Internationales Tanzfestival Bregenzer Frühling 2008 Fr 29. Februar 2008, 20.00 Uhr Compañía María Pagés Sevilla (Österreichpremiere) Sa 12. April 2008, 20.00 Uhr Compagnie Michèle Noiret Les Arpenteurs (Österreichpremiere) Fr 2. und Sa 3. Mai 2008, 20.00 Uhr Carolyn Carlson / Electronic Shadow Double Vision (Österreichpremiere) Fr 16. und Sa 17. Mai, 20.00 Uhr Compagnie Marie Chouinard Prélude à l’après-midi d’un faune und Le Sacre du printemps Do 29. und Fr 30. Mai, 20.00 Uhr cie. toula limnaios Tosca Remix (Uraufführung) Fr 27. und Sa 28. Juni, 20.00 Uhr Theater am Kornmarkt aktionstheater ensemble „Platzen Plötzlich“ (Uraufführung) Text: Gert Jonke Alle Aufführungen mit Ausnahme des aktionstheater ensemble finden im Festspielhaus Bregenz statt. Beginn: 20.00 Uhr. Termin- und Programmänderungen vorbehalten. TANZFESTIVAL BREGENZER FRÜHLING 2008 „Der Duft der Frauen” Hochkarätige internationale Tanz-Kompanien, alle geführt von Frauen, gastieren ab 29. Februar 2008 im Rahmen des Tanzfestivals Bregenzer Frühling im Festspielhaus Bregenz und präsentieren hier ihre neuesten Produktionen. Unter der künstlerischen Leitung von Wolfgang Fetz werden 3 österreichische Erstaufführungen, die international Aufsehen erregt haben, und 2 Uraufführungen gezeigt. Die Bandbreite ist groß. Den Anfang macht „Sevilla“, das neueste Programm des „Tanzwunders“ María Pagés. Eine Liebeserklärung an ihre Heimatstadt, verfasst in der Sprache des Flamenco, die keine so beherrscht wie sie. In „Les Arpenteurs“ zaubert die Compagnie Michèle Noiret Figuren auf die Bühne, die in den Straßenschluchten einer imaginären Stadt bedrohlichen Begegnungen mit dem Triebhaften in sich selbst ausgesetzt sind. In Bewegungen und Bildern von tiefer Emotion, eingebettet in einen raffiniert verspiegelten imaginären Bühnenraum, nimmt die Grande Dame des Balletts, Carolyn Carlson, in „Double Vision“ das Publikum mit auf eine Reise an die Grenzen der Wirklichkeit. „Die wilde Frau aus Québec“, Marie Chouinard, bringt mit „Prélude à l’après-midi d’un faune“ und „Le Sacre du printemps“ ihre beiden Klassiker, mit denen sie auf der ganzen Welt Erfolge feiert, auf die Bühne des Festspielhauses. Erstmalig in der Geschichte des Bregenzer Frühling wird es eine Kooperation mit den Bregenzer Festspielen geben. Das Bühnenbild der Indoor-Version der „Tosca“ bildet den Rahmen für eine Uraufführung der besonderen Art: „Tosca Remix“ ist eine spannungsgeladene tänzerische Transformation der Puccini-Oper, in Szene gesetzt von der in Berlin ansässigen Kompanie cie. toula limnaios. Mit einer Sensation wartet das aktionstheater ensemble auf. Einer der arriviertesten Schriftsteller Österreichs, Gerd Jonke, schreibt für das aktionstheater eine Uraufführung. Ballett-Pass und Wochenende für die Sinne Für alle Tanzinteressierten bietet der Bregenzer Kunstverein wieder einen Ballett-Pass. Schnell Entschlossene erhalten beim Kauf eines Ballett-Passes bis zum 24.12.2007 eine Rabattierung von – 35%! 5 Veranstaltungen zum Preis von ab EUR 48,75! Ab 27.12.07 – 25 % Rabatt (Pass ab EUR 56,55). Damit haben Sie die einzigartige Möglichkeit, sechs ganz unterschiedliche Formen des Tanzes kennen zu lernen: meisterhafte Fusionen aus Tanz, Musik, Architektur, Video-Art und Spiritualität. Allesamt Sternstunden des zeitgenössischen Tanzes! Ein Wochenende für die Sinne: Erstmals in Kooperation mit der Luxusmarke Wolford und Bodensee-Vorarlberg Tourismus wird ein Ticketpaket (Kultur/Modepaket) angeboten: zum Preis ab EUR 159,00 pro Person. Geboten wird ein Ticket bester Kategorie für eine Aufführung des Bregenzer Frühling, ein 3-Gang-Menü im Wolford Restaurant, VIP-Shopping mit Preisvorteil und 2 Übernachtungen in einem ****Hotel in Bregenz. Zu bestellen bei: Bodensee-Vorarlberg Tourismus, T +43 5574 43443-0, [email protected], www.bodensee-vorarlberg.com Kartenvorverkauf bis zum 24.12.2007: - 35% Rabatt! Ab 27.12.2007: - 25% Rabatt. Kartenvorverkauf bei Bregenz Tourismus & Stadtmarketing, Rathausstraße 35a, 6900 Bregenz, Tel. 0043-5574/4080-0 und unter www.v-ticket.at, Email: [email protected] Detaillierte Informationen unter: www.bregenzerfruehling.at Eine Veranstaltung des Bregenzer Kunstvereins. Der Bregenzer Kunstverein dankt seinen Partnern: Landeshauptstadt Bregenz, Land Vorarlberg, Schoellerbank, Casino Bregenz, Wolford, I+R Schertler, illwerke vkw, Wiener Städtische Versicherung AG Vienna Insurance Group, Bucher, Der Standard, 29. Februar 2008, 20.00 Uhr Compañía María Pagés Sevilla Konzept und Leitung: María Pagés, José María Sánchez Leitung: José María Sánchez Choreographie: María Pagés Musik: Schostakowitsch, Sarasate, Bizet, Gardel, Modugno, Carrillo, Lebaniegos, Gallardo, Pagés, Sánchez Lichtdesign: Dominique You, José María Sánchez Setdesign: Christian Olivares Kostüme: Christian Olivares, María Pagés, José María Sánchez Uraufführung: 14. Mai 2006, Bunka-mura Orchard Hall/Tokio Maria Pagés begann ihre Karriere bei der Kompanie Antonio Gades. Dort trat sie vor allem in „Carmen“ und „Bluthochzeit“ auf. Als Solotänzerin war sie bei der Kompanie Mario Maya, bei Rafael Aguilár und beim Maria Rosa Ballett engagiert. Sie trat auch in einigen Kinofilmen auf, u.a. in Carmen, El Amor Brujo und in Flamenco, alle von Carlos Saura, und in La Belle Otero und Hemingway sowie Fiesta y Muerte von José Maria Sánchez. 1995 übernahm sie nicht nur die Choreographie für einen Teil von „Riverdance – The Show“, sondern trat darin auch auf. Mit „Riverdance“ begann ihre weltweite Karriere: City Hall/New York, Chicago, Pantages Theatre/Los Angeles, Wang Center/Boston, Toronto, Sidney, Dublin und London. Pagés kreierte die Choreographie “Ilusiones FM” für das Spanische National Ballett. 