Endlich auf der Zielgeraden?

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politik
Neue Approbationsordnung für Zahnärzte
Endlich auf der Zielgeraden?
Es ist eine lange Hängepartie gewesen, doch nun ist ein Ende in Sicht: Die neue Approbationsordnung für Zahnärzte kommt – wahrscheinlich. Das Bundesgesundheitsministerium hat nach
viel Hin und Her einen Referentenentwurf vorgelegt, der nun ausgiebig diskutiert wird. Neben
der von der Zahnärzteschaft seit Langem geforderten Modernisierung der Studieninhalte sieht
der Entwurf allerdings auch einiges vor, das bei näherer Betrachtung nicht nur Vorteile für künftige Zahnmediziner birgt.
Gute 60 Jahre ist die zahnärztliche Approbationsordnung
(AOZ) inzwischen alt – und damit ganz schön angegraut. Zwar
wurde im Laufe der Zeit ein bisschen aktualisiert und herumgedoktert an der AOZ, doch von einer Novellierung konnte keine Rede sein. Reformbedürftig ist die Grundlage des Studiengangs Zahnmedizin also schon seit Langem, und spätestens seitdem die Approbationsordnung für die Humanmedizin 2003 novelliert wurde, ist klar, dass auch der Studiengang Zahnmedizin
frischen Wind vertragen kann. Die gültige Approbationsordnung hinkt nicht nur moderner Wissenschaft und Lehre hinterher, sondern auch dem Ruf danach, mehr Medizin in die
Zahnmedizin zu bekommen.
Einen ersten Entwurf einer neuen AOZ gab es bereits vor zehn
Jahren. Ein Expertengremium legte 2006 dem Bundesgesundheitsministerium (BMG), dem Wissenschaftsrat und den Ländern diesen Entwurf zur weiteren Beratung und Abstimmung
vor. Standesorganisationen, Fachgesellschaften, Kammern – sie
alle betonten die Notwendigkeit einer neuen AOZ, die dem kontinuierlichen Wissenzuwachs und modernen therapeutischen
Behandlungsmethoden Rechnung trägt. Doch die Vorlage verschwand wieder in der Schublade, die Diskussionen im Hintergrund gingen weiter.
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Bis der Geduldsfaden reißt
Das BMG zauberte 2010 ein Eckpunktepapier aus dem Hut, und
wieder ging es um die Reformbedürftigkeit der AOZ. Und wieder passierte jahrelang nichts – zumindest öffentlich nicht. Gespräche und Verhandlungen um einen neuen Entwurf fanden
hinter verschlossenen Türen statt. Priorität hatte eine neue AOZ
jedoch nicht. Bis dann im vergangenen Jahr – nach vielen nicht
gehaltenen Versprechungen, eine neue AOZ vorzulegen – auch
der Geduldsfaden der Studierenden riss, die sich nicht länger
hinhalten lassen wollten. Von bundesweiten Protesten und
Streiks war die Rede. Der Bundesverband der Zahnmedizinstudenten in Deutschland (BdZM) verkündete, an 30 Universitätsstandorten die Patientenbehandlung auszusetzen und stattdessen auf die Straße zu gehen. Ob es diese Ankündigung war, oder
ob die Planungen für eine neue AOZ doch schon weiter fortgeschritten war, als die Öffentlichkeit glaubte, ist nicht nachzuvollziehen, doch im April 2016 kündigte Lutz Stroppe, Staatssekretär im BMG, beim Frühjahrsfest von Bundeszahnärztekammer und Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung an, dass
im Herbst ein neuer AOZ-Entwurf vorgelegt werde.
Und tatsächlich kam das BMG diesmal seiner Ankündigung
nach: Kurz vorm Deutschen Zahnärztetag im November ver-
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gangenen Jahres kam der lang erwartete AOZ-Reformentwurf
ans Licht der Öffentlichkeit – weithin positiv aufgenommen von
Zahnärzteschaft und Standesorganisationen. Was so lange in
der Pipeline war, konnte nur Beifall finden, allein deshalb, weil
es endlich einen neuen Vorschlag gab. „Im Grunde genommen
liegt nun letztlich auf dem Tisch, was der Entwurf von vor zehn
Jahren vorsah“, ordnet Prof. Dr. Ralph Luthhardt, Präsident der
Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (VHZMK), den AOZ-Entwurf ein. „Es ist jetzt nur
in einen Verordnungstext gegossen.“
(Siehe dazu auch das Interview auf Seite 19)
Gemeinsames Studium mit Humanmedizinern
Die Reform sieht nun vor, das Zahnmedizinstudium neu zu
strukturieren und die Ausbildungsinhalte anders zu gewichten.
