34 zement + beton 2_11 | Wohnen auf Zeit Haus für Senioren – Erweiterung Absam, Tirol Architektur | Architekt Vogl-Fernheim ZT-GmbH Text | Architekt Hanno Vogl-Fernheim/Katrien Vandermarliere Bilder | © Markus Bstieler Pläne | © Architekt Hanno Vogl-Fernheim 2006 entschloss sich die Gemeinde Absam das Ende der 1990er-Jahre von Architekt Hermann Kastner errichtete Haus für Senioren zu erweitern und schrieb dazu einen Architektenwettbewerb aus. Das Siegerprojekt wird hier vorgestellt. Der Jurytext vermittelt grundlegende Aussagen zum Bauen für Senioren und wird in diesem Fall dem Beitrag vorangestellt: Jurytext: Katrien Vandermarliere, Auszeichnungen des Landes Tirol für Neues Bauen 2010 Seniorenheime sind aufgrund der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft ein in Zukunft wichtiges Thema. Ein Seniorenheim zu bauen, ist aber mehr als nur eine funktionelle Aufgabe, ein gewinnbringendes Investment oder das Schaffen eines Raumangebots für teure Medizin- und Pflegedienste. Älteren Menschen ein Zuhause zu bauen isteinsozialerWert, heißt „Komfort“ anzubieten und einen Ort zu schaffen, wo zwar Krankheit und Tod allgegenwärtig sind, zugleich aber auch Geselligkeit, Freundschaft und Fürsorglichkeit Raum finden sollten. Es ist eine jener Aufgaben, bei der die Architektur die Chance hat, eine sensible Antwort zu formulieren, wobei die Architekten bei dieser Art von Aufträgen auf die enge Zusammenarbeit mit engagierten Auftraggebern angewiesen sind. Es ist offensichtlich, dass die Aufgabe zwar ziemlich komplex ist, aber einfach„funktionieren“ sollte. Der Architektur kommt unter diesen Voraussetzungen die schwierige Rolle zu, ein Gebäude zu konzipieren, das für die BewohnerInnen ein Zuhause sein sollte – in den meisten Fällen ein Ort für den letzten Lebensabschnitt. Die Erweiterung des Seniorenheimes in Absam meistert diese Aufgabe souverän. Das Z+B_ 2_11.indd 34 neue Gebäude dockt unauffällig an das Altenheim aus den 1990er-Jahren von Architekt Hermann Kastner an, indem es keine auffällige neue Materialsprache oder Typologie zeigt, sondern in Form eines Atriums, einer Terrasse und von drei neuen Flügeln den Altbestand sensibel ergänzt. Das klosterähnliche Atrium ist der lebenswerte Mittelpunkt des Gebäudes und wurde durch die breiten wie transparenten Gänge eng mit den Innenräumen verbunden. Die Kapelle im Innenhof schafft durch ihren ellipsenförmigen Grundriss einen interessanten und differenzierten Außenraum. Grundriss Obergeschoß und Erdgeschoß Zurückhaltung ist in der Architektur manchmal eine Qualität und wurde als Strategie für die Erweiterung des Seniorenheimes in Absam angewandt. Denn durch die Verwendung dezenter architektonischer Mittel werden Würde und Ruhe betont, sie spielen sich niemals zu stark in den Vordergrund oder „verdrängen“dieBewohnerInnen. Im Gegenteil: Die Architektur dient und schafft eine lebenswerte Wohnqualität. Das Haus erzeugt durch sein Konzept und die damit verbundene fantastische Sicht auf die Landschaft eine visuell beeindruckende„promenade architec­ turale“. 25.05.11 15:46 zement + beton 2_11 Z+B_ 2_11.indd 35 35 25.05.11 15:46 36 zement + beton 2_11 | Wohnen auf Zeit Das Projekt besteht aus einem aufgeständerten, zweigeschoßigen Zubau, der sich von der Mitte des Bestandsgebäudes aus L-förmig Richtung Westen und Norden entwickelt. Damit konnte ein zentraler und geschützter Innenhof geschaffen werden, dem über das nach Süden hin offene Atrium ein freier, sonniger Garten- bzw. Terrassenbereich vorgelagert ist. Der Innenhof ist klar strukturiert und fungiert mit einer Cafeteria und einem überdachten, windgeschützten Freibereich als Kommunikationsraum für Senioren und Besucher. Als zentrales und raumbildendes Element ist eine über ovalförmigem Grundriss errichtete Kapelle in den Hof gestellt. Der