Emotion

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EMOTIONEN
Sokolowski, K.: Emotion. In: Müsseler, J. & Prinz, W. (Hrsg):
Allgemeine Psychologie. Heidelberg: Spektrum, 2002, 336-384
Scherer, K.R: Appraisal considered as a process of multilevel
sequential checking. In: Scherer, Schorr & Johnstone (Eds):
Appraisal processes in emotion. New York: Oxford University
Press, 2001, 92- 120
Meyer, W-U, Schützwohl, A. & Reisenzein, R.
Einführung in die Emotionspsychologie. Band I (20012) &
II (19992).
+ Reisenzein, Meyer & Schützwohl. Einführung in die
Emotionspsychologie. Band III (2003),
Bern: Hans Huber.
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Arbeitsdefinition von Emotionen
(Meyer, Schützwohl& Reisenzein, 20012)
Emotionen sind zeitlich datierte, konkrete einzelne
psychische Vorkommnisse wie z.B. Freude,
Traurigkeit, Ärger, Erleichterung, Angst, Ekel.
Gemeinsamkeit:
1 haben bestimmte Qualität, Intensität, Dauer
2 sind in der Regel objektgerichtet
3 sind in der Regel verbunden mit
- charakteristischem Erleben
- häufig: physiologische Veränderungen
- häufig: bestimmten Verhaltensweisen
(z.B.: Gesichtsausdruck, Fluchtverhalten)
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Terminologie
(nicht einheitlich!)
Emotionen: eher kurzfristig
Stimmung (mood, state): längerdauernd, weniger intensiv
Affekt:
oft als genereller Überbegriff für
Emotionen, Stimmungen, Präferenzen, affektive
Einstellungen, etc.
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enge Verzahnung von Motivation und Emotion:
unerfüllte Motivation - negative Gefühle:
Spannung, Sehnsucht, Angst,...
erfolgreicher Abschluss zielgerichteter Handlungen Freude, Zufriedenheit, Stolz
Motivblockierung (Ereignisse, die Motivbefriedigung
verhindern oder Zielerreichung unmöglich machen) Ärger, Enttäuschung
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FUNKTIONEN von Emotionen
hauptsächliche Funktion:
momentane Motivation mit Realität in Einklang zu bringen
Vermittlungsfunktion mit Ziel, optimale Verhaltensreaktionen
auf bedeutsames Ereignis (z.B. Gefahr) sicherzustellen
Randbemerkung
Lebewesen muss ohne Einsicht in übergeordnete
Handlungsziele (z.B. Fortpflanzung) das "Richtige" tun
(förderliche Situationen aufsuchen, schädigende meiden)
d.h. gewisse emotionale Bewertungen (angenehm/
unangenehm) auf bestimmte Reizsituationen müssen
genetisch vorgegeben sein
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andere Möglichkeit:
angeborene Verhaltensprogramme (Instinkte):
bei entsprechender Bedürfnislage durch Auslösereize in
Gang gesetzte Verhaltensabfolgen
relativ starr und inflexibel (z.B. Balzverhalten, Nestbau,...)
