Wissen vermitteln – Naturvielfalt in der Gemeinde Seminar: Dachbegrünung von öffentlichen Gebäuden „Wiese am Dach – gar nicht so kompliziert“ Donnerstag, 2. Juni 2016 von 14 bis 17 Uhr Zu Gast in der Programm: Kooperation von ■ Begrüßung und Moderation, Mag. Christiane Machold (Programmleiterin Naturvielfalt in der Gemeinde bei der Umwelt- und Klimaschutzabteilung im Amt der Vorarlberger Landesregierung) ■ Naturnahes Bauen – neues Kriterium beim Kommunalgebäudeausweis (KGA), Dipl.Ing. Dietmar Lenz (Projektleiter beim Umweltverband Vorarlberg) ■ Vorstellung des Zu- und Umbaus der Volksschule Lauterach und der Grünanlagen auf der und rund um die Schule, Dipl.-Ing. Wolfgang Feyferlik (Architekturbüro Feyferlik/Fritzer in Graz), Doris Rohner (Vize-Bgm. Marktgemeinde Lauterach) und Dipl. Geogr. Katrin Löning (Österreichisches Ökologie-Institut) ■ Nutzen naturnaher Dachbegrünung, Grundlagen, Kosten und Pflegaufwand sowie Praxisbeispiele aus der Schweiz, Dr. Stephan Brenneisen (Dozent an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Zürich) Seminar „Wiese am Dach – gar nicht so kompliziert, 2. Juni 2016 Christiane Machold | Einleitung zum Workshop „Wiese am Dach“ Täglich werden in Österreich 16,1 ha Flächen in Anspruch genommen (Durchschnitt 2012-2015; Umweltbundesamt). Laut der aktuellen Jungbauern-Kampagne betrifft das Vorarlberg mit 1.600 m² Boden / Tag (11 m²/min), die hier verbaut und versiegelt werden. Die Flächen stehen damit der Landwirtschaft nicht mehr zur Verfügung, aber auch der Grünraum im Siedlungsgebiet und die damit verbundenen ökosystemaren und sozialen Ausgleichsmöglichkeiten gehen verloren. Dachbegrünungen sind eine Möglichkeit Ersatz zu schaffen. Dachbegrünungen können mehr als minderwertige Ersatzflächen für den versiegelten Boden bieten. Dächer können wertvolle Nutzflächen für Menschen, Pflanzen und Tiere darstellen. Blütenreiche Wiesen am Dach ziehen Bienen, Schmetterlinge und Singvögel an. Begrünte Dachflächen wirken wärmedämmend und schützen vor Überhitzung des Dachgeschosses. Zudem wird ein erheblicher Anteil des Niederschlagswassers zurückgehalten. Und richtig ausgeführt, wirkt sich die Begrünung positiv auf die Langlebigkeit der Dachabdeckung aus. Ziel der Veranstaltung ist es, Impulse für Dachbegrünungen in Vorarlberg zu geben, gemeinsam Wissen und Erfahrungen zu sammeln und gute Beispiele zu realisieren. Dietmar Lenz | Naturnaher Bau als neues Kriterium beim Kommunalgebäudeausweis (KGA) Seit 2016 können beim Bau von kommunalen Gebäuden mit Maßnahmen wie naturnahe Außengestaltung, Dach- und Fassadenbegrünungen usw. zusätzliche Punkte beim Kommunalgebäudeausweis (KGA) erreicht werden. Das begleitende Modul „Naturnaher Bau“ wurde vom Österreichischen Ökologie-Institut im Auftrag des Landesprogramms „Naturvielfalt in der Gemeinde“, Abteilung Umwelt- und Klimaschutz, entwickelt. Der Umweltverband ist Träger des Servicepaketes „Nachhaltig:Bauen“. Bisher konnten 81 kommunale Projekte in Vorarlberg in Anlehnung an den Kommunalgebäudeausweis (KGA) begleitet und umgesetzt werden. Der KGA ist eine der 101 enkeltauglichen