DFR - BGE 38 II 705

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704 À, Oberste Zivilgerichtsinstanz. — I. Materiellrechtliche Entscheidungen.
hältnissen ist diese Frage zu »enteilten. Einm al fallen die von den
Beklagten vorgenommenen Veränderungen doch nur bei einer besondern Betrachtung der betreffenden P artie ins Auge. I n ihrer
Gesamtanlage, der Anordnung des Bildlichen, der Wortbestandteile
und der schraffierten Teile stimmen beide Darstellungen in der
Hauptsache überein und die im wesentlichen gleiche Verwendung
der roten Farbe muß im Betrachter das Gefühl dieser Überein­
stimmung bestärken. Dabei erschwert der Umstand, daß die Betbett
Darstellungen in eine zylindrische Form g à c h t werden, eine über­
sichtliche Orientierung. D aß, wie es scheint, die Klägerin die Ver­
packung in anderer Richtung um die Zigarren anbringt, nämlich
so, daß sich das Helvetiabild um die runde Mâche des zylinder­
förmigen Päckchens herumzieht, während es bei ben Beklagten längs
dieser Fläche angebracht ist, kann nicht als wesmüiches Unter*
scheidungsmerkmal gelten. D ie Gesamtdarstellung läßt sich in beiden
Fällen nur durch tttntoettben des Päckchens erkennen und der Käufer
wird auch nicht als M e à a l der Mgerischen V e rp a à n g voraus­
setzen, daß fich das Helvetiabild darauf ständig an der gleichen
Stelle befinde. Endlich kann auch der Umstand, daß die Beklagte
erwiesenermaßen Verwechslungen hat Hervorrufen w o l l e n , für
die Frage des objektiven Tatbestandes nicht bedeutungslos fein.
D ie Beklagten müssen als Fachleute in ihrem Geschäftszweige
wissen, in welchem M aße die Abnehmer chrer Fabrikate auf die
Verpackung sehen und welches Unterscheidungsvermvgen fie WEunben,
und es liegt daher die Annahme nahe, daß die Beklagten ihre neue
Verpackung der klägerischen soweit angepaßt haben, um die gewollte
Verwechslungsmöglichkeit auch wirklich zu erreichen.
Hieuach ist das erste Klagebegehren, wonach den Beklagten die
weitere V e r w e à n g der angefochtenen V e rp a à n g untersagt »erbat
soll, zuzusprechen, ohne daß es der verlangten Aktenvervollständigung
bedarf. Nicht gutheißen läßt sich dagegen das zweite auf Schaden­
ersatz gerichtete Begehren. D ie Klage entbehrt in dieser Beziehung
einer nähern Subftantiierung und auch sonst ist aus den Akten
nicht mit genügender Bestimmtheit zu entnehmen, daß die Klägerin
wirklich in nennenswerter Weise geschädigt worden sei.
7. Fabrik- und Handelsmarken, N° 108.
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Demnach hat das Bmrdesgericht
erkannt:
D ie Berufung wird hinsichtlich des ersten Klagebegehrens gutgcheißen und demnach den Beklagten die weitere Verwendung der
angefochtenen Verpackung untersagt. Hinsichtlich des zweite«, auf
Schadenersatz gerichteten Begehrens wird das angefochtene Urteil
des aargauischen Handelsgerichts vom 25. J a n u a r 1912 bestätigt.
108. Urteil der I. Iivilableiwng vom 28. Dezember 1912
in Sachen
Norddeutsche Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei,
K l. u. B er.-K l., gegen Irey, B ell. u. Ber.-Bekl.
