CME-Fortbildung Spezifische Phobien Alfons O. Hamm Einleitung DEFINITION SPEZIFISCHE PHOBIE Obwohl Phobien bereits zu Zeiten des Hippokrates bekannt waren und auch später in einzelnen Kasuistiken (vgl. Freuds Kasuistik vom „Kleinen Hans“ [1]) immer wieder beschrieben wurden, geht die systematische nosologische Abgrenzung von Phobien als eine spezifische Form der krankhaften Furcht und Vermeidung im Wesentlichen auf die umfangreichen Forschungsarbeiten britischer Psychiater während und nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. So listet die 6. Version des internationalen Klassifikationssystems (ICD) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 1948 Phobien als separate Kategorie. Das Klassifikationssystem (DSM) der American Psychiatric Association (APA) führt Phobien seit 1952 als eigenständige Diagnosegruppe. Inzwischen unterscheidet man aufgrund klinischer Merkmale (Unterschiede in den Symptomberichten, dem Erkrankungsbeginn, der Geschlechterverteilung und der Prognose) 3 große Gruppen von Phobien: ▪ Agoraphobie ▪ soziale Phobie ▪ spezifische Phobien Spezifische Phobien sind gekennzeichnet durch eine intensive und persistente (6 Monate oder länger) Furcht oder Angst, die durch spezifische Objekte oder Situationen ausgelöst wird und von dem zwingenden Wunsch begleitet ist, solchen Situationen aktiv zu entfliehen oder sie bereits im Vorfeld zu meiden (Kriterien A, C und E im DSM-5 [2]). Das phobische Objekt bzw. die gefürchtete Situation löst fast immer und unmittelbar eine Furchtreaktion aus (Kriterium B im DSM-5), deren Intensität mit zunehmender Proximität der Bedrohung ansteigt (z. B. mit zunehmender Dauer der räumlichen Enge oder mit zunehmender Nähe einer Spinne etc.) und unmittelbar abnimmt, wenn die situative Bedrohung verschwindet (d. h. wenn sich die Fahrstuhltür öffnet oder die Spinne gefangen und nach draußen gebracht wird). Diese situationsgebundene Form der Furchtreaktion ist somit ein wichtiges Definitionsmerkmal für eine spezifische Phobie. Zusatzkriterien. Für die Diagnose einer psychischen Störung müssen neben den oben genannten Kriterien noch 2 weitere diagnostische Kriterien erfüllt sein: ▪ Kriterium D: Die Furcht ist unangemessen stark angesichts der tatsächlichen Gefahr der Situation oder des Objekts bezogen auf den kulturellen Kontext sowie ▪ Kriterium F: Die Furcht oder die Vermeidung führt zu klinisch bedeutsamen Leiden (Leidensdruck) oder zu Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. häufig zur Definition des Krankheitswerts einer psychischen Störung verwendet. Es ist jedoch gerade im Fall von spezifischen Phobien durchaus problematisch [3]. Das Ausmaß der funktionellen Beeinträchtigung hängt nämlich in der Regel davon ab, ob die spezifische Phobie isoliert auftritt oder ob Überschneidungen (Komorbiditäten) mit anderen psychischen Störungen vorliegen. Funktionelle Beeinträchtigung. Dieses letzte, etwas unscharfe Kriterium der funktionellen Beeinträchtigung (gleiches ließe sich auch zum Kriterium des Leidensdrucks sagen) wird im ICD-10 und auch im DSM-5 Hamm AO. Spezifische Phobien … PSYCH up2date 2017; 11: 223–238 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Mit einer durchschnittlichen Einjahresprävalenz von 9 % gehören spezifische Phobien zu den häufigen psychischen Erkrankungen. Sie zeigen sich als intensive Furchtreaktionen vor spezifischen Situationen mit dem zwingenden Wunsch zur Flucht. Reizkonfrontation in vivo ist die wirksamste Behandlungsmethode – ggf. auch in einer einzigen Sitzung. Dabei müssen die zentralen Befürchtungen des Patienten in der Realität überprüft werden. Komorbidität. In einer Stichprobe von über 1000 Patienten mit Angststörungen wiesen insgesamt 70 % aller Patienten mit der Diagnose einer spezifischen Phobie zusätzlich eine andere Angst- oder eine Stimmungsstörung auf [4]. Wenn jedoch die „spezifische Phobie“ die Primärdiagnose war, reduzierte sich die Komorbiditätsrate auf 33 %. 223 CME-Fortbildung Vor diesem Hintergrund sind epidemiologische Daten der EDSP-Studie (Early Development Stages of Psychopathology) relevant, welche zeigen, dass die Komorbiditätsraten linear mit zunehmender Dauer der spezifischen Phobie ansteigen [5]. Frühe Therapie erschwert. Laut Daten aus der National Comorbidity Study-Adolescent Supplement (NCSA)-Studie berichten 19,3 % aller Adoleszenten (in der Altersspanne 13 – 18 Jahre) von einer Lebenszeitprävalenz einer spezifischen Phobie, aber nur 0,6 % aller Befragten berichten von einer „starken“ oder gar extremen Beeinträchtigung sowie einem starken oder sehr starken Leidensdruck [6]. Diese Daten legen nahe, dass nur ein geringer Anteil aller Betroffenen tatsächlich eine Störung mit „Krankheitswert“ aufweist. Berücksichtigt man jedoch, dass mit zunehmender Dauer der Störung die Komorbidität mit anderen psychischen Störungen zunimmt und diese wiederum mit der funktionellen Beeinträchtigung zusammenhängt, wird durch die Forderung einer funktionellen Beeinträchtigung als diagnostisches Kriterium der frühe Zugang zu einer effektiven Behandlung einer spezifischen Phobie verhindert, wenn sie eben noch nicht chronifiziert und von anderen Störungen überlagert ist. Dies ist v. a. auch deshalb problematisch, weil ausgesprochen effektive und kurze Behandlungsverfahren für isolierte Formen der spezifischen Phobien verfügbar sind. Symptomprofile und diagnostische Unterteilungen Namensgebung. Die enge Verknüpfung der Furchtreaktion mit der sie auslösenden Situation stellt eines der Schlüsselmerkmale für die Definition einer spezifischen Phobie dar. Daher ist es möglicherweise nicht verwunderlich, dass traditionell phobische Störungen zunächst hinsichtlich der furchtauslösenden Situationen oder Objekte unterschieden wurden. Daraus resultierte eine schier endlose Liste von Phobien, bei denen lateinische oder griechische Übersetzungen der gefürchteten Situation dem Wortteil -phobie als Präfixe vorangestellt wurden. Eine Liste solcher Phobien reicht dann von Agnophobie (Furcht vor dem Erblinden oder Ertauben) über Arachnophobie (Furcht vor Spinnen), Akrophobie (Furcht vor Höhen), Klaustrophobie (Furcht vor engen Räumen) Kynophobie (Furcht vor Hunden), Nyktophobie (Furcht vor Dunkelheit) bis zur Zoophobie (Furcht vor Tieren). Obwohl solche Listen sehr attraktiv für die Medien sind, von denen man am „Freitag dem 13.“ als Phobie-Experte angerufen wird, 224 DIAGNOSTISCHE UNTERTEILUNG DER SPEZIFISCHEN PHOBIEN ( F40.2) Tier-Typus (F40.21) Die Furcht wird ausgelöst durch bestimmte Tiere, z. B. Spinnen, Schlangen, Insekten, Mäuse, Hunde usw. Naturgefahren-Typus (F40.22) Die Furcht wird ausgelöst durch Gefahren in der Natur, wie Naturgewalten (z. B. Gewitter, Sturm) oder tiefes Gewässer. Typus Blut – Injektion – Verletzung (F40.23) Die Furcht wird ausgelöst durch den Anblick von Blut, durch Injektionen oder andere invasive medizinische Maßnahmen und durch Verletzungen. Situativer Typus (F40.24) Die Furcht wird in diesem Fall ausgelöst durch räumliche Enge und Eingeschlossensein (Klaustrophobie; F40.240), Höhen (F40.241), Brücken (F40.242), dem Fliegen (F40.243) oder durch Tunnels und dem Autofahren (F40.248). Andere spezifische Phobien (F40.29) Diese Gruppe soll verwendet werden, wenn die Furcht durch andere Situationen ausgelöst wird. Hierzu zählt die Furcht, sich zu verschlucken, in deren Verlauf die Patienten häufig nur noch geringe Mengen „sicherer Nahrung“ (z. B. Joghurt) zu sich nehmen. Außerdem gehören zu dieser Untergruppe die isolierte Furcht vor dem Erbrechen sowie – bei Kindern – die Furcht vor lauten Geräuschen oder verkleideten Personen (z. B. Clowns). um über Patienten mit einer Paraskevadekatriaphobie zu berichten, sind solche Listen wissenschaftlich aber auch klinisch sinnlos. Merke DSM-5 und ICD-10 unterscheiden nur noch zwischen 4 Gruppen von Spezifischen Phobien. Diese können zusätzlich diagnostisch unterteilt kodiert werden [7]. Differenzierung. Während Geschlechterverteilung, Krankheitsbeginn und Therapieresponse für die 4 Subtypen sehr ähnlich sind, unterscheiden sich die physiologischen Muster der beobachteten Furchtreaktion, die funktionelle Beeinträchtigung und die Komorbiditätsraten [8]. Tier-Typus. Die Patienten mit einer spezifische Phobie vom Tiertypus zeigen eine Furchtreaktion, welche durch eine Dominanz des sympathischen