Maßnahmen zur landesweiten Strategie der Energieautonomie Vorarlberg. Das Ziel des KGA ist die hohe Energieeffizienz und die (bau)ökologische Qualität der Gebäude zu optimieren. Die Bewertung der Qualität erfolgt mit Punkten und die Förderung ist von den erreichten Punkten abhängig. Die Bewertung ist in vier thematische Blöcke untergliedert – von Planungsqualität und Prozess über Materialien, Raumqualität uvm. 2 Seminar „Wiese am Dach – gar nicht so kompliziert, 2. Juni 2016 Kriterien des „Naturnahen Bauens“ sind: - Fachberatung zu „naturnahem Bau“ Gebäudebegrünung (Dach und Fassade) Naturnahe und versickerungsfähige Gestaltung des Außengeländes Mehr Informationen im Anhang oder unter http://www.umweltverband.at/bauen/kommunalgebaeudeausweis-kga/ Kommunalgebäude Vorarlberg - Neubau und Sanierung Erläuterungen zum Dietmar Lenz berichtet, dass die inhaltliche Reaktion der Gemeinden durchwegs positiv ausfällt, die Baukosten für eine Dachbegrünung oft aber eine Hürde für die Gemeinden darstellen. Derzeit hat das Kriterium 30 Punkte im Gesamtpool von 1.000 Punkten. Einen Fördersprung erhalten die Gemeinden mit 50 Punkten. Die Gewichtung der Kriterien im KGA werden jedes Jahr mit ExpertInnen diskutiert und wo nötig angepasst. Eine höhere Gewichtung des Kriteriums „Naturnaher Bau“ wäre bei Bedarf durchaus vorstellbar. Doris Rohner | Pädagogikkonzept der Volksschule Lauterach und Verbindung mit der Architektur Anlässlich des bevorstehenden Umbaus des alten Volksschulgebäudes wurde von den Pädagoginnen und Pädagogen der Volksschule Lauterach Dorf ein räumlichpädagogisches Konzept der besonderen Art entwickelt. Dieses Konzept wurde als Grundlage des Wettbewerbs gesehen und vom Architekturbüro Feyferlik/Fritzer am besten in die Architektur miteinbezogen. Neben dem Konzept hieß es auch den alten Baumbestand im Volksschulhof zu berücksichtigen und zu verschonen. Es entstand eine sogenannte Clusterschule ohne Parkplätze, dafür mit mehr unversiegelter Grünfläche für Volksschule vor Zu- und Umbau 2014 die Schülerinnen und Schüler. Dem Parkplatzproblem wurde mit einer sehr guten öffentlichen Verkehrsanbindung und der Parkmöglichkeit in der gemeindeeigenen Tiefgarage genüge getan. Clusterschule bedeutet, dass je eine Schulstufe bzw. vier Klassen einen Cluster bilden. Dieser Cluster hat zwar vier abgegrenzte, geschlossene Klassenräume, dazu aber noch gemeinsam nutzbare Räume und Klimazonen, Spiel- und Leseecken und Freiluftklassenzimmer auf den Dächern. In der Raum- sowie Materialwahl für den Unterricht können die Klassen damit sehr flexibel agieren. Insgesamt steht den Schülerinnen und Schülern nach dem Umbau eine Freifläche von 2.400 m² zur Verfügung. Damit wird der in der Schulverordnung definierte Wert um etwa 20 % überschritten. 