Markenrechtsschutz: Täuschende Aehnliohkeit zweier figurati ven
Marken, deren Hauptbestandteil ein Sternbild ist. Erhöhung der Ver­
wechslungsgefahr dadurch, dass der Markenberechtigte bisher auch
die im Wortbild und im Klang des Wortes Stern liegende Bezeich­
nungskraß zu r Kenntlichmachung seiner Ware benutzt hat. — Art. 6
Abs. 3 MSchG: Zweck der Bestimmung. Sie dehnt dm Markenschutz
noch weiter als ausländische Gesetzgebungen über den Kreis der
Waren aus, fü r die die Marke hinterlegt wurde. Ob zwei Waren
« ihrer Natur nach gänzlich von einander abweichen», beurteilt sich
nach ihren Funktionen als im Verkehr zirkulierende wirtschaftliche
Güter. Hiebei kann auch ihre Herkunft von Bedeutung sein. — Sind
demnach die Schaf- und die Baumwolle gänzlich von einander ab­
weichend? — Dass der Berechtigte die Verwendung der angefochtenen
Marke längere Zeit hat geschehen lassen, enthält nicht notwmdig
einen Verzicht auf die Anfechtungsansprüche, kann aber die
Schadenersatzpflicht beeinflussen. — Recht a u f Veröffentlichung des
Urteils ?
A. — Durch Urteil vom 5. J u l i 1912 hat das Obergericht des
K antons Schaffhausen in vorliegender Streitsache erkannt:
D ie klägerische P artei ist mit ihrer Klage gänzlich abgewiesen.
B . — Gegen dieses Urteil hat die K l â g à gültig die Berufung
an das Bundesgericht ergriffen mit ben A n tr ^ e n : „1 . D er Ve­
rklagte sei wegen Verletzung der Markenrechte der K l â g à zur
„Bezahlung einer angemessenen Entschädigung an dieselbe zu ver-
706 A. Oberate Zivilgerichtsinstanz. — I. Materiellrechtliche Entscheidungen.
„urteilen. 2. D ie schweizerischen Markeneintragungen N r. 19,882
„und 19,883 des Beklagten seien gerichtlich als ungültig zu er*
„klaren und es sei die Streichung dieser Marken aus dem Marken»
„register zu verfüge». 3. E s sei die Veröffentlichung des Urteils
„in mehreren Zeitungen auf Kvstm des Beklagten anzuordnen.
C.
— I n der heutigen Verhandlung hat der Vertreter der
K l â g à die gestellt» Berufungsanträge erneuert und der Ver­
treter des Beklagten auf Abweisung der Berufung und Bestätigung
des angefochtenen Urteils angetragen.
D a s Bundesgericht zieht in E r w ä g u n g :
1.
— I m Ja h re 1 8 9 2 hat I . W . P aag, der Rechtsvorgänger
der K lägerin, der „Norddeutschen Wollkämmerei und Kammgarn­
spinnerei" in Bremen, im schweizerischen Markenregister die Fabrik­
marke N r. 5 6 7 7 eintragen lassen. S ie besteht aus dem B ild eines
schraffierten S ternes mit acht Zacken. D arunter befindet sich ein
Band, das nach seinen Enden hin gegen den S te rn zu gebogen ist
und die Auffchrift „Fabrikzeichen" trägt. Laut der Eintragung dient
die Marke für „gekämmte gefärbte Schafwolle, Strickgarne und
Posamentiergarne aus gekämmter Schafwolle und gefärbte wollene
G arne". Am 2. J u n i 1898 wurde sie als N r. 10,121 unver­
ändert aus die K l â g à übertragen, die damals das Geschäft P aags
übernahm.
Am 3. J a n u a r 1 9 0 6 hat der Beklagte, Hermann Frey, I n ­
haber einer Baumwolhwirnerei, Bleicherei und Färberei in Schaff­
hausen, beim eidg. Amt für geistiges Eigentum in Bern die zwei
Fabrikmarken N r. 1 9,882/83 hinterlegt, die ebenfalls au s einem
S te rn bestehen, der aber bei Leiden, von einer Kreislinie umgeben
ist. Bei der ersten weist à S te rn radial verlaufende Schraffuren
aus, bei der andern ist er ganz schwarz gegolten und von linien­
förmigen S trahlen umgrenzt. Laut dem Registereintrag sind die
zwei Marken bestimmt für „Baumwollzwime aller Art, zum D etail­
verkauf hergerichtet".