Teils des au- Hamm AO. Spezifische Phobien … PSYCH up2date 2017; 11: 223–238 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Merke Ob die Diagnose einer spezifischen Phobie die Primärdiagnose (und damit die gravierendste psychische Störung) darstellt oder nicht, prädiziert das Ausmaß der funktionellen Beeinträchtigung. Blut-Injektions-Verletzungstypus. Demgegenüber zeigen Patienten mit einer spezifischen Phobie vom Blut-Injektion-Verletzungstyp ein diphasisches vegetatives Muster der Furchtreaktion. Nach einer anfänglichen sympathikoton dominierten Reaktion kommt es plötzlich zu einer starken vasovagalen Reaktion mit deutlicher Bradykardie. Der Blutdruck fällt ab, es kommt zu Übelkeit und Schweißausbrüchen bis hin zur Ohnmacht (dies ist auch die zentrale Befürchtung der Patienten). Merke 70 % der Phobiker sind im Laufe ihres Lebens schon einmal in Ohnmacht gefallen. Naturgefahren-Typus. Patienten mit spezifischer Phobie vom Naturgefahren-Typus berichten sehr häufig von Schwindel (v. a. bei Höhenangst) und starken Vermeidungsdispositionen oft begleitet von zentralen Befürchtungen potentieller Gefahren der Naturereignisse (z. B. ein Blitz könnte in mein Haus einschlagen und es in Brand setzen). Situativer Typus. Phobien vom situativen Typus (z. B. die Furcht, eingeschlossen zu sein) sind gekennzeichnet durch physiologische und kognitive panikanfallähnliche Symptome mit zentralen Befürchtungen, die Kontrolle zu verlieren, zu ersticken und dem starken Drang, der Enge zu entfliehen. Ein ähnliches Symptommuster findet sich auch bei Patienten mit Agoraphobie – definiert durch die Furcht und Vermeidung von Situationen, in denen Flucht sehr schlecht möglich ist oder in denen im Falle von panikartigen Symptomen keine Hilfe verfügbar ist. Tatsächlich weisen zwei Drittel aller Patienten mit Panikstörung und Agoraphobie ausgeprägte Furchtsymptome auf, wenn sie in einem engen Raum eingeschlossen sind [10]. Merke Im Unterschied zur spezifischen Phobie vom situativen Typus sind die Furchtreaktionen bei Patienten mit Agoraphobie deutlich stärker generalisiert. Obwohl die Dentalphobie mit einer Prävalenzrate von 3 – 5 % bei Erwachsenen und sogar von 6 – 7 % bei Kindern und Jugendlichen relativ häufig ist, taucht sie weder im ICD-10 noch im DSM-5 explizit als eine eigenständige Form der spezifischen Phobie auf. Wegen der Symptomatik (diphasisches vegetatives Muster mit vasovagaler Reaktion) und aufgrund der Therapieindikation sollte sie aber am besten dem Typus der Blut-Injektion-Verletzungsphobien zugeordnet werden. Hamm AO. Spezifische Phobien … PSYCH up2date 2017; 11: 223–238 Epidemiologie Spezifische Phobien sind eine häufig auftretende psychische Störung. Nach den Ergebnissen der National Comorbidity Study (NCS) mit 9000 Probanden in den USA beträgt die Lebenszeitprävalenz 11,3 % und die 12-Monats-Prävalenz 8,8 % [11]. In Europa sind die Zahlen ähnlich. Kombiniert man die Ergebnisse aus 11 epidemiologischen Studien (N = 38 981 Probanden), so findet sich in Europa eine 12 Monats-Prävalenz von 10,8 %. Allerdings sind die Schwankungen zwischen den 11 Studien, die in diese Schätzung eingehen, sehr hoch (0,8 – 11,1 %), was auf starke methodische Unterschiede in den Erhebungsmethoden zurückgeht [12]. Studien, in denen geringere Prävalenzraten berichtet wurden, haben nicht alle Formen der spezifischen Phobien erfasst oder eine Reihe von Ausschlusskriterien festgelegt. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. tonomen Nervensystems und starke Fluchttendenzen gekennzeichnet ist. Sie ist begleitet von der zentralen Befürchtung „auszurasten“ oder die Kontrolle zu verlieren [9]. Merke Bei spezifischer Phobie liegt das Geschlechterverhältnis von Frauen zu Männern bei 2:1. Altersverteilung. Laut Daten der EDSP-Längsschnittstudie sind die Prävalenzraten für spezifische Phobien in der frühen Adoleszenz (in der Altersspanne von 14 – 17 Jahren [13]) vergleichbar (10,9 %) mit denen bei Erwachsenen, aber höher im Vergleich zu Prävalenzraten spezifischer Phobien im Kindesalter. Hier liegen die 12Monats-Prävalenzen über die verschiedenen Studien hinweg bei 5 % [14]. Die Prävalenzraten der NCS-A-Studie sind demgegenüber deutlich höher, gehen jedoch stark zurück, wenn das Kriterium des Leidensdrucks berücksichtigt wird [6]. Häufigkeit. Betrachtet man die verschiedenen Phobietypen, so sind die Tierphobien am häufigsten (hier schwanken die Zahlen zwischen 4,5 und 8 % je nach Studie [15, 16]), gefolgt von dem situativen Typus (4,2 %) und dem Blut-Injektion-Verletzungstypus (1,9 – 3 %). Phobien vom Naturgewalten-Typus sind relativ selten. Diese Phobien beginnen ähnlich wie die Tierphobien relativ früh ab dem Alter von 3 – 4 Jahren, während Phobien vom situativen Typus erst während der frühen Adoleszenz im Alter von 15 Jahren beginnen [15]. Ätiologie – Erklärung aus neurowissenschaftlicher Sicht Defensive Schaltkreise. Intensive, situationsbezogene Furcht und Vermeidung sind die Kernsymptome spezifischer Phobien. Neurowissenschaftlich lassen sich Emotionen wie Furcht als Handlungsdispositionen definieren mit der Funktion, Gefahren abzuwenden. Sie greifen daher auf Schaltkreise des Gehirns zurück, die das Überleben eines Organismus sichern [17]. Diese 225 CME-Fortbildung a. Dynamische Aktivierung defensiver Reaktionen b. Dynamische Aktivierung defensiver Reaktionen Spezifische Phobien Transdiagnostisches Modell der Bedrohungsnähe (Fanselow, 1994) passive Vermeidung Potenziell gefährlicher Kontext Im Keller sind immer viele Spinnen – Absuchen der Umgebung nach „verdächtigen“ Reizen „Circa-Strike Defense“ Die Gefahr ist ganz nah – Einleitung aktiver Flucht, Kampf oder tonischer Immobilität Das „phobische Objekt“ ist da Dort oben sitzt eine fette schwarze Spinne – verstärkte selektive Aufmerksamkeit – Bewegungsstarre, erhöhte Schreckhaftigkeit „Fastangriff“ Eine Spinne ist auf meiner Schulter Panikartige Furcht Angriff (Wegwischen der Spinne)/schreiende Flucht aus dem Keller) ▶ Abb. 1 a: Das Modell der Bedrohungsnähe („Threat Imminence Model“): Defensives Verhalten ist bei Säugetieren in Form einer 3-stufigen Kaskade organisiert, wobei sich die Form des defensiven Verhaltens mit zunehmender Proximität der Bedrohung verändert. Dieses Modell kann als transdiagnostischer Ansatz der Organisation von Furcht und Angst verwendet werden. b: Anwendung dieses Modells dynamischer Organisation defensiven Verhaltens für den Fall spezifischer Phobien. Entscheidend für die klinische Praxis ist, dass das Vermeidungsverhalten sehr früh in dieser defensiven Kaskade aktiviert wird, d. h. die Erwartung eines Fastangriffs (zentrale Befürchtung) dazu führt, dass der potenziell gefährliche Kontext vermieden wird. defensiven Schaltkreise haben Rückkopplungsschleifen zu sensorischen Systemen, die das Entdecken von potenziellen Gefahrenreizen erleichtern. Sie organisieren in sehr automatisierter Form defensive Verhaltensweisen (inklusive der damit verbunden vegetativen Veränderungen), um möglichst schnell und effektiv dieser Bedrohung zu begegnen (nicht selten wird der Leidensdruck durch die nahezu peinliche Intensität dieser Anpassungsleistung verstärkt). Tierexperimentelle Befunde und Humandaten belegen, dass diese defensiven Anpassungsreaktionen dynamisch in mehreren Stufen in Abhängigkeit der physischen Distanz der Bedrohung (also des phobischen Objekts) organisiert sind (ThreatImminence-Model [18]. Teil A von ▶ Abb. 1 zeigt die verschiedenen Stufen der Bedrohung und die damit assoziierten Verhaltensanpassungen. In Teil B der Abbildung sind die entsprechenden Stufen der Defensivkaskade im Falle einer spezifischen Phobie verdeutlicht. „Erwartungsangst“. Die erste Stufe der Defensivkaskade wird eingeleitet, sobald der Organismus einen Kontext aufsucht, in dem er bereits früher selbst in Kontakt mit der Bedrohung gekommen ist, er es bei anderen erlebt oder davon gehört hat (z. B. dieser Fahrstuhl ist früher häufig stecken geblieben), die Bedrohung aber selbst noch nicht aufgetreten ist (Pre-En- 226 counter Defense: Abwehr vor der Begegnung mit der Bedrohung, d. h. die Bedrohung wird erwartet). In diesem Zustand der „Erwartungsangst“ ist der Organismus hypervigilant gegenüber allen möglichen Reizen, die auf die potenzielle Bedrohung hindeuten (jedes Geräusch des Fahrstuhls wird intensiv wahrgenommen). In