Institut Dialog Ethik Ethisches Spannungsfeld zwischen neuem Erwachsenenschutzrecht, persönlicher Haltung und dem Klima einer Organisation Dr. theol. Ruth Baumann-Hölzle Leiterin Institut Dialog Ethik www.dialog-ethik.ch 1 Institut Dialog Ethik Übersicht • • • • • Expliziter und impliziter Werterahmen Gesellschaftliches Werteparadigma Wertevakuum der Moderne Auswirkungen auf die Organisation Spannungsfeld Therapieentscheide 2 www.dialog-ethik.ch Institut Dialog Ethik Expliziter und impliziter Werterahmen • Kultur einer Gesellschaft: Zusammenspiel von explizitem und implizitem Wertrahmen • Kindes- und Erwachsenenschutzrecht als expliziter Werterahmen einer Gesellschaft • Standesrichtlinien, etc. • Moralisches Klima einer Gesellschaft als impliziter Werterahmen einer Gesellschaft 3 www.dialog-ethik.ch Institut Dialog Ethik Explizite und impliziter Werterahmen einer Organisation • Zusammenspiel • Expliziter Werterahmen: – – – – – Kindes- und Erwachsenenschutzrecht KVG DRG Standesrichtlinien Leitbild • Impliziter Werterahmen: – Organisationskultur – Persönlicher Haltung der einzelnen Personen 4 www.dialog-ethik.ch Institut Dialog Ethik Organisationale Verantwortungsdimensionen Persönlicher Verantwortungsraum: Individuelle Moral, Lebensentwurf; Recht auf Leben und Abwehrrecht Organisationale Bereichsverantwortung Organisationale Gesamtverantwortung GESELLSCHAFT: KULTUR (Menschenwürde, Menschenrechte, Gesellschaftsklima, Sitten, Gesetze, Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, Respekt gegenüber dem Abwehrrecht – Pflichten gegenüber dem Lebensschutz - Fürsorgeverpflichtungen) www.dialog-ethik.ch 5 Institut Dialog Ethik Interpretationsspielraum • Interpretation des expliziten Werterahmens durch – Organisationsklima (Tugendethik der Organisation) – Haltung (Tugendethik) 6 www.dialog-ethik.ch Institut Dialog Ethik Gesellschaftliches Werteparadigma 7 www.dialog-ethik.ch Institut Dialog Ethik Modernes Autonomieparadigma • • • • • • • • Nürnberger Kodex 1948 Abwehrrechte Nicht bloss Mittel zum Zweck Basis der modernen Demokratie Rechtsetzung Einforderung der Abwehrrechte Anspruch auf den eigenen Lebensentwurf Freiheit zur Selbstschädigung 8 www.dialog-ethik.ch Institut Dialog Ethik Autonomieanspruch www.dialog-ethik.ch 9 Institut Dialog Ethik Zweierlei Selbstbestimmung • Abwehrrechte: Eindeutig • Einforderungsrechte: ? www.dialog-ethik.ch 10 Institut Dialog Ethik Allgemeinverbindliche Einforderungsrechte • Menschenwürde und Menschenrechte als Abwehrrecht eindeutig • Keine allgemeinverbindlichen Einforderungsrechte, da nicht gesagt ist, was der Mensch eigentlich ist. • Problem: Es gibt bis auf die Nothilfe weltweit keine grundsätzlich verbindlichen Einforderungsrechte, für das, was einem Menschen zusteht. www.dialog-ethik.ch 11 Institut Dialog Ethik Wertevakuum der Moderne www.dialog-ethik.ch 12 Institut Dialog Ethik Menschenbild? www.dialog-ethik.ch 13 Institut Dialog Ethik Menschenbild? patient u pflege 2 www.dialog-ethik.ch 14 Institut Dialog Ethik Impliziter Werterahmen Implizites dominantes Menschenbild Tabu „Abhängigkeiten“ Unabhängiges, rationales, starkes Individuum Ausblendung und Tabuisierung menschlicher Bedürftigkeit • Funktionalität und Effizienz als dominante Grundansprüche an den Menschen • • • • www.dialog-ethik.ch 