Dabei geht es auch darum, die ersten Semester von Zahn- und
Humanmedizin zusammenzuführen und das Studium fächerübergreifend und problemorientiert auszurichten. Der vorklinische Studienabschnitt soll damit dieselben Unterrichtsveranstaltungen beinhalten und mit einem Examen abschließen, das dem
bisherigen ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung entspricht.
Auch Modellstudiengänge, wie sie bereits an einigen Universitäten angeboten werden, sollen flächendeckend möglich sein. Die
Betreuungsrelation von Lehrenden und Studierenden soll deutlich verbessert werden, außerdem sind neben einer Ausbildung
in Erster Hilfe auch ein einmonatiger Krankenpflegdienst und
eine zweimonatige Pflichtfamulatur vorgesehen. Veränderungen
soll es dem Referentenentwurf zufolge auch im Bereich der zahntechnischen Lehrinhalte geben, die sich künftig auf Kenntnis und
Bewertung von zahntechnischer Arbeit beschränken, nicht aber
die Herstellung von Zahnersatz einbeziehen.
Nach der ersten Begeisterung über den Entwurf folgte etwas
Ernüchterung. Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund und Kieferheilkunde (DGZMK) und
auch die VHZMK begrüßten in einer gemeinsamen Mitteilung
nach der Verbände-Anhörung im BMG zwar „ausdrücklich“
die Reform, stellten jedoch fest, dass in einigen Bereichen „noch
eine Überarbeitung notwendig“ sei. Insbesondere betreffe dies
die Betreuungsrelation im Hinblick auf Kostenneutralität sowie
die zahntechnischen Inhalte in der Vorklinik.
FVDZ sieht noch Nachbesserungsbedarf
Auch der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) hat zum
Referentenentwurf zur Neuregelung der zahnärztlichen Ausbildung Stellung bezogen und betont die Notwendigkeit, den
veränderten Anforderungen einer modernen und interdisziplinären Lehre, um auch in Zukunft eine qualitativ hochwertige
Versorgung der Patienten in Deutschland sicherstellen zu können. Doch der FVDZ stellt ebenso noch einige Punkte fest, die
mit dem vorliegenden Referentenentwurf nicht umfassend beantwortet werden.
Eine besondere Problematik sieht der Verband in einer Angleichung der vorklinischen Semester von Human- und Zahnmedizin. Grundsätzlich sei zwar die interdisziplinäre Ausbildung im Hinblick auf die spätere Tätigkeit ausgesprochen begrüßenswert. „Wir haben jedoch Bedenken, dass die Vereinheitlichung der Studiengänge in den ersten Semestern Tür und Tor
für Studiengangswechsler von der Zahn- in die Humanmedizin
öffnet“, verdeutlicht Dr. Thomas Wolf, Mitglied im FVDZ-Bundesvorstand und selbst wissenschaftlicher Mitarbeiter an der
Universität Mainz. Bereits heute nutzten etliche Studierende der
Zahnmedizin, die durch einen niedrigeren Numerus clausus zu
erreichen sei als die Humanmedizin, die Möglichkeit zum
Wechsel. Diese Problematik verschärfe sich durch eine gemeinsame Vorklinik der beiden Studiengänge, befürchtet Wolf. „Die
Folge könnte in Zukunft eine nicht ausreichende Zahl ausgebildeter Zahnärzte sein und damit ein Engpass in der Versorgung
in Deutschland.“
Der Freie Verband befürwortet zudem eine frühere praktische Ausbildung der angehenden Zahnärzte, beispielsweise die
sogenannte Phantom-Ausbildung in die früheren Semester zu
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verlegen. „Es ist sinnvoll, dass Studienanfänger bereits ihre manuellen Fähigkeiten unter Beweis stellen und nicht erst im fünften oder sechsten Semester damit in Kontakt kommen“, betont
Wolf. Darüber hinaus hält der FVDZ es für wichtig, eine Famulatur in einer Zahnarztpraxis anstelle des geplanten einmonatigen Krankenpflegdienstes zu absolvieren.