einer kürzlich abgeschlossenen Studie konnten Michalowski et al. Folgendes bei Patienten mit einer Spinnenphobie zeigen: Nachdem man ihnen gesagt hatte, dass ab jetzt in dem Experiment auch Bilder von Spinnen gezeigt werden könnten (ohne zu wissen wann oder ob überhaupt), reagierten die Probanden auf alle visuellen Reize – auch auf völlig langweilige – mit einer erhöhten P1-Amplitude in ihren visuellen evozierten Hirnpotenzialen. Dies ist ein Hinweis für eine Hypervigilanz gegenüber allen Umgebungsreizen als Folge der Erwartungsangst [19]. Merke Hypervigilanz und eine erhöhte P1-Amplitude kennzeichnen die Erwartungsangst. Furchtreaktion. Sobald der bedrohliche Reiz entdeckt wurde (Post-Encounter Defense), kommt es zu einer Begegnung mit der Bedrohung, welche sich aber noch in Distanz befindet (z. B. die Spinne sitzt an der Decke Hamm AO. Spezifische Phobien … PSYCH up2date 2017; 11: 223–238 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. „Post-Encounter Defense“ Der bedrohliche Reiz wurde entdeckt – vermehrte selektive Aufmerksamkeit, – Bewegungshemmung (Einfrieren) zunehmende Nähe „Pre-Encounter Defense“ Der bedrohliche Reiz ist früher in diesem Kontext aufgetreten – Hypervigilanz gegenüber allen Umgebungsreizen Die dynamische Organisation defensiver Reaktionen soll nochmals exemplarisch am Beispiel einer Patientin mit einer Spinnenphobie erläutert werden. Weil niemand sonst zu Hause ist, muss Frau K, welche an einer ausgeprägten Spinnenphobie leidet, heute selbst Kartoffeln aus dem Keller holen. Dort hat sie früher einmal eine dicke Hauswinkelspinne gesehen. Schon beim Betreten des Kellers hat sie ausgeprägte Erwartungsangst (Pre-Encounter Defense). Sie achtet auf jede kleine Bewegung eines Schattens, sieht jeden schwarzen Punkt an der Wand und befindet sich ständig auf dem Sprung. Wird nun tatsächlich eine Hauswinkelspinne in der oberen Ecke des Raumes entdeckt (Post-Encounter Defense), steigt sofort die Herzrate an. Sie bekommt feuchte Hände und springt schreckhaft zur Seite, als sie mit den Schultern die herabhängende Wäscheleine berührt. Gleichzeitig ist ihr Blick an der Spinne wie festgeklebt. Plötzlich setzt sich die schwarze Spinne in Bewegung und rennt in ihre Richtung. Schreiend rennt Frau K die Treppe hinauf, stößt sich noch den Kopf an der Decke, spürt aber erst den Schmerz, als sie keuchend in der Küche angekommen ist (Circa-Strike). Dieser Ausbruch ist ihr sehr peinlich. Dennoch geht sie lieber in den Supermarkt, um neue Kartoffeln einzukaufen, als nochmals diesen Keller zu betreten. in der Ecke des Raumes). Es resultiert eine Furchtreaktion. Diese ist gekennzeichnet durch eine erhöhte selektive Aufmerksamkeit gegenüber dem bedrohlichen Objekt und eine Bewegungsstarre (Einfrieren; freezing) bei gleichzeitiger Bahnung von Schutzreflexen (Potenzierung der Schreckreaktionen [20]). Defensive Aktion bzw. Fastangriff. Mit zunehmender Nähe des bedrohlichen Objekts (der Fahrstuhl ist stecken geblieben, Erstickungsgefühle stellen sich ein) wechselt der Organismus in die Phase der defensiven Aktion (die Phase des Fastangriffs). Hier kommt es zu einer starken Aktivierung des sympathischen Teils des autonomen Nervensystems, quasi einer Notfallreaktion, die zur Flucht oder zum Angriff vorbereitet. Merke Die defensive Aktion kann bis zu einer Panikattacke reichen. In dieser Phase sind die Aufmerksamkeitskanäle für bedrohungsirrelevante Reize geschlossen. In Situationen, in denen Flucht oder Angriff nicht möglich ist oder Hamm AO. Spezifische Phobien … PSYCH up2date 2017; 11: 223–238 peinlich wäre, kommt es zu einer tonischen Immobilität, in der das Blut von der Peripherie abgezogen wird und zu einer vasovagalen Ohnmacht führen kann. Die Aktivierung des Vermeidungsverhaltens würde nach diesem Modell sehr früh zu Beginn der Defensivkaskade einsetzen und somit v. a. durch die Erwartungsangst und nicht so sehr durch starke physiologische Furchtreaktionen motiviert. Dynamisches Modell der Schaltkreise. Dieses eher transdiagnostisch für alle Angststörungen angelegte dynamische Modell integriert emotionale und kognitive Prozesse und wird auch durch neurowissenschaftliche Erkenntnisse gestützt. Diese haben diejenigen neuronalen Schaltkreise beschrieben, welche an der Enkodierung bedrohungsrelevanter Reize und bei der Aktivierung defensiver Reaktionsmuster beteiligt sind. Bei der Aufklärung dieser Schaltkreise hat es in den letzten Jahrzehnten erhebliche Erkenntnisfortschritte gegeben, deren ausführliche Darstellung den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde. Dennoch soll auf die wichtigsten Aspekte dieser Befunde und ihre Bedeutung für das Verständnis der Ursache von Phobien kurz eingegangen werden. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. FALLBEISPIEL Forschung zu den Schaltkreisen. Mithilfe funktioneller Kernspintomografie untersuchten Mobbs und Mitarbeiter in einem virtuellen Verfolgungskontext die Aktivierung neuronaler Netzwerke beim Ausweichen eines immer näher kommenden Bedrohungsreizes. Sobald dieser Reiz mit dem Symbol der eigenen Position zusammentraf, wurde ein Schmerzreiz appliziert [21]. Dabei war in einem Fall keine Flucht möglich (passive „freezing“-Bedingung), im anderen Fall aber sehr wohl. Die zentralen Befunde dieser Arbeiten sind überblicksartig in ▶ Abb. 2 dargestellt. Wechsel vom Kortex zum Mittelhirn. Im Stadium des „Post-Encounter Defense“ (das Bedrohungssignal trat auf, war aber noch weit von der eigenen Position entfernt) werden die Amygdala und das subgenuale anteriore Cingulum (ACC) stärker aktiviert. Tierbefunde zeigen, dass v. a. der laterale Kern der Amygdala als sensorische Schnittstelle bei der Enkodierung von Gefahrenreizen relevant ist. Viele Studien belegen in dieser Phase der Bedrohungsantizipation auch eine starke Aktivierung der anterioren Insula [23]. Wenn der Bedrohungsreiz kurz vor der Kollision mit dem eigenen Symbol steht (die Bedrohung imminent wird), verringert sich die Aktivierung im präfrontalen Kortex und steigt im zentralen Höhlengrau an. Diesen Wechsel der Aktivierung von präfrontalen Kortexarealen zur Aktivierung des Mittelhirns bei zunehmender Proximität der Bedrohung konnten wir in einer neueren Studie eindrucksvoll bestätigen [24]. 227 CME-Fortbildung zunehmende Proximität der Bedrohung präfrontaler Cortex lateral Amygdala distale Bedrohung Vermeidung Aktivierung periaquäduktales Grau Hemmung proximale Bedrohung Einfrieren (vlPAG) Flucht (dPAG) ▶ Abb. 2 Mit zunehmender Nähe der Bedrohung verändert sich die neuronale Aktivierung. Bei distaler Bedrohung sind v. a. Areale des präfrontalen Kortex (PFC) aktiviert, welche mit Netzwerken im lateralen Kern der Amygdala (LA) interagieren. Mit zunehmender Nähe der Bedrohung wird auf Netzwerke im Mittelhirn (das periaquäduktale Grau, PAG) umgeschaltet. Das PAG kommuniziert mit Netzwerken des zentralen Kerns der Amygdala (CA). Der ventrolaterale Teil des PAG (vlPAG) steuert das für Post-Encounter Defense typische aufmerksame Einfrieren, während der dorsale Teil des PAG (dPAG) hoch automatisiertes Fluchtverhalten organisiert und die Wahrnehmungsschwellen anhebt. Tierbefunde zeigen, dass der dorsale Teil des periaquäduktalen Höhlengraus eher direktes Fluchtverhalten steuert, während der ventrolaterale Teil eher Verhaltensanpassungen bei expliziter aber noch distaler Bedrohung steuert [17]. Unkonditionierte proximale Bedrohung aktiviert angeborene defensive Verhaltensweisen, wie z. B. akute Luftnot zu panikartigen Zuständen führt. Hinweisreize sind hingegen konditionierte Reize, die das potenzielle Auftreten einer solchen akuten Bedrohung ankündigen. Merke Hinweisreize einer akuten proximalen Bedrohung führen zu erhöhter Aufmerksamkeit und entsprechender Verhaltensanpassung. Vor dem Hintergrund dieses Modells stellt sich nun die zentrale Frage, wie es kommt, dass ein spezifischer Reiz oder Kontext die Merkmale eines phobischen Objekts erwirbt. FRÜH E L ERNERFAH RU NGEN Spezifische Phobien können entstehen durch ▪ direkte aversive Lernerfahrungen. ▪ die Beobachtung aversiver Lernerfahrungen anderer bzw. von Furchtreaktionen relevanter Modelle in bestimmten Situationen. ▪ die Information, dass bestimmte Objekte oder Situationen gefährlich sein könnten. FALLBEISPIEL Eine Patientin mit einer starken Katzenphobie berichtete, dass die Jungs aus ihrem Dorf als sie als Kind auf dem Heimweg von der Schule an der alten Schmiede vorbeigekommen sei, ihr eine Katze auf den Rücken „geworfen“ hätten. Diese habe sich dann festgekrallt, während sie selber schreiend weggelaufen sei. Erwerb von spezifischen Phobien Aversive Lernerfahrungen Prinzipiell können spezifische Phobien durch 3 zentrale Lernerfahrungen erworben werden – und zwar in der Kindheit oder in der frühen Adoleszenz (s. Kasten). 