Jahrbuch 2008/2009 | W yrow ski, Friedrich; Schuller, Frédéric; Menten, Karl M. | ATLASGAL: Die APEXDurchmusterung unserer Milchstraße im kalten Staub ATLASGAL: Die APEX-Durchmusterung unserer Milchstraße im kalten Staub ATLASGAL: the APEX survey of cold dust in our Milky Way W yrow ski, Friedrich; Schuller, Frédéric; Menten, Karl M. Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn Korrespondierender Autor E-Mail: w yrow [email protected] Zusammenfassung Das ATLASGAL-Projekt ist eine komplette Durchmusterung unserer Milchstraße im kalten Staub mit der neuen Submillimeter-Bolometer- Kamera am APEX-Teleskop. Unser Ziel ist es, eine einzigartige, vollstaendige Datenbasis massereicher Sternentstehungsgebiete zu erstellen, um besser zu verstehen w ie und unter w elchen Bedingungen massereiche Sternentstehung stattfindet. Solch eine systematische Kartierung der Galaktischen Ebene im Submillimeter-Wellenlängenbereich ist auch w egw eisend für kommende Beobachtungen mit dem Herschel-W eltraumteleskop und dem ALMA- Interferometer. Summary The ATLASGAL project is a complete survey of cold dust in our Milky Way using the new submillimeter bolometer camera at the APEX telescope. Our goal is to produce a large scale, systematic database of massive clumps in the Galaxy, in order to better understand how and under w hich conditions star formation takes place. Such a systematic survey at submillimeter w avelengths also represents a pioneering w ork for the preparation of Herschel and ALMA. Überblick Astronomische Durchmusterungen haben eine lange Geschichte und ebneten oft den Weg für neue w issenschaftliche Durchbrüche. Als Beispiele seien Tycho Brahes und Argelanders Sternenkataloge genannt. Argelanders 1863 veröffentlichte „Bonner Durchmusterung“, ein Katalog von über 300.000 Sternen des Nordhimmels, begründete eine Tradition, w elche bei Radiow ellenlängen am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) mit der Kartierung des gesamten Himmels bei 53,5 cm fortgesetzt w urde. Darüber hinaus w urde mit dem Effelsberger 100-Meter-Teleskop die Milchstraßenebene bei verschiedenen anderen W ellenlängen durchmustert. In jüngerer Zeit w urden Himmelskartierungen der kosmischen Hintergrundstrahlung (COBE/W MAP) und Durchmusterungen im Infraroten (2MASS, IRAS, Spitzer/GLIMPSE) durchgeführt. Vor allem die Kartierungen im Infrarotbereich haben entscheidend zu unserem Verständnis der Sternentstehung beigetragen. Sterne © 2009 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 1/5 Jahrbuch 2008/2009 | W yrow ski, Friedrich; Schuller, Frédéric; Menten, Karl M. | ATLASGAL: Die APEXDurchmusterung unserer Milchstraße im kalten Staub entstehen in dichten Wolken bestehend aus Molekülen und Staub. Im Infrarotbereich w erden Wolkenkerne, aus denen Sterne entstehen, sichtbar, w enn sie eine Temperatur von einigen hundert Kelvin erreicht haben. Die kalten frühsten Phasen der Sternentstehung sind allerdings nicht im Infraroten beobachtbar, sondern erfordern Beobachtungen bei längeren Wellenlängen im Millimeter-Submillimeter- Bereich, w ie sie durch das APEX- Teleskop möglich sind. Das APEX Teleskop APEX, das Atacama-Pfadfinder-Experiment, ist ein 12-m-Teleskop für Beobachtungen im Submillimeter Wellenlängenbereich, w elches von einer internationalen Kollaboration (MPG, ESO, OSO) unter Leitung des MPIfR auf 5.100 m Höhe in der chilenischen Atacama W üste auf der Chajnantor-Hochebene betrieben w ird (Abb. 1). Die Atacama W üste ist einer der trockensten Plätze der Erde und ist somit ein idealer Standort für Astronomie im Submillimeter-Bereich, da der dortige extrem geringe Wasserdampfgehalt die Atmosphäre für Submillimeter-Strahlung erst durchgängig macht. APEX ermöglicht Forschung in vielen Bereichen der Astronomie, vor allem aber Studien des „kalten Universums“. Durch Beobachtung der Strahlung von Molekülen und Staub lässt sich die Entstehung von Sternen und Galaxien erforschen. Da s AP EX Te le sk op. © Ma x -P la