1990 gründete sie die Compania Maria Pagés. Bisher erarbeitete sie zusammen mit der Compagnia unzählige Choreographien. Die aktuellsten sind: La Tirana (1998), El Perro andaluz. Burlerias (2001), Flamenco Republic (2001), Canciones, antes de una Guerra (2004) und Sevilla (2006). Im November 2007 zeigt sie im Baryshnikov Arts Centre/New York ihre neueste Kreation: “Autorretrato”, eine Performance ihre wichtigsten Tanz-Soli. María Pagés über Sevilla Es gibt zahlreiche Arten, nach Hause zurückzukehren, per Flugzeug, im Zug, im Boot... Handelt es sich um ein imaginäres Zuhause, genügt mithin eine Reise auf den Flügeln der Sehnsucht. Als ich nach meiner langen Reise – während der ich experimentieren und die unendlichen Möglichkeiten des Flamenco ausprobieren konnte – die mit diesem neuen Stück verbundene Herausforderung annahm, verspürte ich das Bedürfnis, wieder an den Anfang meines Abenteuers zurückzukehren. Zu den Wurzeln zurückkehren, in die Kindheit zurückkehren. Sevilla, Ausgangspunkt all meiner Abenteuer, sowohl auf als auch abseits der Bühne. Als Transportmittel wählte ich den Traum... Als ich wieder zuhause war, wurde mir klar, dass Sevilla nicht bloß Sevilla ist, nicht nur die Giralda mit ihrem Giraldillo, nicht nur die sprudelnden Springbrunnen, in denen sich die ganze Kunstfertigkeit der Sevillaner Handwerker spiegelt, der Vorfahren meiner Eltern und deren Eltern. Sevilla, das ist nicht nur der glänzende Regen auf den Alleen oder die Sonne, die von ockerfarbenen Mauern reflektiert wird, nicht nur die Königlichen Gärten, die Alcazares oder der Mond, der sich auf den orientalischen Kuppeln spiegelt, nicht nur die engen Gassen, die nach den Umzügen der Heiligen Woche vom Kerzenwachs überzogen sind, nicht nur die Kanäle und Pfade durch die Olivenhaine, nicht nur diese gleißende Landschaft, die so zahlreiche Dichter, Maler und Musiker inspirierte. Nein, Sevilla ist nicht nur all das, sondern viel mehr. Es ist alles, was die Erde braucht, um den Himmel zu berühren. Sevilla ist ein Geheimnis. Preise und Auszeichnungen: 2006 Cultura Viva Award (Tanz) 2005 Flamenco Award (Beste Künstlerin und beste Kreation) 2004 Leonid Massine Award, Italien 2002 National Dance Award for best creation 1996 National Choreograph Award ADE Auftritte: New York: Symphony Space, City Center, Joyce Theatre London: Sadler’s Wells Theater Boston: Majestic Theatre Paris: Theatre National de Chaillot Rom: Teatro Olimpico, Teatro Sistina Verona: Teatro Romano Berlin: Komische Oper Köln: Kölner Philharmonie Dublin: Dublin Festival Theatre Tokyo: Bunka Mura Orchad Hall, Forum Tokyo, Teatro Hyogo Osaka: Festival Hall, NHK Osaka Singapur: Esplanada Theatre Taiwan: National Theatre Taipei Hong Kong: Cultural Center Tel Aviv: Suzanne Dellal Hall Mexiko: Guadalajara, Teatro Degollado, Teaotro Morelos, Centro Cultural Moskau: Kreml Palace, Oper Moskau Madrid: Teatro Real, Teatro Espanol, Teatro Albeniz Barcelona, Sevilla, etc. Festivals: Festival de Spoleto, Jacob’s Pillow Dance Festival, Peking Art Festival, Festival Cervantino u.a. Samstag 12. April 2008, 20.00 Uhr Compagnie Michèle Noiret Les Arpenteurs Choreografie: Michèle Noiret Musik und Komposition: François Paris Erarbeitet und getanzt von: Elena Borghese, Julie Devigne, Dominique Godderis, Matthieu Guénégou, Nicolas Hubert, Isael Mata, Lise Vachon Les Percussions de Strasbourg: Jean-Paul Bernard, Claude Ferrier, Bernard Lesage, Keiko Nakamura, François Papirer, Olaf Tzschoppe Bühne und Kostüme: Alain Lagarde Licht: Xavier Lauwers Uraufführung: Uraufführung: 2. Mai 2007 im Théâtre National/Brüssel Les Arpenteurs (Die Landvermesser) Michèle Noiret liebt knisterndes Ambiente vor dunklem Hintergrund. „Les Arpenteurs“ ist ein choreographierter Thriller, ein Film noir im Tanztheater. Die Perspektiven werden ständig verschoben. Das Bühnenbild erweckt einmal die Vorstellung einer Skyline, dann wieder einer Tiefgarage, die Szenen spielen auf der Straße, im Fahrstuhl oder in einem Wohnzimmer. Im Labyrinth dieser imaginären Stadt, sind die Figuren Noirets bedrohlichen Begegnungen ausgesetzt. Sie rennen und fliehen, sie schlagen und lieben sich, sie verlieren sich in sich selbst. In athletischen Sprints und Sprüngen durch die Gefilde des inneren Chaos wird das menschlich Triebhafte vermessen. „Les Arpenteurs“ erzählt keine Geschichte, braucht keine Protagonisten und deutlichen Handlungsstränge, sondern orientiert sich an einem Hauptmotiv, und das ist der Mangel an Erkenntnis und Klarheit über die eigene Existenz. „Les Arpenteurs“ ist ein Gemeinschaftsprojekt mit „Les Percussions de Strasbourg“, einem weltweit renommierten Musik-Ensemble, das sich der zeitgenössischen Recherche verschrieben hat. Die Musiker befinden sich auf der Bühne, bleiben aber auf Distanz zum Geschehen. Ziel des Komponisten François Paris ist es, Musik visuell erlebbar zu machen. Michèle Noiret, die Choreografin des Begehrens, der Intimität, der Einbildungskraft und des Verstörenden, hat seit dem Beginn ihrer Zusammenarbeit mit Stockhausen mit den engsten Verbindungen zwischen Klang und Gebärde experimentiert, bevor sie den Tanz befreiend zu einem Tanz-Kino verwandelte, das den Betrachter in das Innerste der choreographierten Charaktere hineinwirft. François Paris, ein Komponist mit einem breiten Repertoire von Bildern, Poesie und Technik, entwickelt eine Musik, die mit dem Timbre spielt und in der Klänge scheinbar unendlich klein in große akustische Räume geblasen werden. Er ist einer der wenigen Komponisten, die sich mit ihrer Technologie und einem ständigen Strom von Bildern mit einem Perkussionisten-Ensemble vereinigen können. In diesem Fall arbeitet er mit Les Percussions de Strasbourg, dirigiert von Jean-Paul Bernard, ein Ensemble, in dem die Instrumente so überraschend wie einzigartig und schön sind. Das Bühnenbild von Alain Lagarde suggeriert verschiedene Architekturen, deren Transformationen den Musikern und ihren