Zum Verhältnis von Ethik und Biomedizin.

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Editorial
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Rückzug der Klonkrieger?
Zum Verhältnis von Ethik und Biomedizin.
왘 Als ich von der wissenschaftlichen Redaktion des BIOspektrums gebeten wurde,
ein Editorial zum Verhältnis von Biomedizin
und Ethik zu verfassen, hatte ich zunächst
Zweifel, ob es mir gelingen würde, für dieses Thema eine ausreichende Aufmerksamkeit der Leser zu gewinnen. Einerseits
schien die Bereitschaft in der heutigen Biomedizin größer denn je, sich der ethischen
Dimension zu stellen. Insofern könnte ein
Votum für eine ethische Reflexion Gefahr
laufen, offene Türen einzurennen. Andererseits war just zu dem Zeitpunkt, als mich
die Bitte erreichte, weit und breit kein brisantes Problem in den Medien absehbar, sodass die Erinnerung an die möglicherweise
vorhandenen ethischen Implikationen ihrer
Handlungen von den Fachvertretern leicht
als lästige Störung in einer lang erwarteten
Ruhephase wissenschaftlicher Sacharbeit
empfunden werden konnte.
Der Zufall wollte es, dass diese Sacharbeit
in den biomedizinischen Forschungslabors
weltweit durch ein Ereignis kurz vor Weihnachten abrupt unterbrochen wurde. Die unüberhörbaren Zweifel an den Arbeiten des
südkoreanischen Klonpioniers Hwang WooSuk, sein Versuch, die Veröffentlichung seiner Ergebnisse in Science zurückzuziehen
und schließlich das Eingeständnis von Betrug sowie der Rückzug von allen Ämtern
machten deutlich, dass die Vorstellung von
isolierter Sacharbeit im Sinne eines starken
Wertfreiheits-Postulats reine Fiktion ist.
Dabei geht es noch nicht einmal um die
allgemeine ethische Erörterung des therapeutischen Klonens. Es geht zunächst viel
konkreter um Fragen der direkten Forschungspraxis in diesem einen Fall, die allerdings exemplarische Bedeutung besitzen. So
ist umstritten, ob die noch vor kurzem so gefeierte erstmalige Herstellung humaner embryonaler Stammzellen aus einem geklonten menschlichen Embryo nicht hinsichtlich
der Gewinnung der Eizellen ethisch äußerst
fragwürdig ist. Die Gerüchte über finanzielle Entlohnung der Eizell-Spenderinnen und
über berufliche Abhängigkeiten nehmen
kein Ende. Es ist weiter davon auszugehen,
dass die in Science präsentierten Stammzelllinien schlicht gefälscht, respektive frei erfunden sind. Wobei vor allem die Bedeutung
von Bildern – in diesem Fall Abbildungen
der DNA-Muster als Beleg der Existenz der
fraglichen Zellen – offensichtlich wurde.
Dass der „Fall“ Hwang Woo-Suk über diese direkte Labor- und Publikationspraxis
weit hinausgeht, zeigen die globalen Ver-
flechtungen: So etwa die dubiose Rolle von
Co-Autor Gerald Schatten von der University of Pittsburgh. Dessen per Presseerklärung vom 12. November 2005 vorgenommene Aufkündigung der Zusammenarbeit
zeigt auch die Abhängigkeit der ethischen
Erörterung von internationaler Konkurrenz,
Karriereplanung sowie schlicht vom Geld (in
diesem Fall wohl erhoffte Einnahmen aus
Patenten). Die globale Dimension des „Falles“ wird dann auch in der in der Zeitschrift
Science Express veröffentlichten Stellungnahme maßgeblicher Stammzellforscher erkennbar. Zudem verweist diese Stellungnahme auf die Rolle der Fachorgane sowie
der Qualität ihrer Prüf- und Kontrollinstrumente aber auch auf die Frage der mit einer
Co-Autorschaft übernommenen Verantwortung.
Fragt man nach den Gründen für das vermutliche Fehlverhalten von Hwang, so wird
man schnell, über rein persönliche Motive
hinaus, auf strukturelle Aspekte verwiesen:
etwa auf den steigenden Publikationsdruck
einer „datengetriebenen“, biomedizinischen
Forschung, auf die teilweise überzogenen
Heilserwartungen der Medienöffentlichkeit,
auf die immer rigoroseren Karrierestrategien
oder gar auf die Bedingungen einer zunehmend durch Dritte gesteuerten Wissenschaft
unter ökonomischem Verwertungsinteresse.
Erinnert sei hier nur an die Ad-hoc-Debatte um einen biopolitischen Kurswechsel in
Deutschland – ausgelöst durch die damalige
Publikation der südkoreanischen Klonerfolge (FAZ 23.05.2005)!
Für das Verhältnis zwischen Ethik und
Biomedizin bedeutet all dies, dass die zu klärenden Probleme ein weites Spektrum von
Fragen umfassen: Sie reichen vom Standesethos der Forscher, im Sinne einer Orientierung an der „guten wissenschaftlichen
Praxis“, über die externe Verantwortung bei
Anwendung wissenschaftlicher Ergebnisse
bis hin zur Erörterung des gesellschaftlichen,
politischen und ökonomischen Rahmens.
Fragt man sich, wie Fälle von der genannten
Art vermieden werden können, so darf man
wohl kein simples Universalrezept erwarten.
Eine ganze Reihe von möglichen Maßnahmen ist denkbar: von der Verbesserung der
fachlichen Kontrollorgane (auf Ebene der
Ständeorganisationen, der Fachjournale, der
wissenschaftlichen Institutionen) bis hin zur
Ausbildung schnellerer und wirksamerer
Sanktionsmechanismen.
„Nachhaltig“ wird sich jedoch die Selbstverständlichkeit eines aufmerksamen, verantwortlichen und kritischen wissenschaftlichen Verhaltens nur durch eine frühe und
dann kontinuierliche Förderung des ethischen „Bewusstseins“ schon bei jungen Forschern sichern lassen. Dazu ist stärker als bisher dieser Aspekt in der Ausbildung zu verankern. Das heißt: Aufnahme von entsprechenden Ausbildungselementen in die fachlichen Curricula. Diese dürfen jedoch nicht
nur – auch das lehrt der Fall Hwang – auf die
Ethik der Biomedizin beschränkt sein, sie
müssen vielmehr auch Aspekte der Geschichte, der Methodenlehre und der Soziologie der Biowissenschaften umfassen.
Wichtige neue Fachgremien – wie das Ombudsgremium der DFG – sollten zudem
durch weitere institutionelle Formen ergänzt
werden – man denke an angelsächsische Vorbilder wie das Centre for Genomics in Society (Engis) in Exeter.
Kristian Köchy
Institut für Philosophie, Universität Kassel
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Dr. Kristian Köchy
Institut für Philosophie
Universität Kassel
Nora-Platiel-Str. 1
D-34109 Kassel
[email protected]
BIOspektrum · 2/06 · 12. Jahrgang
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