S T E I N Z E I T ROBERT MEYER UND VICTO RIA VON GAUDECKER MIT SABRINA HOHMANN S T E I N Z E I T 2 3 4 5 INHALT VO RWO RT 9 IM PR ES S ION 13 STEINZEIT – VO M F L U S S A N S H AU S 14 69 STEI NE – 69 WO H NUNGEN 25 PRO J E K T DAT E N 46 PE RS O N E N 48 DA NK E F ÜR D I E FR EUND LIC HE UN T E RST Ü T Z U N G 50 B I L D N ACH W EIS, I M P R E S S U M 54 VORWORT IS A R KI ES EL IN D ER U RBA N ST R AS S E Die Südhausbau ist in jeder Hinsicht mit München verbunden. Als Familienunternehmen haben wir hier unsere Heimat. Mit den Häusern, die wir bauen, haben wir die Möglichkeit, unsere Stadt mit zu gestalten. Jedes Projekt ist eine Herausforderung an Kreativität, Einfallsreichtum und Lebensnähe. Mit unserem Projekt in der Urbanstraße, zwischen Flaucher und dem geschichtsträchtigen Viertel Sendling, wollten wir etwas ganz Besonderes schaffen, sowohl bei der Gestaltung der Wohnungen als auch mit dem ersten Eindruck von außen. Das Thema „Kunst am Bau“ sollte bei der Fassadengestaltung eine tragende Rolle spielen. Also haben wir 2007 einen Kunstwettbewerb ausgeschrieben, bei dem die Münchner Künstlerin Sabrina Hohmann mit ihrem Konzept überzeugte, weil es Themen aufgreift, die uns beschäftigen: Was macht das Leben am Fluss, an der Isar, so attraktiv? Was ist es, was da durch die Stadt getragen wird, wie in einer blauen, wilden, rauschenden Ader? Wie lässt sich die Nähe zum Ursprung, zur gewachsenen Umgebung aufgreifen und interpretieren? Bei der Gestaltung der Fassade hat Sabrina Hohmann die Idee der Nachbarschaft zur Isar weiterentwickelt: „Das neue Wohnhaus an der Urbanstraße ist geprägt von horizontalen Brüstungsbändern, die das Gebäude leicht schwingend umfassen und ihm eine fließende Leichtigkeit verleihen. An den Brüstungsbändern der Fassade erscheinen Abdrücke von Isarkieseln als unregelmäßige Vertiefung. Die Steine aus dem Flussbett der Isar, die hier am Gebäude als Abdruck erscheinen, sind allesamt Unikate, Fragmente der Alpen, die durch den 8 9 Einfluss von Zeit, Geologie und Klima ihre Form erhalten haben“, sagt die Künstlerin über ihr Projekt. Der Fluss ist ein Bild für so vieles: Im Leben, in unserer Arbeit, mit unseren Familien ist immer alles in Bewegung. Nichts bleibt, wie es ist, jede Veränderung schafft neue Perspektiven. Wir freuen uns, dass die Isar direkt in der Urbanstraße ihre Spuren hinterlässt. Unser herzlicher Dank gilt Sabrina Hohmann und den Architekten Victoria von Gaudecker und Robert Meyer. Dr. Matthias Ottmann ist Geschäftsführender Gesellschafter der Ottmann GmbH & Co. Südhausbau KG. Dr. Ottmann, geboren 1963 in München, studierte Volkswirtschaft in Freiburg und München und wurde 1994 an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt promoviert. Schwerpunkt seiner Dissertation bildete der „Städtebauliche Vertrag“. Bereits seit 1994 leitet er das Unternehmen, zunächst gemeinsam mit seinem Vater Paul Ottmann und Bruder Hans Paul Ottmann. Seit 2004 nimmt er diese Aufgabe als alleiniger Geschäftsführer wahr. Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer hält Dr. Ottmann Vorlesungen am Institut für Wirtschaftsgeographie der Ludwig-Maximilians-Universität in München, von 2002 bis 2005 ebenfalls auch an der Universität Augsburg. Themenschwerpunkte der Vorlesungen sind das Immobilienmanagement, strategisches Controlling, Projektmanagement wie auch das Wertschöpfungsmanagement im Rahmen der Portfoliobetrachtung. Seit 2005 ist Matthias Ottmann Mitglied des deutschen Beirats der Eurohypo AG und seit 2008 Mitglied der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL). Zusätzlich ist Matthias Ottmann im Kunstverein München e.V. und bei PIN. Freunde der Pinakothek der Moderne e.V. jeweils als Vorstandsmitglied aktiv. DR. MATTHIAS OTTMANN 10 11 IMPRESSION EIN KONZEPT FÜR DIE FASSADE DES GEBÄUDES URBANSTR. 