Instrumenten erlauben, ebenso wie die Tänzer zu verschwinden und wieder aufzutauchen und so während der Performance den Eindruck variabler Räume hervorzurufen. Auf diese Art hofft jeder Mitwirkende, eine expressive Ganzheit zu erzielen, die unsere Phantasie zur Grenzüberschreitung bringt, zur Überwindung des Territorialverhaltens. Seit Beginn der Zeiten sind Tanz und Musik nicht voneinander zu trennen. Hier wird ihre Vereinigung einmal mehr in einer Performance zelebriert, in der die Choreografie die Bilder eines Universums aus Stadtleben, Eskapaden, Einsamkeit und Massen verströmt. Als Metapher, die die Tänzer und Perkussionisten zu einer Allegorie des sozialen Körpers macht, treffen sich „Les Arpenteurs“, erscheinen und werden ausgelöscht in einer imaginären Stadt, einer City, geboren aus Gedanken, in der die Wege der einen die Wege der anderen magnetisch beeinflussen. Gleich wie die Künstler dieses Projekts sich dem Gebiet der anderen mit unterschiedlichen Ergebnissen annähern, entwickeln sich die choreografischen Charaktere während ihres Zusammentreffens bei ihrer Suche nach einem Hinweis, einem Objekt, einer Spur, die ihnen zeigen könnten, was ihre Bestimmung in dieser Stadt ist ... eine Stadt, die sich niemals in ihrer Gesamtheit zeigt, nur in Fragmenten, in durchscheinenden Ansichten, in einzelnen unersetzlichen Perspektiven. Die Orte beeinflussen die Menschen, die ihrerseits den Raum transformieren. Michèle Noiret, Tänzerin und Choreografin Michèle Noiret ist die Tochter des Dichters und Autors Joseph Noiret, eines Mitbegründers der experimentellen COBRA-Gruppe. Sie gründete ihre Truppe 1986. Ihre choreografische Arbeit beschränkt Tanz nicht auf seine technischen Aspekte, stellt aber strikte Körperkontrolle in den Dienst einer fruchtbaren Imagination. Ihr Tanz lädt den Zuschauer zu einer Reise durch ein seltsames und poetisches Labyrinth ein, in dem die Tänzer, erfüllt von einer indirekten, beinahe theatralischen Präsenz, sich mit äußerster Präzision bewegen. Michèle Noiret liebt es, ihr Publikum zu verblüffen, während sie selbst mit der ununterbrochenen Neuerfindung ihres Tanzvokabulars überrascht. Sie ist an neuen Technologien interessiert, die sie in den Dienst von Tanz und Imagination stellt, ohne sich je auf dem Gebiet allzu demonstrativer Effekte zu verlieren. Michèle Noiret studierte am Mudra, das von Maurice Béjart in Brüssel gegründet wurde. Hier war es auch, wo sie mit dem deutschen Komponisten Karlheinz Stockhausen zusammentraf. Ihre enge Zusammenarbeit über mehr als 15 Jahre setzte sie nicht nur der ständigen Prüfung durch eine immens musikalische Persönlichkeit aus, sondern ermöglichte es ihr auch, das von diesem Komponisten erfundene Notationssystem körperlich zu erforschen. Ihr Übergang vom Tanz zur Choreografie fand im Zeichen experimenteller Forschung und Genauigkeit statt. Enge Kooperation mit anderen Gebieten künstlerischen Schaffens wie den Bildenden Künsten, der Transformation von Raum auf der Bühne, ein starkes Interesse an den neuen visuellen und klanglichen Medien und Originalmusik sind weitere Charakteristika ihres Schaffens. Die Choreografin leitet spezifische Workshops für professionelle Tänzer. Parallel zu ihren Aufführungen in Belgien und im Ausland hält die Truppe auf Wunsch der Organisatorin Treffen mit dem Publikum ab, mit Studenten und Lehrern, ebenso wie Workshops für professionelle Tänzer. Michèle Noiret hat auch an Seminaren und Konferenzen teilgenommen, um Lektionen über Karlheinz Stockhausens System der Bewegungsnotation zu geben (International Congress on Laban Notation 1990), und als Lehrerin und Tänzerin an vom Komponisten veranstalteten Workshops zu diesem Thema (Stockhausen-Kurse Küerten 1999). Michèle Noiret ist am Théâtre National in Brüssel tätig und Mitglied des Künstlerischen Komitees des Centre National de la Danse in Pantin. Freitag, 2. und Samstag 3. Mai 2008, 20.00 Uhr Carolyn Carlson / Electronic Shadow Double Vision Choreografie und Tanz: Carolyn Carlson Inszenierung und Videodesign: Electronic Shadow (Naziha Mestaoui und Yacine Aït Kaci) Originalmusik und Sounds: Nicolas de Zorzi Beleuchtung: Emma Juliard, Electronic Shadow Kostüme: Chrystel Zingiro Kostümentwürfe: Crstof Beaufays Beratung: Maud Margot Bigiani Produktion: Centre Chorégraphique National Roubaix Nord-Pas de Calais, iDEALiD, La Condition Publique Uraufführung: Uraufführung: 31. März 2006 Condition Publique/Roubaix Double Vision ist das Resultat einer interdisziplinären Begegnung. Die Produktion des CCN Roubaix NordPas de Calais verbindet die globale, narrative, imaginäre und metaphorische Welt der Starchoreografin Carolyn Carlson mit dem Universum der Künstlergruppe Electronic Shadow, bestehend aus der Architektin Naziha Mestaoui und dem Mediendesigner Yacine Aït Kaci, deren Arbeiten Raum und Bild miteinander verschmelzen, um neue Sichtweisen auf den Tanz zu eröffnen. Die daraus hervorgegangene Solo-Choreografie, getanzt von Carlson selbst, ist als ein visuelles Klanggefüge gestaltet, das mit der Relativität unserer Wahrnehmung spielt. Die Bühne wird belebt von der eindringlichen Körpersprache Carolyn Carlsons, ihre Bewegungen nehmen Einfluss auf eine imaginäre Welt aus Licht und Raum, in diesem Raum kommt es zu Spiegelungen, zu Faltungen und Entfaltungen, zur Vermischung von Realem und Virtuellem und letztlich zur Wahrnehmung einer neuen Wirklichkeit, die weit über das Sichtbare hinausreicht. Das Geschehen entwickelt sich dabei in drei großen Zyklen. Sie umkreisen die Welt der Natur, die Welt der Zivilisation und die Welt der Vorstellung, in der wir letztlich die Chance haben, das Göttliche in uns zu transzendieren. Es gibt keine Geraden im Universum. Was genau ist Wirklichkeit? Der Superarchitekt besitzt mathematische Möglichkeiten bis ans Ende der Zeit. In der kosmischen