I n der Eintragung und Verwendung dieser b à n M arken er­
blickt die K l â g à eine Verletzung ihrer Rechte an der Marke
N r. 10,121 und sie hat infolgedessen Klage erhoben, mit dem
im oben erwähnten Berufungsantrag w ied erg eg àen Begehren
um Verurteilung der Beklagten zu einer angemessenen Entschädi-
7. Fabrik- ond Handelsmarken,
108.
m
gung, Ungültigerklärung und Streichung der angefochtenen Marken
und Veröffentlichung des Urteils.
2. — M it der Vorivstanz ist der Auffassung der Klägerin zu­
zustimmen, die beiden angefochtenen Marken seien der ihrigen so
ähnlich, daß sich im Verkehr notwendig Verwechslungen ergeben
müssen. Hauptbestandteil ist bei allen drei ein achtzackiger S te rn
und dieser bestimmt den Gesamtausdruck. Hieran ändert auch nichts,
daß auf einer der angefochtenen M arken, der N r. 1 9 ,8 8 3 , das
Sternbild einheitlich — schwarz — gefärbt ist, während die M a c k
der K l â g à und die andere des Beklagten Schraffierungen auf­
weisen, vermöge deren die Zacken des S ternes nach ihrer M ittel­
linie zu reliefförmig erhöht erscheinen. W enn ferner der Beklagte
aus jener ersten Marke den S te rn noch m it linienförmigen A u s­
strahlungen umgibt und wenn er ihn auf beiden durch einen K reis
umschließt, so bildet dies, wie auch das n u r auf der M a c k der
Klägerin angebrachte Band, im Verhältnis zu der S ternfigur als
Ganzes bloß nebensächliches Beiweck F ü r die Klägerin besitzt zu­
dem der S te rn als Markenbestandteil noch deshalb erhöhte Be­
deutung, well sie ihre Wollwaren auf ben Verpackungen usw. als
„Sternwolle" bezeichnet. Hiedurch benützt sie auch die im W o r t ­
bilde des S ternes und im Klang des W ortes liegende Bezeichnungs­
kraft, um ihre Erzeugnisse im Verkehr kenntlich zu machen, und
um so mehr muß daher, wenn nun ein anderer Gewerbetreibender
das Sternbild als Marke v e r w e à t, die Gefahr eines Irrtu m s
nahe liegen, daß deffen Erzeugnisse von der Klägerin herrühren.
D aß k r S te rn für Garnartikel Freizeichen sei, hat der Beklagte
erst vor Bundesgericht näher darzutun versucht. D ie Akten bieten
aber für diese Auffassung keine Anhaltspunkte.
3. — D er Beklagte wendet nun ein, seine Marken könnten,
auch wenn sie sich von denen der Klägerin nicht genügend unter­
scheiden sollten, trotzdem nach Art. 6 Abs. 3 M S ch G neben der
früher eingetragenen der Klägerin zu Recht bestehen, weil sie für
andere W aren bestimmt seien. Die K l â g à gebrauche sie für
Schaf-, der Beklagte aber für Baumwolle und es seien dies zwei
von einander gänzlich abweichende W arenarten im S inne jener
Bestimmung. Die Vorinstanz hat dieser Auffassung belgepstichtct
und ist deswegen zur Abweisung der Klage gelangt. E s stagi sich
A8
À. Oberste Zivilgerichtsinstan*. — I. Materiellrechtliche Entscheidungen.
to u t, ob sie hiebei A rt. 6 Abs. 3 M S chG richtig aufgefaßt und
auf den gegebenen Tatbestand angeweudet habe.