228 Merke Über die Hälfte der Patienten mit spezifischer Phobie berichten von direkten aversiven Lernerfahrungen in der Kindheit oder in der frühen Adoleszenz. Hamm AO. Spezifische Phobien … PSYCH up2date 2017; 11: 223–238 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. zentrale Amygdala Vorbilder prägen. Die Studien mit Primaten von Susan Mineka und Mitarbeitern belegen eindrucksvoll, welche zentrale Rolle Modelllernen beim Erwerb von Phobien spielt [27]. Junge Affen griffen zunächst ohne zu zögern über eine Glasbox mit einer Schlange, um sich ein Spielzeug zu holen. Sie hörten damit jedoch sofort auf, nachdem sie bei ihren Eltern intensive Angstreaktionen beobachtet hatten und die Eltern auch nicht über die Glasbox hinweg griffen, um sich eine Banane zu holen [27]. Ähnliche Befunde sind für das Verhalten von Einjährigen beschrieben: Sie weigern sich, über eine visuelle Klippe zu krabbeln, wenn ihre Mütter Angstreaktionen zeigen, tun dies aber, wenn ihre Mütter sie dazu ermutigen. Merke Furcht und Vermeidung können auch durch Kommunikation über potenzielle Gefahren erlernt werden. Kommunizierte Furcht. Furcht und Vermeidung durch Kommunikation veranschaulicht das Beispiel vom Terroranschlag vom 11. September 2001 in New York. Danach sind die Fluggastzahlen um 30 % zurückgegangen und es hat 3 Jahre gedauert, bis sich die Buchungszahlen wieder normalisiert hatten. In die gleiche Richtung gehen Befunde, welche zeigen, dass die Ankündigung, 1 von 2 Hinweisreizen werde von einem Schmerzreiz gefolgt, zu einer starken Furchtreaktion auf den Hinweisreiz führt, obwohl der Schmerzreiz nie auftrat [28]. Tatsächlich werden auch unter diesen Bedingungen wiederum die gleichen neuronalen Netzwerke aktiviert wie bei der direkten Lernerfahrung [29]. Modulatoren der Lernerfahrungen Genetische Faktoren. Neben den oben genannten Lernerfahrungen werden die neuronalen Netzwerke, welche die Enkodierung von Gefahren und die Aktivierung defensiver Reaktionsprogramme steuern, auch durch genetische Faktoren moduliert. Hamm AO. Spezifische Phobien … PSYCH up2date 2017; 11: 223–238 Merke Wie andere Angststörungen auch, treten spezifische Phobien familiär gehäuft auf [30]. Zwillingsstudien weisen darauf hin, dass 23 % der Varianz auf einen genetischen Faktor zurückgehen. Dieser scheint jedoch unabhängig zu sein von einem genetischen Risikofaktor für generalisierte Angststörungen, Panikstörung und Agoraphobie [31]. Eine ausführliche Beschreibung der zurzeit diskutierten genetischen Modulatoren würde den Fokus und auch den Umfang dieses Beitrags ebenfalls überschreiten. Fehlender Einfluss positiver Erfahrungen. Schließlich weisen Daten einer prospektiven Längsschnittstudie (Dunedin-Studie) darauf hin, dass nicht nur aversive Lernerfahrungen (direkt, beobachtet oder kommuniziert) die neuronalen Schaltkreise defensiver Reaktionssysteme formen können, sondern dass positive Bewältigungsversuche und Mutproben in der Kindheit auch zu einer Immunisierung des Netzwerks beitragen können. In ihrer Analyse über den Ursprung von Höhenangst fanden Poulton und Menzies, dass Individuen mit Höhenangst sich nicht an schwere Stürze in ihrer Kindheit erinnerten, allerdings gaben sie an, seltener auf Bäume geklettert zu sein oder auf Klettergerüsten gespielt zu haben als Personen ohne Höhenangst [32]. Zwar sind solche retrospektiven Befragungen nicht immer zuverlässig, dennoch sind diese Ergebnisse auch vor dem Hintergrund erfolgreicher therapeutischen Behandlungen von spezifischen Phobien interessant. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Modelllernen. Tatsächlich belegt eine Vielzahl von Studien, dass ein vormals neutraler Reiz, wenn er mit einem aversiven Ereignis (z. B. Schmerzreiz) assoziiert wurde, eine auf mehreren Ebenen nachweisbare Furchtreaktion auslöst und auch die neuronalen Strukturen aktiviert, welche bei distalen Bedrohungsreizen nachgewiesen wurden [25]. Diese Netzwerke werden auch dann aktiviert und führen zu entsprechenden Furchtreaktionen, wenn Individuen andere Personen bei einer schmerzhaften Erfahrung beobachten. Dies belegt, dass beim Furchterwerb durch Modelllernen die gleichen neuronalen Strukturen aktiviert sind wie bei selbst erlebten direkten aversiven Lernerfahrungen [26]. Therapie Expositionsbasierte Behandlungen Historische Entwicklungen Mary Cover Jones. Während der 5-jährige „Kleine Hans“, der eine spezifische Phobie vom Tiertypus (starke Furcht vor Pferden) entwickelt hatte und durch die Therapie von Siegmund Freud relativ berühmt wurde (Freud brachte die symbolische Bedeutung des phobischen Objekts mit dem Kastrationskomplex des „Kleinen Hans“ in Zusammenhang [1]), ist der Fall des „Kleinen Peter“ weniger bekannt. Mary Cover Jones, welche mit John Watson zusammengearbeitet hatte, veröffentlichte 1924 erstmals eine Expositionsbehandlung des 2 Jahre und 10 Monate alten Jungen „Peter“. Peter hatte starke Furcht vor weißen Ratten, welche auch auf Kaninchen, Pelzmäntel etc. generalisiert war [33]. Cover Jones versuchte nun, die in Grundlagenexperimenten gefundenen Lernprinzipien auf die Behandlung anzuwenden. Sie exponierte Peter mit einem lebenden Kaninchen und reduzierte die Distanz zwischen Peter und dem gefürchteten Tier Schritt für Schritt, während Peter in seinem Hochstuhl seine Lieblingsspeise erhielt. In dieser Kasuistik wurden also bereits die Prinzipien 229 CME-Fortbildung Merke Graduierte Exposition gekoppelt mit antagonistischer Motivation reduziert die spezifische Phobie. Experimente zur systematischen Desensibilisierung Joseph Wolpe. Ausgehend von den Arbeiten zur experimentellen Neurose von Masserman [35] konnte Wolpe zeigen, dass „neurotische Ängste“ auch ohne einen Konflikt zu erzeugen gelernt und folglich auch durch Lernprozesse wieder abgebaut werden können. In seinen Studien mit Katzen entdeckte er per Zufall, dass die Tiere in dem Käfig, in dem sie einer Serie schmerzhafter Reize ausgesetzt waren, keine Nahrung mehr zu sich nahmen. Er schloss daraus, dass Furcht und Nahrungsaufnahme 2 antagonistische Motivationssysteme (Annäherung vs. Abwehr) aktivieren und damit inkompatibel zueinander sind. Er nahm an, wenn es gelänge, die Katzen in einer furchteinflößenden Umgebung wieder zum Fressen zu bewegen, würde es durch die Aktivierung des appetitiven Motivationssystems automatisch zu einer Hemmung der Abwehrmotivation und damit zu einer Fruchtreduktion kommen. Wolpe fütterte nun die Katzen zunächst in einem Käfig, welcher sich sehr stark von dem Käfig mit den aversiven Lernerfahrungen unterschied. Danach erhielten die Katzen ihr Futter in Käfigen, die schrittweise immer mehr dem Aussehen des gefürchteten Käfigs ähnelten, bis die Katzen schließlich in dem Käfig fressen konnten, in dem sie vorher die Schmerzreize erhalten hatten. Als Wolpe bei der Entwicklung der systematischen Desensibilisierung diese Ergebnisse aus der Tierforschung in die klinische Anwendung übertragen wollte, führte er 2 zentrale prozedurale Veränderungen durch: ▪ Anstelle von Nahrungsaufnahme verwendete er Entspannung (induziert durch eine Kurzvariante der Progressiven Muskelentspannung), um eine appetitive zur Furcht inkompatible Reaktion zu erzeugen ▪ Anstatt die Furcht auslösenden Reize in der Realität zu verändern, führte er die Konfrontation mit den Furcht auslösenden Situationen in der Vorstellung durch. Die Wirkung der systematischen Desensibilisierung führte Wolpe auf das Prinzip der konditionierten Hemmung zurück [34]: Wenn die zur Furcht antagonistische Entspannungsreaktion in Gegenwart des Furcht auslösenden Reizes ausgelöst wird und folgerichtig die Furcht reduziert, wird der Furchtreiz selbst zu einem konditionierten Inhibitor (Gegenkonditionierung). 