Zahntechnik-Ausbildung muss erhalten bleiben
Die ausführliche Stellungnahme des FVDZ zum AOZ-Entwurf ist im Internet unter
www.fvdz.de nachzulesen.
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Eine Reduktion der zahntechnischen Inhalte, wie im aktuellen
Referentenentwurf geplant, stößt beim FVDZ auf wenig Begeisterung. Zahnersatz und Zahntechnik seien Kerngebiete der
zahnärztlichen Tätigkeit. Studierende sollten weiterhin wesentliche und für die Behandlung der Patienten essenzielle Inhalte
erlernen, heißt es in der Stellungnahme des Freien Verbandes.
Dies hat der Verband auch bei der Anhörung im BMG deutlich
gemacht. Die bisher im Studium implementierten Ausbildungsinhalte im Bereich Zahnersatz- und Werkstoffkunde gelte es zu
erhalten. „Die Studierenden der Zahnmedizin sollen nicht nur
zahntechnische Arbeiten beurteilen, sondern auch anfertigen
können“, erläutert Bundesvorstandsmitglied Wolf. Bedenken hat
der Freie Verband vor allem hinsichtlich der vorgesehenen Kosten-
neutralität, mit der die neue Approbationsordnung umgesetzt werden soll – und befindet sich damit in bester Gesellschaft. Diesen
Punkt kritisieren auch die Fachgesellschaften unisono. Der Entwurf
sieht eine Verbesserung der Betreuungsrelation von eins zu drei, statt
wie bisher eins zu sechs in den klinischen Semestern vor. Dies soll
durch eine Halbierung der derzeitigenBehandlunszeit der Studierenden konstenneutral umgesetzt und ermöglicht werden. „Das ist zwar
sehr wünschenswert, aber unrealistisch“, sagt Wolf. „Die Halbierung
der Behandlungszeit verdoppelt leider nicht gleichzeitig das Behandlungstempo der Studierenden.“
Verbände und Länder wurden in den vergangenen Wochen
vom Bundesministerium angehört. Die Interessenlage ist deutlich geworden: Alle wollen eine neue Approbationsordnung, doch
scheitern könnte die ganze Sache immer noch an der Finanzierung. Das BMG brütet nun noch über den geforderten Veränderungen des Entwurfs. Ob der ursprüngliche Zeitplan, die Approbationsordnung Ende März sicher durch den Bundesrat zu steuern und damit absegnen zu lassen, zu halten ist, bleibt ungewiss.
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Interview zur neuen Approbationsordnung mit Prof. Dr. Ralph Luthardt
„Der Quantensprung muss finanziell
gut unterfüttert sein“
DFZ: Die neue AOZ wurde lange erwartet. Ist sie der große Wurf, der
die langgehegten Erwartungen erfüllt?
Prof. Dr. Ralph Luthardt: Zunächst muss man zur Kenntnis nehmen: Es liegt tatsächlich etwas auf dem Tisch. Ob es der große
Wurf ist oder Erwartungen erfüllt werden, kann ich so genau
nicht sagen, denn in diesem Entwurf steht drin, was bereits vor
zehn Jahren Konsens war. Es sind die damals abgestimmten und
vorgelegten Eckpunkte, die das Bundesgesundheitsministerium
nun in eine Verordnungsform gegossen hat. Diese AOZ bietet
nun einen neuen rechtlichen Rahmen für das Studium der
Zahnmedizin. Eine Information über Strukturen, Fächer oder
eine inhaltliche Zuordnung gibt es nicht. Es ist nicht haarklein
festgelegt, wie wir Zahnmedizin studieren oder lehren. Das sollte man im Hinterkopf behalten.
DFZ: Welches sind aus Ihrer Sicht die Verbesserungen zur heutigen
AOZ, die seit mehr als 60 Jahren gültig ist?
Luthardt: Ein höherer Anteil Humanmedizin im Studium der
Zahnmedizin war bei allen Beteiligten immer Konsens. Bislang
basierte dieser Wunsch aber eher auf einer Art Schlagwortebene: interdisziplinär, modern, mehr Medizin. In der Präzision wie
im vorliegenden Entwurf wurde das bislang noch nie ausformuliert. Dass das Studium der Humanmedizin und der Zahnmedizin in den vorklinischen Semestern angeglichen werden soll, hat
große Auswirkungen. Auch auf die Humanmedizin, deren Approbationsordnung ebenfalls geändert werden muss.
