> Schweizer Klimapolitik auf einen Blick Kurzfassung des klimapolitischen Berichts 2009 der Schweiz an das UNO-Klimasekretariat 2 > Schweizer Klimapolitik auf einen Blick > Inhalt Vorwort 3 Einleitung und nationales Umfeld 4 Entwicklung der Treibhausgasemissionen 7 Politiken und Massnahmen mit Wirkungen auf Treibhausgasemissionen 9 Prognosen und Gesamtwirkung der Massnahmen 11 Auswirkungen des Klimawandels, Verletzlichkeit und Anpassung 13 Finanzielle Beiträge und Technologietransfer 15 Forschung und systematische Beobachtung 17 Bildung und Öffentlichkeitsarbeit 19 Impressum Herausgeber Bundesamt für Umwelt (BAFU) Das BAFU ist ein Amt des Eidg. Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK). Redaktion Regine Röthlisberger, Mike Weibel (BAFU) Illustrationen und Satz anamorph.ch: Marcel Schneeberger (AD), Aurel Märki, Patrik Ferrarelli Sprachliche Bearbeitung Jacqueline Dougoud (Originaltext in deutscher Sprache) Zitierung BAFU (Hrsg.) 2010: Schweizer Klimapolitik auf einen Blick. Kurzfassung des klimapolitischen Berichts 2009 der Schweiz an das UNO-Klimasekretariat. Bundesamt für Umwelt. Bern. 19 S. Bezug der gedruckten Fassung und PDF-Download BBL, Vertrieb Bundespublikationen, CH-3003 Bern Tel. +41 (0)31 325 50 50, Fax +41 (0)31 325 50 58 Bestellnummer: 810.400.043d www.umwelt-schweiz.ch/ud-1017-d Diese Publikation ist auch in französischer, italienischer und englischer Sprache erhältlich. Download weiterführender Bericht Switzerland’s Fifth National Communication under the UNFCCC: www.umwelt-schweiz.ch/ud-1014-e © BAFU 2010 05.10 6000 860241665 3 > Schweizer Klimapolitik auf einen Blick > Vorwort Die Schweiz ist klimapolitisch auf gutem Weg, wie der vorliegende Schweizer Klimabericht an die UNO zeigt. Die Treibhausgasemissionen sind seit 1990 insgesamt leicht zurückgegangen, pro Kopf sogar deutlich. Gemäss den vorliegenden Szenarien kann die Schweiz die Verpflichtungen knapp erfüllen, die sie im Kyoto-Protokoll eingegangen ist, nämlich ihre Emissionen im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 um 8 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Die Wissenschaft weist eindringlich darauf hin, dass die Emissionen der Industrieländer in diesem Jahrzehnt deutlich sinken müssen, um einen gefährlichen Klimawandel abzuwenden. Deshalb hat die Schweiz auch frühzeitig Regelungen entworfen, wie sie nach 2012 klimapolitisch weiterfahren will. Sie setzt dabei grosse Hoffnungen auf das Gebäudeprogramm. Mit jährlich maximal 200 Millionen Franken aus der CO2 -Abgabe unterstützt der Bund die energetische Sanierung von Gebäuden, die zu viel Energie – und damit fast immer auch Kohlendioxid (CO2) – verpuffen. Angelegt auf 10 Jahre, soll das 2010 gestartete Programm im Jahr 2020 mehr als 2 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Damit könnte man im Auto 330 000-mal den Globus umrunden. Mit allen im revidierten CO2 -Gesetz vorgesehenen Massnahmen kann die Schweiz ihre Emissionen im Jahr 2020 um 20 bis 30 Prozent vermindern. Diese Politik ist eine lohnende Investition in die Zukunft. Unterlassen wir es, den Klimawandel heute sowohl mit Emissionsminderungen wie auch mit vorsorglichen Anpassungsmassnahmen anzugehen, werden nachfolgende Generationen einen umso höheren Preis bezahlen müssen. In der internationalen Klimapolitik hat die Konferenz von Kopenhagen 2009 die Erwartungen nicht erfüllt. Zwar bekennt sich die Staatengemeinschaft in der Abschlussvereinbarung zum Ziel, die Erderwärmung auf 2 Grad Celsius zu beschränken, doch ist es nicht gelungen, eine neue internationale Klimaarchitektur mit nationalen Emissionszielen für alle Industrie- und Schwellenländer zu schaffen. Für die nationale Klimapolitik ergeben sich aus der Kopenhagen-Konferenz und dem zukünftigen internationalen Verhandlungsprozess keine Änderungen. Die Schweiz wird, wie die EU, auf jeden Fall ihre Emissionen um 20 Prozent, und falls zu einem späteren Zeitpunkt andere Industrie- und Schwellenländer namhafte Bemühungen zur Begrenzung ihrer Emissionen unternehmen, um 30 Prozent senken. Im Jahr 2014 wird der nächste Klimabericht an die UNO fällig. Dann wird definitiv feststehen, ob die Schweizer Klimapolitik die Kyoto-Ziele wirklich erreicht hat. Bruno Oberle Direktor Bundesamt für Umwelt (BAFU) 4 > Schweizer Klimapolitik auf einen Blick Einleitung und nationales Umfeld > Die Schweiz ist gewachsen Diese Publikation ist die Kurzfassung eines umfangreichen Berichts (Switzerland’s Fifth National Communication under the UNFCCC), den die Schweiz Ende 2009 im Rahmen ihrer Verpflichtungen beim UNO-Klimasekretariat eingereicht hat. Der Bericht gibt einen Überblick über die nationale Umsetzung der Auflagen aus der UNO-Klimakonvention und dem Kyoto-Protokoll. Er fokussiert auf die Jahre 2005 bis 2009, bezieht aber auch die Entwicklung seit 1990, dem Referenzjahr für das Protokoll von Kyoto, mit ein. Darin haben die Industriestaaten erstmals konkrete Reduktionsziele für