Landschaft: schwarze Löcher, Staub, Einbildungskraft. Landschaft im Kopf: Unsichtbare, geheimnisvolle Fäden in einem Fenster, in einem Universum, Wo du dabei bist, dich in eine Kurve zu verwandeln, Das zu werden, was du in allen möglichen Welten bist... Durch Raum und Zeit gebunden, Durch Reflektion und Endlosigkeit. Die Welt, die ich sehe. Die Welt, die ich konstruiere. Die Welt, die ich mir vorstelle. Carolyn Carlson Carolyn Carlson ist die künstlerische Leiterin des Centre National Chorégraphique Roubaix Nord-Pas de Calais im Norden Frankreichs. Nach ihrer Ankunft in Paris im Jahr 1971 avancierte Carolyn Carlson schnell zu einer der Hauptfiguren der im Aufbruch befindlichen zeitgenössischen Tanzszene Frankreichs. Im Laufe ihrer Karriere prägte sie Institutionen wie die Opéra de Paris, das Théâtre de la Ville in Paris und das Festival d’Avignon entscheidend mit. Die vielseitig talentierte Tänzerin und Choreografin leitete unter anderem das Ballett des Teatro La Fenice in Venedig und das Cullberg-Ballett in Stockholm. Des Weiteren arbeitete sie als Resident Artist am Finnischen Nationalballett und am Stadttheater Helsinki. Als Gastchoreografin schuf sie Stücke für solch renommierte Ensembles wie das Nederland Dans Theater 3 und das Ballet de l’Opéra de Paris. Im Juni 2006 wurde ihr als erster Choreografin der Goldene Löwe der Biennale von Venedig zuteil. Für ihre beeindruckend virtuosen Choreografien, Ausdruck einer unablässigen Suche nach Poesie, arbeitet sie mit zahlreichen Künstlerpersönlichkeiten aus anderen Bereichen zusammen, darunter Komponisten wie Philip Glass, René Aubry, Gavin Bryars und Kaija Saariaho oder mit Tänzern wie Larrio Ekson, Jorma Uotinen, Marie-Claude Pietragalla, Dominique Mercy und Tero Saarinen. Carolyn Carlsons Soli Für Carolyn Carlson stellt das Solo die Essenz choreografischer Arbeit dar. Ein Solo zu erarbeiten bedeutet für sie, den Moment einer unverfälschten Verbindung mit dem Tanz zu suchen, und eröffnet die Möglichkeit einer spirituellen Suche. Dieser Prozess beruht in erster Hinsicht auf einem inneren Dialog, der ohne Erklärungen und Worte zum ultimativen, einzigartigen und puren Gestus gelangen möchte. Carolyn Carlson kehrt immer wieder zum Solo zurück, als ob sie sein eigentliches Wesen ergründen wollte. In ihren Augen ist Tanz das Objekt einer konkreten emotionalen Suche, wobei der Körper der Tänzerin als Vermittler dient. In einer zunehmend geschwätzigen und individualisierten Welt, die an unserer Unfähigkeit erkrankt, unsere grundlegende Menschlichkeit zum Ausdruck zu bringen, bietet Tanz die Möglichkeit einer visuellen Kommunikation mittels Gefühlen und Wahrnehmungen, die sich ohne Worte mitteilen. Im Laufe ihrer Karriere als Choreografin und Tänzerin wurde Carolyn Carlson oftmals für ihre herausragenden Soli gefeiert. Erste Anerkennung wurde ihr im Juni 1973 an der Opéra de Paris zuteil, als sie sich mit Density 21.5, einer Hommage an Edgard Varese, in der Tanzszene Frankreichs behauptete: Ihr feingliedriger Körper und ihre einzigartigen Bewegungsabläufe ließen Vareses Musik förmlich fassbar werden. Im Jahr 1983 schuf sie ihre „Visitenkarte“: Blue Lady, ein zugleich von völliger Freiheit und absoluter Körperbeherrschung geprägtes Solo, mit dem sie über zehn Jahre lang durch die ganze Welt tourte. 1995 erarbeitete sie das Stück „Vu d’ic“ am Théâtre de la Ville in Paris, ein Selbstporträt in fünf Teilen, von denen jedes dem Publikum ein anderes Gesicht der Darstellerin bietet. In „Writings on Water“, einem 2002 in Venedig produzierten Solo, versucht sie tänzerisch die Grenzen der Zeit aufzulösen und in einer Art stets veränderlichen Unendlichkeit zu agieren. Double Vision, das Resultat ihrer Zusammenarbeit mit dem Multimedia-Duo Electronic Shadow, ist eine weitere Phase in einer von außergewöhnlichen Soli geprägten Karriere. Karriere-Highlights 1965-1971: Startänzerin der Alwin Nikolais Company 1974-1980: Etoile-Choreografin der Groupe de Recherche Théâtrale de l’Opéra de Paris (GRTOP) 1980-1984: Künstlerische Leiterin des Teatro La Fenice, Venedig 1985-1991: Resident Artist am Théâtre de la Ville, Paris 1991-1992: Resident Artist am Stadttheater Helsinki und am Finnischen Nationalballett 1994-1995: Künstlerische Leiterin des Cullberg-Balletts, Stockholm 1999-2002: Künstlerische Leiterin der Sektion Tanz der Biennale von Venedig Seit 2004: Künstlerische Leiterin des Centre Chorégraphique National Roubaix Nord-Pas de Calais 2006: Erhält den ersten Goldenen Löwen für Tanz der Biennale von Venedig Wichtigste Choreografien Rituel pour un rêve mort, Musik: Pierre Henry, Scarlatti, Galuppi, Festival d’Avignon Densité 21.5, Musik: Edgar Varèse, Opéra de Paris Trio, Musik: John Surman und Barre Phillips, La Scala, Mailand Blue Lady, Musik: René Aubry, Teatro La Fenice, Venedig Still Waters, Musik: René Aubry, Jean Schwarz und Serge Aubry, Théâtre de la Ville, Paris Shamrock, Musik: Gabriel Yared, Het National Ballet, Amsterdam Dall’Interno, Musik: Bob Dylan, Jean Schwarz, Nantes Light Bringers, Musik: Philip Glass, Teatro Verde, Biennale von Venedig Writings on Water, Musik: Gavin Bryars, Teatro La Fenice, Biennale von Venedig Tigers in the Tea House, Musik: John Boswell, Paris Inanna, Musik: Armand Amar, Roubaix Wichtigste Auftragsarbeiten Slow, Heavy and Blue, Musik: René Aubry, Ballet de l’Opéra de Paris Maa, Musik: Kaija Saariaho, Finnisches Nationalballett Them, Musik: Terry Riley, Nederland Dans Theater 3 Sub Rosa, Musik: Gavin Bryars, Cullberg-Ballet, Stockholm Signes, mit Olivier Debré, Musik: René Aubry, Ballet de l’Opéra de Paris Electronic Shadow Das 2000 in Paris gegründete Forschungs- und Künstlerteam Electronic Shadow beschäftigt sich mit der Integration von Technik in kreative Arbeitsprozesse und versucht, neue Nutzungsmöglichkeiten und Spielräume