Emotionen bieten Möglichkeit, Richtung des Verhaltens
zu steuern, ohne starre Verhaltensprogramme
 Emotionen bieten bei Verhaltenssteuerung Raum für
Lernen, Denken, Problemlösen
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Emotionale Reaktionen bereiten Organismus auf
adäquate Verhaltensreaktionen auf bestimmte
Reizsituationen vor
Bereitstellung der erforderlichen Energie,
Verhalten wird aber nicht notwendigerweise (sofort)
ausgelöst (wie bei Reflex)
Im sozialen Kontext:
Oft genügt Ankündigung der Verhaltensintention,
um beim Partner die gewünschte Reaktion zu erreichen
(Ausdruck / nonverbale Kommunikation)
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Gefühle z.T. schon früh in Psychologie untersucht
(z.B. Darwin, William James, C.G. Lange,...),
in bestimmten theoretischen Ansätzen jedoch ignoriert
bzw reduziert:
klassischer Behaviorismus
(Lernprozesse im Zusammenhang mit
emotionsauslösenden Stimuli)
in Kognitionspsychologie lange nicht thematisiert
viele, z.T. sehr unterschiedliche Emotionstheorien
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heutige Sicht überwiegend:
Emotionen sind vorwiegend Reaktionen auf äussere oder
innere Reize: (angeborene oder erworbene)
Bewertungen der wahrgenommenen Sachverhalte
(kognitive) Bewertungstheorien (Einschätzungstheorien)
(cognitive) appraisal theories of emotion
z.B.: Scherer (1984,…), Ortony, Clore & Collins (1988…)
historischer Ausgangspunkt für heutige Entwicklung:
Arnold, M.B. (1960)
Lazarus, R.S. (1966)
Scherer, Schorr & Johnstone (2001). Appraisal processes in emotion:
Theory, methods, research. Oxford: Oxford University Press.
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BEWERTUNG
= Feststellung der Bedeutung eines
Umweltereignisses/einer Veränderung der Situation
für das Individuum
(z.B. Bewertung: angenehm/unangenehm)
Bewertung nicht notwendigerweise bewusst!
Bewertung
sowohl durch angeborene Mechanismen,
als auch durch komplexere kognitive Prozesse
(die auch bewusst ablaufen können)
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Bewertungen, z.B.:
neu oder bekannt
neue wichtig, weil z.B. potentiell gefährlich
daher hohe Aufmerksamkeit
intrinsisch angenehm oder unangenehm
angenehme Reizsituation - Tendenz zur Annäherung
(guter Geruch, sympathischer Mensch)
unangenehme Reizsituation - Tendenz zur Vermeidung
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Ziel/Bedürfnis-Bezug
Ist Reizsituation für bestimmte Motive förderlich/hinderlich?
z.B.: Hinderlich – Frustration - Ärger
Bedürfnisse, z.B.: Überleben, Ruhe, Nahrung, soziale
Beziehungen, ausreichende Stimulation, Gerechtigkeit,
Selbstachtung, auch materieller Besitz
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Bewertung: Bewältigungsfähigkeit - Coping
(Lazarus, 1966,…..)
Möglichkeit, Ereignisse kontrollieren zu können oder nicht
z.B. nicht kontrollierbar: Todesfälle, höhere Gewalt,...,
mächtige Personen
----------------------------------------Je nach Ergebnis der Bewertungsprozesse
unterschiedliche Emotionen:
z.B. Furcht, Freude
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Kognitive Bewertung ist notwendige Komponente von
Emotionen

kognitive Beurteilung muss keine bewussten Prozesse
beinhalten

Bewertungsschemata teilweise gelernt, hauptsächlich
primitive Lernmechanismen (assoziatives Lernen)

Resultat kognitiver Beurteilungs-Schemata ist
globale Zustandsbeurteilung
(Grobkategorisierung des aktuellen Zustandes).
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
Coping-Strategien (Bewältigungsmechanismen) können
zu Modifikation des emotionalen Erlebens führen
(meistens Abschwächung)
Werden jedoch nicht bei allen emotionalen
Geschehnissen aktiviert (z.B. Freude, Geborgenheit)
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Experiment zu Copingstrategien:
Speisman, Lazarus, Mordkoff & Davison (1964)
Auswirkung von Intellektualisierung und Objektivierung
auf Emotion:
Präsentation angst- bzw. stresserzeugender Situationen
(z.B. Ritual der Penisbeschneidung, Arbeitsunfall, bei der
ein Arbeiter von Kreissäge durchschnitten wird und stirbt)
AV: Physiologische Parameter (Herzrate,
Hautwiderstand)
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UV: Copingstrategien:
Intellektualisierung: Vpn mitgeteilt, dass Szenen gestellt.