Treibhausgase vereinbart. Einen Teil dieser Einsparungen dürfen die Industriestaaten im Ausland bewirken, indem sie Klimaschutzprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern finanzieren. Für die Schweiz lautet das Ziel, im Jahr 2010 (bzw. im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012) 8 % weniger Treibhausgase zu verursachen als 1990. Die vorliegende Broschüre kann nur einen geringen Teil der Informationsfülle des Hauptberichts wiedergeben, sowohl in der Tiefe wie in der Breite. Sie richtet sich an ein Publikum, das sich mit den wesentlichen Entwicklungen der Schweizer Klimapolitik vertraut machen will, ohne dafür viel Zeit aufzuwenden. Wer sich detaillierter informieren möchte, folge bitte den Seitenhinweisen (XY) auf den englischen Hauptbericht (Bezug siehe Impressum). Für die Treibhausgasemissionen und die Klimapolitik sind eine Anzahl von äusseren Bedingungen wichtig. Sie haben direkt oder indirekt Einfluss auf den Ausstoss von Treibhausgasen wie auch auf die Politik. So kann beispielsweise das direktdemokratische, föderalistische politische System der Schweiz eine effiziente Energie- und Klimapolitik verzögern – wenn etwa gegen Gesetzesänderungen das Referendum ergriffen wird oder sich die Kantone untereinander abspre- chen müssen. Hätte die Schweiz eigene Kohlevorkommen oder Ölfelder, sähen ihre Energiepolitik und Emissionsbilanz bestimmt ganz anders aus. Die Rahmenbedingungen in der Schweiz hinterlassen aber auch Spuren in ausländischen Treibhausgasbilanzen. Ist in der Schweiz das Benzin billiger als im benachbarten Ausland, wird dort weniger Treibstoff umgesetzt. Steigen die Arbeitskosten hier aufgrund eines ausgetrockneten Arbeitsmarktes an, kann dies einerseits zur Abwanderung von Industriebetrieben führen, andererseits zu einer Zuwanderung von Arbeitskräften – die ihrerseits wiederum Emissionen produzieren. Nachfolgend sind die wichtigsten Faktoren und ihre Veränderungen in der Berichtsperiode aufgeführt: > Bevölkerung – 7,7 Millionen betrug die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz Ende 2008. Seit 1990 ist die Bevölkerung um über 13 % gewachsen, was auf die Zuwanderung und die höhere Lebenserwartung zurückzuführen ist. Die Anzahl der Haushalte wächst stärker als die Bevölkerung, weil gleichzeitig eine Tendenz zu kleineren Haushalten zu beobachten ist. Demnach stieg die Wohnfläche pro Kopf und damit ebenso die beheizte Fläche insgesamt um 30 % seit 1990. (34) > Immobilien – Die Eigentümerrate der Schweiz ist im europäischen Vergleich tief. 35 % der ständigen Wohnbevölkerung leben in den eigenen Wohnräumen, die Mehrheit dagegen sind Mieterinnen und Mieter. Dieser Umstand erschwert die energetische Sanierung von Gebäuden, weil bei Mietwohnungen der Eigentümer davon kaum profitiert. Die gesamte beheizte Gebäudefläche wird zu zwei Dritteln fürs Wohnen genutzt, zu 20 % für Dienstleistungen und zu 10 % für die Industrie. (35) Heinz Gutscher, Professor für Sozialpsychologie, Universität Zürich «Den meisten von uns ist es nicht möglich, hinter dem täglichen Wetter ein eindeutiges Klimasignal zu erkennen. Der Klimawandel wirkt sich weit weg aus, trifft uns nicht oder wird gar positiv bewertet. Wer das Verhalten der Menschen ändern will, kann daher nicht auf die Angst setzen. Vielmehr gilt es, sekundäre Gewinne eines klimafreundlichen Lebensstils hervorzuheben – etwa den Reiz von Ferien in einem unvertrauten Landesteil statt stressiger Flüge an übervölkerte Badestrände.» 5 > Schweizer Klimapolitik auf einen Blick Gesamtenergieverbrauch in der Schweiz von 1910 bis 2008 nach Energieträgern in Terajoule (TJ) 1 000 000 900 000 800 000 Übrige erneuerbare Energien 700 000 Abfälle 600 000 Fernwärme 500 000 Holz 400 000 Kohle 300 000 Gas 200 000 Elektrizität 100 000 Treibstoffe 0 1910 Erdölbrennstoffe 1918 1926 1934 1942 1950 1958 1966 > Wirtschaft – Nach einer Stagnation in den frühen 1990erJahren hat das reale Pro-Kopf-Einkommen wieder zugenommen. Pro Kopf wurden 2007 über 67 000 Franken erwirtschaftet. Der Dienstleistungssektor beschäftigt über 70 % der Arbeitskräfte und steuert rund 70 % zum Bruttoinlandprodukt bei. Hingegen sind seine Treibhausgasemissionen im Vergleich zur produzierenden Industrie gering. Der Aussenhandel, insbesondere mit der EU, spielt eine tragende Rolle. (40) > Energie – Der Energieverbrauch nimmt insgesamt zu, ist jedoch stark von den Wintertemperaturen abhängig. Die wichtigsten Energieträger sind Öl (55 %), Elektrizität (24 %) und Gas (12 %). Wasserkraftwerke (56 %) und Kernkraftwerke (39 %) haben den grössten Anteil an der Stromproduktion. Seit 2005 wächst der Wohlstand stärker als der Energieverbrauch. Allerdings wurde seit Beginn der 1990erJahre die energieintensive Produktion vieler Güter ins Ausland verlagert. Obschon diese Güter weiterhin konsumiert werden, fällt die Herstellungsenergie nicht mehr in der Schweiz an. (43) > Verkehr – Der Verkehr nimmt ungebrochen zu, insbesondere der Freizeitverkehr im Auto. Die tägliche Verkehrsleistung pro Kopf beträgt gegen 40 Kilometer (Strasse und Schiene, ohne Flüge). Der öffentliche Verkehr bewältigt rund 20 % der gefahrenen Kilometer im Personenverkehr und hat in den letzten Jahren wieder Marktanteile gewonnen. 