introvertierte Baukörper ist bewusst als Ort der Ruhe gestaltet. Im nördlichen Bereich des Innenhofes führt eine breite Therapietreppe hinauf in die Terrassenebene des Wohngeschoßes. Großzügige Gänge erschließen die 1-hüftigen Zimmertrakte des Anbaus und bilden gemeinsam mit der Erschließung des bestehenden Seniorenheims und einem gedeckten Verbindungsgang im Norden einen Rundgang. Die geräumigen und hellen Zimmer sind nach Westen bzw. Süden orientiert und mit Balkonen zum Grünraum hin erweitert. Z+B_ 2_11.indd 36 Im Gangbereich befinden sich vor jedem Zimmer Sitznischen, die – vergleichbar mit einer Sitzbank vor dem Haus – die Kommunikation der Bewohner untereinander fördern. Die Erweiterung bietet den Bewohnern unterschiedlichste Aufenthaltsbereiche an: beschattet, windgeschützt, überdacht oder frei, introvertiert oder kommunikativ im Inneren. Die Erweiterung der beiden Obergeschoße erfolgt einhüftig. Die Räumlichkeiten ermöglichen einen Ausblick in die Umgebung und die Erschließung bietet einen Einblick in das Atrium. Es werden so Möglichkeiten zu attraktiven Rundgängen innerhalb des Gebäudes geschaffen, welche ohne dauernde Aufsicht erfolgen können. Die zentrale Lage des Pflegestützpunktes ermöglicht eine größtmögliche Übersicht. Das Volumen dieser beiden Geschoße schwebt über dem Boden. Dies bewirkt eine Verschmelzung des geschützten Atriums mit dem südlichen Freibereich. Die westseitige Erweiterung in Form des winkelförmigen Gebäudetrakts, über dem Erdgeschoß auf Stützen schwebend, bildet mit der nordseitigen Querverbindung und dem Bestand einen in seiner Größe überzeugenden Innenhof. Dieser findet im Süden seine Fortsetzung in der bestehenden, nach Westen hin erweiterten, begrünten Terrasse. Die Schaffung des Aufenthaltsbereiches an der Ostseite des alten Hauses unterbricht wohltuend die lange Zimmerflucht und sorgt für einen guten Ausblick Richtung Dorf. Bauphysikalisch und technisch besonders interessant war natürlich die Lösung der außen liegenden Sichtbetonteile mit Innendämmungen. Bauphysik Die bauphysikalische Bearbeitung für das Haus der Senioren in Absam umfasste neben Schallschutz und Akustikfragen natürlich auch die thermische Begutachtung. Da die Gemeinde Klimabündnispartner ist, war es Ziel, einen guten thermischen Standard zu erreichen. Unter anderem konnte mit vertieften Amortisationsrechnungen die Effektivität von Dreischeiben-Verglasungen aufgezeigt und ihre Verwendung erreicht werden. 25.05.11 15:46 zement + beton 2_11 Außerdem wird eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und Solarkollektortechnik verwendet. Da die Verwirklichung der EU-Gebäuderichtlinie im Sinne der Erstellung von Energieausweisen 2006 noch im Entstehen war, konnte zum damaligen Zeitpunkt noch keine realistische HWB-Berechnung mit komplexen haustechnischen Anlageteilen erstellt werden. Bei der Erstellung des Energieausweises 2008 erzielte der Neubau Pflegeheim die Energieklasse A+ mit 15 KWh/m2.a. Bauphysikalisch und technisch besonders interessant war natürlich die Lösung der außen liegenden Sichtbetonteile mit Innendämmungen. Es konnten alle potenziellen Wärmebrücken nicht nur hygrisch, sondern auch energetisch optimiert im Sinne der Wohnbauförderungskriterien erstellt werden. Dies konnte bei der statisch bedingt„schwierigen“Bodenplatte durch Zinnenausbildung in Verbindung mit Edelstahlarmierung erreicht werden. Auch der preislichen Optimierung der Innendämmungen wurde besonderes Augenmerk geschenkt. Projektdaten: Autor: Bauherr: Gemeinde Absam | Architektur: Architekt Hanno Vogl-Fernheim | Statik: DI Susanna Hoffer | Baufirma: Universale Bau GmbH | Bauphysik: Mag Gottfried Mayr | Planungsbeginn: 2006 | Bauzeit: 18 Monate | Fertigstellung: 2008 DI Hanno Vogl-Fernheim www.vogl-fernheim.eu Z+B_ 2_11.indd 37 37 25.05.11 15:46