zwischen der physischen und virtuellen Welt zu erschließen. Körper und Raum werden als Interfaces verstanden, während die Technik ihrerseits transparent gemacht wird. Electronic Shadow möchte demgemäß neue Wege aufzeigen, wie Technik unsere Wahrnehmung verändern und unsere Fähigkeiten erweitern kann. Electronic Shadow bindet seine Praxis in unterschiedliche kreative Bereiche von Architektur bis neue Medien ein und benutzt jeweils verschiedene Medien wie Design, Grafik, Real-Time-3D und Video, um die problematischen Beziehungen zwischen der physischen Welt und den neuen elektronischen Territorien zu thematisieren. Nachdem sie ausgiebige Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln konnten, beschlossen die aus Belgien stammende Architektin Naziha Mestaoui (I-tube Projekt, Lichtlandschaften, Liquid Axis) und der französische Multimedia-Designer Yacine Aït Kaci (CD-Rom Yves St. Laurent, DVD-Rom des Louvre, Fernsehproduktionen), ihr Wissen zusammenzulegen und mittels hybridem Design neue Betätigungsfelder zu erschließen. Die von Electronic Shadow ausgeführten Projekte arbeiten dabei ausnahmslos mit tatsächlichen Anwendungen: interaktive Installationen wie I-skin oder V-med, innovative Objekte wie die im Februar 2001 im Museum of Modern Art in New York vorgestellte „écharpe communicante“ (Kommunikationsschlaufe), aber auch Architekturinterventionen (etwa am Französischen Kulturzentrum von Palermo und Sizilien). Im Jahr 2003 gründete Electronic Shadow die Produktionsfirma iDEALiD (www.idealid.com), die seitdem mehrere Projekte im Bereich der Architektur, des Multimedia sowie des interaktiven TVs umgesetzt hat. Freitag, 16. und Samstag 17. Mai 2008, 20.00 Uhr Compagnie Marie Chouinard Prélude à l'après-midi d'un faune (Präludium zum Nachmittag eines Fauns) Choreografie und Künstlerische Leitung: Marie Chouinard Tänzerin: Carol Prieur Musik: Claude Debussy, 1894 Licht: Alain Lortie Kostüme: Luc Courchesne, Louis Montpetit, Marie Chouinard Maske: Jaques-Lee Pelletier Uraufführung: Taipei International Festival/Taiwan, 1994 Le Sacre du printemps (Die Frühlingsweihe) Choreografie, Künstlerische Leitung und Konzept: Marie Chouinard Musik: Signatures sonores, Robert Racine, 1992, Le Sacre du printemps, Igor Strawinsky, 1913 Licht: Marie Chouinard Kostüme: Vandal Requisite: Zaven Paré Maske und Hair-Stylist: Jaques-Lee Pelletier, Daniel Éthier Uraufführung: National Arts Centre, Ottawa/Kanada, 1993 Die Compagnie Marie Chouinard ist eine der weltweit ersten Adressen des modernen Tanzes. Mit ihren Choreografien feiert sie auf der ganzen Welt Erfolge. Chouinard hat ein Faible dafür, die durchtrainierten, kräftigen Körper ihrer Tänzer, vor allem aber die ihrer Tänzerinnen, weitgehend nackt zu zeigen. Für „die wilde Frau aus Québec“ sind Körper und Sexualität untrennbar verbunden. Sie ist eine Bewegungserfinderin und Gestalterin berückend schöner und lasziver Bilder von hohen Graden, sie entwickelt ein blendend inszeniertes Körperspektakel auf höchstem technischem Niveau. Chouinards choreografische Rituale sind einprägsam, die Tänzer/innen sind perfekt und die erste Begegnung ist allemal ein mitreißendes Erlebnis. Chouinard lässt in „Sacre“ die Darsteller staunen über die ersten Lichtstrahlen des Frühlings. Sie räkeln sich der Wärme entgegen, werden von Wogen der Lust geschüttelt, bis ihre Brustkörbe rütteln wie im Krampf. Das Besondere daran ist: Chouinard gibt den überlieferten Posen eine neue, absolut schlüssige Deutung. So klar kann eine Neuinterpretation von Klassikern sein, so erhellend und so viel sinnvoller als manch bisher Gewesenes. Die Stawinsky-Partitur wurde mit der feinen Geräuschmusik des zeitgenössischen Komponisten Robert Racine kombiniert. Chouinards von verinnerlichter Spiritualität durchdrungenes „Sacre“ feiert das Leben und noch mehr: die Lust auf das Leben. Nijinskys Skandal-Faun, der im engen Trikot zuletzt unmissverständlich sein Geschlecht auf dem verlorenen Tuch der Nymphen rieb, hat Chouinard zu einem stacheligen Satyr mit Klumpfuß und Hörnern exaltiert. Eine Tänzerin interpretiert unter tierischen Lauten ein Fabelwesen, das unter expressionistisch überdeutlichen Gesten scheinbar mit den Lichtstrahlen kopuliert. Ironisch rieselt dann Silberregen vom Himmel. Chouinard und ihren exzellenten Tänzer/innen gelingt eine virtuose Meditation über die Schönheit und Verletzlichkeit des menschlichen Körpers. Zugleich wirft sie einen belustigten Blick auf das Mängelwesen Mensch und dessen unermüdliches Bestreben, die eigene Beschränkung zu transzendieren. Das internationale Ansehen der Compagnie Marie Chouinard ist das Resultat von 28 Jahren Arbeit der kanadischen Künstlerin Marie Chouinard aus Montreal. Heute ist das Ensemble ein Fixpunkt auf den größten Bühnen und Festivals der Welt, seine Wurzeln hat es in Chouinards erster Kreation, der Solochoreografie „Crystallization“ von 1978. Dieses Stück, das ihr sofort den Ruf besonderer Originalität eintrug, wurde von über 50 weiteren Produktionen gefolgt, Aktionsperformances, Vokalwerken, Installationen und Filmen, in denen sie ihr lebenslanges Interesse an der Untersuchung der Formen und am menschlichen Körper verfeinerte. Von 1978 bis 1990 trat Marie Chouinard in der ganzen Welt solo auf und entwickelte eine persönliche Körpersprache von universaler Resonanz. 