40 % der Güter werden auf der Schiene transportiert. Der Flugverkehr nahm im Vergleich zu 1990 um 85 % zu. (48) > Industrie – Der Dienstleistungssektor wächst schneller als die produzierende Industrie. Beide Sektoren konnten ihre Treibhausgasintensität reduzieren. (50) 1974 1982 1990 1998 2006 > Landwirtschaft – Über ein Drittel der Landesfläche wird landwirtschaftlich genutzt, ein grosser Teil davon als Grasund Weidefläche zur Milch- und Fleischproduktion. In Schweizer Ställen stehen etwa 1,6 Millionen Rinder. (52) > Forstwirtschaft – Ein Drittel der Landesfläche ist bewaldet. Die Waldfläche nimmt seit 1990 – mit sturmbedingten Einbrüchen – zu. Die Zunahme ist vor allem im Alpenraum zu beobachten, wo die Holzernte aufwendiger und teurer ist als im Mittelland. (52) > Abfall – Die Hälfte der gesamten Abfallmenge wird rezykliert, der Rest wird verbrannt. Die Gesamttonnage hat seit 1990 um 34 % zugenommen, pro Kopf um 19 %. (53) 6 > Schweizer Klimapolitik auf einen Blick Treibhausgasinventar > Emissionen geringfügig gesenkt Die Schweiz erfasst im Treibhausgasinventar jährlich den Ausstoss der wichtigen Klimagase Kohlendioxid (CO2), Methan, Lachgas sowie ausgewählter synthetischer Gase. Die Mengen werden in CO2-Äquivalenten (CO2eq) ausgedrückt; damit wird die unterschiedliche Klimawirkung der Gase berücksichtigt. Mit einem Anteil von 85 % übten die CO2-Emissionen im Jahr 2007 in der Schweiz den weitaus grössten Einfluss aus. Der gesamte Treibhausgasausstoss der Schweiz hat sich seit 1990 nur geringfügig verändert. (65) Immerhin lagen die Emissionen 2007 trotz des Bevölkerungswachstums von 13 % um 2,7 % tiefer als 1990. Weil das Heizen von Gebäuden 30 % des Totals verursacht, spielen die Temperaturen in der Heizperiode eine wichtige Rolle. Der milde Winter 2006/07 trug daher viel zum tiefen Wert des Jahres 2007 bei. Der Privat- und Güterverkehr (65) emittierte 2007 über ein Zehntel mehr Emissionen als 1990, was im Widerspruch zu den klimapolitischen Zielen der Schweiz steht. Ursache der Zunahme ist das massive Verkehrswachstum, das Effizienzgewinne durch sparsamere Antriebe und bessere Auslastung deutlich überlagert. (48) Noch stärker nahmen die Treibhausgasemissionen des Flugverkehrs zu – sie werden aber im Rahmen des Kyoto-Protokolls nicht berücksichtigt. Die Schweizer Industrie hat ihre Emissionen dank Effizienzsteigerung gesenkt. Die Konjunkturlage überlagert diese Einsparungen jedoch weitgehend. (50) In dieser Rubrik sind die Emissionen aus der Energiegewinnung abgebildet – wenn beispielsweise Öl verbrannt wird, um Wärme zu gewinnen für die Glasherstellung oder den Gemüseanbau in Treibhäusern. Unter den Industriellen Prozessen (65) sind dagegen diejenigen Treibhausgasemissionen erfasst, die nicht energetisch verursacht sind, insbesondere das CO2, das bei der Zementherstellung freigesetzt wird. Die geringfügigen Emissionen aus Lösungsmitteln (65) konnten dank der Luftreinhalte-Verordnung und der Lenkungsabgabe auf flüchtige organische Verbindungen (VOC) um 50 % gesenkt werden. Die Landwirtschaft steuert in der Schweiz gut 10 % der Treibhausgase bei. (60) Ein grosser Anteil ist auf die verbreitete Rindviehwirtschaft zurückzuführen, denn Rinder stossen bei der Verdauung Methan aus, ein Treibhausgas, das 21-mal klimawirksamer ist als CO2. Zu den übrigen Emissionen zählt vorwiegend Lachgas, das beim Düngen von Böden entweicht. Die Abfallwirtschaft hat ihre (Methan-) Emissionen aus Kehrichtdeponien seit 1990 deutlich reduziert. Seit 2003 ist die Abnahme gering, da keine brennbaren Abfälle mehr deponiert werden dürfen. (69) Aktualisierte Informationen: www.umwelt-schweiz.ch / treibhausgase Andrea Burkhardt, Leiterin Abteilung Klima, Bundesamt für Umwelt «Pro Kopf verursachen die Schweizer mit knapp 7 Tonnen relativ wenig Treibhausgase – nur 1 Tonne mehr als der Welt-Durchschnitt. Australien und die USA bringen es auf das Dreifache, Österreich und Deutschland übertreffen uns um 50 %. Die tiefen Pro-Kopf-Emissionen rühren daher, dass es hier kaum mehr Schwerindustrie gibt und die Stromproduktion dank viel Wasser- und Kernkraft CO2-arm ist. Würden die grauen Emissionen berücksichtigt, lägen wir mit den Nachbarländern gleichauf.» 