K U LT U R Donnerstag, 11. August 2016 13 Zwischen altbekannt und wiederentdeckt 2016 Besucherrekord bei den Opernfestspielen: ein Fazit – und wie man 2017 an den Erfolg anknüpfen will Horst Fickelscher gibt Orgelkonzert An der klangschönen Kreisz-Orgel der Heidenheimer Versöhnungskirche im Ökumenischen Gemeindezentrum Mittelrain spielt Horst Fickelscher am Freitag, 12. August, 17 Uhr, ein Konzert mit Werken von Komponisten der Barockzeit aus Süd- und Norddeutschland. Johann Speth (1664 – 1719) war Domorganist in Augsburg. Von ihm erklingen „Musikalische Blumenfelder“ (Toccaten), ein Magnificat und eine Partita. Von Georg Böhm (1661 – 1733), dem Organisten der Johanneskirche in Lüneburg, spielt Fickelscher Präludium und Fuge a-Moll sowie Choralvariationen zu „Ach wie flüchtig, ach wie nichtig“ und „Wer nur den lieben Gott lässt walten“. Horst Fickelscher begleitet seit vielen Jahren regelmäßig die Gottesdienste im Johannesgemeindehaus auf dem Zanger Berg in Heidenheim auf der Orgel. Erst vor wenigen Wochen ist er dort aufgetreten mit einer kleinen Gruppe junger Streicher der Heidenheimer Musikschule. Er stammt aus Thüringen, gerade auf halben Weg zwischen den Wirkstätten der beiden Komponisten, deren Musik er ausgesucht hat. Veranstalter des Konzertes ist der Förderverein „Pro ÖGZ“. Der Eintritt ist frei, Spenden zum Erhalt des Ökumenischen Gemeindezentrums sind willkommen. Mit der Spannung zwischen einer Oper, die jeder kennt, und einer, die quasi wiederentdeckt wurde, ist für Matthias Jochner das Konzept der Opernfestspiele 2016 aufgegangen. Denn das Besondere an der diesjährigen Auflage lag für den Leiter des Fachbereichs Kultur genau in diesem Spiel mit zwei Extremen: „Die ,Bohème‘ ist wohl eine der fünf populärsten Opern überhaupt, Oberto hingegen eher unbekannt.“ Da das Publikum aber nicht nur auf den „Verdi mit reduziertem Konzept“ derart eingestiegen sei, könne er von einer rundum gelungenen 52. Festspiel-Saison sprechen. Dieses Fazit unterstreichen die Zahlen: Insgesamt rund 17 600 Besucher, 1500 mehr als im Vorjahr, und eine Gesamtauslastung von 94 Prozent bedeuten ein neues Rekordergebnis für die Opernfestspiele. Die Junge Oper erreichte mit dem Auftragswerk „Rocke und die Zaubertrompete“ eine Auslastung von 88 Prozent und 2300 Besucher, die Inszenierung von Puccinis „La Bohème“ durch Petra Luisa Meyer sahen 8521 Zuschauer in zehn Vorstellungen, was einer Auslastung von 99 Prozent gleichkommt. Auch bei der Verdi-Premiere lag man über der Kalkulation. Wie die Reihe als Ganzes ankommt, wird sich noch zeigen. Von unangenehmen Zwischenfällen oder Pannen sei man heuer jedenfalls restlos verschont geblieben: „Stress hat man eher im Vorfeld, wenn man sich fragt, ob man die Auslastungen erreicht“, so Jochner. Natürlich könne es mal vorkommen, dass bestimmte Teile etwas später als geplant geliefert werden, aber das gehöre eben einfach dazu. Auch mit dem Wetter war „alles gut. Wir sehen das immer recht gelassen.“ Natürlich könne man nicht von einer strahlenden Open-Air-Saison sprechen, aber das sei Jammern auf hohem Niveau, wenn der einzige große „Wetter-Aufreger“ die Frage „drinnen oder draußen?“ sei. Zwar habe es diesbezüglich ein paar knappe Entscheidungen gegeben, aber keine falschen, die zum Abbruch oder, wie 2015, zur Verkürzung eines Aktes geführt hätten. „Bei der ,Last Night‘ am Erster Preis für Tatjana Engling Mit einem 1. Preis ist Tatjana Engling aus Zang vom Internationalen Gitarrenfestspiel in Nürtingen zurückgekehrt. Eingeläutet wurde das Festival, das zum zwölften Mal stattfand, vom Nürtinger Kammerorchester unter der Leitung von Walter Schuster. Im hochdotierten Wettbewerb messen sich Nachwuchsgitarristen aus der ganzen Welt. Beim Wettstreit der jungen Talente, die zwischen zwölf und 17 Jahre alt sind, setzte sich die 16-Jährige auf Anhieb durch. Sonntag hat der Rittersaal dann nochmal seinen ganzen Charme ausgespielt“, so Jochners Einschätzung. Besonders großen Anklang beim Publikum fand heuer das neu ins Programm genommene Jazzfrühstück: „Damit wollten wir die Opernfestspiele noch mehr in die Bevölkerung hinein vernetzen.