DFZ: Der große Plan war es aber doch eigentlich, die Zahn- und die
Humanmedizin schon in den ersten Semestern früher mit klinischen
Inhalten zu bereichern – zumindest laut Masterplan Medizin 2020.
Luthardt: Es ist völlig richtig, dass auch die Medizin ein Stück
dahin rücken soll, wo die Zahnmedizin schon seit Jahrzehnten
ist: bei klinisch-praktischer Ausbildung mit Patientenbezug beziehungsweise am Patienten. Der aktuelle Entwurf der AOZ geht
davon zunächst ein Stückchen weg, um dann, wenn der Masterplan Medizin umgesetzt wird, doch wieder genau dort zu landen – bei klinisch-praktischer Ausbildung mit Patientenbezug
beziehungsweise am Patienten. Es ist allen klar, dass man dann
noch mal an die AOZ ranmuss. Jetzt haben wir ein Henne-EiProblem: Was ist die Folge woraus? Was fasst man zuerst an?
DFZ: Was sind die Kritikpunkte am vorliegenden Entwurf?
Luthardt: Der Hauptkritikpunkt ist die Kostenneutralität, mit
der die neue Approbationsordnung umgesetzt werden soll. Kostenneutralität und verbesserte Betreuungsrelation gehen nicht
zusammen. Das war bereits vor zehn Jahren der Punkt, an dem
die Gespräche gescheitert sind. Es gibt die Nebenabrede, dass
eine neue Approbationsordnung nichts kosten darf. Erreicht
werden sollte dies damit, dass 6,5 Prozent weniger Studierende
der Zahnmedizin zugelassen werden. Das funktioniert aber
heute aus diversen Gründen nicht mehr. Ich hege große Zweifel
Vita
Prof. Dr. med. dent. habil. Ralph G. Luthardt
Seine Approbation als Zahnarzt erhielt Ralph G.
Luthardt 1992. Zwei Jahre später promovierte er und
arbeitete zunächst vier Jahre lang als Zahnarzt an der
Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der FriedrichSchiller-Universität Jena. 1998 wurde er Oberarzt der
Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, der medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden. 2003 folgten seine Habilitation und
ein Forschungsaufenthalt in den USA an der Tufts University, School of Dental Medicine in Boston. 2007 wurde Luthardt Professor für zahnärztliche Prothetik an der medizinischen Fakultät der Universität Ulm, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik. Von 2007 bis 2010 war
er geschäftsführender Direktor des Department Zahnheilkunde. 2008 wurde er stellvertretender Vorstand der Stiftung und des Institutes für Lasertechnologien in der Medizin und Messtechnik an der Universität Ulm. Seit
2014 ist Luthardt auch Studiendekan Zahnmedizin der Universität Ulm. Seine Arbeitsgebiete sind klinische Therapiestudien, Implantologie und Implantatprothetik, Prothetische Therapiekonzepte, Gesundheitsökonomie,
Biomarker. Im Herbst 2016 wurde er Präsident der Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (VHZMK).
daran, dass eine Reduktion der Studierendenzahlen eine vernünftige Lösung für das bestehende finanzielle Problem ist.
DFZ: Warum?
Luthardt: Zum einen gab es die Prämisse, dass in Deutschland
in absehbarer Zeit weniger Zahnärzte gebraucht werden aufgrund schrumpfender Bevölkerung und immer besserer Mundgesundheit. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Heute ist klar, dass
mehr Prävention auch mehr Therapie bedeutet. Die Menschen
werden älter, haben mehr eigene Zähne – und die müssen behandelt werden, dafür werden Zahnärztinnen und Zahnärzte
gebraucht. Die erste Grundannahme ist also schon mal falsch.
Außerdem hat vor zehn Jahren, als die Idee entwickelt wurde,
niemand damit gerechnet, dass der in Vollzeit tätige Zahnarzt
irgendwann nicht mehr das Modell der Zukunft sein würde.
Heute ist aber klar, dass das Rollenmodell jüngerer Zahnärztinnen und Zahnärzte genau diese Vollzeittätigkeit nicht mehr unbedingt vorsieht. Das heißt für die Zukunft, dass nicht weniger
Zahnärzte gebraucht werden, sondern mindestens genauso viele. Es gibt gesellschaftliche Veränderungen, denen muss Rechnung getragen werden. Da muss einfach neu gedacht werden.
DFZ: Konkret heißt das: Mehr Geld ins System?