Objektivierung: Vpn instruiert, die Szene von objektivem
Standpunkt aus zu betrachten (z.B. vom Standpunkt eines
Anthropologen, der ein Eingeborenenritual beobachtet)
Resultat:
substantielle Stressreduktion sowohl durch
Intellektualisierung als auch durch Objektivierung
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EMOTION und AUSDRUCK
Gesichtsausdruck, Stimme, Körperhaltung, -bewegung,
etc. ( nonverbale Kommunikation)
bei sozial lebenden Lebewesen (inkl. Mensch) wichtig:
Individuen in Gruppe brauchen Vorinformation über
voraussichtliche Verhaltensweisen des anderen
(Einstellung des eigenen Verhaltens)
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Gesichtsausdruck (Mimik) wahrscheinlich angeboren,
zumindestens der Basisemotionen.
Gesichtsausdruck (und andere nonverbale Signale)
unterliegen auch kulturellen Einflüssen
Ekman: Display-rules / Darbietungsregeln
Fridlund: Behavioral ecology (Kosten/Nutzen)
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Einige Beispiele:
Neuartiger und unbekannter Umweltreiz:
Orientierungsreaktion (Überraschung)
Funktion:
gesamte Aufmerksamkeit auf neuen Reiz, möglichst
rasche Analyse
Aufmerksamkeit und Verarbeitungskapazität von
Regulation interner Prozesse weg und auf sensorische
Verabeitung gelenkt
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Physiologisch, z.B.:
verlangsamter Herzschlag
Veränderung des Atemmusters
Pupillenerweiterung
Erhöhung der kortikalen Erregung
Veränderung der Kopf- und Körperhaltung
Aufrichten, Kopfdrehen, Ohrenhinwenden
Heben der Augenbrauen
Gesichtsausdruck der Überraschung
(z.B.um Gruppenmitglieder aufmerksam zu machen)
Augenbrauen hoch
Augen weit geöffnet
Mund geöffnet
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Unangenehme Reize:
Vermeidungsreaktion
Abwenden von Gesicht und Körper
Verengen oder festes Schliessen der an Reizaufnahme
beteiligten Körperöffnungen (Mund, Nase)
Gesichtsausdruck des Ekels
Falls unangenehmer Reiz bereits im Körperinneren:
Ausstossreaktionen
Ausspucken oder Erbrechen
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Resultat der Prüfung der Bewältigungsfähigkeit
Ist Ereignis bereits eingetreten (d.h. nicht mehr
kontrollierbar) und stehen unerwünschte Folgen fest
- weiterer Energieeinsatz unnötig
- geringe Spannung der Muskulatur
(Zusammensacken bei grosser Hoffnungslosigkeit)
- langsame, schleppende Bewegungen
- schlaffes Gesicht
- leise, eintönige Sprechweise
Hoffnungslosigkeit / Trauer
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Bewältigung durch Flucht möglich
- Adrenalinausstoss zur Erhöhung des Blutdruckes in
peripheren Körperregionen
- periphere Gefässverengung - Abfall der Hauttemperatur
- Erhöhung der Atemrate
- extreme Spannung der quergestreiften Muskulatur
daher u.a. hohe Stimmlage, rauhe und schrille
Vokalisationen
Furcht
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Hindernis/Gegner durch Kampf bewältigbar
- Noradrenalinausstoss - dadurch allgemeine
Erhöhung der Kampfbereitschaft
- Erhöhung der Blutzufuhr zur Brust- und Kopfregion
- Gesicht: stärkere Spannung der Hals- und
Mundmuskulatur
Vorbereitung der Beissreaktion
Ärger/Wut
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EFFEKT von EMOTIONEN/STIMMUNGEN auf KOGNITION
STIMMUNG UND GEDÄCHTNIS
Bereits thematisiert bei S. Freud: Verdrängung
(siehe Abschnitt über Vergessen)
Speicherung von Information oft in Situationen mit
bestimmten Emotionen bzw. Stimmungen.
Fragen für Forschung, z.B.:
• Zusammenhang zwischen Stimmung der lernenden
Person und “Stimmung” des zu lernenden Materials
• Abruf bestimmter Inhalte in bestimmter Stimmung /
Emotion leichter?