3 Seminar „Wiese am Dach – gar nicht so kompliziert, 2. Juni 2016 Wolfgang Feyferlik | Volksschule Dorf Lauterach – Architektur Die Grundidee des Entwurfs ist es, den Gebäudebestand wie auch den schützenswerten alten Baumbestand und bestehende Wegebeziehungen auf dem Schulgrundstück zu erhalten. Die vier neuen, eingeschossigen Clusterobjekte legen sich wie eine Halskrause um das historische Schulgebäude und nehmen die Bäume in die Mitte. Innerhalb und außerhalb des Gebäudes sind die Räume flexibel und fließend miteinander verbunden. Jeder Klassenraum hat einen Zugang zum Wintergarten, der auch gleichzeitig als Klimapuffer fungiert. Im Zentrum eines jeden Clusters befindet sich ein gemeinsamer „Marktplatz“, der zum Schulhof geöffnet werden kann. Der Pausenhof umgibt alle Gebäude, zum Teil überdacht und unversiegelt. Das Schulgebäude ist Werkstatt und Arbeitsraum. Materialien und Technik sollen für die Schüler/innen spürbar bleiben. Eine Beteiligung an der alltäglichen Raumgestaltung ist gewünscht. Daher sind viele Elemente am Gebäude nicht kaschiert, geglättet bzw. offen sichtbar (Eisenträger, Marktplatz). Eine Anregung zur Weiterentwicklung der Kriterien des Kommunalen Gebäudeausweises ist in diesem Zusammenhang die bisher vorgeschriebene Vollautomatisierung des Lichtes und der Be- und Entlüftung in den Baukörpern. Die Möglichkeit manuell elektrisches Licht aber auch die Be- und Entlüftung zu regeln, fördert das umweltbewusste Verhalten und sollte so früh wie möglich trainiert werden. Möglicherweise könnte hier entsprechend dem soziologischen Aspekt nachgebessert werden. Katrin Löning & Wolfgang Feyferlik | Kriterien „Naturnaher Bau“ bei der Volksschule Lauterach Kurz vor Baubeginn hat die Marktgemeinde Lauterach, die Umwelt- und Klimaschutzabteilung (Land Vorarlberg) und der Umweltverband gemeinsam mit pulswerk GmbH und Architekturbüro Feyferlik/Fritzer am Beispiel der VS Lauterach ein Pilotprojekt zum Modul „Naturnaher Bau“ gestartet. Ziel war es, Maßnahmen umzusetzen, welche die Biodiversität im Siedlungsraum zumindest erhält und die geplante Nutzung nicht beeinträchtigt. 4 Seminar „Wiese am Dach – gar nicht so kompliziert, 2. Juni 2016 Die Prinzipien einer naturnahen Gestaltung sind - Erhalt und Entwicklung vorhandener Potentiale Standortgerechte, regionaltypische Auswahl an Material, Substrat und Pflanzen Tierfreundliches Bauen (Glas, Schächte, Beleuchtung) Wasserdurchlässige Wege- und Platzgestaltung Pestizidfreier Unterhalt Erhalt des Baumbestandes Auf dem Gelände standen vor Baubeginn 12 Bäume (Buchen, Eichen, Flügelnuss, Ahorn und Linde). An drei Bäumen wurden größere Schäden festgestellt, ein Baum musste daher gefällt werden. Was ist zu beachten: Wichtig ist in der Bauphase und danach, den Wasserbedarf der Bäume zu stillen und miteinzuplanen – gerade bei überbauten Wurzelbereichen. Von sämtlichen Dachflächen der Gebäude sind Rohre in die Wurzelbereiche der Altbäume verlegt, damit diese ausreichend mit Wasser versorgt werden. Die Gebäude selbst stehen im Wurzelbereich ähnlich Pfahlbauten auf Betonstützen. Außengelände Das Außengelände wird erst 2017 den Ansprüchen der Schüler/innen und Lehrer/innen sowie den oben genannten Prinzipien entsprechend gestaltet. Einzig am Gebäudeabschluss zur Straße hin wurde bei den ersten Clustern eine Außenbegrünung vorgenommen. Es wurden 14 verschiedene heimische Sträucher sowie Johannis- und Jostabeeren gepflanzt. Schotterasen und Hecke auf dem Weg zum Dach Dachbegrünung Oben: Juni 2016 Ein Hauch von Grün ist bereits am eingesäten Dach der VS Lauterach erkennbar Unten: Ende August 2016 blühen schon die ersten Wildblumen auf der Flächen. 