“ Die Atmosphäre und die hochkarätigen internationalen Künstler-Formationen hätten maßgeblich dazu beigetragen. Dabei konzentrierte man sich speziell auf junge Künstler: „Man muss dem Nachwuchs ein Podium bieten.“ Ob es das neue Event auch 2017 wieder geben wird, kann Jochner noch nicht mit Gewissheit sagen. „Das muss in der Detailplanung noch abgestimmt werden.“ Nach diesem Auftakt mit jeweils über 100 Besuchern bei allen vier Terminen stünden die Chancen jedoch relativ gut. Jochner bezeichnet auch die große Spanne in der Besetzung als Gewinn: „Vom Jazz-Nachwuchs über Weltstars bis hin zu unserer Cappella Aquileia war alles dabei.“ Außerdem hätten sich alle sehr gut verstanden und es habe keinerlei Probleme gegeben. Als persönliches Highlight oder zumindest eines von vielen nennt der Mitverantwortliche die Begegnung mit Regisseur Tobias Heyder: „Er hat es geschafft, innerhalb von drei oder vier Tagen sein Konzept darzulegen und so zu vermitteln, dass alle, sowohl Sänger als auch Musiker, es schnell und gut verstanden haben. Das kann nicht jeder.“ Die Produktion bekomme die Öffentlichkeit so gar nicht mit, die sehe nur das Ergebnis. „Umso mehr freut es einen dann, wenn man das Gefühl hat, es funktioniert auch beim Publikum“, so Jochner. Von „Oberto“ schwärmt auch der künstlerische Direktor Marcus Bosch. Ihm ist der Pausenapplaus stark im Gedächtnis geblieben: „Unser Wagemut hat sich ausgezahlt. Es war schon ein gewisses Risiko, ein Programm zu fahren, das keiner kennt.“ Aber das Konzept, die Oper als Kammerspiel mit minimalen Mitteln maximal zu inszenieren, sei aufgegangen. Insgesamt spricht er von einem tollen Dreiklang von Junger Oper, Verdi-Reihe und großer Produktion. Boschs Assistent und Leiter des Festspielbetriebs, Oliver von Fürich, ist sogar so angetan von „Oberto“, dass er die Oper seit der Premiere als „meine Lieblingsoper“ bezeichnet: „Keine einzige Note ist langweilig.“ Außerdem freue es ihn besonders, dass sich die Opernfestspiele über die Landkreisgrenzen hinweg immer mehr öffnen. Bleibt zum Schluss die Frage, wie das Team der Opernfestspiele den Erfolg im kommenden Jahr noch toppen könnte: „Weiterarbeiten“, sagt Jochner nüchtern. „Das ist das, was wir machen. Nach der Saison ist vor der Saison.“ Man liefere ab, freue sich kurz, sei aber parallel schon wieder in den Vorbereitungen für die neue Saison. Für 2017 kündigt Marcus Bosch ein spürbar anderes Programm als das diesjährige an: „Wir haben den ,Fliegenden Holländer‘, eine Komische Oper von Verdi und eine Kinderoper, die sich auch im Piraten-Bereich bewegt.“ Oberstes Ziel sei freilich immer, künstlerisch zu wachsen. Und von Fürich fügt hinzu: „Wir wollen zeigen, dass uns immer wieder etwas Neues einfällt. Und dass das, was wir machen, Hand und Fuß hat.“ Elena Kretschmer Info Der Vorverkauf für die 53. Saison hat bereits begonnen. Ab November werden weitere Veranstaltungen der Festspielzeit 2017 im Vorverkauf sein. An die Pinsel, fertig, los Tatjana Engling aus Zang war erfolgreich mit ihrer Gitarre. Drehorgelkonzert im Brenzpark 14 Drehorgelspieler traten jetzt im Brenzpark auf – und erfreuten mit ihrem Spiel das zahlreich lauschende Publikum. Ob Klassik oder Pop – die bunte Auswahl an Melodien gefiel sehr, dazu noch der Anblick der verschiedensten Drehorgeln und die Kostümierung der Akteure. Es war ein Augen- und Ohrenschmaus. Arthur Kienzl vom BrenzparkVerein vergaß in seiner Begrüßungsrede nicht zu erwähnen, dass die