1990 formte sie die Compagnie Marie Chouinard. In dem Dutzend Werken, die sie seither geschaffen hat, erforschte sie die Poetik des Körpers in unmittelbarer, verständlicher und immer überraschender Weise. Jedes neue Stück ist eine Odyssee durch die Geschichte der Menschheit, wobei stets eine Chronologie oder eine Linearität einer Erzählung vermieden wird. In einer auf die bloße Essenz reduzierten Arbeit wird ein theatralischer, quasi- operativer Effekt erzielt, werden die Elemente „lebendiger Kunst“ durch verschiedene Techniken der Komposition und der Bühne ans Licht gebracht. Der Tänzer wird präsentiert als singuläre Entität, ein Wesen, das vor unseren Augen konstruiert wird, dessen rhythmische Konfigurationen in Mikro-Einzelteile zerlegt werden, analog zum Fluktuieren verbaler Kommunikation. Obwohl Marie Chouinards Arbeiten als Provokationen empfunden werden können, sollten sie besser als Wege zu Freiheit und Mitgefühl gesehen werden, in denen Humor möglich und Eros allgegenwärtig ist. Die Architektur des Kosmos, die Binnenintelligenz des Körpers und die unausschöpfliche Komplexität seiner Artikulationen und Mutationen harmonieren in formal vollendeten Konstrukten, in denen sich Stil und Substanz in perfekter Resonanz befinden. Meine Inspirationsquelle war stets der Körper selbst, und insbesondere das Schweigen und das Atmen, welche das „unsichtbare“ Material des Lebens ausmachen. An der Wurzel jeder neuen Arbeit befindet sich immer das, was ich das „Mysterium“ nenne, eine unbekannte Wellenlänge, die in einer beinahe obsessiven Art nach mir ruft. Mein Werk besteht darin, diese primordiale Wellenlänge einzufangen, sie gewissermaßen zu „tunen“ und sie in Raum und Zeit in einer zu ihr passenden Struktur und Form zu arrangieren. Das ist es, was ich seit 1978 tue: aufmerksam auf das vitale Pulsieren des Körpers zu lauschen bis zu dem Punkt, da es sich in einer neuen Ordnung kristallisiert. Jedes Mal gehe ich wieder von einem Nullpunkt aus. Jedes Mal fokussiere ich und richte meinen „Antennen“ neu aus, ich suche einen neuen „Status“, ich verfolge diese Wellenlänge, bis alles geordnet ist wie in einer wieder gefundenen klassischen Struktur, durch die, wie ich hoffe, sich der Betrachterin ihr eigenes „Mysterium“ enthüllt. Marie Chouinard, 2000 Die Debussy-Version, geschaffen für das Taipei International Festival in Taiwan 1994 wurde die Compagnie Marie Chouinard eingeladen, beim Taipei International Dance Festival in Taiwan „Le Sacre du Printemps“ aufzuführen, wobei Igor Strawinskys Musik vom Taipei Symphony Orchestra gespielt wurde. Weil die Kürze des Werkes das möglich machte, schlugen die Organisatoren des Festivals vor, dem Programm „Prélude d’après-midi d’un faune“ hinzuzufügen. Als ihnen klar wurde, dass das Ensemble das Werk nicht unter Verwendung von Debussys Partitur tanzen würde, ermutigten sie Marie Chouinard, eine neue Soloversion zu kreieren (siehe „Afternoon of a Faun“). Auf diese Art entstand „Prélude to the Afternoon of a Faun (The Debussy Version)“. Diese neue Version nimmt dieselben Gesten und Sequenzen wie Marie Chouinards ursprüngliche Arbeiten auf. Als sie dieses Werk zum ersten Mal kreierte, hatte sie noch kein gutes Verhältnis zu Debussys Musik gefunden. Nun entdeckte sie aber, dass ihr Faun gut genug etabliert war und seine Rolle hinreichend definiert, um zu Debussys Musik getanzt zu werden, und diese Erfahrung war mehr als überzeugend. (Marie Chouinard erfuhr später, dass auch Nijinski keine Freude daran hatte, zu Debussys Musik zu tanzen, was ihm von Sergej Diaghilev aufgetragen worden war – das bestätigte ihre ursprüngliche Empfindung.) Seit damals werden „Prelude to the Afternoon of a Faun (The Debussy Version)“ und „The Rite of Spring“ gemeinsam im selben Programm präsentiert. Das Taipei Festival war auch für einen weiteren Wendepunkt in der Geschichte der Compagnie Marie Chouinard verantwortlich. Mit ihrer Version von „Prelude to the Afternoon of a Faun“ war Marie Chouinard zum ersten Mal gezwungen, einen anderen Tänzer eine ihrer Solorollen zu lehren. Diese erste Erfahrung mit der Weitergabe ihres Werkes führte zu der Retrospektive von Soli, die sich nun im Repertoire des Ensembles befindet, „Les Solos 1978-1998“, unter denen sich auch „Afternoon of a Faun“ in der Originalversion befindet. National Arts Centre, Ottawa, Kanada, 1993 In Marie Chouinards Werk nimmt „The Rite of Spring“ eine besondere Stellung ein. Indem sie sich entschloss, diese machtvolle Hymne an das Leben neu zu untersuchen, hat sie ihre erste Choreografie kreiert, die auf einer musikalischen Partitur basierte. Igor Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ erforscht eine neue Welt und markiert den Eintritt des Tanzes in die Moderne. In diesem Werk der Avantgarde findet Marie Chouinard wieder jenes originale Pulsieren, das für ihre Bewegung essentiell ist. Weit davon entfernt, dem Rhythmus ihres Tanzes zu widersprechen, inspirieren die Kadenz und die Kraft dieser Musik, begleiten und energetisieren sie, formen sowohl das Echo als auch den musikalischen Kontrapunkt einer organischen, kraftvollen und lebendigen Choreographie. Für Marie Chouinard sind alle Figuren die Bewegung einer spezifisch vitalen Energie durch den Raum. Anders als vorangegangene Choreografien von Strawinskys Werk konstruiert sie ihren „Ritus“ mittels Soli, versucht sie in starken, klaren Bewegungen das intime Mysterium jedes Tänzers zu erwecken. „Es gibt keine Geschichte in meinem ,Ritus’“, erklärt sie, „keine Entwicklung, keine Ursache und Wirkung. Nur Synchronizität. Es ist, als erzeugte ich jenen Moment, in dem das erste Leben entstand. Die Aufführung ist die Entfaltung jenes Augenblicks. Ich habe das Gefühl, dass es vor diesem Augenblick einen Lichtblitz gab, ein außergewöhnliches Aufflammen von Licht.