Auszeichnung 2012 Q1 im ThyssenKrupp Quartier, Essen Architektur: JSWD Architekten GmbH & Co. KG, Köln, Chaix & Morel et Associés, Paris, Frankreich Tragwerk: Werner Sobek Stuttgart GmbH & Co. KG (Fassade), IDN Ingenieurbüro Domke Nachf., Duisburg (Gebäude) Stahlbau: stahl + verbundbau gesellschaft für industrielles bauen, Dreieich (Gebäude) Frener + Reifer GmbH, Brixen, Italien (Fassade) Bauherr: ThyssenKrupp AG, Essen Das Gebäude Q1 ist das Herzstück des neuen ThyssenKrupp Quartiers in Essen. Mit einer Höhe von 50 Metern überragt der expressive Kubus die übrigen Gebäude auf dem Campus und hebt sich zudem durch seine markante Form ab. Die geometri» Die großen Landschaftsfenster orientieren sich zur Wasserachse © Christian Richters 94 Preis des Deutschen Stahlbaues 2012 sche Verschränkung unterschiedlicher Volumina um eine gemeinsame Mitte erzeugt nicht nur ein spannungsvolles äußeres Erscheinungsbild, auch im Inneren des Gebäudes entstehen faszinierende Raumabfolgen. Das glasgedeckte Atrium bildet dabei das Zentrum. Es erstreckt sich über zehn Geschosse und wird durch zahlreiche Zwischenebenen und Stege gegliedert. Den Raumabschluss nach Norden und Süden bilden zwei 28,1 x 25,6 Meter große, gläserne Landschaftsfenster. Sie bestehen aus jeweils 96 Scheiben und werden von einer kaum sichtbaren Seilkonstruktion gehalten. Decken und Stützen Nachhaltigkeit und Flexibilität spielten bei der Planung des Verwaltungsbaus von Anfang an eine große Rolle. Mit einem quadratischen Stützenraster von 6,075 Metern konnten die Geschossdecken als 30 Zentimeter starke Flachdecken in Ortbetonbauweise ausgeführt werden. Gleichzeitig ermöglicht das Raster die optimale Nutzung der Flächen mit Einzel- als auch © Christian Richters » Blick aus dem Atrium auf den Campus » Lageplan, M 1: 5000 Großraumbüros. Aufgrund der hohen Lasten und dem Wunsch nach möglichst schlanken Stützen kamen runde Stahlverbundstützen zum Einsatz. Im Erdgeschoss mit seiner größeren Geschosshöhe von 5,60 Meter beträgt der Stützendurchmesser 46 Zentimeter und 40 Zentimeter in allen Obergeschossen bei einer einheitlichen Geschosshöhe von 3,60 Meter. Die horizontale Aussteifung des Gebäudes erfolgt durch vier Stahlbetonkerne an den Innenecken des Atriums. Brückentragwerke Um zusätzlich die Lasten aus der Vorspannung der Tragseile aufnehmen zu können, wurden für die Überbauung der beiden Landschaftsfenster je drei zwei- bis dreigeschossige Stahlfachwerke mit Spannweiten zwischen 24 und 31 Metern entwickelt. Die Ober- und Untergurte, bestehend aus T- und H-Profilen, sind in die Flachdecken integriert. » Schnitte, M 1:800 bauforumstahl 95 verschraubten 400.000 horizontalen Edelstahl-Lamellen zusammen. Die dreh- und verschränkbaren „Metallfedern“ kombinieren die Vorteile der Lichtumlenkung durch horizontale Lamellen mit der freien Aussicht, die durch vertikale Drehlamellen ermöglicht wird. Die Einzelelemente werden von über 1.280 Linearmotoren zentral gesteuert. Durch die Differenzierung in trapezoide, dreieckförmige und rechteckige Einzelelemente entsteht eine Fassadenstruktur, in der das reflektierende Sonnenlicht im Tagesverlauf wechselnde Farbspiele erzeugt. » Markante Fassade mit beweglichen Sonnenschutzelementen © Frener+Reifer/Günter Wett Die Decke in der Untergurtebene besteht aus einer Halbfertigteilkonstruktion mit Ergänzung durch Ortbeton, während die darüber liegenden Decken wieder als Flachdecken ausgeführt wurden. Betongefüllte Stahlmantelrohre mit Einstellprofilen bilden die 40 Zentimeter dicken Pfosten und Diagonalen der Fachwerke. Die Stahlfachwerke wurden am Boden vormontiert und anschließend per Hubmontage zu einem Brückentragwerk im elften und zwölften Obergeschoss zusammengebaut. Verbindungsbrücken und Plattformen Die Verbindungsbrücken und Plattformen im Luftraum des Atriums wurden als möglichst schlanke und transparente, teilweise abgehängte Stahlkonstruktionen mit Tragelementen aus Hohlprofilen ausgeführt. Dabei wurden in einer Parameterstudie mögliche Eigenfrequenzen sowie durch Menschen induzierte Schwingungen untersucht und Maßnahmen zur deren weitgehender Vermeidung getroffen. Sonnenschutz Ein integrales Klimakonzept sorgt im Q1 für hervorragende energetische Werte und einen hohen Nutzerkomfort. Teil dieses Klimakonzepts ist ein neu entwickelter, außen liegender Sonnenschutz mit zentral gesteuerten, horizontalen EdelstahlLamellen. Das System kann sich mit dem Sonnenstand bewegen und ist deshalb in der Lage, maximalen Sonnenschutz bei weitgehend freiem Durchblick und guter natürlicher Belichtung zu gewährleisten. Die aus der Ferne wie Metallfedern wirkenden, geschosshohen Sonnenschutzelemente setzen sich aus 3.150 gefrästen vertikalen Stielen, den Edelstahl-Doppelachsen, und den daran 96 Preis des Deutschen Stahlbaues 2012 » Grundriss, Ansicht, Schnitt der Fassade, M 1:100 Laudatio Die Form wirkt wie ein überdimensionales Fenster, das einlädt, hineinzuschauen – das markante Q1 gibt sich offen und selbstbewusst. Identitätsstiftend wird das Grundthema des Konzerns aufgegriffen: Mit schlanken, weitgespannten Stahlkonstruktionen im Inneren und einem die Hülle prägenden Sonnenschutzsystem aus Edelstahl präsentiert sich das Gebäude als Botschafter des nachhaltigen Werkstoffes Stahl. Nachhaltigkeitsthemen sind hier unaufgeregter Bestandteil der architektonischen Überlegungen. Mit flexibler Raumgestaltung, Flächeneffizienz durch Stahlverbundstützen, Mitarbeiterkommunikation über weitspannende Verbindungsbrücken oder visueller Komfort mit den phantastischen Ausblicken durch die riesigen Landschaftsfenster – um nur einige zu nennen – wird das Thema nachhaltigen Bauens mit Stahl einmal durchdekliniert. Konsequent – dafür gab es die DGNB-Zertifizierung in Gold. Ein ausgezeichneter Beitrag für zeitgemäße Architektur und modernes, nachhaltiges Bauen. » Verbindungsstege mit angehängten Kommunikationsplattformen © Christian Richters bauforumstahl 97