11 VON SABRINA HOHMANN Das neue Wohnhaus an der Urbanstraße ist geprägt von horizontalen Brüstungsbändern, die das Gebäude leicht schwingend umfangen und ihm eine fließende Leichtigkeit verleihen. Diese Charakteristik wird im vorgelegten Entwurf betont und inhaltlich mit der Lage des Gebäudes im Münchner Süden, nahe der Isar, verknüpft. An den Brüstungsbändern der Fassade erscheinen Abdrücke von Isarkieseln als unregelmäßige Vertiefungen. Die Eindrücke verlaufen horizontal etwa in Plattenmitte und ergeben kein regelmäßiges Ornament, sondern haben eine scheinbar zufällig anmutende Abfolge. Abschnitte mit dichterer Anzahl wechseln mit lose gestreuten Eindrücken, völliges Verschwinden und wieder Auftauchen der Bemusterung lässt die Anordnung pulsieren und rhythmisiert die langen Brüstungsbänder sanft. Die Steine aus dem Flussbett der Isar, die hier am Gebäude als Abdruck erscheinen, vereinen unterschiedliche Aspekte. Alle Isarkiesel sind Unikate, Fragmente der Alpen, die durch den Einfluss von Zeit, Geologie und Klima ihre Form erhalten haben. Diese Formen sind unaufdringlich und gleichzeitig unverwechselbar. Sie sind gegeben und nicht erfunden. Der Eindruck solcher Steine an der Fassade des Wohnhauses Urbanstraße 11 ist also eine – im wörtlichen Sinne – Impression der nahe gelegenen Isar, ein Indiz der unmittelbaren prägenden Umgebung des Viertels und der Stadt München. Im übertragenen und erweiterten Sinne visualisiert diese Impression ein Landschaftsgefüge, den Zeitfluss, die Natur. 12 69 Steine gesammelt an den Isarufern 13 STEINZEIT – VOM FLUSS ANS HAUS Zersägte Kiesel zur Herstellung abformgeeigneter Teilstücke 14 Erste Anordnung der Steinabschnitte auf Papier in Originalgröße Papierne Schablonen der vier Grundplatten in Originalgröße Tausende Kopien der Papierschablonen werden zugeschnitten. 15 Detail der Werkplanung im Maßstab 1:20 16 Vorläufige Montagetabelle Die Aluminiumgüsse werden auf der Mutterplatte exakt eingemessen und montiert. 17 Kleinste Hinterschneidungen an den Rändern werden markiert und nachbearbeitet. 18 Erste Stapel der Fassadenplatten 19 Linke Seite: Um das Fassadenrelief auch in den Stahlbetonfertigteilen abzubilden, wurden Kautschukmatrizen von den ersten Fassadenplatten abgegossen. Die Matrizen werden in die Schalung eingeklebt. 20 Schalung für einen schwingenden Balkon 21 Erste Betonfertigteile mit Abdrücken der Isarkiesel treffen auf der Baustelle ein. 22 Montage der reliefierten Balkone am Rohbau 23 69 STEINE – 69 WOHNUNGEN D IE A RCH ITEK TEN ROB E RT M E Y E R U N D VIC TO R IA VO N G AU D E C K E R U N D DI E K Ü N ST L E RI N SA B RINA H O H M A NN IM GE S P R ÄCH M I T J O CHE N PAU L Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an dem Projekt Urbanstraße 11? S A BR IN A H OH M A N N Für mich besteht die Besonderheit darin, dass meine Gestaltung mit dem Entstehen des Gebäudes zusammenfließt: Das Relief der Brüstungsbänder – die Abdrücke der Isarkiesel – ist bereits in die Baumaterialien eingebettet: „Traditionelle“ Kunst am Bau steht zwar im Dialog mit der Architektur, ist aber kein Bestandteil von ihr. Meine Arbeit für das Projekt Urbanstraße 11 dagegen ist weder Applikation noch selbständiges Kunstwerk, sondern eine für mich neue Verdichtung und Verschmelzung von Kunst und Architektur, auf die ich mich sehr gerne eingelassen habe. Beim Projekt Urbanstraße gab es die Anregung, sich mit den Brüstungsbändern zu beschäftigen, gleichzeitig bestand die Möglichkeit, außergewöhnlich frühzeitig in deren Herstellungsprozess einzugreifen. RO BE RT ME Y E R Für mich war an der Zusammenarbeit mit Sabrina entscheidend, an die im Wohnungsbau bis in die 1950er Jahre sehr lebendige Tradition der Kunst am Bau wieder anzuknüpfen. Darüber hinaus ist es uns gelungen, die Architektur des Baukörpers mit der künstlerischen Gestaltung der Fassade zu einer Einheit zu „verklammern“. Eine Trennlinie zwischen Kunst und Architektur kann nicht gefunden werden. V IC TO RI A VON GAU D E C K E R Die horizontalen Brüstungsbänder bilden ein wichtiges Gestaltungsmittel der Fassade, um die verschiedenen Baukörper, die unterschiedlichen Höhen und ihre Lage zueinander zu einem homogenen Ganzen werden zu lassen. Wir haben versucht, mit dem Thema der Fassadenbänder und einer besonderen Putzstruktur, die in Sendling Tradition hat, das Gebäude zu fassen. 