Luthardt: Ja, sonst geht es nicht. Wenn man eine Veränderung
im Sinne einer Verbesserung der Ausbildungsqualität und ein
anderes Ausbildungskonzept haben will, dann erfordert dies
Ressourcen – und diese Ressourcen sind finanzieller Natur. Es
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muss mehr Geld ins System fließen, wenn es nicht an anderer
Stelle, wie dies angedacht war, eingespart werden kann. Und da
wird die Sache dann schwierig, denn es sind die Länder, die das
Geld geben müssten. Die Interessen sind aber – vorsichtig formuliert – sehr abweichend.
DFZ: Das heißt, dass eine neue AOZ kurz vor dem Zieleinlauf nun
doch noch scheitern könnte?
Luthardt: Politisch kann ich das nicht bewerten. Letztlich muss
der Bundesrat der neuen AOZ zustimmen, damit die AOZ in
Kraft treten kann. Es ist nur so, dass die Bereitschaft der Länder, Geld für den Studiengang Zahnmedizin in die Hand zu
nehmen, höchst unterschiedlich ist. Es gibt Bundesländer wie
Bremen oder Brandenburg, in denen es keine zahnmedizinische
Fakultät gibt und andere Länder wie Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, die vier oder fünf Universitäten
mit einem Studiengang Zahnmedizin haben. Da muss ein Konsens gefunden werden.
DFZ: Es geht also um dasselbe Problem wie vor zehn Jahren: um Finanzierung und nicht die Inhalte?
Luthardt: Es ist noch schlimmer. Die Diskussionen gehen nicht
nur zehn Jahre zurück, sondern darüber wird schon seit mehreren Jahrzehnten gesprochen – mindestens seit den 1990er Jahren steht das immer wieder auf der Agenda. Hinter den Kulissen ist viel über finanzielle Ressourcen diskutiert worden. Es
ging und geht vor allem um einen besseren Betreuungsschlüssel
für Zahnmediziner in den klinischen Semestern. Das hat nichts
mit Luxusbehandlung für Zahnmedizinstudenten zu tun, sondern damit, dass diese dann gleich behandelt würden wie Studierende der Humanmedizin.
DFZ: Gibt es eine Lösung?
Luthardt: Es ist eine grundsätzliche Entscheidung: Wenn die Bereitschaft besteht, eine innovative Hochschulordnung zu installieren, muss mehr Geld dafür fließen. Alles andere ist nichts
Halbes und nichts Ganzes. Wir als Hochschulen möchten natürlich den Fortschritt, aber nicht unter dem Motto: Lasst euch
etwas Cleveres einfallen, um mit weniger Geld besser zu werden. Das funktioniert nicht. Wenn wir den Quantensprung wollen, dann muss der finanziell unterfüttert sein.
DFZ: Es gibt die Befürchtung, dass bei einem gemeinsamen vorklinischen Studium von Zahn- und Humanmedizinern die Zahnmedizin nur als „Umgehung“ zur Humanmedizin genutzt wird, weil der
Numerus clausus geringer ist. Lässt sich das verhindern?
Luthardt: Das ist nur noch ein Grund mehr, nicht weniger Studierende zum Zahnmedizinstudium zuzulassen. Es wird nicht
zu vermeiden sein, dass mit einem gemeinsamen Grundstudium die Wechselbereitschaft der Studierenden zunimmt. Damit
muss man leben, wenn man Studium und Prüfungen angleicht.
Man könnte sagen, das ist der Preis der Modernisierung des Studiums. Dieses gemeinsame vorklinische Studium ist ein Baustein der neuen Approbationsordnung, weil man erkannt hat,
dass auch ein Zahnarzt gute Kenntnisse der allgemeinen Medizin haben muss.
DFZ: Aus der Zahnärzteschaft gibt es Kritik daran, dass für Zahnmedizinstudenten ein verpflichtendes Krankenpflegepraktikum eingeführt werden soll. Gibt es für angehende Zahnärzte nicht sinnvollere Betätigungen?
© Christin Klose / dpa Themendie
DFZ: Bessere Ausbildungsqualität und Kostenneutralität sind also
die Quadratur des Kreises?
