Im Dialog: Architekten zum Bahnprojekt Stuttgart 21/ Neubaustrecke Wendlingen–Ulm »Stuttgart 21 ist eine unglaubliche städtebauliche Chance.« Kauffmann: Das Stuttgarter Bahnhofsprojekt basiert auf einem europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb, also einer offenen Planungskultur, so wie wir Architekten es fordern. Dabei wurden zahlreiche Varianten breit und öffentlich diskutiert. Durch die entstandene Projektverzögerung wird leider manchmal vergessen, wie intensiv bereits nachgedacht wurde, um die beste Lösung zu finden. Aber sie wurde gefunden. Freuen sich auf Stuttgart 21: Dipl. Ing. Dieter Ben Kauffmann (links) ist Freier Architekt aus Stuttgart und seit 2002 Vorsitzender des Bund Deutscher Architekten BDA, Landesverband Baden-Württemberg. Dipl. Ing. Wolfgang Riehle ist Freier Architekt und Stadtplaner in Reutlingen und seit 1998 Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg. Zwei führende Köpfe der baden-württembergischen Architektenschaft bekennen sich offen zu Stuttgart 21. Warum? Riehle: Bereits 1995 haben die Architektenkammer und der Bund Deutscher Architekten BDA BadenWürttemberg die Grundsatzentscheidung für Stuttgart 21 als kluge Weichenstellung unterstützt. Jetzt, nach zwölf langen Jahren, soll endlich gebaut werden. Das ist zu begrüßen – und kein Anlass für wiederholte Grundsatzdebatten. Andere Regionen Deutschlands beneiden uns um dieses zukunftsweisende Infrastrukturprojekt. Kritiker erwecken aber den Eindruck, dass dieses Großprojekt den Bürgern gegen ihren Willen übergestülpt wird. »Eine offene Planungskultur erbrachte die beste Lösung.« Den „gewaltsamen Eingriff in die gewachsene Struktur der Stadt“, den die Gegner an die Wand malen, sehen Sie nicht? Riehle: Das Gegenteil ist der Fall: Zum Bau des jetzigen Bahnhofs wurden vor rund 100 Jahren riesige Gleisund Schotterflächen im Park und am Rand des damaligen Stadtzentrums geschaffen. Mit Stuttgart 21 kann dieser zerstörerische Eingriff wieder zurückgenommen werden. Teile der Flächen können dem Schlossgarten und dem Rosensteinpark zugeführt und im Zentrum der Stadt neue Wohnquartiere geschaffen werden. Das ist eine unglaubliche Chance, die allerdings auch städtebauliches Fingerspitzengefühl verlangt. Hier ist die Landeshauptstadt in der Pflicht. Sie kann Maßstäbe für ökologisches und nachhaltiges Bauen auf „recycelten“ Flächen setzen. Wir müssen gemeinsam erreichen, dass die neuen Stadtviertel einmal genauso zum Mekka der Architektur-Szene werden wie die Weissenhofsiedlung. Die wurde übrigens bei ihrer Entstehung vor achtzig Jahren auch heftig angefeindet – und heute ist man stolz auf dieses architektonische Juwel. n? Besuchen Sie uns im Möchten Sie mehr erfahre (täglich 10 bis 18 Uhr, hof ahn ptb Turmforum im Hau unter www.turmforum.de t rne Inte Do. 10 bis 21 Uhr), im m Stuttgart 21 im foru oder schreiben Sie uns: Turm 2, 70173 Stuttgart latz t-P Klet ulfArn , hof Hauptbahn Kauffmann: Die Zeit bis zum Frei werden der heutigen Gleisflächen nach Inbetriebnahme des neuen Bahnknotens muss auch dafür genutzt werden, weitere Wettbewerbe durchzuführen, um dann auch mit Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger jeweils optimale Lösungen zu entwickeln. Viele Stuttgarter trauern aber schon jetzt ihrem alten Bahnhof nach und fürchten um den historischen Bonatzbau. Kauffmann: Der bleibt doch bis auf die Seitenflügel erhalten. Altes und Neues sollen eine zeitgemäße Verbindung eingehen. Im Übrigen sehen wir auch, wie die Städte im Konkurrenzkampf stehen, der nicht selten durch Architektur bestimmt wird. Vom GuggenheimMuseum in Bilbao bis zum Phaeno in Wolfsburg. Architektur kann also ein Marketinginstrument für eine Stadt sein. Die neue Staatsgalerie hat für das Image Stuttgarts unglaublich viel geleistet. Die aktuellen Gebäude wie das Kunstmuseum oder das Mercedes-Benz Museum setzen diese Reihe fort. Das Porsche-Museum wird dies sicherlich ebenfalls tun, und auch der neue Hauptbahnhof ist geeignet, für Stuttgart in aller Welt Werbung zu machen. Ich würde auf diese Chance nicht verzichten wollen. »Stuttgart 21 gibt der Stadt viel zentrales Grün zurück.« Riehle: Der innovative Entwurf des Tiefbahnhofs mit seinen charakteristischen „Lichtaugen“ gewährleistet eine (tages-)lichtdurchflutete, angenehme Aufenthaltsqualität und gibt der Stadt viel zentrales Grün zurück. Diese Pläne haben in den zurückliegenden Jahren des Wartens nichts an ihrer Faszination verloren.