230 Merke Eine Entspannungssituation verringert die Furcht und führt so zu konditionierter Hemmung. Entspannungsreaktion nicht zwingend notwendig. Viele Studien in den 1960er-Jahren zeigen jedoch eindeutig, dass die Induktion einer Entspannungsreaktion keine notwendige Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Expositionstherapie ist. Im Gegenteil, eine klassische Studie von Lang und Mitarbeitern zeigte, dass diejenigen Patienten mit einer spezifischen Phobie (Tiertypus) die besten Therapieergebnisse bei einer Konfrontation in sensu aufwiesen, welche den stärksten Anstieg der Herzrate während der Imagination der phobischen Szenen aufwiesen [36]. Folgerichtig ist die systematische Desensibilisierung als Methode der Behandlung spezifischer Phobien auch nach und nach aus der Praxis verschwunden und durch die Exposition in vivo ersetzt worden. Merke Die Exposition in vivo hat die systematische Desensibilisierung mittlerweile ersetzt. Exposition in vivo – klinische Praxis Bei der Reizkonfrontation in vivo werden die Patienten mit der Furcht auslösenden Situation bzw. dem Objekt in der Realität konfrontiert. Diese Reizkonfrontation in vivo läuft immer in 3 Phasen ab: ▪ kognitive Vorbereitung ▪ eigentliche Reizkonfrontation ▪ Aufrechterhaltung und Abruf der gelernten Extinktion Kognitive Vorbereitung Die kognitive Vorbereitung ist bei der für den Patienten oft emotional aufwühlenden und sehr anstrengenden Reizkonfrontation sehr wichtig. Dazu erhält der Patient ein plausibles Störungsmodell über die Entstehung seiner Phobie und – was noch wichtiger ist – ihm wird erklärt, warum die Phobie sich über eine so lange Zeit chronifiziert hat. Der Patient erfährt, dass einer der wichtigsten Gründe für die Aufrechterhaltung seiner Phobie seine bisher angewendeten Vermeidungsstrategien sind. Möglicherweise hat der Patient auch schon ein- oder mehrmals versucht, sich der Furcht auslösenden Situation zu stellen, wobei er dann aber häufig auf dem Gipfel der panikartigen Furcht aus der Situation geflüchtet ist, was erneut die Phobie verstärkt hat. Wenn der Patient sich entschließt, die Reizkonfrontationsbehandlung durchzuführen, werden im Anschluss die Veränderungsmechanismen erklärt. Wichtig ist für ihn, so lange in der Situation zu verweilen, bis der Patient merkt, dass ▪ die Furcht nicht weiter bis ins Unermessliche ansteigt (also irgendwann ein Plateau erreicht, wo immer das auch liegen mag), Hamm AO. Spezifische Phobien … PSYCH up2date 2017; 11: 223–238 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. der graduierten Exposition beschrieben, lange bevor Joseph Wolpe sein berühmtes Buch zur reziproken Inhibition veröffentlicht hatte, in dem er die Prinzipien der systematischen Desensibilisierung beschrieb [34]. Diese Furchtverläufe können auch grafisch veranschaulicht werden. Merke Der Patient erfährt, dass die Therapie immer Teamarbeit ist: Jede Übung wird angekündigt, durch den Therapeuten vorgemacht und nur begonnen, wenn der Patient einwilligt. Ein weiteres wichtiges Anliegen während der kognitiven Vorbereitung ist die gezielte Exploration der zentralen Befürchtungen. Diese werden dann in der Konfrontation in vivo abgefragt und hinsichtlich der gemachten Erfahrungen neu eingeschätzt. Reizkonfrontation Nach der kognitiven Vorbereitung schließt sich die Reizkonfrontation in vivo an. Hier sind für die Praxis einige Tipps und Regeln zu beachten. Intensivierte Exposition in einer Sitzung. Die intensivierte Expositionsbehandlung spezifischer Phobien in einer Sitzung (one-session treatment) wurde erstmals von Öst für die Behandlung von Phobien vom Tiertypus und vom Typus Blut-Verletzung-Spritzen sowie von Emmelkamp und Felten zur Behandlung der Höhenphobie beschrieben [37, 38]. Prinzipiell unterscheidet sich das klinisch praktische Vorgehen bei der intensivierten Behandlung in einer Sitzung nicht von dem oben beschriebenen Ablauf. Der einzige Unterschied besteht darin, dass alle praktischen Übungen in einer einzigen Sitzung durchgeführt werden. Ansonsten gelten die oben genannten Regeln beim Durchführen der einzelnen Übungen. E XPOSITIONSBEHANDLUNG Tipps für die Praxis ▪ Die Behandlung ist Teamarbeit. ▪ Jede einzelne Übung wird zuerst angekündigt, bevor die Übung beginnt. ▪ Jede Übung wird zunächst vom Therapeuten vorgemacht. ▪ Die Übung beginnt erst, wenn der Patient zugestimmt hat, die Übung durchzuführen. Regeln Folgende Regeln gelten für die Exposition in vivo: ▪ Der Patient stimmt zu, so lange in der Situation zu bleiben, bis die Furcht nachlässt. Er verpflichtet sich während der Behandlung nicht zu flüchten. ▪ Der Patient wird ermutigt, sich der gefürchteten Situation (bzw. dem Objekt) so weit wie möglich anzunähern und in dieser Situation so lange zu bleiben, bis die Furcht nachlässt. ▪ Wenn die Furcht nachlässt, nähert sich der Patient der Situation/Objekt weiter an, bis die dann angestiegene Furcht wieder nachlässt. ▪ Die Reizkonfrontation ist erst beendet, wenn das Furchtniveau auf mindestens 50 % des höchsten Niveaus abgesunken oder ganz verschwunden ist. ▪ Der Therapeut fragt vor jeder Übung ab, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist (in %), dass die zentrale Befürchtung eintritt. Nach der Übung wird abgefragt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten der zentralen Befürchtung ist, wenn die Übung nun wiederholt wird. Auch hier sollte es zu einer deutlichen Reduktion (um 50 %) der Risikoeinschätzung kommen, die übrigens häufig sehr eng mit den Furchteinstufungen korreliert. ▪ Der Therapeut sollte den Patienten anleiten, sich auf die Übung zu fokussieren, ohne sich gedanklich abzulenken. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ▪ die Furcht schließlich ab einem bestimmten Zeitpunkt abnimmt, ▪ der Anstieg der Furcht mit zunehmender Wiederholung der Übungen geringer ausfallen und die Reduktion der Furcht schneller einsetzen wird. Abruf der gelernten Extinktion Aufgrund neuer Erkenntnisse, wonach Extinktionslernen einer der Zentralen der Wirkmechanismen der Expositionstherapie darstellt [39], weist Öst in neueren Arbeiten neben den Verhaltensübungen zusätzlich auf die Wichtigkeit der Erfassung und Veränderung der zentralen Befürchtungen hin ( ▶ Tab. 1) [40]. Die zentralen Befürchtungen sollten vor Beginn jeder Übung erfasst werden. Merke Durch die Abfragen der zentralen Befürchtungen vor, während und nach der Reizkonfrontation verändern sich mit zunehmender Wiederholung langsam die Hamm AO. Spezifische Phobien … PSYCH up2date 2017; 11: 223–238 FALLBEISPIEL Bei einem Rundflug in einem kleinen Flugzeug über die Insel Usedom fragte ich den Piloten wie hoch wir denn nun fliegen. 800 m sagte er. Daraufhin bat ich den Patienten, sich darauf zu konzentrieren, dass wir 800 m über der Wasseroberfläche fliegen. Ich bat ihn dann, die Intensität seiner Angst einzustufen. Er antwortete, dass die Angst nun stärker wäre, wenn er an die Höhe dächte. 231 CME-Fortbildung ▶ Tab. 1 Typische zentrale Befürchtungen und entsprechende Verhaltensexperimente, um diese Befürchtungen in der Exposition in Gefürchtetes Objekt Zentrale Befürchtung des Patienten Verhaltenstest Schlange Die Schlange wird meine Beine hochkriechen und unter meinem Hosenbein verschwinden, mich beißen und ich werde sterben. Lassen Sie eine nichtgiftige Schlange 2 – 3 m frei auf dem Boden kriechen und instruieren Sie den Patienten, zu beobachten, wohin die Schlange kriecht. Spinne Die Spinne wird unter meine Kleidung krabbeln, ich bekomme eine Panikattacke und sterbe an Herzversagen. Lassen Sie eine Spinne auf der Hand oder dem Arm des Patienten wandern und lassen Sie ihn beobachten, wohin die Spinne krabbelt. Vögel Die Tauben fliegen mir auf den Kopf und durch ihren Kontakt werden sie eine tödliche Krankheit verbreiten. Füttern Sie mit dem Patienten Tauben im Park. Der Therapeut stampft fest auf den Boden oder klatscht in die Hände. Der Patient soll beobachten, ob sich eine Taube auf ihn setzt. Wespen Wenn ich mit einer Wespe im Raum bin, fliegt sie auf mich, sticht mich. Ich sterbe von dem Schock. Seien Sie in einem Raum mit geschlossenen Türen und Fenstern. Bringen Sie eine Wespe mit im Glas. Öffnen Sie den Deckel und lassen Sie den Patienten beobachten, was die Wespe tut. Aufzug Der Aufzug wird zwischen 2 Stockwerken stecken bleiben, keiner wird den Alarm hören, die Luft wird ausgehen, ich werde ersticken. Lassen Sie den Patienten in den Fahrstuhl einsteigen und den Türverschlussknopf drücken ohne den Knopf