SWR2 Musikstunde

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SWR 2 Musikstunde mit Ulla Zierau, 10.10.2013
Viva Verdi (4)
Operngigant, Bauer, Nationalheld
Haben Sie sich schon einmal überlegt, welche Verdi Oper Sie mit auf
eine einsame Insel nehmen würden? Ich würde den Rigoletto einpacken
wegen der dicht gedrängten Dramatik, der explosiven Sprengkraft, der
atemlosen Abfolge großartiger Arien, Duette, Ensemble und Chorszenen
und der erschütternden Wahrheit, die in der Geschichte steckt. Der
markante Fluch des alten Monterone, der für Rigoletto zur
Schicksalsmacht wird, durchzieht die ganze Oper wie ein mahnendes
Erinnerungsmotiv. Quel vecchio maledivami – Jener Alte hat mich
verflucht und dieser Fluch stürzt die tragischste und brüchigste
Baritonfigur Verdis in den Abgrund. Der hinkende Hofnarr, der über alle
seinen Spott ausschüttet ist zugleich ein liebender Vater, der mit
verbundenen Augen an der Entführung der eigenen Tochter teilnimmt
und am Ende sein Kind verliert. 1‘05
Musik 1
Giuseppe Verdi: Rigoletto, Finale 1. Akt
Pierro Cappuccilli, Bariton / Ileana Cotrubas, Wiener Staatsopernchor /
Wiener Philharmoniker / Carlo Maria Giulini
M0341846 014, 2‘40
Finale 1. Akt - Pierro Cappuccilli als Rigoletto, Ileana Cotrubas als Gilda.
Carlo Maria Giulini leitete den Wiener Staatsopernchor und die Wiener
Philharmoniker.
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Endlich einmal ist Verdi zufrieden mit sich. Den Rigoletto nennt er sein
erstes voll und ganz gelungenes Meisterwerk. Die Uraufführung in
Venedig wird zu einem Triumph, nach jeder Nummer wird Verdi
hervorgerufen, Jubel, Beifall und da capo, nochmal von vorn. Verdi
wusste nur zu gut, warum er das Bravourstück der Oper bis kurz vor der
Uraufführung unter Verschluss hielt. Am nächsten Tag gurren es die
Tauben auf dem Markusplatz, singen es die Gondolieri bei der Arbeit.
0‘45
Musik 2
Giuseppe Verdi: Rigoletto, Canzone des Herzogs / Juan Diego Flórez /
Orchestra Sinfonica di Milano Giuseppe Verdi / Carlo Rizzi
M 9168389 001, 2’18
Juan Diego Flórez mit einem der größten Hits von Verdi, der Canzone
des Herzoges, „La donna è mobile“. Carlo Rizzi leitete das Orchestra
Sinfonica di Milano Giuseppe Verdi.
Die Entstehungsgeschichte des Rigoletto ist ein wenig holprig.
Die Vorlage zur Oper, das Theaterstück von Victor Hugo „le roi s’amuse“
löste in Paris einen Skandal aus. Ein Tag nach der Uraufführung wurde
es verboten, zu anzüglich, zu heftig die Verunglimpfung des
französischen Königs.
Doch Verdi ist begeistert von dem Drama. Es gäbe darin eine Rolle, teilt
er seinem Librettisten Piave mit, die eine der bedeutendsten
Schöpfungen des Theaters aller Zeiten und Länder sei, gemeint ist der
Hofnarr Triboulet, der in der Oper dann Rigoletto heißen wird. Von
Anbeginn hat Verdi die tinta musicale, die musikalische Grundidee im
Kopf und er will um nichts in der Welt davon abweichen. Doch die
österreichische Zensur in Venedig ist streng: die Handlung muss verlegt
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werden, weg vom französischen Königshof hin ins Herzogtum Mantua,
ein paar Namen müssen geändert und frivole Szene gestrichen werden.
Aber Verdi geht es gar nicht so sehr um das leichtfertige Handel des
Herzogs, sondern um die tragische Liebe des armen Narren zu seiner
Tochter, um das Bewahren einer Privatsphäre in einer gesellschaftlichen
Ordnung. Das gelingt Rigoletto nicht, vor den Höflingen verliert er sein
Gesicht, demaskiert sich, verlässt er die Rolle des Narren und gibt sich
als liebender Vater zu erkennen. Voller Wut klagt er die Höflinge an –
Cortigiani, er bedrängt sie, schimpft sie Mörder und dann bricht die
Stimmung, aus seiner Wut wird ein verzweifeltes Flehen. Er weint und
bittet um seine Tochter, tutto al mondo e tal figlia per me – diese Tochter
ist alles für mich auf Erden.