D ie Bestimmung dehnt den Schutzbereich der Marke über bat
K reis der W aren, für die ste hinterlegt wurde, aus gewisse sonstige
W arm au s. D er G rund dieser Erweitemng des Schutzes liegt
vor allem batte, daß, wenn ein anderer Haickels- oder Gewerbe­
treibender solche W aren mit der nämlichm M a c k verficht, unter
Umständen auch dadurch, nicht nur durch die Verwendung für die
gleiche W arenart, die irrtümliche M einung im Publikum entstchen
fam t, daß sie ebenfalls vom bisherigen Markenberechtigten her­
rühreu; und zwar ist eine solche Vowechslungsgesahr regelmäßig
dann vorhanden, wenn die beiden W arenarten in einem bestimmte»
Ähnlichkeitsverhältnisse stchen. Eine unmittelbare Schmälerung seines
Absatzes aleibet der Markeninhaber in diesen Fällen frMich nicht,
da er die andere W arm art nicht führt. W ohl aber wird er in
seinem Macknrecht d à r c h verletzt, daß die Möglichkeit solcher
Verwechslungm die Bezeichnungskrast f a tta Marke schwächt. Dabei
kann unstatthafterweise d a gute R uf s a n a W are und fettta
M a c k von jenem Andern dazu benützt werden, um seinm eigenen
W aren in Verkehrskreisen Ayfehm zu verschaffen, und ferner hat
d a Macknberechtigte beständig zu gewärtigm, daß ferne Marke
jetzt oder später durch Minderwertigkeit d a W aren des andern
M ackninhabers in Verruf kommt. D ie Frage n u n , wie weit d a
K reis dieser sonstigen in den Schutzbaeich der Marke fattentat
W aren zu ziehen sei, hat das schweizerische Gesch dahin gelöst, daß
es den Schutz auf otte W aren ausdehnt, die nicht „ihrer N atur
nach von den mit d a schon hinterlegtm Marke versehenm gänzlich
abweichen". Hiemit ist es zu G unstm des M acknbaechttgten be­
deutend w eita gegangen als andae Gesetzgebungen (munentlich das
dmtsche Warenzeichmgesetz vom 12. M a i 1894 in seinen §§ 4
und 5 und das österreichische vom 6. J a n u a r 1 8 9 0 in seinem
§ 7 ) , die ein schutzwürdiges Jn ta e ffe des M acknbaechttgtm an
einem V ab o te, die M a c k für andere W arm zu v a w e n ta t, nur
soweit anerkennen, als diese W aren mit denen des M acknbaechttgten
„gleichartig" ftttb. W enn sodann das schweizerische Gesch für die
Entscheidung, ob die valangte gänzliche Abweichung d a beiden
W arenarten vorliege, aus die „N atur" d a betreffenden „W aren
7, Fabrik* und Handelsmarken. N° 108.
709
«ber Erzeugnisse" abstellt, so ist damit nicht etwa die natürliche
Beschaffenheit der Gegenstände, nach S to ff, Form und Farbe ge­
meint; mtb noch weniger kann der technische Charakter der Her­
stellungsverfahren bestimmend sein. Vielmehr kommt es auf die
N atu r der Gegenstände als „Erzeugnisse und W a rm ", als im
Verkchr zirkulierende wirtschaftliche G üter an. Von ihrem w irt­
schaftlichen Charakter und Zweck hängt es ab, ob und inwieweit
sich die beidseitigm Absatzgebiete decken, nammtlich die Verkaufs­
stelle» und die Abnehmeckeise die gleichen seim, und ob und in
welchem M aße infolgedessen die Verwendung der nämlichm Marke
Zrrtüm er und Unsicherheiten im Publikum veranlassen kan». D if­
ferenzierende Bedeutung vermag freilich auch die H e r k u n f t der
W arm zu gewinnm, dann, wenn sich die Käufer bewußt sind, daß
die beiden W arenarten regelmäßig von andern Produzenten stammen
und wenn das unter den gegebenen Verhältnissen genügt, um eine
Verwechslung auszuschließen (vergi, zu der Frage auch A S 24 I I
S . 703 E rw . 3, 3 3 I I S . 4 5 0 Erw . 4 , 34 H S . 3 7 5 Erw . 7,
D u n a n t , M arques d e F a b riq u e e t de C om m erce, p . 1 4 8 ;
K ö h l e r , Warenzeichenrecht 1 9 1 0 , S . 148 und 1 7 1 ; A d l e r ,
System des österreichischen Markenrechts, S . 1 9 6 ff.; E n t s c h e i ­
d u n g e n des Re i c hs ge r i c ht s i n Zi v i l s a c h e n , Bd. 60 N r. 75
und Bd. 7 2 N r. 32).