Luthardt: Ja, klar. Bessere Betreuung – in einer Eins-zu-drei-Relation verursacht höhere Personalkosten, wenn die Lehre unter
klinischen Bedingungen in ihrer Stundenzahl erhalten bleiben
soll. Es ist nicht zu erwarten, dass die Studierenden um so viel
in der Behandlung schneller werden, wie sich ihre Betreuung
verbessert. Es gibt Rationalisierungspotenzial, aber das hat seine Grenzen. Jeder braucht seine Zeit, um zu lernen. Da kann
man fünf Assistenten daneben stellen, und der Student wird
nicht schneller, um das mal salopp zu sagen. Auch die Veränderung der Lehre hin zu mehr Interdisziplinarität wird höhere
Personalkosten verursachen. Personalkosten sind die entscheidende Variable.
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Luthardt: Es ist die Frage: Was ist sinnvoll? Eine alternde Bevölkerung stellt uns vor neue Herausforderungen – Zahnmediziner wie Humanmediziner. Die Idee ist es, mehr klinische Medizin ins Studium zu bringen. Was liegt dann näher, als die angehenden Zahnärzte und Ärzte gleichermaßen mit dem stationären Betrieb zu konfrontieren. Meiner Ansicht nach ist die
entscheidende Frage, wie man so ein Praktikum ausgestaltet.
Niemand hat etwas davon, wenn der Student vier Wochen lang
Spinde putzt. Die Studierenden müssen mit den Ärzten mitlaufen und betreut werden, damit sie was vom Patienten mitkriegen. Es muss ausgewählt sein, welche Einrichtungen überhaupt
für solche Praktika in Frage kommen, welche Qualifikation die
Ausbildungsstätte mitbringen muss, und das muss auch evaluiert werden. Wenn dieses Paket sauber geschnürt ist, dann halte ich ein Krankenpflegepraktikum vor dem Gesamtkontext für
sehr sinnvoll.
DFZ: Der FVDZ sieht vor allem die Reduktion der zahntechnischen
Inhalte im Studium kritisch. Wie ist Ihre Haltung dazu: Sollte ein
Zahnarzt selbst in die Lage versetzt werden, Zahnersatz herzustellen, um die Qualität tatsächlich bewerten zu können?
Luthardt: Ich weiß, dass in dieser Frage die Wogen hochschlagen. Fangen wir mal vorn an: Zahnärzte müssen vor allem in
der Lage sein, Zahnersatz vollumfänglich zu bewerten – technisch, werkstoffkundlich, klinisch. Dies gilt sowohl in der Frage der Eingliederung von Zahnersatz als auch dann, wenn es
um die Reparatur oder den Austausch von getragenem Zahnersatz geht. Das sind die klinischen Fragestellungen und weniger
die der handwerklichen Anfertigung. Diese zahnärztliche Leistung setzt allerdings breite Kenntnis zum Zahnersatz und auch
zur Werkstoffkunde voraus, daran ändert sich nichts. Die Prothetik hat sich zudem in den vergangenen Jahren extrem weiterentwickelt, beispielsweise im Bereich der computergestützten
Verfahren. Warum sich Zahnmedizinstudierende primär darauf kaprizieren sollen, die handwerklichen Fähigkeiten von
Zahntechnikern kopieren zu wollen, verstehe ich nicht. Die
zahnärztliche Qualifikation in klinischen Fragestellung wird
aufgrund der unterschiedlichen Ausbildung immer höher sein
als die eines Zahntechnikers, bei dem es primär um die Anfertigung von Zahnersatz geht. Zahnärzte treffen klinische Entscheidungen. Und wer diese Qualifikation hat, kann natürlich
auch ein Praxislabor führen – darum geht es im Kern! Vor diesem Hintergrund besitzen Zahnärzte eindeutig die erforderlichen Kenntnisse, um ein Praxislabor eigenverantwortlich zu
führen. Deshalb sehe ich die Frage entspannt.
DFZ: Dem Vernehmen nach gibt es noch einigen Änderungsbedarf
an der neuen Approbationsordnung, die eigentlich Ende März den
Bundesrat passieren sollte, so dass der politische Zeitplan nicht
mehr eingehalten werden kann. Wie ist Ihre Einschätzung: Kommt
die neue AOZ noch in dieser Legislaturperiode – oder muss es doch
noch Streiks an den Unis geben?