nck -Institut für R a dioa stronom ie / W yrowsk i Das ATLASGAL-Projekt Beobachtungen der Staubkontinuumsstrahlung ist eine der besten Möglichkeiten die frühsten Phasen der Sternentstehung zu studieren, da dadurch direkt das dichte und kalte interstellare Material beobachtet w ird, aus dem sich die Sterne bilden. In den letzten Jahren konnten einzelne Molekülw olken mithilfe von neuentw ickelten Bolometern und Bolometerkameras beobachtet w erden; es gibt bisher jedoch noch keine komplette Kartierung des kalten Staubs unserer Milchstraße. Eine solche komplette Kartierung ist aber insbesondere zum Studium der Entstehung massereicher Sterne erforderlich, da sie relativ schnell entstehen und selten sind im Vergleich zu masseärmeren Sternen. Daher ist die Wahrscheinlichkeit, Frühphasen massereicher Sternentstehung zu beobachten, geringer und w ird erst durch systematische Durchmusterungen möglich. Das Verständnis der Entstehung massereicher Sterne ist aber in vielen Bereichen der Astronomie von entscheidender Bedeutung, da massereiche Sterne w ährend ihres gesamten Lebens durch ihre Wechselw irkung mit dem interstellaren Medium auf vielfältige Weise das Erscheinungsbild ganzer Galaxien © 2009 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 2/5 Jahrbuch 2008/2009 | W yrow ski, Friedrich; Schuller, Frédéric; Menten, Karl M. | ATLASGAL: Die APEXDurchmusterung unserer Milchstraße im kalten Staub prägen. Im Jahr 2007 gab es eine bedeutende instrumentelle Erw eiterung der Beobachtungsmöglichkeiten mit dem APEX Teleskop: Die am Max-Planck-Institut für Radioastronomie entw ickelte Submillimeter-Bolometerkamera LABOCA w urde erfolgreich installiert und steht seitdem Astronomen des gesamten APEX Konsortiums zur Verfügung. LABOCA erlaubt mit ihren 300 Pixeln und dem großen Gesichtsfeld ausgedehnte Kartierungen mit hoher Empfindlichkeit bei einer Wellenlänge von 870 Mikrometern. Diese Kamera, zusammen mit dem exzellenten Standort und der hervorragenden Oberfläche des APEX Teleskops, erlaubt daher erstmals eine komplette Kartierung unserer Milchstraße im Submillimeter-W ellenlängenbereich. Das ATLASGAL-Projekt (APEX Telescope Large Area Survey of the Galaxy) w urde 2007 von einem internationalen Konsortium von über 30 W issenschaftlern unter Leitung von Frédéric Schuller vom MPIfR Bonn begonnen und liefert seitdem faszinierende Ergebnisse. Die Beobachtungen Einzelbeobachtungen des Projektes bestehen aus 2 Grad langen Schw enks des Teleskops in Abständen von 1/40 Grad, w ährenddessen kontinuierlich Daten aufgenommen w erden. Trotz des trockenen Standorts w ird das Signal zunächst von der Emission der Erdatmosphäre dominiert. Dieses störende Signal kann allerdings, da es für alle Pixel gleich ist, w eitgehend herausgefiltert w erden. 2007 w urden etw a 100 Quadratgrad der Milchstraße im Rahmen des ATLASGAL-Projekts kartiert. Dieser erstkartierte und der gesamte zu beobachtende Bereich sind in Abbildung 2 dargestellt. 2008 w urden w eitere 300 Quadratgrad kartiert und es w ird erw artet, dass das Projekt 2009 fertig gestellt w erden kann. Im W eiteren w ird eine erste Analyse der Daten aus dem Jahr 2007 beschrieben. De r von ATLASGAL übe rde ck te Be re ich de r Milchstra ße . Da s Fa rbbild ze igt die Milchstra ße im Fe rninfra rote n, ge m e sse n m it de m IR AS-Sa te llite n. Da s große R e chte ck k e nnze ichne t de n Be re ich de r Milchstra ße , de r bis Ende 2009 k a rtie rt we rde n soll. De r be re its in 2007 be oba chte te Be re ich ist durch die k le ine n R e chte ck e m a rk ie rt. © Ma x -P la nck -Institut für R a dioa stronom ie / Schulle r Erste Ergebnisse Ausschnitte aus dem bisher beobachteten Gebiet der Milchstraße sind in den Abbildungen 3+4 zu sehen. Neben einer Vielzahl kompakter Quellen unterschiedlichster Helligkeit sind auch schw ächere, ausgedehntere Emissionsgebiete zu erkennen, sow ie eine Reihe von Filamenten bis zu einer Länge von mehreren Grad. Einzelne kompakte Quellen sind