7 > Schweizer Klimapolitik auf einen Blick Entwicklung der Treibhausgasemissionen in der Schweiz nach ausgewählten Sektoren 1990 Alle Emissionen 115 % 100 % 85 % 1995 2000 2005 2006 2007 Anteil am Total / Emissionen 2007 in CO2eq 97,3 % 100 % / 51,3 Mio. t 86,5 % 29,0 % / 14,9 Mio. t Gebäude Dienstleistungen / Gewerbe 100 % 86,7 % 9,1 % / 4,7 Mio. t Privathaushalte 86,4 % CO2eq aus Energieverbrauch 19,9 % / 10,2 Mio. t Verkehr 110,7 % 31,9 % / 16,4 Mio. t Personenwagen / Motorräder 100 % 110,7 % 22,2 % / 11,4 Mio. t LKW / Busse / Lieferwagen 111,3 % Internationaler Flugverkehr 127,8 % 6,2 % / 3,2 Mio. t Erfasst, aber im Total nicht berücksichtigt 4,0 Mio. t Diverse Sektoren Industrie 100 % 97,4 % 11,4 % / 5,9 Mio. t Industrielle Prozesse 93,9 % nicht energetische CO2eq 6,0 % / 3,1 Mio. t Lösungsmittel 49,3 % Landwirtschaft 0,5 % / 0,2 Mio. t 90,6 % 10,4 % / 5,4 Mio. t Nutztierhaltung 93,7 % 4,5 % / 2,3 Mio. t Abfall 66,7 % 1,3 % / 0,7 Mio. t 8 > Schweizer Klimapolitik auf einen Blick Politische Massnahmen zur Emissionsminderung > CO2-Gesetz als Herzstück der Klimapolitik Im Kyoto-Protokoll verpflichtete sich die Schweiz, ihre Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2008 bis 2012 gegenüber 1990 um 8 % zu senken. Dabei darf sie den Kauf von Emissionszertifikaten aus ausländischen Klimaschutzprojekten wie auch die Wirkung des Waldzuwachses anrechnen. Um dieses Ziel zu erreichen, verabschiedete das Parlament 1999 das CO2-Gesetz als Herzstück der Klimapolitik. (95) Das CO2Gesetz formuliert als Reduktionsziel minus 10 % CO2 bis 2010. Die Einsparung wird mit einem Mix von Instrumenten angestrebt: > freiwillige Massnahmen von Wirtschaft und Privaten; > eine CO2-Abgabe, falls die freiwilligen Massnahmen zu wenig wirken; > Emissionshandel. Auf den 1.1.2008 führte der Bund die CO2-Abgabe auf Brennstoffe (Öl, Gas) ein und verteuerte sie damit um 3 Rappen pro Liter, ab 1.1.2010 um 9 Rp. / l. Die Erträge fliessen an Bevölkerung und Wirtschaft zurück. (97) Seit die CO2 -Abgabe eingeführt ist, können sich energieintensive Unternehmen von der Abgabe befreien lassen. Dazu müssen sie sich dem Bund gegenüber zu einer Begrenzung ihrer Emissionen verpflichten. Zuvor waren viele Unternehmen bereits freiwillige Vereinbarungen eingegangen. (96) Der Klimarappen auf Treibstoffe ist eine im Jahr 2005 von der Autobranche eingeführte «Treibstoffsteuer» von 1,5 Rp. / l. (96) Aus den Erträgen werden in der Schweiz, mehrheitlich aber im Ausland, Klimaschutzprojekte finanziert. Dank des Emissionshandels können Unternehmen ihre Emissionen flexibler handhaben. (96) Erreicht eine Firma ihr Begrenzungsziel nicht, kann sie einer anderen Emissionsrechte abkaufen. Beschränkt lassen sich auch ausländische Emissionszertifikate anrechnen. Weitere Politikfelder beeinflussen die Treibhausbilanz im Sinne der Klimapolitik: Der Aktionsplan Holz fördert eine stärkere Nutzung von einheimischem, klimaneutralem Holz als Werkstoff und Energieträger. (115) Die Energieetikette für Personenwagen schafft Transparenz am Verkaufspunkt, indem sie eine klimafreundliche Wahl erleichtert. (106) Die Gebäudevorschriften der Kantone fixieren die maximal zulässigen Energiekennwerte für Neu- und Umbauten. (101) Das Programm EnergieSchweiz fördert Massnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz sowie den Einsatz erneuerbarer Energien. (99) Die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) finanziert den Bau der neuen Eisenbahntransversale (NEAT) mit und erleichtert so die Verlagerung des Gütertransports auf die Schiene. (106) Die Landwirtschaftspolitik strebt eine ökologischere Landwirtschaft an, was die Düngerfracht verringert. (113) Die Steuerbefreiung für biogene Treibstoffe (u. a. Biogas) verbilligt die Nutzung von Fahrzeugen, die im Betrieb eine günstigere Ökobilanz aufweisen als herkömmliche. (106) Ferner leisten die Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (Regelung des Gebrauchs synthetischer Treibhausgase) und die Technische Verordnung über Abfälle (Deponieverbot für brennbare Abfälle) einen Beitrag an die Senkung der Emissionen. (111) Moritz Leuenberger, Umweltminister «Klimapolitik soll den Ausstoss klimaschädlicher Gase bremsen, aber auch die nötigen Anpassungen an die bereits eintretenden Schäden vornehmen. In der globalen Klimapolitik prallen die Interessen der reichen Industriestaaten, der Schwellen- und der Entwicklungsländer schroff aufeinander. Gerade deshalb ist es so schwierig, eine weltumspannende Einigung zu finden. Umso mehr sind wir als Land mit langjähriger humanitärer und vermittelnder Tradition gefordert.» 9 > Schweizer Klimapolitik auf einen Blick Politiken und Massnahmen mit Wirkungen auf Treibhausgasemissionen von gen m Bund n e aru it d nb n m i e e hm sch utz pro j ek t Un e ter Ver ne K l i ma gabe au f CO 2-Ab Brennst of f e Emissionshandel Ste bio uerb e ge ne frei Tre un ibs g f to ür ffe CO2-Gesetz Kl La abhängige tungs Leis erkehrsabgabe wer v Sc h im a Tr e r a p p e n ibs toff auf e nd wir tsch aftspol i t i k Aktionspla Kyoto-Protokoll ng il em io Ch ukt red nu hw eiz d or er lle V he fä isc r Ab n h c e Te b ü er En er En gie Sc z n Hol ka ns lien -V -Ri s er ord ikonun g gi e et ik et te fü rP ers one nw age n Gebäud Instrumente des CO2-Gesetzes mit Wirkung auf CO2 ften evorschri Weitere Instrumente mit Wirkung auf CO2 Kan ton e Instrumente mit Wirkung auf andere