muntere Schar der Dreh- Über 17 500 Besucher ließen es sich heuer nicht nehmen, eine Veranstaltung der Opernfestspiele zu besuchen. Ob im Rittersaal (oben eine Szene von „La Bohème“), im Festspielhaus oder im Opernzelt: Die Auslastungszahlen sprechen für sich. Foto: Oliver Vogel orgelfreunde ununterbrochen seit 2006 aktive Gäste bei der Kulturreihe „Sommer im Park“ seien und dafür auch längere Anfahrten in Kauf nähmen, um sich hier zu präsentieren. Höhepunkte des Konzerts waren die „Amboss-Polka“, zu der Manfred Strobel mit dem Schmiedehammer kräftig den Takt schlug, sowie die Moritat „Sabinchen war ein Frauenzimmer“, bei der das Publikum dank ausgeteiltem Liedblatt gelungen mitsang. Von Groß bis Klein, von Alt bis Jung: Jeder Spieler muss durch die Maske des Naturtheaters. Doch wie bringt man das alles über und die Darsteller auf die Bühne? Am besten: einfach mal vor Ort umsehen. Farben über Farben, Perücken, Pinsel und Spiegel an der Wand: Das alles findet man in der Maske des Heidenheimer Naturtheaters. Inge Eisenschmid ist hier die Chefin; und sie gehört fast schon zur Einrichtung: Seit über 40 Jahren schminkt sie nun schon Hexen, Robin Hoods, Nonnen, Monster und was immer szenisch in Erscheinung treten soll. Eine der wohl witzigsten Geschichten entstand bei „Pinocchio“. Wie allen bekannt, verlängert sich die Nase des Holzjungen bei jeder Lüge, die er spinnt. Doch wie lässt man eine Nase auf der Bühne wachsen, ohne dass der Zuschauer es bemerkt? Inge Eisenschmid hatte die passende Idee parat: eine ausfahrbare Nase mit Bremse, nach dem Prinzip eines ausfahrbaren Campingdachs. Gesagt, getan. Die ausfahrbare Nase wurde hergestellt und konnte auf der Bühne ohne Probleme verlängert werden. Auch die Nasen der Hexen in dem diesjährigen Stück „Die kleine Hexe“ waren eine Menge Aufwand. Schon von Weitem sieht man die herausragenden Zinken der über 30 Hexen, die in Handarbeit angefertigt wurden. Man merkt, Eisenschmid wird es bestimmt nicht langweilig: „Jedes Jahr gibt es eben neue Herausforderungen, verbunden mit viel Arbeit.“ Man wisse vorher nie, was auf einen zukommt. Doch egal, welches Theaterstück aufgeführt wird: „Es ist alles immer mit einer Menge Spaß verbunden.“ Gerade deswegen denkt die gelernte Textildesignerin noch lange nicht ans Aufhören. „Schmin- Ein Blick hinter die Kulissen: Inge Eisenschmid, Chefmaskenbildnerin des Naturtheaters, schminkt Kerstin Keppler zur Waldhexe „Eulalia“ und gibt spannende Einblicke in den Alltag einer Maskenbildnerin. ken hält mich fit“, sagt sie lachend. Ihr Motto in 40 Jahren war und ist noch immer: „Gehudelt wird nicht, Genauigkeit ist alles.“ Die drei wichtigsten Dinge in der Maske laut der Chefmaskenbildnerin: schön schminken, genau schminken, möglichst realitätsnah schminken. Dabei sollte das Aufkommen von Hektik und Stress tunlichst vermieden werden. „Die Maske sollte der Ruhepol eines jeden Theaters sein“, erklärt Eisenschmid. Die Schauspieler vergäßen dort ihre Auf- regung und sammelten sich vor ihren Auftritten noch ein letztes Mal. Kerstin Keppler, Darstellerin der Hexe „Eulalia“ in „Die kleine Hexe“, bestätigt das: „In der Maske entspanne ich mich und genieße die Zeit.“ Man lege den Alltag in dem Moment ab, in dem man die rote Tür zur Maske passiere. Hier verwandle man sich erst zur entsprechenden Figur. Das Abschminken nach den Vorstellungen sei aber nicht immer so angenehm: „Manchmal hilft da nur der Griff zum Spiritus“, erzählt Keppler augenzwinkernd. Zu den kuriosesten Hilfsmitteln an den Schminktischen des Naturtheaters zählen wohl auch die Heißklebepistole und das eine oder andere Häufchen PUSchaum: „Das haben bestimmt nur wir im Schminkkoffer“, vermutet Eisenschmid schmunzelnd. Isabell Kobl Ein Zeitraffer-Video vom Schminken gibt es auf www.hz-online.de/videos