24 Schwingende Balkone in der Schwaneckstraße 25 Die Südfassade längs der Urbanstraße; unten sind die Straßenzugänge der Erdgeschosswohnungen zu sehen. Wie kam es zu der Idee der Brüstungsbänder als verbindende Klammer? V VG Für uns als Architekten ist die Gestaltung der Fassade natürlich sehr wichtig, und nachdem wir festgestellt hatten, dass der von uns gewollte, expressive Putz mit einem Wärmedämmverbundsystem kaum realisierbar ist, kamen wir zu der Kombination aus Stahlbetonfertigteilen für die geschwungenen Balkone und der Fassade vorgesetzten Kunststeinplatten. So konnte eine Alternative für die strukturierten Fassadenbänder, die wir zunächst mit einer „Löffelputzstruktur“ entworfen hatten, entstehen. S H Ich habe mir in der Wettbewerbsphase zunächst überlegt, was es bedeutet, wenn ganz unterschiedliche Menschen aus den verschiedensten Orten sich mehr oder weniger zufällig in der Urbanstraße 11 eine Wohnung kaufen. Das hat mich auf die Isarkiesel gebracht, die ja auch von irgendwo herkommen, auf ihrem Weg dorthin individuell abgeschliffen werden, und die dann da herumliegen... Als nächstes habe ich mir die Produktion der Kunststeinplatten angesehen: Sand und Kunstharz werden in einen Rahmen geschüttet und anschließend unter Druck und Hitze verpresst; das ist eine „ur-bildhauerische“ Technik, die mich zu der Frage führte, ob man das Relief nicht gleich mit abbilden könnte, anstatt es danach auszufräsen. So bin ich auf die Idee gekommen, die Steine bzw. deren „Abschnitte“ direkt in die Mutterplatte einzulegen, um das Relief in einem Arbeitsgang mit der Platte herzustellen. Faszinierend daran war die Verbindung eines modernen Produktionsprozesses mit einer traditionellen künstlerischen Methode. 26 27 Die Südfassade längs der Urbanstraße mit Blick in die Schwaneckstraße Abgesehen von der Metapher der Menschen, die dort „anlanden“ – was haben die Flusskiesel mit dem Ort zu tun? S H Wir sind in der Urbanstraße ja unmittelbar in Isarnähe, insofern fallen die beiden Aspekte zusammen: Einerseits befindet man sich an diesem Ort, andererseits sind die Steine – wie die Menschen auch – von irgendwo hergekommen. Interessant ist dabei, welche Prägnanz die Steine als nicht von mir gemachte, sondern vorgefundene Form haben: Die Beschaffenheit eines Kieselsteins, seine ganz spezielle Oberfläche und Ausgestaltung waren für die Klarheit und Stringenz der Arbeit sehr hilfreich. Nach welchen Kriterien haben Sie die Steine ausgewählt? S H Zunächst nach technischen Kriterien, denn wenn ich im Umgießverfahren einen Abdruck mache, dann darf der Stein keine Hinterschneidung haben. Dennoch sollten die Steine verschieden sein. Und die Anzahl richtete sich nach der Anzahl der Wohnungen im Gebäude. R M Im Grunde genommen war diese Arbeit für den Hersteller eine Neuentwicklung, die sehr stark auf unsere gemeinsame Initiative und Anregung zurückzuführen ist. Ich bin sehr gespannt darauf, was sich aus einer eventuellen zukünftigen Zusammenarbeit weiter entwickelt. Haben Sie sich das Verfahren schützen lassen? Dem Hersteller eröffnet es ja eine große Palette an Möglichkeiten... R M Wir haben darüber nachgedacht... 