für ein bestimmtes Stockwerk zu drücken. Der Therapeut steht draußen und sprüht ein Deodorant in den Spalt zwischen den geschlossenen Türen. Der Patient soll von innen rufen, wenn er etwas riecht. Höhen Wenn ich auf der Brücke bin, wird mir schwindelig, ich werde über das Geländer gezogen, falle nach unten und sterbe. Lassen Sie den Patienten über eine Brücke gehen, zunächst mit Therapeut, dann allein und beobachten Sie was passiert. Erbrechen Wenn ich erbreche, werde ich die Kontrolle verlieren, verrückt werden, alle werden mich ansehen und ich werde den Rest meines Lebens in der Klinik verbringen. Definieren Sie was der Patient mit Kontrollverlust meint. Lassen Sie den Patienten versuchen, Erbrechen auszulösen und beobachten Sie was passiert. Erwartungen und damit auch die Erwartungsangst [41]. Studienergebnisse. In einer Übersichtsarbeit berichtet Öst von 25 kontrollierten Studien aus der eigenen Arbeitsgruppe, in denen die Wirksamkeit der intensivierten Reizkonfrontation bei insgesamt 800 Patienten mit Daten von 150 Kontrollpatienten verglichen wurden [42]. Die intensivierte Expositionsbehandlung in einer Sitzung verbesserte die Symptomatik bei 77 – 95 % aller Patienten mit einer Spezifischen Phobie unterschiedlichen Typs klinisch signifikant, d. h. eine Verbesserung des mittleren Symptomwertes um 2 Standardabweichungen über dem Ausgangswert. Durchschnittlich dauerten die Sitzungen 1,9 – 3,5 Stunden. Für die berichteten Symptomintensitäten war die mittlere Effektstärke bei d = 1,98 und damit sehr hoch (mit einer Varianz zwischen den Studien von 0,91 – 3,05) und für die berichtete Furcht in einem jeweils standardisierten Vermeidungstest sogar noch höher, d = 2,20 (Streubereich 0,79 – 3,80). Vergleichbare Effektstärken (d = 1,41) berichteten Öst und Mitarbeiter für eine Reizkonfrontationsbehandlung in vivo in einer 3-stündigen Sitzung bei 14 Patienten mit Flugphobie [43]. Der Thera- 232 peut begleitete jeden Patienten auf der 30-minütigen Busfahrt zum Flughafen, beim Einchecken, Einsteigen und auf einem Inlandflug (90 Minuten). Bei 93 % der Patienten (13 von 14) reduzierte sich die Flugangst signifikant und sie konnten den Rückflug allein bewältigen. Haukebo et al. [44] berichteten von bedeutsamen Verbesserungen in einer Gruppe von 10 Patienten mit Dentalphobie. Entscheidend ist bei dieser Form der Behandlung, dass sie von in der Expositionstherapie geschulten Zahnärzten direkt bei der Zahnbehandlung durchgeführt wird. Metaanalysen zur Wirksamkeit Auswahl der Studien. In einer Metaanalyse zu expositionsbasierter Psychotherapie nahmen Wolitzky-Taylor und Mitarbeiter eine Literaturrecherche für die Therapiestudien zur Behandlung der spezifischen Phobie im Zeitraum 1966 – 2007 vor [45]. Sie konnten 33 Studien finden, welche folgende Kriterien erfüllten: ▪ Es handelte sich um eine randomisierte klinische Studie. ▪ Die teilnehmenden Patienten erfüllten alle Diagnosekriterien nach DSM. Hamm AO. Spezifische Phobien … PSYCH up2date 2017; 11: 223–238 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. vivo zu überprüfen. Erfassung der zentralen Befürchtungen T. Was glauben Sie, wird passieren, wenn Sie mit dem Fahrstuhl fahren? P. Der Fahrstuhl wird zwischen 2 Stockwerken stecken bleiben. T. Was würde dann mit Ihnen passieren? P. Ich würde eine sehr heftige Panikattacke bekommen. T. Was würde dann passieren? P. Dann würde wahrscheinlich gar nichts mehr in meinem Leben passieren. T. Was meinen Sie damit? P. Ich wäre reif für die „Klapse“ und würde für den Rest meines Lebens dort bleiben. T. Sie meinen, wenn Sie zwischen 2 Stockwerken …. P. Verrückt, durch den Wind, krank. T. Gut, stellen Sie sich vor, Sie nehmen den Aufzug und er bleibt stecken. Wie sicher sind Sie (0 – 100 %), wenn Sie in der Situation sind, dass es dazu kommt, dass Sie in eine Psychiatrie eingewiesen werden und für den Rest Ihres Lebens dort bleiben. P. Absolut sicher. T. 100 %? P. Nein, sagen wir 99 %. T. Und hier, in dem Moment wo Sie mit mir sprechen? P. 95 % T. = Therapeut, P. = Patient ▪ In den Studien lagen Messungen der Zielvariablen vor. Insgesamt wurden 33 Studien in die Metaanalyse eingeschlossen, in denen insgesamt 1193 Patienten behandelt wurden. In einer 2. Metaanalyse von Choy und Mitarbeitern [46] wurden 31 Studien ausgewählt, die ▪ ein Kontrollgruppendesign aufwiesen, ▪ klinisch diagnostizierte Patienten mit spezifischer Phobie untersucht haben und ▪ Selbstberichts- und Verhaltensdaten als Zielvariablen berichtet haben. Obwohl beide Metaanalysen bei ihrer Literaturrecherche vergleichbare Suchmaschinen verwendet haben, waren nur 7 Studien in beiden Metaanalysen gelistet, mit der Konsequenz, dass 1527 weitere behandelte Patienten in die Analyse mitaufgenommen werden konnten. Hamm AO. Spezifische Phobien … PSYCH up2date 2017; 11: 223–238 Ergebnisse. Die Schlussfolgerungen aus diesen Metaanalysen sind sehr eindeutig. Expositionsbasierte Psychotherapien sind sehr effektiv sowohl hinsichtlich der Verbesserung der Symptomberichte, aber auch hinsichtlich der Reduktion des Vermeidungsverhaltens, mit einer mittleren Effektstärke der behandelten Patienten vs. der Wartelisten-Kontrollgruppe von d = 1,05, mit vergleichbaren Werten für Fragebogen- und Verhaltensdaten. 92 % der Patienten mit spezifischer Phobie vom Tiertypus, welche mit Exposition in vivo behandelt wurden, konnten die letzte Stufe des standardisierten Verhaltenstests bewältigen, aber kein Patient der Wartelistengruppe. Vergleichbare Prozentzahlen ergeben sich für Patienten mit spezifischer Phobie von Höhen, vor dem Autofahren oder vor engen Räumen (79 – 87 % der Patienten bewältigen die letzte Stufe des Verhaltenstests). Diese Behandlungseffekte sind stabil, wobei einige Studien eine Zunahme der Therapieeffekte in der Katamnese fanden [46]. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. T I P P S F Ü R DI E P R A XI S Merke Fasst man die Befunde der beiden Metaanalysen zusammen, so ist die expositionsbasierte Psychotherapie die Methode der Wahl bei der Behandlung von spezifischen Phobien. Pharmakotherapie. Es besteht genereller Konsens, dass es keine ausreichende Evidenz dafür gibt, dass pharmakologische Behandlung einen positiven Therapieeffekt bei der Behandlung von spezifischen Phobien hat [47]. Ob sich die Wirkungsweise der Expositionstherapie durch die Gabe von NMDA-Agonisten bei der Behandlung von spezifischen Phobien noch verbessern lässt, ist nach wie vor offen. Ein Beispiel wäre die Gabe von D-Cycloserin – ein Medikament, welches ursprünglich als Antibiotikum in der Tuberkulosetherapie eingesetzt wurde und die Glyzinbindungsstelle des NMDARezeptors aktiviert und somit als partieller NMDA-Rezeptor-Agonist wirkt. Für eine ausführliche Darstellung der Befunde zur pharmakologischen Unterstützung des Extinktionslernens bei der Expositionsbehandlung sei auf die Literatur verwiesen [48]. Exposition in der virtuellen Realität Mit der Verfügbarkeit neuer Technologien ist es zunehmend möglich, interaktive virtuelle Realitäten zu erstellen. Diese umfassen neben visuellen Darstellungen sich bewegender Objekte auch andere sensorische Reize (auch propriozeptive Reize), die sich für die Expositionstherapie eignen. Patienten werden mit diesen virtuellen Realitäten über einen gewissen Zeitraum wiederholt konfrontiert („Vitual reality exposure therapy, VRET). VRET ist insbesondere dann sehr hilfreich, wenn die Exposition in vivo nicht so leicht durchzuführen ist. Deshalb ist die VRET v. a. bei der Behandlung von Flug- und Höhenangst empirisch evaluiert worden. 