© jarma / Fotolia politik Neue Approbationsordnung für Zahnärzte Endlich auf der Zielgeraden? Es ist eine lange Hängepartie gewesen, doch nun ist ein Ende in Sicht: Die neue Approbationsordnung für Zahnärzte kommt – wahrscheinlich. Das Bundesgesundheitsministerium hat nach viel Hin und Her einen Referentenentwurf vorgelegt, der nun ausgiebig diskutiert wird. Neben der von der Zahnärzteschaft seit Langem geforderten Modernisierung der Studieninhalte sieht der Entwurf allerdings auch einiges vor, das bei näherer Betrachtung nicht nur Vorteile für künftige Zahnmediziner birgt. Gute 60 Jahre ist die zahnärztliche Approbationsordnung (AOZ) inzwischen alt – und damit ganz schön angegraut. Zwar wurde im Laufe der Zeit ein bisschen aktualisiert und herumgedoktert an der AOZ, doch von einer Novellierung konnte keine Rede sein. Reformbedürftig ist die Grundlage des Studiengangs Zahnmedizin also schon seit Langem, und spätestens seitdem die Approbationsordnung für die Humanmedizin 2003 novelliert wurde, ist klar, dass auch der Studiengang Zahnmedizin frischen Wind vertragen kann. Die gültige Approbationsordnung hinkt nicht nur moderner Wissenschaft und Lehre hinterher, sondern auch dem Ruf danach, mehr Medizin in die Zahnmedizin zu bekommen. Einen ersten Entwurf einer neuen AOZ gab es bereits vor zehn Jahren. Ein Expertengremium legte 2006 dem Bundesgesundheitsministerium (BMG), dem Wissenschaftsrat und den Ländern diesen Entwurf zur weiteren Beratung und Abstimmung vor. Standesorganisationen, Fachgesellschaften, Kammern – sie alle betonten die Notwendigkeit einer neuen AOZ, die dem kontinuierlichen Wissenzuwachs und modernen therapeutischen Behandlungsmethoden Rechnung trägt. Doch die Vorlage verschwand wieder in der Schublade, die Diskussionen im Hintergrund gingen weiter. 16 DFZ 02 ∙ 2017 Bis der Geduldsfaden reißt Das BMG zauberte 2010 ein Eckpunktepapier aus dem Hut, und wieder ging es um die Reformbedürftigkeit der AOZ. Und wieder passierte jahrelang nichts – zumindest öffentlich nicht. Gespräche und Verhandlungen um einen neuen Entwurf fanden hinter verschlossenen Türen statt. Priorität hatte eine neue AOZ jedoch nicht. Bis dann im vergangenen Jahr – nach vielen nicht gehaltenen Versprechungen, eine neue AOZ vorzulegen – auch der Geduldsfaden der Studierenden riss, die sich nicht länger hinhalten lassen wollten. Von bundesweiten Protesten und Streiks war die Rede. Der Bundesverband der Zahnmedizinstudenten in Deutschland (BdZM) verkündete, an 30 Universitätsstandorten die Patientenbehandlung auszusetzen und stattdessen auf die Straße zu gehen. Ob es diese Ankündigung war, oder ob die Planungen für eine neue AOZ doch schon weiter fortgeschritten war, als die Öffentlichkeit glaubte, ist nicht nachzuvollziehen, doch im April 2016 kündigte Lutz Stroppe, Staatssekretär im BMG, beim Frühjahrsfest von Bundeszahnärztekammer und Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung an, dass im Herbst ein neuer AOZ-Entwurf vorgelegt werde. Und tatsächlich kam das BMG diesmal seiner Ankündigung nach: Kurz vorm Deutschen Zahnärztetag im November ver- © Michael Chamberlin / Fotolia politik gangenen Jahres kam der lang erwartete AOZ-Reformentwurf ans Licht der Öffentlichkeit – weithin positiv aufgenommen von Zahnärzteschaft und Standesorganisationen. Was so lange in der Pipeline war, konnte nur Beifall finden, allein deshalb, weil es endlich einen neuen Vorschlag gab. „Im Grunde genommen liegt nun letztlich auf dem Tisch, was der Entwurf von vor zehn Jahren vorsah“, ordnet Prof. Dr. Ralph Luthhardt, Präsident der Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (VHZMK), den AOZ-Entwurf ein. „Es ist jetzt nur in einen Verordnungstext gegossen.