objekte Smart Factory der Wittenstein AG in Igersheim-Harthausen Präzise und nachhaltige Tür- und Tortechnik in einer Innovationsfabrik Heribert Monitz Mit ihrem bislang größten Erweiterungsbau stellt sich die Wittenstein AG, ein weltweit agierendes Unternehmen für mechatronische Antriebstechnik, auf das Zukunftsbild Industrie 4.0 ein. In der dreigeschossigen Innovationsfabrik findet in einem Radius von 30 Metern der komplette Wertschöpfungsprozess statt – von der genialen Idee bis zum präzisen High TechProdukt. Zwischen den Büros, den klinisch reinen Fertigungsräumen und dem Versand mit den Verladerampen sorgen moderne Tür- und Torsysteme für Sicherheit, Brandschutz und einen reibungslosen Transfer. V om ersten Tag seiner Firmenge­ schichte an setzte das Familienun­ ternehmen Wittenstein auf Präzisi­ on, Qualität und Zuverlässigkeit. Diesen drei Tugenden verdankt der 1949 unter dem Namen Dewitta gegründete Näh­ maschinenhersteller seinen Erfolg vom einstigen Drei-Mann-Betrieb zum weltwei­ ten Komplettanbieter mechatronischer Antriebstechnik. Die High Tech-Produkte der zwischenzeitlich zur Wittenstein AG gewachsenen Firmengruppe befördern unter anderem Astronauten sicher ins Weltall und verschaffen Formel-1-Boliden auf der Rennstrecke die entscheidenden Zehntelsekunden Vorsprung. Aktuell beschäftigt das Unternehmen hierzulande mehr als 1500 Mitarbei­ ter, weltweit sind es rund 1800. Die stete Expansion brachte immer wieder Zukäufe mit sich und ließ den Firmensitz in Igersheim-Harthausen im Main-TauberKreis regelmäßig aus den Nähten platzen – Anbauten, Umbauten und Neubauten waren an der Tagesordnung. 30 element + BAU 6/2015 Innovationsfabrik ebnet den Weg in das Industriezeitalter 4.0 Der Spatenstich für die jüngste Erweite­ rung erfolgte im April 2012: Ein neues, hochmodernes Mechatronik-Zentrum sollte das Unternehmen für die Heraus­ forderungen der Zukunft rüsten und es im Sinne der Vision Industrie 4.0 auf den zunehmenden Konkurrenzdruck durch den globalen Wettbewerb ausrichten. Insgesamt 35 Millionen Euro investierte die Wittenstein AG in die sogenannte Innovationsfabrik, für deren Planung und Ausführung das Büro HENN aus Mün­ chen beauftragt worden war. Im Kern sollte der Neubau drei unternehmerische Ziele erfüllen: die Innovationsfähigkeit stärken, die Entwicklungszeiten verkürzen und ein flexibles, modular erweiterbares Gebäudekonzept vorhalten. Entgegen den bisherigen Gepflogenheiten, wo­ nach die Abteilungen auf verschiedene Gebäude oder Geschosse verteilt waren, sollten die Mitarbeiter in dem 133 x 97 Meter umfassenden Gebäudekomplex unter einem Dach an neuen Produkten forschen, sie zur Marktreife entwickeln und produzieren. Die dreigeschossige Struktur des Gebäudes ermöglicht Denkund Fertigungsprozesse auf einer Ebene und in unmittelbarer Nachbarschaft. Entwicklung, Produktion und Logistik verschiedener Geschäftsbereiche sind entlang der Hauptachse der Innovations­ fabrik angeordnet, wodurch die Mitarbei­ ter in einem Radius von nur 30 Metern den kompletten Wertschöpfungsprozess der Produkte überschauen und daran teilnehmen können. Präzision und Nachhaltigkeit Aufbauend auf den Erfahrungen aus der Firmengeschichte haben Bauherr und Ar­ chitekten die spätere Erweiterungsmög­ lichkeit der Innovationsfabrik im Auge objekte Maßgeblich dazu beigetragen haben