233 CME-Fortbildung Merke Bei der Behandlung der Höhenangst ist die VRET genauso effektiv wie die Behandlung durch Exposition in vivo. KERNAUSSAGEN Spezifische Phobien sind intensive Furchtreaktionen, die durch spezifische Situationen ausgelöst werden und vom zwingenden Wunsch begleitet sind, solchen Situationen zu entfliehen oder sie bereits im Vorfeld zu vermeiden. Spezifische Phobien mit „Krankheitswert“ werden aber erst dann diagnostiziert, wenn Furcht und Vermeidung zu funktionellen Beeinträchtigungen oder bedeutsamem Leiden führt. Spezifische Phobien gehören mit einer durchschnittlichen Einjahresprävalenz von 9 % zu den häufigen psychischen Erkrankungen. Allerdings schwanken die Zahlen erheblich über die verschiedenen Studien. Vor allem bei Jugendlichen gehen die Prävalenzraten erheblich zurück, wenn man das Kriterium des Leidensdrucks berücksichtigt. Spezifische Phobien werden erworben durch ▪ direkte aversive Lernerfahrungen, ▪ die Beobachtung solcher Lernerfahrungen bei relevanten Modellen und ▪ Informationen über die potenzielle Gefahr solcher Objekte. Bei diesen Lernprozessen werden neuronale Schaltkreise des Gehirns rekrutiert, welche für die Enkodierung von Gefahrenreizen und die Organisation defensiver Verhaltensanpassungen spezialisiert sind. Das Aktivierungsmuster dieser Schaltkreise verändert sich mit zunehmender Proximität der Bedrohung. Expositionsbasierte Psychotherapie ist die wirksamste Methode zur Behandlung Spezifischer Phobien, wobei die Reizkonfrontation in vivo sich als effektivste Variante erwiesen hat. Diese Form der Behandlung kann auch in einer einzigen Sitzung durchgeführt werden. Dabei ist es wichtig, die zentralen Befürchtungen des Patienten in der Realität zu überprüfen. 234 Im Falle der Behandlung von Flugangst sind die Ergebnisse eher gemischt. Hier scheint es so zu sein, dass es für eine dauerhafte Reduktion der Flugangst erforderlich ist, nach der Behandlung in virtueller Realität tatsächlich einen Abschlussflug in vivo durchzuführen [50]. Es ist also nach wie vor offen, ob VRET bei der Behandlung von Flugangst genauso erfolgreich ist, wie beispielsweise das 2-Tage-Programm der Exposition in vivo von Van Gerwen und Kollegen, wonach 98,6 % der 685 behandelten Patienten innerhalb der nächsten 12 Monate fliegen [51]. Interessenkonflikt Es besteht kein Interessenkonflikt. Die in diesem Kapitel berichteten Forschungsergebnisse wurden durch Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) (Ha 1593/15-1; Ha 1593/18-1) und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (Projekt Nummer 01GV0615) unterstützt. Über die Autoren Alfons O. Hamm Prof. Dr. Seit 2000 Ordinarius für Biologische und Klinische Psychologie/Psychotherapie und Direktor des Zentrums für Psychologische Psychotherapie am Institut für Psychologie an der Universität Greifswald. Zuvor hatte er eine Professur für Biologische und Allgemeine Psychologie dort inne und war in Gießen, Tübingen und Gainesville, FL, USA, wissenschaftlich und praktisch tätig. Er war 2012–2013 Präsident der Society for Psychophysiological Research und mehrere Jahre Präsident der Fachgruppen für Biologische Psychologie und Neuropsychologie sowie der Klinischen Psychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. Forschungsschwerpunkte sind Furcht, Angst und Angststörungen, ihre neurowissenschaftlichen Grundlagen und klinischen Manifestationen, experimentelle Psychopathologie, Psychotherapie- und Ätiologieforschung. Korrespondenzadresse Prof. Dr. Alfons O. Hamm Institut für Psychologie, Ernst-Moritz-ArndtUniversität Greifswald Franz-Mehring-Straße 47 17487 Greifswald E-Mail: [email protected] Verantwortlicher Herausgeber für diesen Beitrag Prof. Dr. Ulrich Voderholzer, Prien am Chiemsee Hamm AO. Spezifische Phobien … PSYCH up2date 2017; 11: 223–238 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. In ihrer Metaanalyse fanden Powers und Emmelkamp 11 Studien zur Effektivität VRET bei der Behandlung spezifischer Phobien: 8 Studien bezogen sich auf die Behandlungseffekte bei Flugangst und 4 Studien auf die Behandlung von Höhenangst [49]. Die berichteten Effektstärken bewegen sich im mittleren bis oberen Bereich und schließen berichtete Furcht, Messung autonomer Aktivierung und Vermeidungsverhalten als Zielvariablen ein. [1] Freud S. Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben („Der kleine Hans“). Frankfurt/Main: S. Fischer Verlag; 1909 [2] American Psychiatric Association. Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders. 5th ed. Washington DC: APA; 2013 [3] Emmelkamp PMG, Wittchen HU. Specific phobias. In: Andrews G, Charney DS, Sirovatka PJ, Regier DA, eds. Stressinduced and fear circuit disorders. Arlington, VA: American Psychiatric Publishing Inc; 2009: 85 – 110 [4] Brown TA, Campbell LA, Lehman CL et al. Current and lifetime comorbidity of the DSM-IV anxiety and mood disorders in a large clinical sample. J Abnorm Psychology 2001; 110: 585 – 599 [5] Bittner A, Goodwin RD, Wittchen HU et al. What characteristics of primary anxiety disorders predict subsequent major depressive disorder? J Clin Psychiatry 2004; 65: 618 – 626 [6] Merikangas KR, He J, Burstein M et al. Lifetime prevalence of mental disorders in US adolescents: results from the National Comorbidity Study – Adolescent Supplement (NCS-A). J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 2010; 49: 980 – 989 [7] Dilling H, Mombour W, Schmidt MH, Schulte-Markwort E. Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). Diagnostische Kriterien für Forschung und Praxis. 2. Aufl. Bern: Hans Huber; 2000 [8] LeBeau RT, Glenn D, Liao B et al. Specific phobia: a review of DSM-IV specific phobia and preliminary recommendations for DSM-V. Depression and Anxiety 2010; 27: 148 – 167 [9] Hamm AO. Phobias across the lifespan. International Encyclopedia of the Social & Behavioral Sciences.2nd ed. Oxford: Elsevier; 2015: 37 – 44 [10] Richter J, Hamm AO, Pané-Farré CA et al. Dynamics of defensive reactivity in patients with panic disorder and agoraphobia: Implications for the etiology of panic disorder. Biol Psychiatry 2012; 72: 512 – 520 [11] Kessler RC, McGonagle A, Zhao S et al. Lifetime and 12month prevalence of DSM-II-R psychiatric disorders. Arch Gen Psychiatry 1994; 51: 8 – 19 [12] Wittchen HU, Jacobi F. Size and burden of mental disorders in Europe. A critical review and appraisal of 27 studies. Eur Neuropharm 2005; 15: 357 – 376 [19] Michalowski JM, Pané-Farré CA, Löw A et al. Temporal dynamics of visual attention during anticipation and encoding of threat and safe cues in individuals with spider phobia. Soc Cogn Affect Neurosci 2015; 10: 1177 – 1186 [20] Hamm AO. Fear-potentiated startle. International Encyclopedia of the Social & Behavioral Sciences. 2nd ed. Oxford: Elsevier; 2015: 860 – 867 [21] Mobbs D, Petrovic P, Marchant JL et al. When fear is near: Threat imminence elicits prefrontal periaqueductal grey shifts in humans. Sci 2007; 317: 1079 – 1083 [22] Maren S. The threatened brain. Sci 2007; 317: 1043 – 1044 [23] Etkin A, Wager TD. Functional neuroimaging of anxiety; A meta-analysis of emotional processing in PTSD, social anxiety disorder, and specific phobia. Am J Psychiatry 2007; 164: 1476 – 1488 [24] Wendt J, Löw A, Weymar M et al. Active avoidance and attentive freezing in the face of threat. NeuroImage under revision 2017 [25] Hamm AO, Weike AI. The neuropsychology of fear learning and fear regulation. Int J Psychophys 2005; 57: 5 – 14 [26] Olsson A, Nearing KI, Phelps EA. Learning fears by observing others: The neural systems of social fear transmission. Soc Cogn Affect Neurosci 2007; 2: 3 – 12 [27] Mineka S, Cook M. Mechanisms underlying observational conditioning of snake fear in monkeys. J Exp Psychol Gen 1993; 122: 23 – 38 [28] Grillon C, Ameli R, Woods SW et al. Fear potentiated startle in humans: effects of anticipatory anxiety on the acoustic blink reflex. Psychophysiol 1991; 28: 511 – 517 [29] Phelps EA, O’Connor KJ, Gatenby JC et al. Activation of the left amygdala to cognitive respresentation of fear. Nat Neurosci 2001; 4: 437 – 441 [30] Hettema JM, Neale MC, Kendler KS. A review and metaanalysis oft eh genetic epidemiology of anxiety disorders. Am J Psychiatry 2001; 158: 1568 – 1578 [31] Hettema JM, Prescot CA, Myers JM et al. The structure of genetic and environmental risk factors for anxiety disorders in men and women. Arch Gen Psychiatry 2005; 62: 182 – 189 [32] Poulton R, Menzies RG. Non-associative fear acquisition: a review of the evidence from retrospective and longitudinal research. Behav Res Ther 2002; 36: 17 – 35 [33] Jones MC. A laboratory study of fear: The case of Peter. The Pedagogical Seminary 1924; 31: 308 – 315 [13] Beesdo K, Knappe S, Pine DS. Anxiety and anxiety disorders in children and adolescents: developmental issues and implications for DSM-V. Psych Clinics North Am 2009; 32: 483 – 524 [34] Wolpe J. Psychotherapy by reciprocal inhibtion. Stanford, CA: Stanford University Press; 1958 [14] Ollendick TH, Hagopian LP, King NJ. Specific phobias in children. In: Davey GCL, ed. Phobias: a handbook of