5 Seminar „Wiese am Dach – gar nicht so kompliziert, 2. Juni 2016 Insgesamt haben die neuen Gebäude eine Dachfläche von 3824 m ², etwa 1371 m² des begrünbaren Dachanteils sind mit einer Wiesen- und Rasenvegetation begrünt. Das bisher fertige Dach ist zum Teil begehbar und beherbergt unter Baumkronen Freiluft-Klassen, die mit einer einfachen Raseneinsaat begrünt wurden, damit Kinder auch barfuß unterwegs sein können. Auf der größeren, nicht begehbaren Fläche ist eine Magerrasenmischung von Rieger-Hofmann (75/25 Blumen/Gräser) angesät worden. Das Substrat (Optigrün Pflanzsubstrat E-leicht) wurde vorher mit einer Stärke von 10-20 cm in leichte Hügel und Senken modelliert. Zum Zeitpunkt des Seminars waren erste Keimlinge zu sehen. Die Wiese muss nicht gewässert, aufgrund der mageren Ausführung vermutlich auch nicht gemäht werden. Der Rasen der Freiluftklasse wird nach Bedarf gemäht. Gehölzkeimlinge können bei einem jährlichen Pflegegang entfernt werden. Die ca. 30-80 cm hohe Wiese soll in Zukunft die Sicht auf die Infrastrukturen am Dach (normierte hochliegende Fensterausführung, Sicherheitsbefestigungen usw.) reduzieren. Für eine tierfreundliche Ausführung hat die Ökologin zusätzlich noch Kleinstrukturen wie Altholz, Sand- oder kleine Steinhaufen empfohlen. Vogelfreundliches Glas Es wurde Vogelschutzglas nach ÖNORM (Reflexionsgrad < 15 %) bei allen verglasten Gebäudeteilen eingesetzt, was leider nicht ausreicht: das Glas spiegelt die umliegenden Bäume wider. Hier sind nun Schüler/innen und Lehrer/innen gefragt, um mit farbigen Dekorationen, Finger- und Fensterfarben die Glasfläche deutlich von der Umgebung abheben zu lassen. Unfälle mit Vögeln könnten dokumentiert werden, um Erfahrungswerte zu sammeln. 6 Seminar „Wiese am Dach – gar nicht so kompliziert, 2. Juni 2016 Stephan Brenneisen | Gründächer Dachbegrünungen wurden schon von mehreren berühmten Architekten als wesentliches Element ihrer Gebäude aufgegriffen: „Der Mensch muss auf den Dächern der Natur zurückgeben, was er ihr widerrechtlich unten beim Hausbau weggenommen hat.“ Friedensreich Hundertwasser „Ist es nicht wahrhaft wider aller Logik, wenn eine ganze Stadtoberfläche ungenutzt und der Zwiesprache mit den Sternen vorbehalten bleibt?“ Le Corbusier Vorteile einer Dachbegrünung Mit Dachbegrünungen kann nicht nur der zunehmenden Flächenversiegelung in Siedlungen entgegengewirkt, sondern auch der Verlust von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen mehr oder weniger ausgeglichen werden. Für die Gemeinden sind vor allem aber die Lebenszykluskosten eines Gründaches interessant. Trotz höherer Planungs-/Herstellungs- und Pflegekosten ist das Gründach auf die längere Lebensdauer gerechnet sehr viel günstiger als unbegrünte Dächer. Dazu kommen sämtliche positive Klima-, Dämmund Filterwirkungen des Gründaches und die Ökosystemleistungen, die ein Gründach