“ (Siehe dazu auch das Interview auf Seite 19) Gemeinsames Studium mit Humanmedizinern Die Reform sieht nun vor, das Zahnmedizinstudium neu zu strukturieren und die Ausbildungsinhalte anders zu gewichten. Dabei geht es auch darum, die ersten Semester von Zahn- und Humanmedizin zusammenzuführen und das Studium fächerübergreifend und problemorientiert auszurichten. Der vorklinische Studienabschnitt soll damit dieselben Unterrichtsveranstaltungen beinhalten und mit einem Examen abschließen, das dem bisherigen ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung entspricht. Auch Modellstudiengänge, wie sie bereits an einigen Universitäten angeboten werden, sollen flächendeckend möglich sein. Die Betreuungsrelation von Lehrenden und Studierenden soll deutlich verbessert werden, außerdem sind neben einer Ausbildung in Erster Hilfe auch ein einmonatiger Krankenpflegdienst und eine zweimonatige Pflichtfamulatur vorgesehen. Veränderungen soll es dem Referentenentwurf zufolge auch im Bereich der zahntechnischen Lehrinhalte geben, die sich künftig auf Kenntnis und Bewertung von zahntechnischer Arbeit beschränken, nicht aber die Herstellung von Zahnersatz einbeziehen. Nach der ersten Begeisterung über den Entwurf folgte etwas Ernüchterung. Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund und Kieferheilkunde (DGZMK) und auch die VHZMK begrüßten in einer gemeinsamen Mitteilung nach der Verbände-Anhörung im BMG zwar „ausdrücklich“ die Reform, stellten jedoch fest, dass in einigen Bereichen „noch eine Überarbeitung notwendig“ sei. Insbesondere betreffe dies die Betreuungsrelation im Hinblick auf Kostenneutralität sowie die zahntechnischen Inhalte in der Vorklinik. FVDZ sieht noch Nachbesserungsbedarf Auch der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) hat zum Referentenentwurf zur Neuregelung der zahnärztlichen Ausbildung Stellung bezogen und betont die Notwendigkeit, den veränderten Anforderungen einer modernen und interdisziplinären Lehre, um auch in Zukunft eine qualitativ hochwertige Versorgung der Patienten in Deutschland sicherstellen zu können. Doch der FVDZ stellt ebenso noch einige Punkte fest, die mit dem vorliegenden Referentenentwurf nicht umfassend beantwortet werden. Eine besondere Problematik sieht der Verband in einer Angleichung der vorklinischen Semester von Human- und Zahnmedizin. Grundsätzlich sei zwar die interdisziplinäre Ausbildung im Hinblick auf die spätere Tätigkeit ausgesprochen begrüßenswert. „Wir haben jedoch Bedenken, dass die Vereinheitlichung der Studiengänge in den ersten Semestern Tür und Tor für Studiengangswechsler von der Zahn- in die Humanmedizin öffnet“, verdeutlicht Dr. Thomas Wolf, Mitglied im FVDZ-Bundesvorstand und selbst wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Mainz. Bereits heute nutzten etliche Studierende der Zahnmedizin, die durch einen niedrigeren Numerus clausus zu erreichen sei als die Humanmedizin, die Möglichkeit zum Wechsel. Diese Problematik verschärfe sich durch eine gemeinsame Vorklinik der beiden Studiengänge, befürchtet Wolf. „Die Folge könnte in Zukunft eine nicht ausreichende Zahl ausgebildeter Zahnärzte sein und damit ein Engpass in der Versorgung in Deutschland.“ Der Freie Verband befürwortet zudem eine frühere praktische Ausbildung der angehenden Zahnärzte, beispielsweise die sogenannte Phantom-Ausbildung in die früheren Semester zu 02 ∙ 2017 DFZ 17 politik verlegen. „Es ist sinnvoll, dass Studienanfänger bereits ihre manuellen Fähigkeiten unter Beweis stellen und nicht erst im fünften oder sechsten Semester damit in Kontakt kommen“, betont Wolf. Darüber hinaus hält der FVDZ es für wichtig, eine Famulatur in einer Zahnarztpraxis anstelle des geplanten einmonatigen Krankenpflegdienstes zu absolvieren. Zahntechnik-Ausbildung