“ Für die Biennale von Venedig im Jahre 2005 kreierte Marie Chouinard bODY_rEMIX/gOLDBERG_vARIATIONS, das von der ersten Aufführung an ein großer Erfolg war. In diesem Werk erscheinen die zehn Tänzer des Ensembles oft an verschiedenen Orten der Bühne: einer, zwei, vier zur gleichen Zeit, indem sie verschiedene Mittel benützen – Krücken, Seile, Prothesen, Barren, Pferdegeschirre – um ungewöhnliche Körperumrisse zu schaffen und gestische Dynamik, die in den Begriffen von Mühe, Vergnügen und Erfindung ein Echo auf die condition humaine darstellen. „Chouinard und ihre exzellenten Tänzer vollbringen eine virtuose Meditation über Schönheit und Hinfälligkeit des menschlichen Körpers“ („Tagesspiegel“, Berlin). Im selben Jahr schuf Marie Chouinard zum Anlass der zehnjährigen Zugehörigkeit der Tänzerin Carol Prieur zur Gruppe die „Solo Movements“. Hier versuchte die Choreografin, die Bewegungen des Künstlers im Tanz Carol Prieurs zu decodieren, sein „Fest der explodierenden Linien, Punkte und kaleidoskopisch bewegten Arme“. „Ein privilegierter Augenblick, an einer Apotheose teilzunehmen“, schrieb „La Presse“, Montreal. „Ein Beweis, dass die kreativen Quellen Marie Chouinards noch lange nicht versiegen werden. Dieses Zusammentreffen zweier Künstlerinnen (Tänzerin und Choreografin) stellt einen Höhepunkt der Saison dar, den man nicht versäumen darf“ (Radio-Canada, Montreal). Zusätzlich zur Durchführung von Workshops nimmt Marie Chouinard regelmäßig an Konferenzen und Runden Tischen teil. Verschiedene Produktionen sind im Repertoire ihres Ensemble verblieben. Zum Beispiel verzaubert „The Rite of Spring“ fünfzehn Jahre nach seiner Kreation immer noch das Publikum in aller Welt und ist mittlerweile sogar zusammen mit einem Symphonieorchester in Szene gesetzt worden. Das Ensemble erhält Einladungen von den berühmtesten Theatern und Festivals, von denen einige treue Partner geworden sind: das National Arts Centre und das Canada Dance Festival in Ottawa, das Théâtre de la Ville in Paris, das ImPuls Tanz-Vienna International Dance Festival, die Biennale in Venedig und das Julidans Festival in Amsterdam. Donnerstag, 29 und Freitag, 30. Mai 2008 cie. toula limnaios Tosca Remix Uraufführung Inszenierung einer Oper als zeitgenössisches Tanzstück. Uraufführung in Koproduktion mit dem Tanzfestival Bregenzer Frühling, den Bregenzer Festspielen, dem Künstlerhaus Mousonturm Frankfurt/Main und der cie. toula limnaios / HALLE-TanzBühne (Berlin). Gefördert durch das NATIONALE PERFORMANCE NETZ aus Mitteln des Tanzplans Deutschland der Kulturstiftung des Bundes. Konzept / Choreografie: Toula Limnaios Musik: Ralf R. Ollertz Ensemble der cie. toula limnaios „Tosca Remix“ Erstmalig wird vom Tanzfestival Bregenzer Frühling in Kooperation mit den Bregenzer Festspielen eine Tanzcompagnie mit der Umsetzung einer Oper beauftragt, um einen neuen Blick auf Puccinis „Tosca“ zu werfen. Die Kompanie wurde eingeladen, eine wegweisende aktuelle Produktion zu erstellen und sich in ihren Uraufführungen kritisch mit herkömmlichen Genres auseinandersetzen. „Tosca Remix“ ist nicht die Inszenierung einer Oper, sondern eine zeitgenössische Neukomposition in Bewegung und Klang auf der Grundlage eines historischen Werkes. Inhalt Puccinis Inszenierung um Macht und Intrige zwischen Kunst, Adel und Polizei im napoleonisch umkämpften Italien von 1800 vor der Folie des Dramas um ein Liebespaar und seine Unterdrücker wird nicht als ursprüngliche Geschichte „nachgetanzt“, sondern das konkrete Beziehungsgeflecht der handelnden Personen wird abstrahiert und auf eine zeitgenössische Ebene gestörter Beziehungskonflikte transportiert. Es geht um die Unmöglichkeit, unübersehbare Krisen mit all ihren Verschlingungen objektiv zu durchschauen und von einer existenziellen Schwierigkeit, Standpunkte und Entscheidungen aus einem Labyrinth zu filtern. Motive mischen sich, Liebe wird durch Misstrauen konterkariert, Erpressung schlägt auf den Ausübenden zurück, Illusionen untergraben die Realität, Wunsch und Wirklichkeit fallen auseinander, Realität und Relativität gehen Hand in Hand. - Nichts ist, wie es scheint, alles kann sich jederzeit in sein Gegenteil verkehren, in eine Welt mit doppeltem Boden. Wenn die Staffage bricht, offenbart sie völlig anderes als gedacht: Gefühle von Ohn-Macht/ Kontroll-Verlust, Un-Gewissheit, Selbst-Bestimmung, Sehn-Sucht, die wir erleben vor unseren Fernsehern oder sogar vor unserer eigenen Tür, verstrickt „tosca remix“ in einer brutalen, von Zerrissenheit geprägten Welt. Choreografie/Inszenierung Für die cie. toula limnaios stellt die Inszenierung der „Tosca“ einerseits eine große Herausforderung dar und ist andererseits logische Fortführung ihrer künstlerischen Arbeit. „Tosca Remix“ wird nicht die Handlung dokumentarisch registrieren. Nicht die Abbildung des zunächst offensichtlich Gegebenen steht im Mittelpunkt der Arbeit von Toula Limnaios, vielmehr das Durchdringen von Wahrnehmung, um vielschichtige Dimensionen zu enthüllen. Naturalistische Züge und erzählerische Elemente werden zwar benutzt, nicht aber in der genauen Schilderung der Geschichte, sondern durch poetische Verknüpfung und radikale Verdichtung verschiedener Handlungsstränge sich kreuzender Motive der „Tosca“. „Sie entspinnt ein Geflecht kontrastreicher Szenen, das den Menschen in die ambivalentesten Bestandteile seiner Existenz aufsprengt. Die Compagnie ist die 1. Adresse für modernen Tanz made in Berlin.“ (ND) Toula Limnaios vereint Poesie und Brutalität, sensibles Persönlichkeits-Portrait und sozialkritisches Psychogramm. Das Stück konfrontiert Gegensätze, um das Paradoxe der Welt zu entblößen. Der Tanz legt die emotionalen Energien des Individuums frei: In der Fokussierung der psychischen Spaltung der Figuren lebt ihre Arbeit von der Feinzeichnung der Charaktere. Über bestimmte „Affektsituationen“ der Oper hinaus, macht sie tiefergehende Konflikte sichtbar, entfaltet in einem dichten Netz unausgesprochener widerstreitender Motive ein polyphones Tableau von Vor- und Rückwärtsbezügen. Sie macht den Zerfall von Persönlichkeiten nicht bloß präsent, sondern durchdringt die Fassade, um in verstörenden Umbrüchen die Dissonanzen dahinter sichtbar zu machen. Komposition/Musik „Spurensuche des Verlusts“. Die Musik von Ralf R. Ollertz für „tosca remix“ ist ebenso poetische Metapher