bei entsprechender Ausführung erfüllen kann. Kosten Die Kosten für Planung, Gestehung, zusätzliche Statik und Instandhaltung/Pflege bei Dachbegrünungen höher als bei unbegrünten Dächern. Sieht man sich jedoch die gesamte Lebensdauer von Gründächern an, ist hier mit der doppelt so hohen Langlebigkeit zu rechnen – vorausgesetzt die Abdichtung der Dachfläche wurde sachgerecht ausgeführt. Bei einem Vergleich von immer noch eingesetzten Kiesdächern und begrünten Dächern entstehen überhaupt nur Mehrkosten bei Substrat und Saatgut, da wurzelbeständige Bitumenabdichtungen heute standardmäßig eingesetzt werden und hier keine Mehrkosten entstehen. Gleichzeitig ermüdet das Material unter der Kiesschicht durch hohe Temperaturschwankungen nach ca. 20 Jahren, Sedumdächer mit geringer Schichtdicke nach ca. 30 Jahren und Gründächer mit hoher Schichtdicke nach ca. 40 Jahren. 7 Seminar „Wiese am Dach – gar nicht so kompliziert, 2. Juni 2016 Ein Dichtetest kann bei Flachdächern durch eine Flutung der Dachfläche durchgeführt werden. Die Dichte kann leider bei geneigten Dachflächen nicht so einfach überprüft werden. Eine Studie zeigte, dass bei 75 % der Flachdächer eine Sanierung nach 15 Jahren aufgrund von handwerklichen Fehlern bei der Abdichtung durchzuführen ist. Hemmnis ist in Österreich der normierte, verpflichtende Einsatz von Speichermatten (Dachverlegesysteme mit ca. 20 mm Stärke). Diese sind in der Schweiz nicht zu verwenden. Bezüglich Recyclingfähigkeit ist Stephan Brenneisen hier skeptisch und setzt diese in der Schweiz nie ein. Gute Quelle: Sven Schönemann: WIRTSCHAFTLICHKEIT VON GRÜNDÄCHERN http://www.biotopecity.net/article/wirtschaftlichkeit-von-gr-nd-chern-unfertig 8 Seminar „Wiese am Dach – gar nicht so kompliziert, 2. Juni 2016 Arten der Dachbegrünungen Man kann zwei verschiedene Arten von Dachbegrünungen unterscheiden (Schweizer Begrifflichkeiten der ÖNORM angepasst, Anmerkung Protokollantin) Substratstärke Vegetation Wasserrückhaltvermögen Temperaturausgleich Ökologischer Wert (reduzierte) Extensivbegrünung (reduzierte) Intensivbegrünung < 6 cm Sedum, wenige Gräser und Kräuter, Moose gering weniger hoch weniger hoch > 10 cm artenreiche Wiesen, Stauden… hoch hoch hoch Biodiversitätsförderung Prinzipiell gilt, dass das Substrat definiert was wächst und nicht das Saatgut. Eine vorgegebene Mindestschichtdicke an Substrat ist das Mittel zum Erfolg, wie das Beispiel Schweiz zeigt. Wichtig ist auch, dass Dachflächen, die nicht genutzt werden, mit einheimischen und nicht gärtnerischen Arten begrünt werden! Gärtnerische Arten können invasiv werden – Beispiel Kaukasus-Fetthenne (Sedum spurium). In der Biodiversitätsförderung auf Dächern ist vieles möglich, wenn man der Natur freien Lauf lässt und günstige Ausgangsbedingungen schafft. Etwa für Wildbienen, Kiebitze, Totholzkäfer, Orchideen gibt es hier mitunter günstige Ausgangslagen. Die gesamte Präsentation unter www.vorarlberg.at/naturvielfalt Beispiele Unterlagen zu den Beispielen aus Basel, Zürich, Dietikon und Wollishofen im Downloadbereich unter www.vorarlberg.at/naturvielfalt, Naturvielfalt in der Gemeinde, Fachthemen aus Veranstaltungen und Exkursionen. 