muss erhalten bleiben Die ausführliche Stellungnahme des FVDZ zum AOZ-Entwurf ist im Internet unter www.fvdz.de nachzulesen. Sabine Schmitt © Stefan Schurr - Fotolia Eine Reduktion der zahntechnischen Inhalte, wie im aktuellen Referentenentwurf geplant, stößt beim FVDZ auf wenig Begeisterung. Zahnersatz und Zahntechnik seien Kerngebiete der zahnärztlichen Tätigkeit. Studierende sollten weiterhin wesentliche und für die Behandlung der Patienten essenzielle Inhalte erlernen, heißt es in der Stellungnahme des Freien Verbandes. Dies hat der Verband auch bei der Anhörung im BMG deutlich gemacht. Die bisher im Studium implementierten Ausbildungsinhalte im Bereich Zahnersatz- und Werkstoffkunde gelte es zu erhalten. „Die Studierenden der Zahnmedizin sollen nicht nur zahntechnische Arbeiten beurteilen, sondern auch anfertigen können“, erläutert Bundesvorstandsmitglied Wolf. Bedenken hat der Freie Verband vor allem hinsichtlich der vorgesehenen Kosten- neutralität, mit der die neue Approbationsordnung umgesetzt werden soll – und befindet sich damit in bester Gesellschaft. Diesen Punkt kritisieren auch die Fachgesellschaften unisono. Der Entwurf sieht eine Verbesserung der Betreuungsrelation von eins zu drei, statt wie bisher eins zu sechs in den klinischen Semestern vor. Dies soll durch eine Halbierung der derzeitigenBehandlunszeit der Studierenden konstenneutral umgesetzt und ermöglicht werden. „Das ist zwar sehr wünschenswert, aber unrealistisch“, sagt Wolf. „Die Halbierung der Behandlungszeit verdoppelt leider nicht gleichzeitig das Behandlungstempo der Studierenden.“ Verbände und Länder wurden in den vergangenen Wochen vom Bundesministerium angehört. Die Interessenlage ist deutlich geworden: Alle wollen eine neue Approbationsordnung, doch scheitern könnte die ganze Sache immer noch an der Finanzierung. Das BMG brütet nun noch über den geforderten Veränderungen des Entwurfs. Ob der ursprüngliche Zeitplan, die Approbationsordnung Ende März sicher durch den Bundesrat zu steuern und damit absegnen zu lassen, zu halten ist, bleibt ungewiss. 18 DFZ 02 ∙ 2017 politik Interview zur neuen Approbationsordnung mit Prof. Dr. Ralph Luthardt „Der Quantensprung muss finanziell gut unterfüttert sein“ DFZ: Die neue AOZ wurde lange erwartet. Ist sie der große Wurf, der die langgehegten Erwartungen erfüllt? Prof. Dr. Ralph Luthardt: Zunächst muss man zur Kenntnis nehmen: Es liegt tatsächlich etwas auf dem Tisch. Ob es der große Wurf ist oder Erwartungen erfüllt werden, kann ich so genau nicht sagen, denn in diesem Entwurf steht drin, was bereits vor zehn Jahren Konsens war. Es sind die damals abgestimmten und vorgelegten Eckpunkte, die das Bundesgesundheitsministerium nun in eine Verordnungsform gegossen hat. Diese AOZ bietet nun einen neuen rechtlichen Rahmen für das Studium der Zahnmedizin. Eine Information über Strukturen, Fächer oder eine inhaltliche Zuordnung gibt es nicht. Es ist nicht haarklein festgelegt, wie wir Zahnmedizin studieren oder lehren. Das sollte man im Hinterkopf behalten. DFZ: Welches sind aus Ihrer Sicht die Verbesserungen zur heutigen AOZ, die seit mehr als 60 Jahren gültig ist? Luthardt: Ein höherer Anteil Humanmedizin im Studium der Zahnmedizin war bei allen Beteiligten immer Konsens. Bislang basierte dieser Wunsch aber eher auf einer Art Schlagwortebene: interdisziplinär, modern, mehr Medizin. In der Präzision wie im vorliegenden Entwurf wurde das bislang noch nie ausformuliert. Dass das Studium der Humanmedizin und der Zahnmedizin in den vorklinischen Semestern angeglichen werden soll, hat große Auswirkungen. Auch auf die Humanmedizin, deren Approbationsordnung ebenfalls geändert werden muss. DFZ: Der große Plan war es aber doch eigentlich, die