Treibhaugase 10 > Schweizer Klimapolitik auf einen Blick Perspektiven der Emissionsentwicklung und Wirkung der Klimaschutzmassnahmen > Gebäudeprogramm weckt grosse Hoffnungen Auf Bundesebene sind zwei Zeithorizonte für Emissionsziele wichtig: Für das Kyoto-Ziel der Schweiz ist der Zeitraum zwischen 2008 und 2012 massgebend, wobei vereinfachend von 2010 im Sinne eines Durchschnittswertes dieser Periode gesprochen wird. Als nächstes Etappenziel gilt das Jahr 2020. Darauf bezieht sich insbesondere das revidierte CO2-Gesetz. Im Zuge der Gesetzesvorbereitung erstellten Fachleute Studien zur Emissionsentwicklung und zur mutmasslichen Wirkung einzelner Massnahmen. (122) In der oberen Abbildung rechts folgt die schwarze Linie einem Szenario, das eine Schweiz ohne Massnahmen zur Emissionsvermeidung simuliert. Hätte die Schweiz ab 1990 gänzlich auf solche verzichtet, lägen die Emissionen im Jahr 2020 um 5 % höher als im Referenzjahr. Die rote Kurve folgt bis und mit 2007 den gemessenen Werten. Von da weg wird angenommen, dass die bis 2009 beschlossenen Massnahmen (inkl. Gebäudeprogramm) fortgeführt werden, aber keine neuen dazukommen. (123) Der Unterschied von 11 % zwischen den beiden Szenarien entspricht einer Treibhausgasmenge von fast 6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr 2020. (143) Mehr als die Hälfte davon schreiben die Prognosen den Massnahmen im Gebäudebereich zu. Unter den übrigen Massnahmen figurieren z. B. EnergieSchweiz oder die Zielvereinbarungen zur Reduktionsbegrenzung mit der Industrie. Rund 10 % tragen Inland-Massnahmen im Verkehrssektor (z. B. Schwerverkehrsabgabe) bei. Zu den Inland-Massnahmen kommen noch 2,2 Mio. t hinzu, die auf ausländische Klimaschutzprojekte zurückgehen. Sie sind mehrheitlich mit Mitteln des Klimarappens finanziert. (145) Die untere Abbildung beleuchtet die erwarteten Effekte der künftigen Klimapolitik. Sie gibt den Vorschlag des Bundesrates wieder, die Emissionen um 20 oder 30 % zu vermindern (inkl. ausländischer Emissionszertifikate). Die grüne Linie zeichnet ab 2013 – dem voraussichtlichen Inkrafttreten des revidierten CO2-Gesetzes – den Rückgang der Emissionen im Inland um gut 4 Mio. t gegenüber der (roten) Referenzentwicklung vor. (146) Auch in diesem Szenario setzt die Politik grosse Erwartungen in die CO2-Abgabe und in den Gebäudesektor mit den 2010 gestarteten Förderprogrammen: Im Jahr 2020 sollen hier 51 % der zusätzlichen Einsparungen realisiert werden. Im Verkehrssektor sind ebenfalls beträchtliche Einsparungen vorgesehen, indem die Schweiz – wie die EU – die Emissionen von Neuwagen auf 130 Gramm pro Kilometer beschränkt. 2008 lag dieser Wert bei 175 g/km. Zudem wird vorgeschlagen, 25 % der CO2 -Emissionen aus Treibstoffen mit Emissionszertifikaten zu kompensieren. (146) Als ehrgeizigere Variante diskutiert die Politik ein Reduktionsziel von insgesamt 30 %. Diese Variante sieht im Inland eine Reduktion von 18 % vor, der Rest soll mit ausländischen Zertifikaten realisiert werden. Guy Morin, Regierungspräsident Basel-Stadt «Die Regierung Basel-Stadt setzt konsequent auf das Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft. Dieser Schwerpunkt wird systematisch gepflegt und ist langfristig angelegt. Wir wollen zur Eindämmung des Klimawandels beitragen, indem wir sparsam mit fossiler Energie umgehen. Den Anteil erneuerbarer Energien bauen wir stetig aus. Unsere Hochschulen erforschen die Energie- und Ressourceneffizienz. Und wir sind für einschlägige Unternehmen ein attraktiver Wirtschaftsstandort.» 11 > Schweizer Klimapolitik auf einen Blick Prognosen und Gesamtwirkung der Massnahmen Ohne Klimapolitik würden die Emissionen im Inland steigen, mit den ergriffenen Massnahmen sinken sie. Dieses Szenario zeigt, wie sich die Emissionen ohne Klimaschutzmassnahmen entwickeln würden. +5 % Wirkungsanteile im Inland im Jahr 2020 100 % Dieses Szenario führt die bis 2009 in Kraft gesetzten Massnahmen weiter bis 2020. 1990 100 % 2000 –6% 2020 2007 2010 Mit zusätzlichen Massnahmen liegen die Inland-Emissionen um 8 % tiefer als mit den ergriffenen Massnahmen. –6% Wirkungsanteile im Inland im Jahr 2020 –14 % 1990 Die schwarze Linie beschreibt die Emissionen im Inland, wenn die Schweiz die weitergehende Variante verfolgt. –18 % Wirkung inkl. ausländischer Zertifikate – 20 % 2000 Gebäudemassnahmen 2010 2012 2020 Verkehrsmassnahmen Andere Massnahmen 12 > Schweizer Klimapolitik auf einen Blick Auswirkungen des Klimawandels und geplante Anpassungsmassnahmen > Ein Schaden kommt selten allein Wandelt sich das Klima, verändern sich in der Schweiz die Temperaturen und die Niederschläge. Veränderungen dieser beiden Grössen haben weitreichende Konsequenzen. (160) In den vergangenen 100 Jahren sind die Temperaturen in der Schweiz um rund 1,6 Grad Celsius (°C) gestiegen, in den letzten 3 Jahrzehnten rascher als zuvor. (161) Zum Vergleich: Die globale Mitteltemperatur hat nur um 0,7 °C zugenommen. Bei den