Geht man von dieser Auffaffung aus, so läßt sich der Voriustanz
zum vornherein nicht beistimmen, wenn sie ein wesentliches Unter­
scheidungsmerkmal zwischen Schafwolle und Baumwolle in Hinsicht
auf die vorliegende Frage barte steht, daß die etoe W arengattung
animalischer und die andere vegetabilischer N atu r sei. Laut dem
Gesagten können diese natürlichen Verschiedenheiten der beiten W oll­
arten nicht fü r sich allein, sondern n u r sofern in Betracht kommen,
als sie zugleich deren Charakter als W arm differmzieren. I n dieser
Beziehung macht der Vorentscheid geltend: Gerade bei te r Bekleidung
spiele das Herstellungsmaterial etee unterscheidende R olle; man
brauche n u r an die Unterschiede der F uß- und der Kopfbekleidung,
der sog. Wäscheartikel urte te r Kleidungsstücke aus Tuch zu denken.
D ie Zugehörigkeit te r beiden W arenarten zur Bekletdungsbranche
könne nicht maßgebend sein, sonst müßte man so grundverschiedene
Artikel, wie Schuhe, Hüte, Hemden, Pelz- und Konsektionswaren
710 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. — I. Materiellreehtliche Entscheidungen.
als gleichartige Erzeugnisse ansehe«. I m allgemeinen mag die
Richtigkeit dieser Beweisführung ungeprüft bleiben. Jedenfalls aber
übersieht sie, daß die W arenarten, fü r die hier die Parteien ihre
M arken verwenden, überhaupt nicht unter die Erzeugnisse der Be­
kleidungsbranche, als einer die gebrauchsfertigen Kleidungsstücke
umfassenden Warmkategorie, einzureihen sind, solchem unter jene
Erzeugnisse der Textilindustrie, die, namentlich als Garne und
Z w irne, erst noch der Bearbeitung zu Kleidungsstücken bedürfen
oder als Hilfsmaterial bei deren Herstellung Verwendung stnden
sollen. D arauf also kommt es an, ob diese Halbfabrikate der Wollund der Baumwollindu strie, die hauptsächlich in Fadensorm her­
gestellt find und von den beiden P arteim auch wesentlich in dieser
Form in dm Vermehr gebracht werden, nach ihren Eigenschaften urch
Funktionen als W aren die vom Gesetze verlangten Unterschiede
aufweism. Hiemit erledigt sich von selbst auch die vorinstanzliche
Erw ägung, der Charakter eines Kleidungsstückes sei ein ganz
anderer, je nachdem es au s Wolle oder Baumwolle bestehe. N un
scheint fteilich die Vorinstanz im wettern noch auzunchmen, die
Schaf- und die Baumwolle seien auch unverarbeitet, namentlich in
G arn- und Zwirnform, äußerlich so verschieden, daß sie nicht ver­
wechselt werdm könnten; jede H ausftau, ja sogar jedes Kind ver­
möge sie leicht von einander zu unterscheiden. Dieser Würdigung
kann aber das Bundesgericht nicht beistimmen/ indem sie nach seiner
Auffassung nicht m ir der allgemeinen Lebenserfahrung widerspricht,
sondern auch durch die Angelegten Fabrikationsmuster widerlegt
wird. Z um mindesten bedarf es bei vielen dieser Fabrikate zur
Unterscheidung der beiden Wollsorten einer genauem Prüfung, die
über das M aß an Untersuchungsvermögen und an Aufmerksamkeit
hinausgeht, wie es bei den hier hauptsächlich in Betracht kommen­
den nicht kaufmännischen Abnehmerkreisen vorausgesetzt werden darf.
D azu ist nun aber »ammtlich noch auf die wirtschaftlichen Momente
zu verweisen, die eine Annäherung der zwei Wollsorten im Verkehr
zur Folge haben: Einmal werden sie im Kleinhandel durchwegs in
den nämlichen Verkaufsmagazinen ausgeboten und sodann verwen­
den die Käufer beide im wesentlichen auf die nämliche A rt und zu
dem nämlichen Zweck, indem sie sie zu Geweben verarbeiten. Dieses
Zusamntenfallen der Absatzorte und -gebiete und diese — von der
.