Zahn- und die Humanmedizin schon in den ersten Semestern früher mit klinischen Inhalten zu bereichern – zumindest laut Masterplan Medizin 2020. Luthardt: Es ist völlig richtig, dass auch die Medizin ein Stück dahin rücken soll, wo die Zahnmedizin schon seit Jahrzehnten ist: bei klinisch-praktischer Ausbildung mit Patientenbezug beziehungsweise am Patienten. Der aktuelle Entwurf der AOZ geht davon zunächst ein Stückchen weg, um dann, wenn der Masterplan Medizin umgesetzt wird, doch wieder genau dort zu landen – bei klinisch-praktischer Ausbildung mit Patientenbezug beziehungsweise am Patienten. Es ist allen klar, dass man dann noch mal an die AOZ ranmuss. Jetzt haben wir ein Henne-EiProblem: Was ist die Folge woraus? Was fasst man zuerst an? DFZ: Was sind die Kritikpunkte am vorliegenden Entwurf? Luthardt: Der Hauptkritikpunkt ist die Kostenneutralität, mit der die neue Approbationsordnung umgesetzt werden soll. Kostenneutralität und verbesserte Betreuungsrelation gehen nicht zusammen. Das war bereits vor zehn Jahren der Punkt, an dem die Gespräche gescheitert sind. Es gibt die Nebenabrede, dass eine neue Approbationsordnung nichts kosten darf. Erreicht werden sollte dies damit, dass 6,5 Prozent weniger Studierende der Zahnmedizin zugelassen werden. Das funktioniert aber heute aus diversen Gründen nicht mehr. Ich hege große Zweifel Vita Prof. Dr. med. dent. habil. Ralph G. Luthardt Seine Approbation als Zahnarzt erhielt Ralph G. Luthardt 1992. Zwei Jahre später promovierte er und arbeitete zunächst vier Jahre lang als Zahnarzt an der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der FriedrichSchiller-Universität Jena. 1998 wurde er Oberarzt der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, der medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden. 2003 folgten seine Habilitation und ein Forschungsaufenthalt in den USA an der Tufts University, School of Dental Medicine in Boston. 2007 wurde Luthardt Professor für zahnärztliche Prothetik an der medizinischen Fakultät der Universität Ulm, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik. Von 2007 bis 2010 war er geschäftsführender Direktor des Department Zahnheilkunde. 2008 wurde er stellvertretender Vorstand der Stiftung und des Institutes für Lasertechnologien in der Medizin und Messtechnik an der Universität Ulm. Seit 2014 ist Luthardt auch Studiendekan Zahnmedizin der Universität Ulm. Seine Arbeitsgebiete sind klinische Therapiestudien, Implantologie und Implantatprothetik, Prothetische Therapiekonzepte, Gesundheitsökonomie, Biomarker. Im Herbst 2016 wurde er Präsident der Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (VHZMK). daran, dass eine Reduktion der Studierendenzahlen eine vernünftige Lösung für das bestehende finanzielle Problem ist. DFZ: Warum? Luthardt: Zum einen gab es die Prämisse, dass in Deutschland in absehbarer Zeit weniger Zahnärzte gebraucht werden aufgrund schrumpfender Bevölkerung und immer besserer Mundgesundheit. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Heute ist klar, dass mehr Prävention auch mehr Therapie bedeutet. Die Menschen werden älter, haben mehr eigene Zähne – und die müssen behandelt werden, dafür werden Zahnärztinnen und Zahnärzte gebraucht. Die erste Grundannahme ist also schon mal falsch. Außerdem hat vor zehn Jahren, als die Idee entwickelt wurde, niemand damit gerechnet, dass der in Vollzeit tätige Zahnarzt irgendwann nicht mehr das Modell der Zukunft sein würde. Heute ist aber klar, dass das Rollenmodell jüngerer Zahnärztinnen und Zahnärzte genau diese Vollzeittätigkeit nicht mehr unbedingt vorsieht. Das heißt für die Zukunft, dass nicht weniger Zahnärzte gebraucht werden, sondern mindestens genauso viele. Es gibt gesellschaftliche