der Fragmentalität und Fragilität wie auch Spiegel der der Oper innewohnenden zerstörerischen Kraft. Zwischen den beiden Möglichkeiten, Puccinis Oper zu ignorieren oder zu verarbeiten, hat Ralf R. Ollertz sich entschieden, die Oper ganz bewusst zu studieren, zu sezieren und als Material/Grundlage für seine Neukomposition zu benutzen. Puccinis Musik bleibt in ihrer Substanz erhalten und wird in ihrer linearen Struktur nicht verändert. Sie scheint wie durch einen Klangschleier an exemplarischen Stellen hindurch. Ein Live-Mitschnitt, der während der Bregenzer Festspiele 2007 von den Wiener Symphonikern eingespielten Oper, wird als Basismaterial genutzt. Der Komponist und Dirigent Ralf R. Ollertz, selbst Schüler von Nikolaus A. Huber und Salvatore Sciarrino, wird mit Respekt für die historische Vorlage eine musikalische Neukomposition schaffen, die sich nicht auf das rein elektroakustische Verfremden beschränkt, sondern sich vielmehr auf die harmonisch-melodische Umstrukturierung der „Tosca“ konzentriert. Wie verschieden transparente Folien, die auf die Partitur gelegt werden und dadurch unterschiedlichste Partien und Instrumentengruppen hervorheben und/oder verdecken, wird er die „Spurensuche des Verlusts“ sprichwörtlich musikalisch umsetzen. Schritt für Schritt wird Puccinis Musik des „bel canto“ dekonstruiert, seziert und kleinste Elemente werden plötzlich aus dem Verborgenen erscheinen, die ansonsten nicht wahrgenommen werden würden. Bühne Während die Musik dekonstruiert und eine direkte Metapher von Verfall und Auflösung ist, geht Toula Limnaios Idee zum Umgang mit dem bereits vorhandenen Bregenzer Bühnenbild genau den umgekehrten Weg. Die Geschichte der „Tosca“ konstituiert sich erst am Ende in ihrem vollen Ausmaß, wenn alle Fäden von Liebe, Begierde, Eifersucht, Macht, Erpressung und Intrigen in der Katastrophe zusammenlaufen. Dem folgend wird das Bühnenbild sich erst im Verlauf der Handlung zusammensetzen. „Tosca Remix“ konfrontiert die Ganzheit der Wahrnehmung mit deren Instabilität und Brechung. Schon von Beginn an wird das Bühnenbild zur Metapher von Sein und Schein als Fassade entblößt. Kompanie-Portrait Die heute zu einer der erfolgreichsten Ensembles für zeitgenössischen Tanz Deutschlands gehörende cie. toula limnaios, wurde 1996 von der Choreografin und Interpretin Toula Limnaios mit dem Komponisten Ralf R. Ollertz in Brüssel gegründet. Nach 1 1/2 Jahren verlegte sie ihren Hauptsitz nach Berlin und hat seitdem ihr Ensemble, mit dem sie kontinuierlich zusammenarbeitet, stetig erweitert. 2003 eröffnete sie ihr eigenes Theater HALLE-TanzBühne in Berlin, das sich aufgrund seines exquisiten Programms mit großem Erfolg etablierten konnte. Seit 2005 erhält die Compagnie eine Basisförderung der Berliner Kulturverwaltung. Das umfangreiche Repertoire der cie. toula limnaios, das inzwischen 22 abendfüllende Werke umfasst, ist auf deutschen wie internationalen Bühnen in Belgien, Brasilien, Frankreich, Irland, Italien, Litauen, Griechenland, Polen, Senegal, Spanien, der Schweiz und Venezuela zu sehen. 2001 wurde ihr Stück „Nichts. Ich werde da sein, indem ich nicht da bin.“ nach Texten von S. Beckett mit einem Förderpreis des “Meeting Neuer Tanz“ ausgezeichnet und 2004 unter dem Titel „atemzug“ für ZDF/arte verfilmt. Ihr Stück „Die Sanfte“, inspiriert von Dostojewskijs gleichnamigem Werk, wurde außerdem im Jahrbuch von ballet-tanz als beste Produktion 2005 ausgezeichnet. Das Ausloten von Gesellschaftsbildern in ebenso poetischen und ästhetischen wie auch verstörenden und ironischen Werken, die in enger Verknüpfung der Choreografin Toula Limnaios und dem Komponisten Ralf R. Ollertz entstehen, rückt zunehmend in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. „Mit ihren existentialistischen Tiefenbohrungen hat sich die Künstlerin eine Ausnahmestellung in der deutschen Tanzszene erworben. Dabei bestechen ihre Stücke immer durch ihre ausgeklügelte visuelle Ästhetik. Auf Auslandstourneen wird sie als Berliner Vorzeige-Ensemble gefeiert.“ (Tagesspiegel) Freitag, 27. und Samstag, 28. Juni, 20.00 Uhr Theater am Kornmarkt aktionstheater ensemble Platzen Plötzlich Uraufführung Text: Gert Jonke Inszenierung: Martin Gruber Mit: aktionstheater ensemble Mit einer Sensation wartet das aktionstheater ensemble für den Bregenzer Frühling auf. Der österreichische Autor Gert Jonke schreibt für das aktionstheater ensemble eine Arbeit, die sich mit dem Thema „Unendliches Wachstum“ auseinandersetzt. In „Platzen Plötzlich“ (Arbeitstitel) trifft sich eine kleine Gesellschaft in einem Gewächshaus. Wie die Pflanzen in diesem Glashaus auch wachsen die Menschen über sich hinaus und bemerken nicht, dass sie von der Wachstumslampe des Glashauses und dessen Sprühapparaten zunehmend bis ganz außer Gefecht gesetzt werden: Verbrennungen, Vergiftungen, Durchnässung, hysterische Anfälle, Ohnmacht.“ (Gert Jonke) Gert Jonke, Autor Der Ingeborg Bachmann-, Heinrich von Kleist-, Arthur Schnitzler- und 2-maliger Johann Nestroy-Preisträger zählt wohl zu den arriviertesten Schriftstellern Österreichs. Ein begnadeter Sprachvirtuose, der Worte zum Tanzen bringt. Martin Gruber geboren 1967, gründete 1989 die Avantgarde-Formation „aktionstheater ensemble“. Gruber inszenierte mehr als vierzig Produktionen, darunter Theaterstücke, Opern, Performances und „sprachunabhängige“ Theaterproduktionen für das aktionstheater ensemble, aber auch für stehende Häuser wie Volkstheater Wien, Bregenzer Festspiele, Volksoper Wien u.a. Grundintention Grubers ist es, Kunstrichtungen wie Sprechtheater, Körpertheater, Musik und bildende Kunst miteinander zu verbinden. Nicht das nebeneinander der beiden Kunstrichtungen ist Programm, sondern die gegenseitige Befruchtung: aus Sprache wird Körper, aus Körper wird Sprache, aus Bild wird Inhalt, aus Inhalt wird Bild.