzeitiger Intervention, also einem Training für
Forschungsschwerpunkte – Heinz Maier-Leibnitz-Preis 2017
PD Dr. Philipp Kanske
Stand: April 2017
DFG
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die Regulation von Emotionen, eine Chance haben, den Ausbruch einer bipolaren Störung
zu verhindern.
Empathie und Perspektivübernahme – Wie wir die Gefühle anderer verstehen
Für das soziale Miteinander ist es entscheidend wichtig, dass wir verstehen, was andere
Menschen denken und fühlen. Wir können uns in andere einfühlen und so ihre Gefühle teilen, was Psychologen als Empathie bezeichnen. Wir können uns aber auch mental in die
Schuhe des anderen versetzen, seine Perspektive übernehmen. Dazu müssen wir das Gefühl nicht teilen, sondern verstehen. Wir konnten zeigen, dass das Gehirn unterschiedliche
neuronale Netzwerke für Empathie und Perspektivübernahme nutzt5 und dass diese relativ
unabhängig voneinander sind6. Jemand, der stark mit anderen mitfühlt, ist also nicht unbedingt auch gut darin, deren Perspektive einzunehmen.
Diese Erkenntnis ist deswegen wichtig, weil sie uns erlaubt, Probleme im sozialen Miteinander besser zu verstehen. Körperlich aggressives Verhalten von Straftätern hängt beispielsweise nicht mit fehlender Perspektivübernahme, sondern mit mangelndem Einfühlungsvermögen zusammen7. Interventionen sollten hier also auf die Empathiefähigkeit fokussieren.
Umweltunabhängige Emotion und Kognition – Wohin der Geist beim Tagträumen
wandert
Ein Großteil dessen, was wir denken und fühlen, ist unabhängig von unserer unmittelbaren
Umwelt. Wir erinnern uns an Vergangenes, planen die Zukunft oder träumen von unseren
Liebsten. Weil wir bis zu 50 Prozent unserer wachen Zeit damit verbringen, ist es entscheidend wichtig, wohin unser Geist „wandert“. Wir haben in mehreren Studien gesehen, dass
Menschen mit psychischen Störungen andere Gedankenmuster haben als Gesunde und
dass dies mit besonders negativen Emotionen zusammenhängt8. Wenn wir die störungsspezifischen Muster besser verstehen, können wir auch hier zielgenauer therapieren.
Die beschriebenen Beispiele zeigen, wie Emotion und Kognition auf verschiedenen Ebenen
auf vielfältige Weise zusammenspielen und dass Veränderungen in diesem Zusammenspiel
grundlegend für die Probleme von Menschen mit psychischen Störungen sind. Das langfristige Ziel meiner Forschung ist daher zu untersuchen, wie veränderbar die neuronalen Netzwerke im Gehirn sind, die diesen Prozessen zugrunde liegen, und Wege zu finden, solche
Veränderungen anzustoßen.
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Weiterführende Literatur
1
Kanske, Kotz (2011), Emotion triggers executive attention: Anterior cingulate cortex
and amygdala responses to emotional words in a conflict task. Hum Brain Mapp 32: 198–208.
2
Kanske, Heissler, Schonfelder, Forneck, Wessa (2013), Neural correlates of emo-
tional distractibility in bipolar disorder patients, unaffected relatives, and individuals with hypomanic personality. Am J Psychiatry 170: 1487–1496.
3
Kanske, Heissler, Schonfelder, Bongers, Wessa (2011), How to regulate emotion?
Neural networks for reappraisal and distraction. Cereb Cortex 21: 1379–1388.
4
Kanske, Schonfelder, Forneck, Wessa (2015), Impaired regulation of emotion: Neural
correlates of reappraisal and distraction in bipolar disorder and unaffected relatives. Transl
Psychiatry 5: e497.
5
Kanske, Böckler, Trautwein, Singer (2015), Dissecting the social brain: Introducing
the empatom to separate empathy and theory of mind in brain and behavior. Neuroimage
122: 6–19.
6
Kanske, Böckler, Trautwein, Parianen Lesemann, Singer (2016), Are strong empathi-
zers better mentalizers? Evidence for independence and interaction between the routes of
social cognition. Soc Cogn Affect Neurosci 11: 1383–1392.
7
Winter, Bermpohl, Singer, Kanske (in press), Social cognition in aggressive offenders:
Impaired empathy, but intact theory of mind. Sci Rep.
8
Kanske et al. (2016), The wandering mind in borderline personality disorder: Instabil-
ity in self- and other-related thoughts. Psychiatry Res 242: 302–310.
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