Veränderungen, denen muss Rechnung getragen werden. Da muss einfach neu gedacht werden. DFZ: Konkret heißt das: Mehr Geld ins System? Luthardt: Ja, sonst geht es nicht. Wenn man eine Veränderung im Sinne einer Verbesserung der Ausbildungsqualität und ein anderes Ausbildungskonzept haben will, dann erfordert dies Ressourcen – und diese Ressourcen sind finanzieller Natur. Es 02 ∙ 2017 DFZ 19 politik muss mehr Geld ins System fließen, wenn es nicht an anderer Stelle, wie dies angedacht war, eingespart werden kann. Und da wird die Sache dann schwierig, denn es sind die Länder, die das Geld geben müssten. Die Interessen sind aber – vorsichtig formuliert – sehr abweichend. DFZ: Das heißt, dass eine neue AOZ kurz vor dem Zieleinlauf nun doch noch scheitern könnte? Luthardt: Politisch kann ich das nicht bewerten. Letztlich muss der Bundesrat der neuen AOZ zustimmen, damit die AOZ in Kraft treten kann. Es ist nur so, dass die Bereitschaft der Länder, Geld für den Studiengang Zahnmedizin in die Hand zu nehmen, höchst unterschiedlich ist. Es gibt Bundesländer wie Bremen oder Brandenburg, in denen es keine zahnmedizinische Fakultät gibt und andere Länder wie Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, die vier oder fünf Universitäten mit einem Studiengang Zahnmedizin haben. Da muss ein Konsens gefunden werden. DFZ: Es geht also um dasselbe Problem wie vor zehn Jahren: um Finanzierung und nicht die Inhalte? Luthardt: Es ist noch schlimmer. Die Diskussionen gehen nicht nur zehn Jahre zurück, sondern darüber wird schon seit mehreren Jahrzehnten gesprochen – mindestens seit den 1990er Jahren steht das immer wieder auf der Agenda. Hinter den Kulissen ist viel über finanzielle Ressourcen diskutiert worden. Es ging und geht vor allem um einen besseren Betreuungsschlüssel für Zahnmediziner in den klinischen Semestern. Das hat nichts mit Luxusbehandlung für Zahnmedizinstudenten zu tun, sondern damit, dass diese dann gleich behandelt würden wie Studierende der Humanmedizin. DFZ: Gibt es eine Lösung? Luthardt: Es ist eine grundsätzliche Entscheidung: Wenn die Bereitschaft besteht, eine innovative Hochschulordnung zu installieren, muss mehr Geld dafür fließen. Alles andere ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Wir als Hochschulen möchten natürlich den Fortschritt, aber nicht unter dem Motto: Lasst euch etwas Cleveres einfallen, um mit weniger Geld besser zu werden. Das funktioniert nicht. Wenn wir den Quantensprung wollen, dann muss der finanziell unterfüttert sein. DFZ: Es gibt die Befürchtung, dass bei einem gemeinsamen vorklinischen Studium von Zahn- und Humanmedizinern die Zahnmedizin nur als „Umgehung“ zur Humanmedizin genutzt wird, weil der Numerus clausus geringer ist. Lässt sich das verhindern? Luthardt: Das ist nur noch ein Grund mehr, nicht weniger Studierende zum Zahnmedizinstudium zuzulassen. Es wird nicht zu vermeiden sein, dass mit einem gemeinsamen Grundstudium die Wechselbereitschaft der Studierenden zunimmt. Damit muss man leben, wenn man Studium und Prüfungen angleicht. Man könnte sagen, das ist der Preis der Modernisierung des Studiums. Dieses gemeinsame vorklinische Studium ist ein Baustein der neuen Approbationsordnung, weil man erkannt hat, dass auch ein Zahnarzt gute Kenntnisse der allgemeinen Medizin haben muss. DFZ: Aus der Zahnärzteschaft gibt es Kritik daran, dass für Zahnmedizinstudenten ein verpflichtendes Krankenpflegepraktikum eingeführt werden soll. Gibt es für angehende Zahnärzte nicht sinnvollere Betätigungen? © Christin Klose / dpa Themendie DFZ: Bessere Ausbildungsqualität und Kostenneutralität sind also die Quadratur des Kreises? Luthardt: Ja, klar. Bessere Betreuung – in einer Eins-zu-drei-Relation verursacht höhere