9 Seminar „Wiese am Dach – gar nicht so kompliziert, 2. Juni 2016 Fragen/Antworten zu technischen Details Bis zu welcher Dachneigung kann begrünt werden? Bis 15° Dachneigung kann gleich begrünt werden wie bei Flachdächern, ab 20° Neigung sind Schubschwellen einzubauen, um ein Hinuntergleiten zu vermeiden. Gibt es belastbare Zahlen, die die thermische Dämmwirkung einer Dachbegrünung (Sommer wie Winter) in den darunterliegenden Räumen nachweist? Wie könnte dieser Vorteil in die Berechnungsmodelle zum Wärmeschutz der Gebäude aufgenommen werden? Es gibt einige empirische Untersuchungen, die eine Wärmedämmleistungen von Dachbegrünungen nachgewiesen haben (z.B. Prof. Dr. Ing G. Minke: Ermittlung Wärmedämmverhalten von Gründächern). Allerdings können diese Zahlen nicht in die Bewertungsmodelle aufgenommen werden, da die Berechnungsansätze eine andere Maßeinheit (Wärmedurchlasswiderstand) berücksichtigen. Kann man auch Leichtbaudächer begrünen? Ja. Bei der Tramhalle Basel kam man auf gerade einmal 100 kg Traglast. Hier wurde ein Zweischichtaufbau mit Chinaschilf unten und Erdsubstrat darüber gewählt. Bei einem Rinderstall (Asphof, Rothenfluh) in der Nähe von Basel konnte dieser leichte Aufbau auf ein Metalltrapezblechdach, das über Falz gesteuert ist, aufgetragen werden. Hier gibt es keine Abdichtung und der Stall ist wunderbar in die Landschaft eingepasst und führt zu kühleren Temperaturen im Sommer in den Stallräumen. Kann man Photovoltaik-Panele mit Gründächern kombinieren? Laut neuer Studie beträgt der Mehrertrag von begrünten Dächern mit Photovoltaik-Panelen etwa 1 % - was ein zu vernachlässigender Wert ist. Es gibt aber gute Beispiele von kombinierten Dächern. Da derzeit Ost-West Anlagen mit flachen Neigungen in Mode sind, die möglichst viel Ertrag abwerfen, bleibt fast kein Platz für Begrünungen. Stephan Brenneisen rät von einer Begrünung der „Restflächen“ ab. Anders bei aufgeständerten / ca. 60 cm abgehobenen Panelen. In den ca. 20 cm breiten Servicegängen kann es wachsen und es kommt genügend Licht unter die Panele. Zieht man hier die Dachkante höher, sind die aufgeständerten Panele nicht mehr sichtbar und werden von der Vegetation umwachsen. Eine andere Möglichkeit wäre die randnahen Panele tiefer zu setzen und die mittig am Dach installierten aufzuständern. Vorteil wäre eine geringere Materialermüdung, Wasserrückhalt, Filterwirkung, Lebensraumfunktion etc. Wünschenswert wäre eine Richtlinie / ein Leitfaden vom Land zum Thema Dachbegrünung und einer Kombination mit PV-Anlagen, die in den kommunalen Baurichtlinien und Verordnungen Einzug halten könnte. Wie groß ist die Retentionsleistung von Dachbegrünungen? Dachbegrünungen können Starkregenereignisse sehr gut abpuffern. Die Rückhaltleistung kann je nach Ausführung zwischen 30-90 % betragen. 