Ich kenne keine ergreifendere Szene: der hinkende Rigoletto, rhythmisch
charakterisiert betritt die Bühne und offenbart vor der voyeuristischen
höfischen Gesellschaft sein ganzes Seelenleben. 2‘15
Musik 3
Giuseppe Verdi: Rigoletto, Arie des Rigoletto 2. Akt
Leo Nucci / Chor und Orchester des Theaters Bologna / Riccardo Chailly
1936901010, 7‘40
Leo Nucci als Rigoletto in seiner großen Szenen aus dem 2. Akt, in der
er um seine Tochter bittet, die der Herzog verführt hat. Riccardo Chailly
leitete Chor und Orchester des Theaters Bologna.
Es ist tatsächlich so, dass im Rigoletto die Dramatik so dicht gedrängt
ist, dass es keinen Moment des Luftholes gibt. Absoluter Höhepunkt ist
das Quartett im dritten Akt, eine Glanzleistung der Ensemblekunst. Vier
differenzierte musikalische Charaktere treffen zusammen und verstricken
sich immer mehr ineinander. Das Quartett baut sich dramaturgisch auf.
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Der Herzog beginnt in der Schenke von Sparafucile mit seinem
aufdringlichen Werben um Maddalena, sie belächelt ihn, Gilda und
Rigoletto beobachten die Szene von außen und werfen einzelne Ausrufe
dazwischen, dann setzt der Herzog zu seiner Kantilene Bella figlia
dell’amore an – Maddalena wehrt ihn weiter an, nach und nach kommen
Gilda und Rigoletto als gleichberechtigte Partner in das Quartett hinzu.
Der Herzog flirtet, Maddalena kokettiert, Gilda zergeht an Schmerz, an
gebrochenem Herzen und Rigoletto sinnt auf Rache. 1‘15
Musik 3
Giuseppe Verdi: Rigoletto, Quartett 3. Akt
Neil Shicoff / Renato Bruson / Edita Gruberova / Brigitte Fassbaender /
Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Giuseppe Sinopoli
M0052335.008 und 009 / 4‘32
Quartett aus dem Rigoletto mit Neil Shicoff, Renato Bruson, Edita
Gruberova und Brigitte Fassbaender. Giuseppe Sinopoli leitete das
Orchestra dell' Accademia Nazionale di Santa Cecilia.
Nach seiner erfolgreichen Trias – Rigoletto, Trovatore, La Traviata ist
Verdi gerade mal 40 Jahre alt: zwei Drittel seines gesamten
Opernschaffens liegt hinter ihm, er bekommt astronomische Honorare,
erstmals in der italienischen Opernszene übersteigt die Gage des
Komponisten die der Sängerstars. Dabei bleibt Verdi recht bescheiden,
er ist ein guter Geschäftsmann und investiert sein Geld in Immobilien,
Grund und Boden. In Busseto kauft er einen Stadtpalast, bald darauf das
drei Kilometer entfernte Landgut Sant‘ Agata, noch heute wird die Villa
Verdi von den Erben Carrara-Verdi bewohnt.
Ein Teil des zweistöckigen Hauses kann man besichtigten, das
Schlafzimmer von Giuseppina Strepponi, in dem sie 1897 gestorben ist,
ihr Ankleidezimmer, das Schlafzimmer Verdis mit einem Schreibtisch, an
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dem er meist komponierte – trocken ohne Klavier, dann ein kleines
Arbeitszimmer, wo Verdi die Verwaltung seiner Ländereien regelte. Und
in einem anderen kleinen Zimmer befinden sich die Möbel aus dem
Grand Hotel de Milan, wo Verdi gestorben ist, in einer Vitrine sieht man
das Nachthemd, das er in seinen letzten Stunden am 27. Januar 1901
getragen hat.
Am schönsten ist jedoch der Park rund um die Villa Verdi mit exotischen
Pflanzen und Bäumen, einem See, den Verdi „Pfütze“ nennt und der
Grabstätte seines Hundes Lulu, „In Erinnerung an einen guten Freund“
steht auf dem Stein. Man kann auch die Stallungen und Kutschen Verdis
besichtigen und sich vorstellen wie er mit seinem Phaeton, einem
Einspänner, den er selbst lenkte, durch die Platanenallee fuhr. Alles in
allem, Sant‘ Agata ist ein herrschaftliches Anwesen, ohne prunkvoll zu
sein. Der Freund Giuseppe Giacosa beschreibt die Ausstattung als
„reich, aber ohne Pomp und auch ohne Sparsamkeit, alles ist
eingerichtet, ins Auge zu fallen, ohne den Blick zu bestürmen“ und Arrigo
Boito, der Librettist der letzten beiden Opern Verdis, dankt nach einem
Aufenthalt; „Im Geiste empfinde ich noch immer den großen und lieben
Frieden von Sant’ Agata“.