Personalkosten, wenn die Lehre unter klinischen Bedingungen in ihrer Stundenzahl erhalten bleiben soll. Es ist nicht zu erwarten, dass die Studierenden um so viel in der Behandlung schneller werden, wie sich ihre Betreuung verbessert. Es gibt Rationalisierungspotenzial, aber das hat seine Grenzen. Jeder braucht seine Zeit, um zu lernen. Da kann man fünf Assistenten daneben stellen, und der Student wird nicht schneller, um das mal salopp zu sagen. Auch die Veränderung der Lehre hin zu mehr Interdisziplinarität wird höhere Personalkosten verursachen. Personalkosten sind die entscheidende Variable. 20 DFZ 02 ∙ 2017 politik Luthardt: Es ist die Frage: Was ist sinnvoll? Eine alternde Bevölkerung stellt uns vor neue Herausforderungen – Zahnmediziner wie Humanmediziner. Die Idee ist es, mehr klinische Medizin ins Studium zu bringen. Was liegt dann näher, als die angehenden Zahnärzte und Ärzte gleichermaßen mit dem stationären Betrieb zu konfrontieren. Meiner Ansicht nach ist die entscheidende Frage, wie man so ein Praktikum ausgestaltet. Niemand hat etwas davon, wenn der Student vier Wochen lang Spinde putzt. Die Studierenden müssen mit den Ärzten mitlaufen und betreut werden, damit sie was vom Patienten mitkriegen. Es muss ausgewählt sein, welche Einrichtungen überhaupt für solche Praktika in Frage kommen, welche Qualifikation die Ausbildungsstätte mitbringen muss, und das muss auch evaluiert werden. Wenn dieses Paket sauber geschnürt ist, dann halte ich ein Krankenpflegepraktikum vor dem Gesamtkontext für sehr sinnvoll. DFZ: Der FVDZ sieht vor allem die Reduktion der zahntechnischen Inhalte im Studium kritisch. Wie ist Ihre Haltung dazu: Sollte ein Zahnarzt selbst in die Lage versetzt werden, Zahnersatz herzustellen, um die Qualität tatsächlich bewerten zu können? Luthardt: Ich weiß, dass in dieser Frage die Wogen hochschlagen. Fangen wir mal vorn an: Zahnärzte müssen vor allem in der Lage sein, Zahnersatz vollumfänglich zu bewerten – technisch, werkstoffkundlich, klinisch. Dies gilt sowohl in der Frage der Eingliederung von Zahnersatz als auch dann, wenn es um die Reparatur oder den Austausch von getragenem Zahnersatz geht. Das sind die klinischen Fragestellungen und weniger die der handwerklichen Anfertigung. Diese zahnärztliche Leistung setzt allerdings breite Kenntnis zum Zahnersatz und auch zur Werkstoffkunde voraus, daran ändert sich nichts. Die Prothetik hat sich zudem in den vergangenen Jahren extrem weiterentwickelt, beispielsweise im Bereich der computergestützten Verfahren. Warum sich Zahnmedizinstudierende primär darauf kaprizieren sollen, die handwerklichen Fähigkeiten von Zahntechnikern kopieren zu wollen, verstehe ich nicht. Die zahnärztliche Qualifikation in klinischen Fragestellung wird aufgrund der unterschiedlichen Ausbildung immer höher sein als die eines Zahntechnikers, bei dem es primär um die Anfertigung von Zahnersatz geht. Zahnärzte treffen klinische Entscheidungen. Und wer diese Qualifikation hat, kann natürlich auch ein Praxislabor führen – darum geht es im Kern! Vor diesem Hintergrund besitzen Zahnärzte eindeutig die erforderlichen Kenntnisse, um ein Praxislabor eigenverantwortlich zu führen. Deshalb sehe ich die Frage entspannt. DFZ: Dem Vernehmen nach gibt es noch einigen Änderungsbedarf an der neuen Approbationsordnung, die eigentlich Ende März den Bundesrat passieren sollte, so dass der politische Zeitplan nicht mehr eingehalten werden kann. Wie ist Ihre Einschätzung: Kommt die neue AOZ noch in dieser Legislaturperiode – oder muss es doch noch Streiks an den Unis geben? Luthardt: Zu den politischen Prozessen kann ich nichts sagen und auch zu Streikplänen nicht. Die Sache ist eine Bund-Länder-Abstimmung mit der Fragestellung: Wer gibt das