10 Seminar „Wiese am Dach – gar nicht so kompliziert, 2. Juni 2016 zu den Kosten Mit welchen Mehrkosten muss man bei einer Dachbegrünung rechnen? Die Antworten liegen hier weit auseinander und hängen mit den Bauweisen zusammen: Auskunft Spengler: Herstellungskosten betragen bei einem Ziegeldach etwa 25 €/m² und bei einem Gründach mit 10-15° Neigung 50 – 60 €/m². Die Mehrkosten der extensiven Dachbegrünung (Sedumdach) beim Montforthaus betrugen 13€/m² ab der Bitumenschicht. Bei der VS Lauterach waren die Mehrkosten vernachlässigbar, da ein Kiesdach geplant war. Beim Altstoffsammelzentrum in Lauterach wurde eine Dachbegrünung (Extensivbegrünung) angedacht. Da ein stützenfreies Flugdach mit 2.000 m² geplant ist und die Dachlasten um 50 % höher dimensioniert werden müssten als bei einem Foliendach (3,6 kN/m² anstatt 2,4 kN/m²), entstünden 200.000 € Mehrkosten (bei 1 Mio Gesamtkosten). Die höheren Kosten sind laut Dietmar Lenz das häufigste Argument gegen Dachbegrünungen – finanzieller Anreiz müsste bei Förderinstrumenten größer sein. Welche Einsparpotentiale kann ich mit einer Dachbegrünung erreichen? Die Begrünung schützt die Abdichtung und verlangsamt dadurch den Alterungsprozess. Begrünte Dächer halten meist doppelt so lang wie unbegrünte. Diese müssen früher saniert werden, Wasserdrainage / Wasserspeicher- und Drainschicht sind kostenintensiv in der Entsorgung (einzelne Schichten separat entsorgen). Auch die Wärmedämmung kann zum Einsparpotential gewertet werden. zur Pflege Welche Wartungen und Pflegeeinsätze fallen an? Da es sich um eine steppenähnliche Vegetation handelt – viel weniger dicht, muss nicht gemäht werden! Wichtig ist Gehölzanflug zu entfernen! Häufiger Anflug durch Pappeln, Birken, Götterbaum, Robinien, etc. zur Biodiversitätsförderung Inwiefern können Dächer wirklich Ersatzlebensräume für Tiere sein? Am Dach der neu erbauten Europaallee in Zürich wurden Ersatzlebensräume für die Blauflügelige Sandschrecke geschaffen – als Ausgleich für den verlorengegangenen Lebensraum Geleise. Die Besiedelung ist gut und es wurden auch Larven hier gefunden, was auf eine gute Reproduktion und die Annahme des Daches als Dauerlebensraum hindeutet (Monitoring durch die ZHAW). Auf anderen steppenartig begrünten Dächern brüteten Kiebitze, da hier keine Bodenprädatoren den Bruterfolg schmälern bzw. zunichte machen. Durch die geringen Nahrungsreserven auf den Dächern (meist mit geringer Substratdicke ausgestattet) und fehlenden Abgrenzungen an Dachkanten verhungern/verunfallen junge Kiebitze oft. Kleine Verbesserungen (mehr Substrat und dadurch 11 Seminar „Wiese am Dach – gar nicht so kompliziert, 2. Juni 2016 „fettere“ Vegetation, die Insekten auf die Dächer bringen – Vielfalt an Standorten mit hoch- und niedrigwüchsiger Vegetation und Erhöhung der Dachkanten z.B. durch Baumstämme) können die Überlebenschance der jungen Kiebitze stark erhöhen. Zur Planung Dachbegrünungen müssen schon im Wettbewerb berücksichtigt und mitausgeschrieben werden. Je mehr Beispiele für Dachbegrünungen es gibt, desto mehr Argumente gibt es dafür ;) Protokoll August, 2016 (RS, KL) 12 Seminar „Wiese am Dach – gar nicht so kompliziert, 2. Juni 2016 Nachhaltig:Bauen in der Gemeinde | Ergänzungen Kriterien KGA öffentliche Gebäude Was Maßnahme Zielerreichung Fachberatung für eine naturnahe