15 Institut Dialog Ethik Schweizerische Bundesverfassung Sozialziele Artikel 41 § Bund und Kantone setzen sich in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative dafür ein, dass: a.jede Person an der sozialen Sicherheit teilhat;b.jede Person die für ihre Gesundheit notwendige Pflege erhält;c.Familien als Gemeinschaften von Erwachsenen und Kindern geschützt und gefördert werden;d.Erwerbsfähige ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu angemessenen Bedingungen bestreiten können;e.Wohnungssuchende für sich und ihre Familie eine angemessene Wohnung zu tragbaren Bedingungen finden können;f.Kinder und Jugendliche sowie Personen im erwerbsfähigen Alter sich nach ihren Fähigkeiten bilden, aus- und weiterbilden können;g.Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu selbstständigen und sozial verantwortlichen Personen gefördert und in ihrer sozialen, kulturellen und politischen Integration unterstützt werden.2 Bund und Kantone setzen sich dafür ein, dass jede Person gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität, Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Mutterschaft, Verwaisung und Verwitwung gesichert ist.3 Sie streben die Sozialziele im Rahmen ihrer verfassungsmässigen Zuständigkeiten und ihrer verfügbaren Mittel an.4 Aus den Sozialzielen können keine unmittelbaren Ansprüche auf staatliche Leistungen abgeleitet werden. www.dialog-ethik.ch 16 Institut Dialog Ethik Sozialleistungen – Spielball demokratischer Prozesse www.dialog-ethik.ch 17 Institut Dialog Ethik Autonomieparadigma • Gegenüber als Gegner • Beziehungsgestaltung • Care-Ethik 18 www.dialog-ethik.ch Institut Dialog Ethik Abwehrrecht - Beziehung • Abwehrrechte – Handlungbegrenzend – Spannungsfelder zwischen den Akteuren – Entscheidungsfindungsmuster: Kompromiss • Beziehungen – Handlungermöglichend – Kooperation zwischen den Akteuren – Entscheidungsfindungsmuster: Konsens – Shared-Decsion-Making 19 www.dialog-ethik.ch Institut Dialog Ethik Grenze des Erwachsenenschutzrechtes • Keine Anleitung für die Beziehungsgestaltung • Keine Angaben des Masses • Keine Anleitung für den Umgang mit ethischen Dilemmatsituationen • Keine Anleitung für den Umgang mit Gewissenskonflikten 20 www.dialog-ethik.ch Institut Dialog Ethik Auswirkungen auf die Organisation 21 www.dialog-ethik.ch Institut Dialog Ethik Klima der Organisation - Haltungen • Geprägt vom impliziten Werterahmen der Gesellschaft 22 www.dialog-ethik.ch Institut Dialog Ethik Spannungsfeld • Autonomie – Beziehung 23 www.dialog-ethik.ch Institut Dialog Ethik Massarbeit • An ihre Stelle soll als einheitliches Rechtsinstitut die Beistandschaft (Art. 390–425) treten, wenn eine Person wegen einer geistigen Behinderung, einer psychischen Störung oder eines ähnlichen Schwächezustands ihre Angelegenheiten nicht mehr besorgen kann und die Unterstützung durch Angehörige oder private oder öffentliche Dienste nicht ausreicht. Statt der Anordnung standardisierter Massnahmen ist künftig von den Behörden Massarbeit gefordert, damit im Einzelfall nur so viel staatliche Betreuung erfolgt, wie wirklich nötig ist. (Botschaft S. 7203) • Nach welchem Mass? www.dialog-ethik.ch 24 Institut Dialog Ethik Grenze des Erwachsenenschutzrechtes • Keine Anleitung für die Beziehungsgestaltung • Keine Angaben