Verdichtungen in Molekülw olken, in denen entw eder schon Sternentstehung stattfindet oder die das Rohmaterial darstellen, aus dem sich Sterne und Sternhaufen bilden w erden. Die Größe dieser Klumpen ist typischerw eise einige Lichtjahre mit durchschnittlichen Massen von einigen hundert Sonnenmassen. In vielen Fällen bilden die Klumpen größere Komplexe, die oftmals durch Filamente verknüpft sind. © 2009 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 3/5 Jahrbuch 2008/2009 | W yrow ski, Friedrich; Schuller, Frédéric; Menten, Karl M. | ATLASGAL: Die APEXDurchmusterung unserer Milchstraße im kalten Staub Ausschnitt a us de r ATLASGAL Durchm uste rung. Zu se he n sind e twa 4 Gra d de r Ga la k tische n Ebe ne in R ichtung de s Norm a Spira la rm s. © Ma x -P la nck -Institut für R a dioa stronom ie / Schulle r Die stärkste Emission ist in Richtung des Galaktischen Zentrums zu finden (Abb. 4). Dort erstreckt sich über einige Hundert Lichtjahre ein riesiges Reservoir an Gas und Staub, die so genannte zentrale molekulare Zone (central molecular zone, CMZ). Neben der CMZ sind die meisten Quellen im molekularen Ring der Milchstraße zu finden, mit einem Abstand von etw a 15 Lichtjahren zum Galaktischen Zentrum. Insgesamt w urden allein 2007 über 6.000 kalte Staubquellen entdeckt und es w erden nach der kompletten Durchmusterung mehrere 10.000 neue Quellen erw artet, die eine ausgezeichnete statistische Basis für das Studium der Entstehung massereicher Sterne und Sternhaufen bilden w erden. Die ATLASGAL Ka rtie rung in R ichtung de s Ga la k tische n Ze ntrum s. © Ma x -P la nck -Institut für R a dioa stronom ie / Schulle r Weiterführende Beobachtungen Bald nach den ersten ATLASGAL Messungen w urden Folgebeobachtungen begonnen. Dabei liegt ein Schw erpunkt auf Messungen von Moleküllinien in Richtung der in der Staubemission entdeckten kompakten Quellen, um über die gemessenen Radialgeschw indigkeiten der Linien auf die Entfernung der Quellen schließen zu können, da sich mit den breitbandigen Bolometermessungen keine kinematischen Parameter der Quellen bestimmen lassen. Ein Beispiel zeigt Abbildung 5. Zusätzlich zu den Entfernungen der Quellen lassen sich mit Ammoniakbeobachtungen auch noch die Temperaturen der Klumpen bestimmen. Zu kürzeren Submillimeter-Ferninfrarot Wellenlängen hin w ird beginnend im Jahr 2009 das Herschel Space Observatory, ein 3,5-m-Durchmesser großes Weltraumteleskop, komplementäre Daten von 60–600 Mikrometern W ellenlänge liefern. © 2009 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 4/5 Jahrbuch 2008/2009 | W yrow ski, Friedrich; Schuller, Frédéric; Menten, Karl M. | ATLASGAL: Die APEXDurchmusterung unserer Milchstraße im kalten Staub Am m onia k be oba chtunge n m it de m Effe lsbe rge r 100-m Te le sk op in R ichtung von ATLASGAL Q ue lle n. Ge ze igt we rde n die He lligk e itste m pe ra ture n ge ge n die ge m e sse ne n Ge schwindigk e ite n a us de m Dopple re ffe k t. Ma n be a chte die a ufge löste Hype rfe instruk tur de r Spe k tra llinie n. © Ma x -P la nck -Institut für R a dioa stronom ie / W ie ne n Ausblick APEX w ird mit dem ATLASGAL Projekt seinem Namen als Pfadfinder gerecht: Mit der Kartierung unserer Milchstraße im Submillimeter-Wellenlängenbereich w ird eine einzigartige Datenbasis zur Untersuchung massereiche Sternentstehung und der Struktur unsere Milchstraße geschaffen. Dies w ird es erlauben, Sternentstehungsgebiete in unterschiedlichsten Entw icklungsstufen und Massenbereichen auszuw ählen, die sich dann im nächsten Jahrzehnt in allen Einzelheiten mit ALMA studieren lassen. ALMA steht für Atacama Large (Sub)Millimeter Array und ist ein w eltw eites Projekt über 50 Antennen, ähnlich dem APEX Teleskop, auf der Chajnantor-Hochebene zu betreiben und zusammen zu schalten. Mit seiner Durchmusterung setzt ATLASGAL eine stolze Tradition des MPIfR Bonn in der galaktischen Astronomie fort. © 2009 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 5/5