Luthardt: Zu den politischen Prozessen kann ich nichts sagen
und auch zu Streikplänen nicht. Die Sache ist eine Bund-Länder-Abstimmung mit der Fragestellung: Wer gibt das Geld? Das
kann so weit gehen, dass der Bund Geld zuschießt bis zum
Worst-Case-Szenario, dass keine Seite finanzielle Mittel locker
macht. Politisch einschätzen kann und will ich das an dieser
Stelle nicht.
Interview: Sabine Schmitt
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Auch die Studentenschaft fordert Korrekturen an der neuen AOZ
Ja, aber nicht so!
Die Approbationsordnung für Zahnärzte (AOZ) ist in der Studentenschaft naturgemäß ein großes Thema. Deshalb haben sich die Studierenden auch zum Referentenentwurf für eine neue
AOZ positioniert: In den Grundzügen gut, aber es gibt ein paar wesentliche Mängel, lautet das
Fazit des zahnmedizinischen Nachwuchses.
Das Thema Approbationsordnung stand auf der jüngsten Bundesfachschaftstagung in Freiburg im Mittelpunkt. Die Fachschaftsvertreter diskutierten intensiv über die geplante Modernisierung der Studieninhalte, die das Bundesgesundheitsministerium Ende 2016 bekannt gegeben hatte. Der Meinungsaustausch war Grundlage einer Stellungnahme, die der
Bundesverband der Zahnmedizinstudenten in Deutschland
(BdZM) veröffentlichte. Darin begrüßen die Studenten grundsätzlich eine Neuregelung der zahnmedizinischen Ausbildung.
Vor allem „die vorgesehene Einbindung der präventiven Zahnmedizin, die vertiefte Ausbildung der Allgemeinerkrankungen,
die Stärkung der wissenschaftlichen Kompetenz und die angestrebten neuen Lehrkonzepte im Sinne von problemorientierten
Seminaren“ ernten Lob. Als weitere zwingend notwendige Veränderungen nennt der BdZM die Verbesserung der Betreuungsrelation sowie die Einbindung neuer integrierter Lehrkonzepte
zur interdisziplinären Ausbildung.
Zu wenig zahnmedizinische Praxis
Aber es gibt auch Kritikpunkte, die nach Ansicht der Studentenvertreter daran zweifeln lassen, ob das Studium mit der neuen AOZ tatsächlich verbessert würde. Eine Kritik bezieht sich
auf den Plan, die Zahn- und Humanmedizin in den ersten Semestern zusammenzuführen. Zwar finden die Zahnmedizinstudenten eine vertiefte Ausbildung von allgemeinmedizinischen Fächern gut und wichtig. Aber ein einheitliches Grundstudium, wie es jetzt vorgesehen sei, vernachlässige zahnmedizinische Inhalte. „Wenn wir die ersten vier Semester mit den
Medizinern zusammen lernen und während dieser Zeit nur zwei
dreiwöchige zahnmedizinische Praktika machen, dann ist das
einfach zu wenig“, erklärt der neue BdZM-Vorsitzende Maximilian Voß. Denn die zahnmedizinisch-praktische Ausbildung
sei weiterhin essentieller Bestandteil des Zahnmedizinstudiums.
Daher fordert die Studentenschaft praktische Kurse von Beginn
des Studiums an, und zwar regelmäßig und nicht als einmaliger
Statement von Jan-Philipp Schmidt, Vorsitzender des Bundesverbandes der zahnmedizinischen Alumni (BdZA)
„Geschlossenes Auftreten der Studentenschaft hat beim Bundesministerium großen Eindruck hinterlassen“
„Es wurde auch wirklich Zeit: Mehr als 60 Jahre hat es gedauert, bis nun endlich eine neue Approbationsordnung für die Zahnmedizin in Kraft tritt – hiervon begleite ich das Thema bereits 15 Jahre persönlich, auch in einigen Sitzungen als Vertreter der Studierenden beim medizinischen Fakultätentag.
Auch wenn im Hinblick auf die neuen Betreuungsrelationen und die steigenden Kosten für die Universitätszahnkliniken noch nicht alle Hochschullehrer mit den Details zufrieden sind, kann man die grundsätzliche Ausrichtung der neuen AOZ nur begrüßen. Insbesondere für die interdisziplinäre
Zusammenarbeit zwischen Medizin und Zahnmedizin stellt der fertige Entwurf einen wichtigen Meilenstein dar. Das klare Bekenntnis zum universitären Staatsexamensstudium ist ebenso wichtig wie die Ausrichtung auf
evidenzbasierte Lehrinhalte.