7. Fabrik- und Handelsmarken. N° 108.
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Vorinstanz mit Unrecht als nebensächlich betrachtete — Gemein­
samkeit der wirtschaftlichen Bestimmung haben zur Folge, daß die
durch die Beschaffenheit der Fabrikate bedingten Unterscheidungs­
merkmale im Verkehr an Bedeutung einbüßen. Und damit verliert
ferner auch der weitere fü r die Unterscheidbarkeit sonst vielfach
wesentliche Umstand an Gewicht, daß die zwei W arenarten bekannter­
maßen gewöhnlich von verschiedenen Produzenten hergestellt toerben:
Auch soweit sich das kaufende Publikum beim Erwerbe der W aren
deffen bewußt ist, liegt die Gefahr einer Verwechslung nahe genug,
namentlich deshalb, well der Abnehmer, durch die Gleichheit oder
Ähnlichkeit des M arkeM ldes voreingenommen, nicht mchr hin­
reichend darauf achtet, ob seine frühem Einkäufe sich auf die ritte
oder die andere der beiden W arenarten bezogen haben. Alle diese
Gründe schlichen es a u s , Schaf- und Baumwolle als zwei von
einander „gänzlich abweichende" Warenarten im gesetzlichm S in n e
anzusehen (siehe auch D u n a n t , S . 148 unten, P o u il l e t ,
T ra ité d e s m arq u es de fa b riq u e , N r. 1 4 2 i f. unter N. 3 ).
M it Unrecht verlangt endlich der Beklagte, es sei ihm die Bertoettbung der angefochtenen Marken wenigstens für Häckelgam
und Fadenschlag zu gestatten, weil diese Artikel in Wolle gar nicht
Vorkommen. D as genügt nicht, um sie zu „gänzlich abweichenden"
Warensorten zu machen, wie ohne weiteres aus dem Gesagten
erhellt.
3. — D aß die Klägerin die Verwendung der angefochtenen
Marken durch die Beklagte mehrere Jah re lang ohne Einspruch
hat geschehm lasten, vermag ihrem Rechte, die Löschung zu ver­
langen, feinen Abbruch zu tu n : E in Verzicht auf die ihr als
Markenberechtigten zustehendeu Anfechtungsansprüche liegt in diesem
passiven Verhalten nicht. Wohl aber darf daraus entnommen wer­
den, daß stch die Klägerin während dieser Zeit durch den Gebrauch
der angefochtenen Marken ernstlich nicht in ihrem Vermögen ge­
schädigt gesehen hat, und es muß daher und da auch sonstige An­
haltspunkte für eine nennenswerte Vermögensschädigung fehlen,
ihre, übrigens nicht genauer substantiierte Ersatzfordemng ver­
worfen werden. Aber auch soweit stch die Fordemng auf die Zeit
nach ihrem Proteste gegen die Verwendung der angefochtenen Marken
bezieht, wird eine Schädigung durch die Akten nicht ausgewiefev.
712 À, Oberste Zivilgerichtsinstanz. — 1. Materiellrechtliche Entscheidungen.
Selbstverständlich kann ferner die Klägerin nicht, wie heute bean­
sprucht wurde, verlangen, es solle durch Zusprechung von Schaden­
ersatz darauf Rücksicht genommen werden, daß die ihr nach dem
kantonalen Tarif zukommende Parteientschädigung zu ihren wirk­
lichen Auslagen in keinem Verhältnis stehe.
4 . — Abzuweisen ist endlich auch das Begehren um Veröffent­
lichung des Urteils. D a s Interesse an einer öffentlichen Klarlegung
der Sachlage wird gmügend gewahrt durch die im Handelsregister
belaratt zu gebende Streichung der angefochtenen M a à (vergl.
A S 3 4 II S . 375, Abs. 2 ).