die hochwertig gedämmte Gebäudehülle mit dreifach verglaster Fassade, die PV-Anlage auf dem Dach und die Energieerzeugung mittels eigenem Blockheizkraftwerk. Aber auch hinsichtlich der verwendeten Materi­ alien zeigt sich der Fokus auf ökologische Aspekte: Der verwendete Muschelkalk-Na­ turstein stammt aus der Region, das Holz für das Parkett ist FSC 100-zertifiziert, die Fassadenteile in Holzoptik bestehen aus dem faserverstärkten Hybridmaterial Resysta, und auf Montageschäume wurde komplett verzichtet. Eine vorbildliche Öko­ bilanz weisen auch die eingebauten feu­ erhemmenden Türelemente in stumpfer oder gefälzter Ausführung, FeuerschutzSchiebetore (T30), Schnelllauftore und Industrie-Sectionaltore von Hörmann auf, deren Umwelt-Produktdeklaration (EPD) belegt, dass sie umweltschonend herge­ stellt sind, überwiegend aus regionalen Rohstoffen bestehen und durch ihre lange Lebensdauer dem Nachhaltigkeitsgedan­ ken entsprechen. Virtueller Himmel im Innenraum Bei der Innenraumgestaltung galt die Maxime, innovationsfördernde Räume zu schaffen, deren Atmosphäre und technische Ausstattung die Kommuni­ kation anregen und abteilungsübergrei­ fend den Wissensaustausch fördern. Diesem Firmenwunsch begegneten die Architekten mit lichtdurchfluteten, acht In den ruhigen und sauberen Produktionshallen ist spürbar: Hier werden High Tech-Produkte mit höchster Präzision hergestellt. Bildnachweis (alle Bilder): Hörmann Rund 600 Aussteller · 35 000 Besucher * 2016 behalten. Anstatt einen Solitär zu planen entwickelte HENN einen Masterplan, der es ermöglicht, das bestehende Gebäude zu einem späteren Zeitpunkt in einem zweiten Bauabschnitt zu erweitern. Der Entwurf sieht hierfür einen Baukörper mit ähnlicher Kubatur und architektonischer Gestaltung vor, wobei Frontseite und Ladezone analog zur bestehenden Fabrik angeordnet sind. Eine Fortsetzung findet bei der Erweiterung zweifelsfrei auch das wohl auffälligste Gestaltungsmerkmal der Innovationsfabrik – die feststehenden Sonnenschutzlamellen an der acht Meter hohen Glasfassade. Diese sind nach komplexen Verschattungsstudien exakt so ausgerichtet, dass die tief stehende West­ sonne den gleichfalls acht Meter hohen und 18 Meter tiefen Projektraum weder unangenehm aufheizt noch die Mitarbei­ ter an ihren Bildschirmplätzen blenden kann. Dass die Wittenstein AG nicht allein auf Präzision großen Wert legt, sondern sich auch der Nachhaltigkeit verpflichtet fühlt, belegt das DGNB-Vorzertifikat in Gold, das der Innovationsfabrik zum Zeit­ punkt der Eröffnung bescheinigt, dass sie mindestens 80 Prozent der geforderten Nachhaltigkeitskriterien bereits erfüllt haben. Größte regionale Baumesse Deutschlands MESSE DRESDEN 25. – 28. Feb. *HAUS® 2015 10 – 18 Uhr · www.baumesse-haus.de ORTEC Messe und Kongress GmbH element + BAU 6/2015 31 objekte Gedämmten Industrie-Sectionaltore sind den Verladebrücken vorgeschaltet und fügen sich durch eine Sonderlackierung nahtlos in das Fassadenraster ein. Die Feuerschutz-Schiebetore verschwinden unauffällig in Nischenklappen und sorgen im Brandfall durch ihr automatisches Schließen dafür, dass das Feuer bis zu 30 Minuten nicht auf den sich daran anschließenden Abschnitt übergreift. Meter hohen und akustisch optimierten Projekt- und Besprechungsräumen, die mit modernsten Präsentationstechniken ausgestattet sind. Ein »Virtual Sky«, an­ gebracht an der Decke eines Kundenbe­ sprechungsraumes, simuliert das Arbeiten unter freiem Himmel – die dynamische, multispektrale Lichtdecke lässt sogar Wol­ ken über die Mitarbeiter hinwegziehen und bildet die draußen vorherrschenden Lichtverhältnisse 1:1 ab. Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts zufolge hält das nachgeahmte Tageslicht wacher als eine Standard-Bürobeleuchtung und schafft eine viel angenehmere Arbeitsatmosphä­ re. Baulicher Brandschutz Für den baulichen Brandschutz in der Innovationsfabrik sorgen ein- und zweiflügelige T30 Feuerschutztüren von Hörmann, die teilweise auch Rauch- und Schallschutzanforderungen genügen. Unabhängig von ihrer Ausstattung sind alle Feuerschutztüren ansichtsgleich zueinander und sorgen somit für eine harmonische Innenraumgestaltung. Brandschutzabschnitte, die beispielsweise mit LKW oder Flurförderzeugen passiert werden sollen, werden durch T30 Feuer­ schutz-Schiebetore voneinander getrennt. Im Brandfall schließen diese automatisch und verhindern so bis zu 30 Minuten lang das Übergreifen des Feuers auf den sich daran anschließenden Abschnitt. In den repräsentativen Bereichen setzten die Architekten stumpf einschlagende T30 Türen ein. In geschlossenem Zustand bilden Türblatt und Zarge eine flächen­ bündige Einheit. 32 element + BAU 6/2015 Flexible Schnelllauftore sind das verbindende Element zwischen der Versandabteilung und den Produktionshallen – für einen reibungslosen Betriebsablauf öffnet der Behang mit einer Geschwindigkeit von 2 m/s. Innovative und ästhetische Torlösungen Doch nicht nur in den Büros, sondern auch an der Werkbank sind die Arbeits­ plätze wertig, sauber, ruhig und hell. In den Produktionshallen herrscht eine konzentrierte Atmosphäre, fast wie auf der Intensivstation eines Krankenhauses. Professionell geht es hier zu, man merkt, dass jeder Handgriff sitzt. Ab und an schnurrt ein Elektrostapler leise durch die Gänge, verschwindet mit dem Ladegut durch die flexiblen Hörmann Schnell­ lauftore in der angrenzenden Versand­ abteilung. Fast unhörbar schnellen die Behänge mit 2 m/s nach oben und schließen sich, sobald das serienmäßig in die Zarge integrierte Sicherheitslichtgitter erkennt, dass der Torbereich wieder frei ist. Sollte es dennoch einmal zu einem Crash mit einem Flurförderzeug kommen und der Torbehang aus der Führungs­ schiene gedrückt werden, stoppt das Tor dank SoftEdge-Bodenprofil sofort und zieht sich automatisch beschädigungsfrei in die Ausgangsposition. In der gesamten Innovationsfabrik sorgen das BHKW und die Lüftungsanlage mit Heiz- und Kühlfunktion ganzjährig für ein gleichmä­ ßiges, angenehmes Raumklima. Selbst unmittelbar an den Verladerampen, wo es häufig zieht und die Temperatur sich dem Außenklima angleicht, bleibt das Innen­ raumklima stabil. Anstatt die Ladebrücken wie üblich mit Vorsatzschleusen zu verse­ hen, versteckten die Planer die Andock­ stationen für die LKWs hinter wärmege­ dämmten Industrie-Sectionaltoren von Hörmann, deren Sonderlackierung sich an die Fassadengestaltung des Gebäudes anpasst. Diese vorgelagerte Torlösung ermöglichte auch im Bereich der Ladezo­ ne ein präzise gestaltetes Fassadenbild – eines von vielen durchdachten Details, die der Wortschöpfung »Innovationsfabrik« auch in architektonischer Hinsicht gerecht werden.