Persönlich freue ich mich am meisten darüber, dass die praktische Ausbildung auch um Aspekte der zahnärztlichen Gesprächsführung ergänzt
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wird – für die klinischen Semester werden Theorie und Praxis offensichtlich
gleichermaßen gestärkt.
Meine einzige Sorge ist es, dass durch die Gleichschaltung der ersten vier
Semester noch mehr Bewerber über einen zahnmedizinischen Studienplatz
in die Medizin wechseln wollen, die dort nicht initial untergekommen sind.
Wir können also nur hoffen, dass die Universitäten durch geeignete Aufnahmegespräche die engagierten Zahnmediziner von morgen erkennen
werden.
Wünschenswert ist außerdem, dass die guten Inhalte der Approbationsordnung zur fachlichen Zusammenarbeit nicht im täglichen Klinikalltag untergehen oder durch Abteilungskonkurrenz verwässert werden.
Wir gratulieren an dieser Stelle unserem Schwesterverband BdZM zu diesem grandiosen Erfolg – das geschlossene Auftreten der Studentenschaft
hat großen Eindruck beim Bundesministerium hinterlassen!“
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Crashkurs. Wie das konkret aussehen kann, dafür machen die
Zahnärzte von morgen verschiedene Vorschläge. Möglich seien
beispielsweise aufeinander aufbauende Module die in den Semestern eins bis sechs geprüft werden statt wie bisher geplant
nach den ersten vier Semestern. Und wenn diese Modulprüfungen dann noch deutschlandweit standardisiert wären, eröffne
das den Studenten die Möglichkeit, auf Wunsch den Standort
zu wechseln.
Eine Alternative aus Sicht des BdZM: In der Vorklinik rund
80 Prozent der Kurse mit den Medizinern zu absolvieren und
die restlichen 20 Prozent vom ersten Semester an für die praktische Ausbildung und die Vermittlung von spezifisch zahnärztlichem Wissen zu nutzen. Die Prüfung könne dann an die Medizinerprüfung angelehnt, aber dennoch speziell für Zahnmedizinstudenten sein.
Heute Zahnmedizin, morgen Humanmedizin
So wie die Standespolitik auch, sehen die Studenten in dem gemeinsamen vorklinischen Studium die Gefahr zu häufiger
Wechsel. „Bis zum vierten Semester kann ich dann zwischen
Human- und Zahnmedizin hin- und herspringen“, kritisiert
Voß. Wegen des unterschiedlichen Numerus clausus sei die
Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass das Zahnmedizinstudium als Zugang zum Medizinstudium missbraucht werde. „Es
kann nicht sein, dass man über das eine Studium in das andere
hineinrutscht und dann irgendwann zu wenig Zahnärzte ausgebildet werden“, sagt der BdZM-Vorsitzende.
Darüber hinaus stellen die Studentenvertreter den Sinn eines Krankenpflegepraktikums im Zahnmedizinstudium in
Frage. Diese wenig berufsrelevante Pflichtaufgabe sieht der Referentenentwurf nämlich auch vor. Die Studenten halten ein
Praktikum in einem zahntechnischen Betrieb für wesentlich
sinnvoller.
Auch die Themen Erste Hilfe und Notfallmedizin haben laut
BdZM bislang viel zu wenig Gewicht und sollten stärker in den
Fokus rücken.
Kürzungen sind inakzeptabel
Die Ankündigung des BMG, die Reform der AOZ kostenneutral umzusetzen, hält auch der zahnmedizinische Nachwuchs
für absurd und unangemessen, weil die Problematik unausweichlich auf die Universitäten zu Lasten der Studierenden verlagert werde. „Wir könnten nicht akzeptieren, wenn Unterrichtsstunden gestrichen würden“, betont Voß. Es sei selbstverständlich, dass die Erhöhung der Betreuungsrelation nicht mit
Kürzungen der Behandlungszeiten einhergehe. Stattdessen seien zusätzliches klinisches Personal und Gelder notwendig.
Trotz der Kritikpunkte hält der BdZM daran fest, dass eine
neue Approbationsordnung noch in dieser Legislaturperiode
verabschiedet werden soll. „Wir hatten direkten Kontakt zum
BMG und unsere Bedenken geäußert. Nun hoffen wir, dass der
Entwurf in unserem Sinn verändert wird“, sagt Voß. „Wir werden uns überraschen lassen müssen.“
Melanie Fügner
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