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Wichtigste Ergebnisse von
Bower (1981, Gilligan & Bower, 1984; ….):
Stimmungsabhängiger Abruf :
Abruf (Recall) am besten, wenn Stimmung beim Abruf
kongruent zur Stimmung beim Lernen
Stimmungskongruenz:
Emotional gefärbte Information am besten gelernt, wenn
emotionale Färbung des Materials der Stimmung der
lernenden Person entspricht
Gedankenkongruenz: Eine bestimmte Stimmungslage
führt vorwiegend zu Assoziationen (Gedanken,
Interpretationen, Urteilen) die mit Stimmung kongruent.
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Effekte bei positiven Stimmungen häufiger
beobachtet als bei negativen.
vorhergesagte Stimmungseffekte bei persönlichen
Erlebnissen häufiger vorhanden.
Experimente von Kenealy (1997)
bestätigen Effekt des stimmungsabhängigen Abrufs klar.
Effekt tritt nicht auf, wenn zusätzliche Cues für Abruf
vorhanden
(z.B. bei Methode des Cued Recall)
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ÄNGSTLICHKEIT UND AUFMERKSAMKEIT
Nichtklinische Vpn (Tests zur Messung der Ängstlichkeit,
z.B. State-Trait Anxiety Inventory von Spielberger)
klinische Gruppen (mit generellen Ängstlichkeitsstörungen,
Phobien)
Ergebnisse von Normalen und klinischen Gruppen
praktisch gleich
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• Erhöhung der selektiven Aufmerksamkeit für
bedrohliche Stimuli:
Ängstliche Personen:
mehr Aufmerksamkeit auf bedrohliche Stimuli, daher
schnellere Reaktion (im Vergleich mit neutralen Stimuli)
Nicht-ängstliche Personen: eher umgekehrte Tendenz
( = Widerspruch zu Freuds Konzept der Wahrnehmungsabwehr!)
• Erhöhte Ablenkbarkeit
Ängstliche Personen eher ablenkbar durch aufgabenirrelevantes Material als nicht-ängstliche.
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• Eingeschränkter Aufmerksamkeitsfocus
Focus der Aufmerksamkeit bei ängstlichen Personen
enger als bei nicht-ängstlichen
Experiment von Koksal (1992)
Präsentation von 25 Punkten auf Bildschirm.
Ein Punkt bewegt sich für 80 msec.
Aufgabe der Vpn: Punkt identifizieren, der sich bewegt.
UVn: Bildschirmgrösse
Ängstliche – Nichtängstliche (Organismusvariable)
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•Resultate
Kleiner Bildschirm:
ängstliche und nicht-ängstliche Personen gleich gut
Grosser Bildschirm:
nicht-ängstliche Vpn signifikant besser.
( d.h. breiterer Aufmerksamkeitsfokus)
 Angst hat Funktion, auf Bedrohung zu reagieren,
daher vermehrte Verarbeitung von potentiell
bedrohlicher Info
 keine Vergleichbaren Ergebnisse zur
Aufmerksamkeit bei Depressiven!
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INTERPRETATIONS-VERZERRUNG
Ambige Stimuli (nicht eindeutige) von Ängstlichen eher als
bedrohlich interpretiert
(Entdeckung von Bedrohung relevant).
Analoge Verzerrung bei Depressiven
z.B. Untersuchung von Pyszynski, Holt & Greenberg (1987)
Depressive und Nicht-Depressive bewerten mögliche
zukünftige Ereignisse:
Depressive schätzen negative zukünftige Ereignisse als
wahrscheinlicher als Nicht-Depressive
dagegen: Nicht-Depressive schätzen positive zukünftige
Ereignisse als wahrscheinlicher als Depressive
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FAZIT
• Kognitive Prozesse sind wichtige Komponenten im
Prozess der Emotionsgenese
• Emotionale Zustände beeinflussen kognitive Prozesse
wie Aufmerksamkeitsprozesse und
Gedächtnisprozesse
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