des persönlichen Masses – Einzelfallgerechtigkeit: Jedem das Seine – Verteilungsgerechtigkeit: Allen das Gleiche • Keine Anleitung für den Umgang mit ethischen Dilemmasituationen • Keine Anleitung für den Umgang mit Gewissenskonflikten 25 www.dialog-ethik.ch Institut Dialog Ethik Spannungsfeld Therapieentscheide 26 www.dialog-ethik.ch Institut Dialog Ethik Masseinheiten • K-V-G: Wirksam – Zweckmässig Wirtschaftlich • DRG 27 www.dialog-ethik.ch Institut Dialog Ethik Erwachsenenschutzgesetz 2013 • Nach Artikel 6 des Europäischen Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin, das die Schweiz ratifizieren will, ist es nicht zulässig, den Angehörigen lediglich ein Anhörungsrecht zu geben und die Ärzteschaft oder deren Hilfspersonen ausser in dringlichen Fällen für ihre Patientin oder ihren Patienten selber entscheiden zu lassen, wie gewisse kantonale Gesetze dies heute vorsehen. • Artikel 377 stellt einem Wunsch aus Ärztekreisen in der Vernehmlassung Rech- nung tragend klar, dass die Ärztin oder der Arzt für die angemessene Behandlung die Verantwortung trägt und unter Beizug der zur Vertretung bei medizinischen Massnahmen berechtigten Person den Behandlungsplan erstellt, der der laufenden Entwicklung angepasst wird (Abs. 1 und 4). Soweit möglich wird auch die urteilsun- fähige Person in die Entscheidfindung einbezogen (Abs. 3). Der Behandlungsplan muss nicht schriftlich festgelegt werden. Ein unnötiger Formalismus ist zu vermei- den. www.dialog-ethik.ch 28 Institut Dialog Ethik Welcher Behandlungsplan? • Behandlungsplan des behandelnden Arztes, der behandelnden Ärztin • InformedConsent des Patienten/der Patientin oder Stellvertretung • Was kann eingefordert werden? 29 www.dialog-ethik.ch Institut Dialog Ethik Ethisches Kernproblem • Staatliche Verpflichtung gegenüber dem Abwehrrecht – Verpflichtung zum Lebensschutz • Einforderung der Lebenserhaltung durch Angehörige – ausser in Situationen, in denen Lebenserhaltung gar nicht möglich ist – stärker als der Behandlungsplan? 30 www.dialog-ethik.ch Institut Dialog Ethik Ethische Dilemma Situationen Lebensschutz Fürsorgeverpflichtungen? www.dialog-ethik.ch Abwehrrechte Einforderungsrechte? 31 Institut Dialog Ethik Autonomieanspruch - Beziehungsanspruch • Autonomieanspruch als rechtliche Grenzziehung • Beziehungsanspruch als ethische Herausforderung • Erhöhter Ethikbedarf 32 www.dialog-ethik.ch Institut Dialog Ethik Gutes Leben oder Einbahnstrasse? www.dialog-ethik.ch 33 Institut Dialog Ethik Zuwendung statt Abwehr • Am Anfang des menschlichen Lebens und der Personwerdung stehen Liebe und Zuwendung • Ohne Zuwendung kein Menschsein • Ohne Liebe keine Lebendigkeit • Und trotzdem ist das Abwehrrecht prioritär gegenüber dem Anspruch auf Liebe und Zuwendung • Verteilungs- und Solidargerechtigkeit hinsichtlich Unterstützung und Pflichten www.dialog-ethik.ch 34 Institut Dialog Ethik Autonomie und Beziehung Voraussetzung für Gutes Leben und Gutes Sterben www.dialog-ethik.ch 35 Institut Dialog Ethik Sich einsetzen für Ethik im Gesundheits- und Sozialwesen Auf dem Laufenden bleiben, sich für Ethik engagieren und von diversen Dienstleistungen profitieren: Mit einer Mitgliedschaft beim Förderverein Dialog Ethik. Bewegen Sie mit! www.fv.dialog-ethik.ch 26.03.2012 www.dialog-ethik.ch Referent 36