Geld? Das kann so weit gehen, dass der Bund Geld zuschießt bis zum Worst-Case-Szenario, dass keine Seite finanzielle Mittel locker macht. Politisch einschätzen kann und will ich das an dieser Stelle nicht. Interview: Sabine Schmitt 02 ∙ 2017 DFZ 21 © Do Ra / Fotolia politik Auch die Studentenschaft fordert Korrekturen an der neuen AOZ Ja, aber nicht so! Die Approbationsordnung für Zahnärzte (AOZ) ist in der Studentenschaft naturgemäß ein großes Thema. Deshalb haben sich die Studierenden auch zum Referentenentwurf für eine neue AOZ positioniert: In den Grundzügen gut, aber es gibt ein paar wesentliche Mängel, lautet das Fazit des zahnmedizinischen Nachwuchses. Das Thema Approbationsordnung stand auf der jüngsten Bundesfachschaftstagung in Freiburg im Mittelpunkt. Die Fachschaftsvertreter diskutierten intensiv über die geplante Modernisierung der Studieninhalte, die das Bundesgesundheitsministerium Ende 2016 bekannt gegeben hatte. Der Meinungsaustausch war Grundlage einer Stellungnahme, die der Bundesverband der Zahnmedizinstudenten in Deutschland (BdZM) veröffentlichte. Darin begrüßen die Studenten grundsätzlich eine Neuregelung der zahnmedizinischen Ausbildung. Vor allem „die vorgesehene Einbindung der präventiven Zahnmedizin, die vertiefte Ausbildung der Allgemeinerkrankungen, die Stärkung der wissenschaftlichen Kompetenz und die angestrebten neuen Lehrkonzepte im Sinne von problemorientierten Seminaren“ ernten Lob. Als weitere zwingend notwendige Veränderungen nennt der BdZM die Verbesserung der Betreuungsrelation sowie die Einbindung neuer integrierter Lehrkonzepte zur interdisziplinären Ausbildung. Zu wenig zahnmedizinische Praxis Aber es gibt auch Kritikpunkte, die nach Ansicht der Studentenvertreter daran zweifeln lassen, ob das Studium mit der neuen AOZ tatsächlich verbessert würde. Eine Kritik bezieht sich auf den Plan, die Zahn- und Humanmedizin in den ersten Semestern zusammenzuführen. Zwar finden die Zahnmedizinstudenten eine vertiefte Ausbildung von allgemeinmedizinischen Fächern gut und wichtig. Aber ein einheitliches Grundstudium, wie es jetzt vorgesehen sei, vernachlässige zahnmedizinische Inhalte. „Wenn wir die ersten vier Semester mit den Medizinern zusammen lernen und während dieser Zeit nur zwei dreiwöchige zahnmedizinische Praktika machen, dann ist das einfach zu wenig“, erklärt der neue BdZM-Vorsitzende Maximilian Voß. Denn die zahnmedizinisch-praktische Ausbildung sei weiterhin essentieller Bestandteil des Zahnmedizinstudiums. Daher fordert die Studentenschaft praktische Kurse von Beginn des Studiums an, und zwar regelmäßig und nicht als einmaliger Statement von Jan-Philipp Schmidt, Vorsitzender des Bundesverbandes der zahnmedizinischen Alumni (BdZA) „Geschlossenes Auftreten der Studentenschaft hat beim Bundesministerium großen Eindruck hinterlassen“ „Es wurde auch wirklich Zeit: Mehr als 60 Jahre hat es gedauert, bis nun endlich eine neue Approbationsordnung für die Zahnmedizin in Kraft tritt – hiervon begleite ich das Thema bereits 15 Jahre persönlich, auch in einigen Sitzungen als Vertreter der Studierenden beim medizinischen Fakultätentag. Auch wenn im Hinblick auf die neuen Betreuungsrelationen und die steigenden Kosten für die Universitätszahnkliniken noch nicht alle Hochschullehrer mit den Details zufrieden sind, kann man die grundsätzliche Ausrichtung der neuen AOZ nur begrüßen. Insbesondere für die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Medizin und Zahnmedizin stellt der fertige Entwurf einen wichtigen Meilenstein dar. Das klare Bekenntnis zum universitären Staatsexamensstudium ist ebenso wichtig wie die Ausrichtung auf evidenzbasierte Lehrinhalte. Persönlich freue ich mich am meisten darüber, dass die praktische