Verdi genießt hier die Natur, geht spazieren, arbeitet im Garten, gibt
seinen Bediensteten Anweisungen, verwaltet seine Ländereien – ob er
Sant‘ Agata im Kopf hat, als er für seine französische Oper Les Vêpres
Siciliennes – die sizilianische Vesper – die Ballettmusik schreibt – die
vier Jahreszeiten. 2‘30
Musik 5
Giuseppe Verdi: Die sizilianische Vesper, Ballett 3. Akt, Frühling
Bournemouth Symphony Orchestra; José Serebrier
M0307314 021, 2‘00
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Der Frühling aus den Jahreszeiten, der Ballettmusik aus der Oper „Les
Vêpres Siciliennes“, José Serebrier leitete das Bournemouth Symphony
Orchestra.
Im Frühling, Sommer und Herbst lässt sich in Sant‘ Agata gut leben, aber
die Winter sind zäh, der Nebel setzt sich bleiern fest. Giuseppina
schreibt, „wenn der Schnee die ungeheuren Ebenen bedeckt und die
Bäume mit ihren nackten Ästen wie Skelette aussehen, mag ich nicht
einmal den Blick heben, um nach draußen zu schauen. Mich befällt eine
grenzenlose Traurigkeit, ein Wunsch, vom Land zu flüchten und zu
spüren, dass ich unter Lebendigen lebe und nicht mit Gespenstern und
dem Schweigen eines ungeheuren Friedhofs.“
Oft verbringen die Verdis fortan die Wintermonate in Genua, wo Verdi
eine Wohnung mit Blick aufs Meer gekauft hat.
Seit Verdi auf Sant‘ Agata wohnt, widmet er sich lieber den Ländereien
als der Musik, seine von ihm selbst so genannten Galeerenjahren, die
arbeitsreichen Jahren gehen allmählich zu Ende, er schreibt noch eine
Oper für Paris „die sizilianische Vesper“, eine letzte Oper für Venedig
Simone Boccanegra und einmal gibt es noch richtig Ärger mit der
Zensur. Verdi wählt das historische Ereignis des schwedischen
Königsmords von 1792 als Opernstoff, für das Königreich Neapel. Ein
Königsmord auf der Bühne und überhaupt ein König, der sich mit der
Frau seines besten Freundes auf dem Friedhof zu einem glühenden
Liebesduett trifft, das kann nicht gut gehen. Die Zensurbehörde schreitet
ein. Die Streitereien landen vor dem Handelsgericht und Verdi zieht die
Oper zurück. Ausgerechnet Rom, mit der päpstlichen Zensur im Nacken,
öffnet die Tore für den Maskenball. Der Impresario des Teatro Apollo hat
einen guten Draht zum Polizeichef. Auch hier besteht man darauf, dass
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der Ort der Handlung nicht Schweden ist und der König zu einem
Gouverneur in Boston wird, aber die verbotene Liebe, die im Mittelpunkt
der Oper steht, darf bestehen bleiben und die reizt Verdi einmal mehr
aus. Riccardo lauert seiner Geliebten Amelia, der Frau seines Sekretärs
und Freundes Renato in der Nähe des Friedhofs auf. Dort sucht die
Unglückliche auf Anraten der Wahrsagerin Ulrica nach einem Kraut, das
ihr die verbotene Liebe zu Riccardo austreiben soll. Nach anfänglicher
Abwehr Amelias, gestehen sich die beiden in ekstatischem Taumel ihre
Liebe, und wenn man die zarten Streichertremoli und schwelgenden Celli
hört, möchte man nicht glauben, dass Riccardo ihre Unschuld nicht
angetastet haben soll, wie er am Ende der Oper sterbend seinem Freund
Renato versichert. Hier sagt die Musik mehr als tausend Worte, sicher
eines der sinnlichsten, ja der erotischsten Liebesduette Verdis. 2‘45
Musik 6
Giuseppe Verdi: Un ballo in maschera, Duett Riccardo Amelia
Luciano Pavarotti / Margret Price
National Philharmonic Orchestra / Sir Georg Solti
7363061 114, 7’43
Am 17. Februar 1859 wird der Maskenball in Rom uraufgeführt und
frenetisch gefeiert. Der Jubel gilt aber nicht nur der Oper, sondern auch
dem neuen Italien. Krieg liegt in der Luft. Italien drängt es nach der
großen Einheit und Verdi wird mit seiner Musik zum Hoffnungsträger:
„Viva Verdi“ ruft das Volk im patriotischen Taumel, „viva Verdi“ und der
Name Verdi steht für Vittorio Emmanuele Re d‘ Italia, für den neuen
König eines vereinten Italiens.