Niederschlägen lässt sich bisher kein eindeutiges Bild der Veränderungen beobachten. Die Prognosen der Klimawissenschaftler sagen für die Schweiz bis zum Jahr 2050 eine mittlere Erwärmung im Winter von 1,8 °C und im Sommer von 2,7 °C voraus. Als Folge davon steigen die Null-Grad-Grenze und die Schneefallgrenze um 360 Meter. Die Gletscher werden um drei Viertel der heutigen Fläche schwinden. (162) Im Winter werden die Niederschläge im selben Zeitraum um rund 10 % zunehmen, im Sommer werden sie um rund 20 % abnehmen. (163) Prognostiziert wird auch eine Veränderung der Extremereignisse. Im Sommer werden Hitzewellen und Trockenperioden häufiger vorkommen. Im Frühling, Winter und Herbst dürfte das Hochwasserrisiko in den grossen Einzugsgebieten der Alpenflüsse in tiefen bis mittleren Lagen zunehmen. (164) Diese Veränderungen haben Folgen für vielerlei Bereiche sowohl der Umwelt wie auch der Gesellschaft. So geraten einzelne Tier- und Pflanzenarten in Bedrängnis, wenn sich ihr Lebensraum rasch verändert. Bachforellen zum Beispiel können nicht überleben, wenn das Wasser eine bestimmte Temperatur übersteigt. Einwandernde Pflanzen verdrängen einheimische, da sie besser an das veränderte Klima angepasst sind. (166) Moderat höhere Temperaturen begünstigen die Landwirtschaft; sie darf bei ausreichender Wasserverfügbarkeit auf wachsende Erträge hoffen. Gleichzeitig steigt aber ihr Wasserbedarf, womit sie in Konkurrenz zu anderen Wassernutzern tritt – etwa der Stromwirtschaft, die ihre Flusskraftwerke möglichst gewinnbringend betreiben will. Ein starker Temperaturanstieg würde hingegen zu Ertragseinbussen in der Landwirtschaft führen. (168) Dem Tourismus werden Einbussen ebenso wie Gewinne vorausgesagt: Da im Winter die Schneegrenze steigt, werden tief gelegene Kurorte Gäste verlieren, während die hoch gelegenen Destinationen zusätzliche Wintersportler gewinnen. Im Sommer kann die wiederentdeckte Sommerfrische in den Bergen neue Angebote und Kundensegmente erschliessen. (169) Schliesslich sagen die Prognosen auch gesundheitliche Folgen des Klimawandels voraus: Sommerliche Hitzewellen beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit und fordern Menschenleben, neue Krankheitserreger können sich ausbreiten. Infrastrukturen wie beispielsweise Verkehrswege in den Alpen müssen gegen neue und intensivere Naturgefahren geschützt werden. Die Versicherungswirtschaft, aber auch der Staat muss mit neuen Risiken rechnen. (170) Der Bund hat im Jahr 2009 begonnen, eine nationale Strategie zur Anpassung an den Klimawandel zu entwickeln. Diese soll ein koordiniertes Vorgehen von Bund, Kantonen, Gemeinden und Privaten ermöglichen. (171) Barbara Bär, Gemeindepräsidentin Altdorf (UR) «Steht man in Altdorf auf dem Rathausplatz, wird einem rasch bewusst, wie verwundbar diese Siedlung ist. Wenn der Bannwald wegen des Klimawandels instabil wird, bekommen wir hier ein Problem – es drohen Murgänge und Steinschlag. Schon heute investiert die Gemeinde viel Geld in die Waldpflege und bauliche Massnahmen, etwa für das Auffangbecken im Ruchtal. Politik und Volk stehen dahinter, fordern aber auch eine konsequente Umsetzung der Verlagerungspolitik beim Verkehr.» 13 > Schweizer Klimapolitik auf einen Blick Auswirkungen des Klimawandels, Verletzlichkeit und Anpassung en rk wi en ge g Date wirts chaft Wa s s e r / Wa s serw irts ch mm eln aft Ge fa h re ne nt V i ers che gs run n sa ur n ha ft T mu s W Wa s s e r k r a f t Informi Betroffene Sektoren irt sc rne ris Anpassungsmassnahmen eren / ald Fo r w st Risike ft wirtscha Land rukt Wa ou n analysieren tät Ges rsi un ive dh od eit Bi st Bauliche Infra Temperatur und Niederschläge 14 > Schweizer Klimapolitik auf einen Blick Finanzielle Ressourcen und Transfer von Technologie in Schwellen- und Entwicklungsländer > Die Schweiz ist auch international engagiert Im Schweizer Regierungssystem sind zwei Ämter verantwortlich für die Zusammenarbeit mit Schwellen- und Entwicklungsländern: > Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) ist aktiv auf dem Feld der bilateralen und multilateralen Zusammenarbeit, der Ostzusammenarbeit und der humanitären Hilfe. > Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) zeichnet für handelsrelevante Kernfragen sowie für Themen der wirtschaftlichen Entwicklung verantwortlich. Gemeinsam betreuen DEZA und SECO die internationalen Institutionen, welche die multilateralen Finanzhilfen ausrichten. (185) Klimaschutz und andere Ziele der Entwicklungszusammenarbeit lassen sich nicht immer scharf trennen. Die in der Abbildung genannten Zahlen der bilateralen Engagements beruhen daher auf Schätzungen der beiden Ämter. Dazu zählen nicht nur spezifische Klimaschutzprogramme in einzelnen Ländern, sondern auch Beiträge der humanitären Hilfe (v. a. Prävention von und Vorbereitung auf Folgen des Klimawandels) und bilaterale Projekte und Programme, die globalen Charakter haben. Weiter zeigt die Abbildung auch