Demnach hat das Bundesgericht
erkannt:
D ie Berufung wird unter Aushebung des angefochtenen Urteils
dahin gutgeheißen, daß die Marken N r. 1 9 ,8 8 2 /8 3 des Beklagten
als ungültig erklärt sind und deren Löschung im Markenregister
verfügt wird. I m übrigen wird die Berufung abgewiesen.
8. Gewerbliche M uster und M odelle. — D essins
et m odèles industriels.
109.
Urteil der L Jivikabteilung vom 15. Movember 1912
in Sachen Gebrüder Scholl, K l. u. B er.-K !.,
gegen Geriüe. Bekl. u. Ber.-Bekl.
Muster- und Modellschutz. Nur die Geschmacksmuster sind schutz­
fähig, unter Ausschluss dei• Gebrauchsmuster, Art. 2 u. 3 MMG. Zur
Neuheit im Sinne des revid. Gesetzes Art. i 2 Ziff. 1 bedarf es keiner
schöpferischen Tätigkeit; es genügt, dass der ästhetische Effekt des
Musters als ein origineller erscheint. Verfall der Hinterlegung man­
gels angemessener Ausführung im Inland, Art. H Ziff. 2 MMG.
D as B undesgericht hat
auf G rund folgender Prozeßlage:
A.
— M it Urteil vom 5. J u n i 1 9 1 2 hat das Bezirksgericht
Zürich V. Abt. als einzige kantonale Instanz über das Klage­
begehren :
8. Gewerbliche Master und Modelle. K° 109.
71»
E s sei die schweizerische Modellhinterlegung des Beklagten
N r. 1 7 ,599 vom 5. J a n u a r 1910 betreffend: „Taschen zur Auf­
bewahrung von Servietten u. dergl." a ls ungültig zu erkläre» und
im Register zu löschen;
erkannt:
D ie Klage wird abgewiesen.
B . — Gegen dieses ben Parteien am 22. J u n i 1 9 1 2 zu­
gestellte Urteil haben die Kläger rechtzeitig die Berufung an das
Bundesgericht erklärt, mit dem Begehren, es sei das bezirks­
gerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage zu schützen, eventuell
es seien die M m durch Abnahme der anerbotenm Beweise zu
vervollständigen, speziell durch eine Oberexpertise darüber, daß das
Modell zur Zeit der Hinterlegung im Publikum und in den beteiligtm Berkehrskreism bereits bekannt gewesm sei.
C. — I n der heutigen Verhandlung hat der Vertreter der
Kläger diese Anträge erneuert und begründet; der Vertreter des
Beklagten hat Abweisung der Berufung und Bestätigung des an­
gefochtenen Urteils beantragt; —
in E r w ä g u n g :
1 . — D er Beklagte hat am 5. J a n u a r 1 9 1 0 beim eidg. Amt
für geistiges Eigentum in Bern zwei Modelle, die er als „Taschen
zur Aufbewahrung von Serviettm u. dergl." bezeichnete, zur E r­
langung des Modellschutzes nach dem M M G hinterlegt. D ie
Modelle wurden als Hinterlegung N r. 17,599 in das Register
eingetragen. E s handelt stch um rechteckige Papiertaschm mit Deck­
klappe und Druckknopf. D ie Kläger erhielten anfangs November
1910 eine Anfrage über Lieferung von Serviettmtaschen au s
Papier. S ie wurden dadurch auf die Taschen des Beklagten auf­
merksam und wandtm sich mit Rücksicht auf dm Reklameausdruck
der Firm a Suchard in Neuenburg an jene Firm a. Diese ant­
wortete, daß sie das M onopol fü r die Schweiz besitze und die
Taschen gesetzlich geschützt seien. M it Brief vom 9. J a n u a r 1911
ersuchten die Kläger dm Beklagten um äußerste Preisangabe für
5— 1 0 ,000 solcher Taschen. D er Beklagte bestätigte dm Bescheid
der Firm a Suchard und erklärte, daß er die Lieferung infolgedessm nicht aussührm könne.
Nachdem die K läger festgestellt hatten, daß die Taschm a ls
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