Dem piemontesischen Militär gelingt es mit Unterstützung Napoelons die
österreichischen Truppen aus der Lombardei, aus dem Herzogtum
Parma und der Toskana zu vertreiben. Victorio Emanuel II wird zum
Königs Italiens proklamiert. Verdi verfolgt die politischen Ereignisse von
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seinem Landsitz Sant‘ Agata aus und engagiert sich erstmals politisch.
Graf Cavour, der Architekt der italienischen Einheit fordert Verdi auf, als
Abgeordneter ins erste italienische Parlament zu ziehen. Vier Jahre
bekleidet Verdi dieses Amt, ein zweites Mal will er nicht kandidieren.
Verdi ist kein Vollblutpolitiker, aber er wird zur Symbolfigur des
Risorgimento, der italienischen Vereinigung. Aus einfachen
Verhältnissen stammend hat er es ins Parlament geschafft.
An den Sitzungen des Parlaments nimmt Verdi nur selten teil, er ist viel
unterwegs zu Aufführungen seiner Opern bis nach Sankt Petersburg.
Von dort lockt ein lukratives Angebot, der berühmte Verdi-Tenor Enrico
Tamberlick bittet den Maestro im Auftrag des Kaiserlichen Theaters um
eine Oper für den Zaren. Es wird die letzte Zusammenarbeit mit
Francesco Maria Piave sein, gemeinsam wählen sie ein Drama der
spanischen Gegenwartsliteratur. „Don Alvaro o la fuerza del sino“ des
Herzogs von Riva, eine düstre, abwegige Geschichte, in der am Ende
alle Protagonisten sterben, kein echtes Verdi-Highlight.
Die Oper und Verdi werden gefeiert, bei leiser Kritik, drei Tote sind den
Russen zu blutrünstig. Für Mailand überarbeitet Verdi das Finale, lässt
Alvaro am Leben und komponiert eine Ouvertüre, die der Oper einen
zündenden Starschuss gibt. 2‘15
Musik 7
Giuseppe Verdi: Ouvertüre zur Oper „Die Macht des Schicksals“
New Philharmonia Orchestra / Riccardo Muti
M0037856 034, 3‘23
Der Beginn der Ouvertüre zu Verdis Oper „Die Macht des Schicksals“.
La forza del destino – Verdis Visitenkarte für Sankt Petersburg, immerhin
ist das Kaiserliche Hoftheater neben Paris und London, die einzige
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Stätte in Europa, an der zu der Zeit noch in Originalsprache gesungen
wird.
Seine nächste Oper schreibt Verdi für Paris, eine französische nach
einem deutschen Drama – Schillers Don Carlos, der Anfang vom
Spätwerk, ein Drama um ein absolutistisches System, die Macht der
Kirche und die Liebe des Infanten zu seiner Stiefmutter. Don Carlos liebt
Elisabeth, die jedoch aus politischen Gründen König Philipp heiraten
muss. Zentrale Figur ist der Freiheitsgeist Marquis von Posa. Er gewinnt
einerseits den jungen Infanten für sich und appelliert auch an das Herz
des mächtigen, aber einsamen Königs. Neu an Don Carlos sind die
ausgeprägten Texturen, Verdi schreibt ganz im Sinne der französischen
Grand Opera und übertrifft dabei an Intensität und musikalischer Dichte
die großen Opern von Meyerbeer. Besonders gewagt, ja modern ist die
Begegnung zwischen dem König und dem Marquis von Posa, ein
komponierter Dialog, ein intensiver Austausch, der über zehn Minuten
dauert. Verdi bleibt dicht an Schillers Vorlage. Posa berichtet dem König
von den Verwüstungen in Flandern, steigert sich immer mehr hinein,
erhebt Anklage. „Glaubt ihr, wenn ihr Tod sät, sät ihr für die Zukunft“,
fragt Posa den König. Mit diesem Blutpreis habe er den Frieden der Welt
bezahlt, entgegnet Philipp, den Frieden eines Friedhofs schmettert Posa
heraus und das Orchester geht mit einem krachenden Donner nieder.