Beiträge an den Globalen Umweltfonds GEF (Global Environment Facility), der sich stark der Klimaproblematik annimmt. Für die Beiträge der Schweiz an multilaterale Institutionen werden keine klimarelevanten Anteile ausgewiesen, doch zählen einzelne dieser Institutionen Klimaschutzmassnahmen zu ihren wichtigen Aufgaben. Aufgeführt sind in der Illustration nur die wichtigsten multilateralen Empfänger. (189) Im Zeitraum 2005 bis 2008 hat die Schweiz insgesamt 8,5 Milliarden Franken für Entwicklungszusammenarbeit auf- gewendet, wobei ein Viertel in die multilaterale und drei Viertel in die bilaterale Hilfe gingen. (188) Ausgaben im Umfang von rund 317 Millionen Franken werden als klimarelevant betrachtet, was einem Einsatz von jährlich knapp 80 Millionen Franken entspricht. Damit werden sowohl Programme zur Emissionsminderung (Mitigation) als auch solche zur Anpassung an den Klimawandel (Adaptation) finanziert. Die Schweiz unterstützt Entwicklungs- und Schwellenländer einerseits dabei, ihre wirtschaftliche Entwicklung möglichst klimafreundlich zu gestalten, indem etwa die Nutzung von erneuerbarer, lokal verfügbarer Energie gefördert wird. Andererseits zielt eine Vielzahl von Projekten darauf hin, Betroffenen bei der Anpassung an den Klimawandel zu helfen. Denn bereits heute leiden oftmals die Ärmsten am schlimmsten unter den sich anbahnenden Veränderungen: Völker im Sahel sind mit zunehmender Trockenheit konfrontiert, Bewohner kleiner Inselstaaten bangen wegen des steigenden Meeresspiegels um ihren Heimatboden. Lenkiza Angulo, Leiterin staatliche Anpassungsprojekte, Peru «Unser Land ist dem Klimawandel stark ausgesetzt, denn es erstreckt sich in tropischen Breiten bis in die Höhe der Anden. Die Landbevölkerung ist arm. Doch sie hat gelernt, sich den harten Bedingungen anzupassen. Das von der Schweiz mitfinanzierte Projekt hilft uns, dieses Wissen im Hinblick auf den Klimawandel zu erschliessen und nutzbar zu machen. Anschliessend gilt es, die traditionelle Praxis mit moderner Wissenschaft und technischer Hilfe zu verbinden.» 15 > Schweizer Klimapolitik auf einen Blick Finanzielle Beiträge und Technologietransfer 2005 bis 2008 (in CHF) Weltbank IDA Afrikanischer Entwicklungsfonds ADF Internationale Finanzkorporation IFC Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung EBRD Asiatischer Entwicklungsfonds ADF 19 Mio. Zentralasien und Westbalkan 15 Mio. Ostasien 44 Mio. 11 Mio. Humanitäre Hilfe 26 Mio. Westafrika 21 Mio. Südasien 20 Mio. Lateinamerika Ost- und Südafrika 97 Mio. 134 Mio. Globaler Umweltfonds GEF Weitere bilaterale Finanzhilfen UNO-Entwicklungsprogramm UNDP UNOUmweltprogramm UNEP Multilaterale Zusammenarbeit Beratungsgruppe für internationale Agrarforschung CGIAR Internationaler Agrarentwicklungsfonds IFAD Bilaterale und regionale Zusammenarbeit UNO-Organisation für industrielle Entwicklung UNIDO Klimafonds der Weltbank CTF / SCT Zusätzliche finanzielle Beiträge im Rahmen der UNO-Klimakonvention 16 > Schweizer Klimapolitik auf einen Blick Beobachtung des Klimas und Klimaforschung > Das Klima besser verstehen Die Schweiz verfügt über ein dichtes Netz von Beobachtungsstationen, die teilweise seit über 100 Jahren wertvolle Daten liefern. Abgebildet sind rechts nur die wichtigsten Messstationen für Temperatur und Niederschlag. Koordiniert vom Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz, fliessen die Schweizer Daten in das globale Klimabeobachtungsprogramm GCOS (Global Climate Observing System) ein, das systematisch alle klimarelevanten Daten erfasst. (203) Die Messreihen umfassen unter anderem Temperatur, Niederschlag und Sonneneinstrahlung, aber auch Abflussmengen von Fliessgewässern oder die Ausdehnung von Gletschern. (209) Auch die Entfaltung von Blättern bestimmter Bäume gibt Aufschluss über die klimatischen Bedingungen in der Schweiz. Diese Beobachtungen bilden die Grundlage für regionale Klimaszenarien sowie für Anpassungsstrategien an den Klimawandel. Die Grundlagenforschung zum Klima ist stark verankert in der Schweizer Forschungslandschaft. An einer Vielzahl von Instituten werden im Rahmen von zahlreichen Projekten Aspekte des Klimasystems, der Entwicklung des Klimas sowie der Auswirkungen von Klimaänderungen auf Ökosysteme und auf die Gesellschaft untersucht. Der Nationale Forschungsschwerpunkt Klima (NFS Klima) konnte sich seit 2001 als Forschungsnetzwerk etablieren und hat die Zusammenarbeit von Experten aus verschiedenen Fachgebieten institutionalisiert. (199) Im Rahmen des NFS Klima werden insbesondere die Variabilität des Klimas in der Vergangenheit, seine Vorhersagbarkeit sowie die komplexen Wechselwirkungen zwischen Klima, Umwelt und Gesellschaft erforscht. Daneben untersuchen Schweizer Forscher im Rahmen des NFS NordSüd die Auswirkungen des Klimawandels in Entwicklungs- und Schwellenländern und suchen nach Wegen, die Auswirkungen zu mildern. (200) Zahlreiche Forschungsprojekte von