Ausbildung auch um Aspekte der zahnärztlichen Gesprächsführung ergänzt 22 DFZ 02 ∙ 2017 wird – für die klinischen Semester werden Theorie und Praxis offensichtlich gleichermaßen gestärkt. Meine einzige Sorge ist es, dass durch die Gleichschaltung der ersten vier Semester noch mehr Bewerber über einen zahnmedizinischen Studienplatz in die Medizin wechseln wollen, die dort nicht initial untergekommen sind. Wir können also nur hoffen, dass die Universitäten durch geeignete Aufnahmegespräche die engagierten Zahnmediziner von morgen erkennen werden. Wünschenswert ist außerdem, dass die guten Inhalte der Approbationsordnung zur fachlichen Zusammenarbeit nicht im täglichen Klinikalltag untergehen oder durch Abteilungskonkurrenz verwässert werden. Wir gratulieren an dieser Stelle unserem Schwesterverband BdZM zu diesem grandiosen Erfolg – das geschlossene Auftreten der Studentenschaft hat großen Eindruck beim Bundesministerium hinterlassen!“ politik Crashkurs. Wie das konkret aussehen kann, dafür machen die Zahnärzte von morgen verschiedene Vorschläge. Möglich seien beispielsweise aufeinander aufbauende Module die in den Semestern eins bis sechs geprüft werden statt wie bisher geplant nach den ersten vier Semestern. Und wenn diese Modulprüfungen dann noch deutschlandweit standardisiert wären, eröffne das den Studenten die Möglichkeit, auf Wunsch den Standort zu wechseln. Eine Alternative aus Sicht des BdZM: In der Vorklinik rund 80 Prozent der Kurse mit den Medizinern zu absolvieren und die restlichen 20 Prozent vom ersten Semester an für die praktische Ausbildung und die Vermittlung von spezifisch zahnärztlichem Wissen zu nutzen. Die Prüfung könne dann an die Medizinerprüfung angelehnt, aber dennoch speziell für Zahnmedizinstudenten sein. Heute Zahnmedizin, morgen Humanmedizin So wie die Standespolitik auch, sehen die Studenten in dem gemeinsamen vorklinischen Studium die Gefahr zu häufiger Wechsel. „Bis zum vierten Semester kann ich dann zwischen Human- und Zahnmedizin hin- und herspringen“, kritisiert Voß. Wegen des unterschiedlichen Numerus clausus sei die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass das Zahnmedizinstudium als Zugang zum Medizinstudium missbraucht werde. „Es kann nicht sein, dass man über das eine Studium in das andere hineinrutscht und dann irgendwann zu wenig Zahnärzte ausgebildet werden“, sagt der BdZM-Vorsitzende. Darüber hinaus stellen die Studentenvertreter den Sinn eines Krankenpflegepraktikums im Zahnmedizinstudium in Frage. Diese wenig berufsrelevante Pflichtaufgabe sieht der Referentenentwurf nämlich auch vor. Die Studenten halten ein Praktikum in einem zahntechnischen Betrieb für wesentlich sinnvoller. Auch die Themen Erste Hilfe und Notfallmedizin haben laut BdZM bislang viel zu wenig Gewicht und sollten stärker in den Fokus rücken. Kürzungen sind inakzeptabel Die Ankündigung des BMG, die Reform der AOZ kostenneutral umzusetzen, hält auch der zahnmedizinische Nachwuchs für absurd und unangemessen, weil die Problematik unausweichlich auf die Universitäten zu Lasten der Studierenden verlagert werde. „Wir könnten nicht akzeptieren, wenn Unterrichtsstunden gestrichen würden“, betont Voß. Es sei selbstverständlich, dass die Erhöhung der Betreuungsrelation nicht mit Kürzungen der Behandlungszeiten einhergehe. Stattdessen seien zusätzliches klinisches Personal und Gelder notwendig. Trotz der Kritikpunkte hält der BdZM daran fest, dass eine neue Approbationsordnung noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll. „Wir hatten direkten Kontakt zum BMG und unsere Bedenken geäußert. Nun hoffen wir, dass der Entwurf in unserem Sinn verändert wird“, sagt Voß. „Wir werden uns überraschen lassen müssen.“ Melanie Fügner 02 ∙ 2017 DFZ 23