1‘45
Musik 8
Giuseppe Verdi: Don Carlos, Dialog Philipp – Posa (2. Akt)
Ruggero Raimondi – Leo Nucci / Orchester der Mailänder Scala /
Claudio Abbado
M0019840 017, 2‘52
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Ruggero Raimondi und Leo Nucci mit einem Ausschnitt aus dem Duett
Philipp-Posa aus Verdis Don Carlos. Claudio Abbado leitete das
Orchester der Mailänder Scala.
Die Franzosen können mit Don Carlos nicht allzu viel anfangen, kurz
zuvor haben sie noch die französische Premiere des Troubadours
gefeiert mit allem Vedischen Verve und den schmissigen Arien und dann
diese neue Sprache. Verdi berichtet an die Freundin Clara Maffei, ein
Erfolg sei die Premiere nicht gewesen. Zu Hause in Sant‘ Agata liest er
die Pariser Kritiken, die sein Verleger und Freund Ricordi zusammen
getragen hat. Theophil Gautier schreibt von Verdis Wendung zur
Moderne. Georges Bizet, ein großer Anhänger des Troubadours, ist
gerade über diese Annäherung enttäuscht: „Verdi ist kein Italiener mehr,
Er imitiert Wagner“ –
Von all dem will Verdi nichts hören. An einen Freund schreibt er: „Wenn
die Kritiker ein bisschen aufmerksamer gewesen wären, hätten sie
gesehen, dass meine Absichten dieselben waren wie im Terzett des
Ernani oder im Schlafwandel des Macbeth“. Nein unter dem Einfluss
Wagners will Verdi nicht stehen.
Wagner, den weiß er zu charakterisieren: „Wagner ist keine wilde Bestie,
wie das die Puristen wollen, aber auch kein Prophet, wie ihn seine
Apostel gerne sehen würden. Er ist ein hochbegabter Mensch, der sich
darin gefällt, die beschwerlichen Wege einzuschlagen, weil er die
einfachen und viel direkteren nicht zu finden versteht“.
In Bologna besucht Verdi die italienische Erstaufführung des Lohengrins.
In die Partitur macht er über hundert Notizen. Sein Fazit: “Die Musik ist
schön, wenn sie klar ist und einen Gedanken enthält. Die Handlung ist
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schleppend wie das Wort. Darum Langeweile. Übermaß an lagen Noten
und schwer erträglich. Schöne instrumentale Effekte“.
Von Seiten Verdis findet eine Auseinandersetzung mit Wagner statt. Aus
Paris lässt er sich alle Schriften Wagners schicken, darunter der Essay
Zukunftsmusik. Wie schmerzlich muss Verdi die überhebliche
Abrechnung Wagners mit der italienischen Oper empfunden haben, sie
sei auf Zerstreuung und Unterhaltung einer genusssüchtigen
Bevölkerung bestimmt.
Verdi liest Wagner, Wagner hingegen hat Verdi bekanntlich mit keinem
Wort erwähnt, er sprach wenn überhaupt, dann abfällig von „Donizetti
und Co“.
Mehr möchte ich zum Verhältnis Verdi – Wagner nicht sagen, viel gibt es
darüber zu lesen. Nur schade, dass die meisten Neuerscheinungen in
diesem Jubiläumsjahr die beiden Herren im Doppelpack abhandeln und
zwischen zwei Buchdeckel zwängen. Am besten hat das immer noch
Franz Werfel in seinem imaginären und doch sehr realen Roman „Verdi
Roman der Oper“ gemacht, 1924 ist er erschienen. Darin kommt es im
Teatro La Fenice in Venedig zu einer kurzen Begegnung zwischen
Wagner und Verdi, zu einem Blickkontakt, sehr lesenswert und
aufschlussreich, gleich im ersten Kapitel des Romans.In freier Fantasie
nun zum Abschluss der heutigen Musikstunde eine Begegnung von
Verdis Maskenball und Wagners Tannhäuser – Wolfgang Molkow am
Klavier. 3‘00
Musik 9
Verdi / Wagner / Molkow: Fantasie über Finale aus dem Maskenball und
Grottenthema aus dem Tannhäuser
Wolfgang Molkow, Klavier
M0333036003, 3‘20
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