theory, research, and treatment. New York: Wiley; 1997: 201 – 224 [36] Hamm A. Spezifische Phobien. Göttingen: Hogrefe; 2006 [15] Becker E, Rinck M, Türke V et al. Epidemiology of specific phobia subtypes: Findings from the Dresden Mental Health Study. Euro Psych 2007; 22: 69 – 74 [16] Fredrikson M, Annas P, Fischer H et al. Gender and age differences in the prevalence of specific phobias. Behav Res Ther 1996; 34: 33 – 39 [17] LeDoux JE. Rethinking the emotional brain. Neuron 2012; 73: 653 – 676 [18] Fanselow MS. Neural organization of the defensive behavior system responsible for fear. Psychonom Bull Rev 1994; 1: 429 – 438 Hamm AO. Spezifische Phobien … PSYCH up2date 2017; 11: 223–238 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Literatur [35] Masserman JH. Behavior and neurosis. Chicago, IL: University of Chicago Press; 1943 [37] Öst LG. One session treatment for specific phobias. Behav Res Ther 1989; 27: 1 – 7 [38] Emmelkamp PMG, Felten M. The process of exposure in vivo: Cognitive and physiological changes during treatment of acrophobia. Behav Res Ther 1985; 23: 219 – 223 [39] Craske MG, Kircanski K, Zelikowsky M et al. Optimizing inhibitory learning during exposure therapy. Behav Res Ther 2008; 46: 5 – 27 [40] Öst LG. One-session treatment: Principles and procedures with adults. In: Davis TE, Ollendick TH, Öst LG, eds. Intensive one-session treatment of specific phobias. New York: Springer; 2012: 59 – 95 235 CME-Fortbildung [41] Hamm A, Wendt J, Volkmann M. Extinktion: Neurowissenschaftliche Erkenntnisse zur Frage, wie Menschen sich ändern. Verhaltenstherapie 2017; 27: [im Druck] [49] Powers MB, Emmelkamp PMG. Virtual reality exposure therapy for anxiety disorders: A meta-analysis. J Anx Dis 2008; 22: 561 – 569 [42] Öst LG. Rapid treatment of specific phobias. In: Davey GCL, ed. Phobias. Chichester, UK: Wiley; 1997: 227 – 246 [50] Mühlberger A, Weik A, Pauli P et al. One session virtual reality exposure treatment for fear of flying: one-year follow-up and graduation flight accompaniment effects. Psychother Res 2006; 16: 26 – 40 [44] Haukebo K, Skaret E, Öst LG et al. One- vs. five-session treatment of dental phobia: A randomized controlled study. J Behav Ther Exp Psychiatry 2008; 39: 381 – 390 [45] Wolitzky-Taylor KB, Horowitz JD, Powers MB et al. Psychological approaches in the treatment of specific phobias: A meta-analysis. Clin Psychol Rev 2008; 28: 1021 – 1037 [46] Choy Y, Fyer AJ, Lipsitz JD. Treatment of specific phobia in adults. Clin Psychol 2007; 27: 266 – 286 [47] Bandelow B, Wiltink J, Alpers GW et al. Deutsche S3-Leitlinie Behandlung von Angststörungen. 2014: Im internet: http:// www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/028-022.html (letzter Zugriff: 20.03.2017) [51] Van Gerwen LJ, Spinhoven P, Diekstra RFW et al. Multicomponent standardized treatment program for fear of flying. Description and effectiveness. Cogn Behav Practice 2002; 9: 138 – 149 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0043-100487 PSYCH up2date 2017; 11: 223–238 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 2194-8895 [48] Hamm AO. Mechanismen der Veränderung von Angst- und Furchtnetzwerken. In: Rupprecht R, Kellner M, Hrsg. Angststörungen. Stuttgart: Kohlhammer; 2012: 175 – 202 236 Hamm AO. Spezifische Phobien … PSYCH up2date 2017; 11: 223–238 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. [43] Öst LG, Brandberg M, Alm T. One versus five sessions of exposure in the treatment of flying phobia. Behav Res Ther 1997; 35: 987 – 996 Punkte sammeln auf CME.thieme.de Diese Fortbildungseinheit ist 12 Monate online für die Teilnahme verfügbar. Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, finden Sie unter http://cme.thieme.de\hilfe eine ausführliche Anleitung. Wir wünschen viel Erfolg beim Beantworten der Fragen! Unter https://eref.thieme.de/ZZX8K5D oder über den QR-Code kommen Sie direkt zum Artikel zur Eingabe der Antworten. Frage 1 Frage 5 Welches Merkmal gilt nicht als Diagnosekriterium für eine spezifische Phobie? Welche Aussage trifft für die systematische Desensibilisierung nicht zu? A B A C D E intensive Vermeidung der gefürchteten Situation/Objekt klinisch bedeutsames Leiden infolge der Furcht und Vermeidung anfallsartige Furcht aus heiterem Himmel angesichts der tatsächlichen Gefahr unangemessene Furcht persistent auftretende Furcht (6 Monate) B C D Die Entspannung wird als antagonistische Reaktion zur Angst angesehen. Die Exposition mit der Furcht auslösenden Situation erfolgt in vivo. Die Furcht auslösenden Situationen werden in eine Hierarchie gebracht. Die systematische Desensibilisierung ist aus der Grundlagenforschung abgeleitet worden. Die Exposition mit der Furcht auslösenden Situation erfolgt in sensu. Frage 2 E Defensive Anpassungsreaktionen auf Bedrohung verlaufen dynamisch in Abhängigkeit der Distanz der Bedrohung. Welche Verhaltensanpassungen treten nicht auf? Frage 6 A B C D E Hypervigilanz in einem Kontext, in dem die Bedrohung auftreten könnte erhöhte selektive Aufmerksamkeit, sobald die Bedrohung entdeckt wurde starke sympathische Aktivierung bei proximaler Bedrohung Antriebslosigkeit Bewegungsstarre Frage 3 Welche neuronalen Netzwerke sind bei der Regulation defensiver Anpassung bei Bedrohung nicht relevant? A B C D E die anteriore Insel die zentrale Amygdala das subgenuale anteriore Cingulum das Striatum das zentrale Höhlengrau Frage 4 Was gehört nicht zu den gesicherten Ursachenfaktoren spezifischer Phobien? A B C D E starke Geschwisterrivalität direkte aversive Lernerfahrungen Modelllernen mangelnde Bewältigung verbreiteter kindlicher Ängste Berichte über potenzielle Gefahren Hamm AO. Spezifische Phobien … PSYCH up2date 2017; 11: 223–238 Bei der Exposition in vivo sind viele Regeln zu beachten, was gehört nicht dazu? A B C D E Behandlung ist Teamarbeit. Die Behandlung sollte auf jeden Fall durchgeführt werden. Jede Übung wird zunächst angekündigt, bevor sie beginnt. Die Reizkonfrontation wird erst beendet, wenn das Furchtniveau auf 50 % des Anfangswerts abgefallen ist. Jede Übung wird zunächst vom Therapeuten vorgemacht. Frage 7 Auf eine Exposition in vivo muss der Patient vorbereitet werden. Dabei muss auf viele Punkte hingewiesen werden. Was gehört nicht dazu? A B C D E Der Patient muss so lange in der Situation bleiben, bis die Furcht nicht mehr ansteigt. Der Patient muss erkennen, wann die Furcht nachlässt. Der Patient muss wissen, dass die Phobie durch Vermeidung chronifiziert wird. Der Patient soll wissen, dass intensive Angst schädlich ist. Der Patient muss überzeugt sein, dass er der Situation nicht entfliehen darf. 237 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. VNR 2760512017152374486 CME-Fortbildung CME-Fragen bei CME.thieme.de Fortsetzung ... C Welche der folgenden Aussagen ist richtig? A B C D E Expositionsbehandlung ist bei spezifischen Phobien mit Vorsicht zu genießen. Expositionsbehandlungen von spezifischen Phobien sind nicht sehr wirksam. Vernünftige Metaanalysen zu den Effekten von Expositionsbehandlungen fehlen. Die durchschnittliche Effektstärke expositionsbasierter Psychotherapieverfahren liegt bei d = 1,05. Pharmakologische Behandlung hat einen zusätzlichen Nutzen bei der Behandlung der spezifischen Phobien. D E Frage 10 Welche Aussage zur Epidemiologie spezifischer Phobien trifft nicht zu? A B C Frage 9 Welche der folgenden Aussagen trifft nicht zu? A B Eine intensivierte Form der Exposition in einer Sitzung ist bei vielen Formen der spezifischen Phobie möglich. Es liegen 25 Studien zur Wirksamkeit intensivierter Exposition in vivo vor. 238 Die durchschnittliche Behandlungsdauer der intensivierten Exposition variiert zwischen 1,9 und 3,5 Stunden. Die mittlere Effektstärke dieser Behandlungsform liegt bei d = 1,98. Die Bearbeitung kognitiver Elemente (zentraler Befürchtungen) spielt keine Rolle. D E Spezifische Phobien vom Tiertypus sind am häufigsten. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Spezifische Phobien mit Krankheitswert sind im Jugendalter häufiger als bei Erwachsenen. Spezifische Phobien vom situativen Typus sind häufiger als Phobien vom Naturgewalten-Typus. Spezifische Phobien sind mit 11,3 % relativ häufig. Hamm AO. Spezifische Phobien … PSYCH up2date 2017; 11: 223–238 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Frage 8