Außengestaltung Beratungsprotokoll Punkte 4 FACHBERATUNG Nachweis: Beratungsprotokoll Gründach mit einer Substratdicke > 14 cm, Zielvegetation Magerwiese (mit leichtem Substrat auch in Leichtbauweise möglich) DACHBEGRÜNUNG Gründach bis 14 cm Substratdicke, trockenheitsverträgliche Vegetation, z.B. Sedum-Matten Strukturen und Elemente am Gründach Max. 4 > 75 % Anteil an allen begrünbaren Flachdächern bzw. begrünbaren flach geneigten Dächern 8 25 - 75 % 4 > 75 % 4 25 - 75 % 2 Modellierung der Substratschicht (10 – 20 cm) und Totholzbereiche (> 2 m² Grundfläche) und unbenutzte Sandbereiche (> 2 m² Grundfläche) 2 Nachweis: Anteil der begrünten Dachfläche in % der gesamten begrünbaren Flachdächern bzw. begrünbaren flach geneigten Flächen, Fotonachweis für Strukturen und Elemente FASSADENBEGRÜNUNG Max. 10 mehr als eine Gebäudefassade begrünt 3 bis zu einer Gebäudefassade begrünt 1 Fassade1 begrünt (> 10 % der jeweiligen Fassade) 1 Fassadenbegrünung: Bodengebundene Begrünung einer Fassade mit Selbstklimmern (z.B. Efeu, Wilder Wein), Gerüstkletterpflanzen (z.B. Kletterrose, Clematis, Waldrebe, Kiwi) oder Spalierbäumen. Nicht bodengebundene Begrünungssysteme (z.B. Living Walls, Greenwalls, vertikale Gärten) mit zusätzlichem Energieverbrauch in der Pflege sind ausgeschlossen. 13 Seminar „Wiese am Dach – gar nicht so kompliziert, 2. Juni 2016 Nachweis: Klettergerüst oder Bestätigung Tauglichkeit der Fassade und Pflanzplan Erhalt und/ oder Schaffung landschaftsprägender und naturnaher Elemente NATURNAHE AUßENFLÄCHEN AM BAUGRUNDSTÜCK Von mindestens 2 heimischen Laub- oder Obstbäumen 2 Von 3 verschiedenen heimischen Sträuchern 2 Von artenreichen Blumenwiesen mit heimischen Arten (in Summe > 30 m²) Von Trockensteinmauern (Länge > 3 m) / Natursteinhaufen (> 3 m² Grundfläche) eines dauerhaften Oberflächengewässers (> 2 m²) als Feuchtbiotop mit standortgerechter Begrünung, ohne Fischbesatz Nachweis: Fotonachweis, bei Saat- und Pflanzgut: Liste der gesetzten, ausgesäten Pflanzen OBERIRDISCHE RETENTION & REDUKTION VERSIEGELUNG Erhalt und / oder Schaffung von unversiegelten, versickerungsfähigen Außenflächen (inkl. Parkplätze) Sickerbecken, Mulden oder Gerinne zur temporären Wasserrückhaltung 2 2 2 Max. 10 > 75 % Anteil der Außenfläche2 sind unversiegelt3 5 40 - 75 % Anteil des Außenraumes sind unversiegelt 3 10 % der befestigten, versiegelten und dichten Fläche, von der der Regenabfluss in das Entwässerungssystem gelangt 3 Nachweis: Planvorlage SUMME (max. 30 Punkte anrechenbar) 2 Max. 3 Max. 8 MAX. 35 Außenfläche: Die Außenfläche umfasst sämtliche nicht überbauten Restflächen der Grundstücke (inkl. Parkplätze und unterbaute Flächen). 3 Unversiegelt: wasserdurchlässige Flächen ohne/mit Vegetation (z.B. natürliche oder naturnahe Wasserflächen, Wiesen, Rasen, Schotterrasen, Kies-SplittDecken, Rasenfugenpflaster, Rasengittersteine, Pflasterung mit durchlässigen Fugen (> 1 mm), Brachflächen, Sträucher, Hecken mit gebietsheimischen Pflanzen, unterbaute Flächen nur mit Vegetation!), nicht dazu gehören wasserdurchlässiger Beton oder Asphalt und wassergebundene Decken. 14