Schweizer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sind mit internationalen Forschungs-Rahmenprogrammen verbunden.Viele Forschungsarbeiten sind integrale Bestandteile von gross angelegten, internationalen Projekten, andere liefern schweizoder alpenraumspezifische Resultate, um diese in einen überregionalen Zusammenhang zu stellen. (201) Im Bereich der angewandten Forschung laufen zahlreiche Projekte an Fachhochschulen und Bundesforschungsanstalten. Insbesondere die Ressortforschung des Bundes engagiert sich in der Energie- und Mobilitätsforschung, aber auch in der Land- und Forstwirtschaft. (207) Thomas Stocker, Professor für Klimaphysik, Universität Bern «Die Schweizer Forschung hat viel zum Bericht des Weltklimarats beigetragen. Sie umfasst Erkenntnisse auf globaler Skala – die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre ist um 29 % höher als je zuvor in den letzten 650 000 Jahren – wie auf lokaler Ebene – der Hitzesommer 2003 war ein Extremereignis weit ausserhalb der Statistik der Beobachtungsperiode. Diese Vielfalt der Schweizer Klimaforschung ist Bedingung dafür, Entscheidungen für die Zukunft auf wissenschaftlicher Basis zu fällen.» 17 > Schweizer Klimapolitik auf einen Blick Forschung und systematische Beobachtung ft cha rts i W ür haf t n f llsc e e k si Ges d Angewan it des Klimas Kl as im e i t h im ar un i Va r ia in d bilit ä er Ve t de rg an s Kl ge n hu ers agb arke c ors dte F Vo rh ng Aus Nationale Messstationen wirk ungen des Klimawand auf Ökosysteme Nationale Forschungsschwerpunkte els Beteiligung an internationalen Forschungsprogrammen und -institutionen 18 > Schweizer Klimapolitik auf einen Blick Zusammenarbeit verschiedener Akteure in Bildung und Öffentlichkeitsarbeit > Viele Stimmen im Klima-Chor Die Schweiz kann auf eine beachtliche Tradition in der Umweltkommunikation zurückblicken. Das mag bis zu einem gewissen Grad auf die Naturgefahren im alpinen Raum zurückzuführen sein. Es hat sich oft gelohnt, vorsorglich zu handeln, um den Lebensstandard zu verteidigen. Der Klimawandel kann solche Gefahren verstärken und neue Befürchtungen wecken. So hat sich die Wahrnehmung des Klimawandels als Bedrohung für Mensch und Umwelt zwischen 1994 und 2007 stark akzentuiert. Ebenso ist das Wissen um den Klimawandel gewachsen. (217) In der Bildung, der Weiterbildung und der Öffentlichkeitsarbeit rund um die Themen Klimawandel und Klimapolitik ist eine Vielzahl von Akteuren präsent. In der Schweiz werden deren Aktivitäten nicht systematisch erfasst. Von staatlicher Seite sind Bund, Kantone und Gemeinden aktiv. (218) Der Bund stellt ein umfangreiches Informationsangebot im Internet bereit (www.umwelt-schweiz.ch / klima) und gelangt über häufige Medienmitteilungen an die breite Öffentlichkeit. Die kantonalen Umweltämter koordinieren ihre Arbeiten teilweise untereinander und sind insbesondere in der Förderung von freiwilligen Baustandards (z. B. Minergie) aktiv. Städte und Gemeinden haben sich im Rahmen von Prozessen der Agenda 21 mit den lokalen Möglichkeiten eines CO2-armen Lebensstils auseinandergesetzt und tragen praktische Angebote (z. B. für umweltfreundliche Mobilität) in Form von Aktionstagen an die Bevölkerung heran. Unternehmen kommunizieren ihre Umweltziele aktiv – gegenüber Businesspartnern genauso wie im Kontakt mit Kunden. Klimaneutrale Produkte werden in verschiedenen Branchen beworben. (223) Die Klimawissenschaft hat sich an Schweizer Hochschulen einen wichtigen Stellenwert erarbeitet und tritt in verschiedenen Formen immer wieder an die Öffentlichkeit. (222) Zivilgesellschaftliche Organisationen kommunizieren intensiv mit ihren Kampagnen zum Thema Klimawandel. (224) Über 20 Organisationen haben sich zur Klimaallianz verbunden und nehmen – auch über die Öffentlichkeit – Einfluss auf die Klimapolitik. Ausstrahlung hat auch die internationale Zusammenarbeit von Schweizer Institutionen. So beteiligten sich verschiedene Organisation an den World Wide Views on Global Warming, einem globalen Bürgerforum, das im Hinblick auf die Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 aktiv geworden war. Desirée Franz, Schülerin am Gymnasium Seefeld, Thun «Wir haben uns in der Schule mit dem Thema auseinandergesetzt. Die Situation macht mich manchmal nachdenklich, oder wütend. Ich begreife nicht, dass nicht schon längst Massnahmen getroffen wurden – bringen wir doch lokale Märkte in Schwung, bauen wir erneuerbare Energien aus, senken wir die Preise im ÖV! Aber nein, alles ist zu teuer, ökonomisch nicht machbar, tut uns leid. Wieso haben Staaten immer Geld für die Armee, und der Schutz unserer Erde ist dann zu teuer?» 19 > Schweizer Klimapolitik auf einen Blick Bildung und Öffentlichkeitsarbeit Sta at sfe r str an dl sen un um du Wis gr ngs ei du ogien En t sch ng chnol nsor i e Te Spo Neu Sch iliSensib g sierun Ind ule ivi sc sen en ft Wis i on ch a ag n ta t rts Do k ume Wi ha ft E n e r g i e k am p a g n e n Akti onen Zivilgesellschaft