28 29 Fassadendetail in der Schwaneckstraße Der Abdruck von Kieselsteinen ist jetzt durch mein Urheberrecht geschützt, Abdrücke von anderen Formen stehen frei. R M Über rein produktbezogene Aspekte hinaus ist derzeit bei vielen Architekten eine Tendenz zur „Rückkehr des Ornaments“ festzustellen, für die unsere Arbeit wiederum interessante technische Möglichkeiten aufzeigt. Aufgrund des Kostendrucks und der hohen Grundstückspreise in Großstädten kommen wir als Architekten nicht umhin, uns bei den Themen Wärmeschutz und Energieeffizienz mit Wärmedämmverbundsystemen zu beschäftigen. Das entwickelte Produkt hat uns dazu verholfen, wie beabsichtigt ein steinernes und stattliches Haus in das Quartier einzufügen. V VG Als Architekten dachten wir zunächst an einen traditionellen Löffelputz. Allerdings hätte er ausgefräst auf die Kunststeinplatte übertragen viel weniger plastisch und lebendig SH 30 Rechte Seite: Lichtspiele 31 Blick von Norden: Längs der Schwaneckstraße befinden sich neun Stadthäuser mit separaten Eingängen, der breite Gehweg bietet Platz für Kinderspiel. Detail Stadthaus gewirkt als von Hand gefertigt. Insofern war es wichtig, über die Flusskiesel zu einer „natürlichen“ Anmutung und Haptik zu finden – dabei ist es gerade über den Umweg eines komplexen technischen Prozesses gelungen, eine „individuelle“ Sinnlichkeit zu schaffen: Die 69 unterschiedlichen Steine stehen für die 69 Wohnungen und ihre Bewohner. R M Für die Bewohner ist das eine wichtige Identifikation mit dem Gebäude: Erst dadurch, dass jeder einzelne Stein mehr als 500 Mal auf der Fassade abgedrückt ist, entsteht die von uns beabsichtigte Verklammerung des Einzelnen mit dem Ganzen. Als Ausdruck hierfür kann jeder Käufer einer Wohnung einen der Originalsteinabschnitte erhalten. S H Das Projekt war auch für die Fassadenbauer sehr aufwändig: Anstatt wie üblich eine Platte neben die andere zu kleben, gab es für die Urbanstraße Werkpläne im Maßstab 1:20, auf denen exakt verzeichnet war, wo jede einzelne der vier unterschiedlichen Platten – an der Hoffassade sind es sogar 12 unterschiedliche Module – anzubringen war, und ob um 180 Grad gedreht oder nicht. Interessant zu beobachten war, wie ihre anfängliche Skepsis peu à peu einer Identifikation mit dem Projekt, professionellem Ehrgeiz und Stolz auf die geleistete Arbeit wich. Auch der Betonbauer... in die Schalungen für die auskragenden Balkone wurden vor dem Betonieren die Matrizen eingelegt, weshalb wir ständig zwischen Positiv und Negativ, links und rechts hin- und her springen mussten. R M Während die Kunststeinplatten erst angebracht wurden, nachdem die oberste Decke betoniert beziehungsweise die Fenster montiert waren, wurden die vorproduzierten (und auch mit dem Muster versehenen) Balkone bereits im Rohbau benötigt– was für Sabrina bedeutete, dass ihr Entwurf der vier Basisplatten bereits in einer sehr frühen Bauphase fertig 32 33 Linke Seite: Nordfassade des Innenhofs. Die schmaleren Fassadenbänder integrieren die Stahlbetonbalkone und verleihen dem Hof Leichtigkeit. Den Mittelpunkt des Hofes bildet ein einzelner, besonderer Baum. 34 Diese Seite: Die Erdgeschoss - und Dachterrassen der Stadthäuser 35 sein musste, um die Gummimatrizen abnehmen zu können, mit denen wiederum die Stahlbetonfertigteile der Balkonbrüstungen gegossen wurden – alles in allem ein sehr komplexes, schwierig zu taktendes Verfahren mit einem beachtlichen Vorlauf. Kunst am Bau ist normalerweise auf öffentliche Bauten beschränkt. Wie kam es zu dem Wettbewerb, welches Interesse hatte die Südhausbau daran? V VG Der Vorschlag dazu kam von uns, nachdem wir ausgehend von der Idee der gestalteten Brüstungsbänder die Chance erkannten, unter Hinzuziehung eines Künstlers ein besseres Ergebnis zu erreichen. Wir haben daraufhin fünf Künstler vorgeschlagen, von denen drei zu einem Wettbewerb eingeladen wurden. Erleichternd dazu kam, dass wir mit der Südhausbau einen künstlerisch sehr aufgeschlossenen Bauherrn hatten: Anja Ottmann unterhält mit der 36 37 Sammlung Südhausbau eine eigene Galerie und vergibt mit den Freunden der Pinakothek der Moderne ein Künstlerstipendium. R M Sich auf das Wagnis eines Kunst am Bau-Wettbewerbs einzulassen, von dem lange Zeit nicht feststand, wie das Ergebnis werden würde, erfordert für einen Bauträger sehr viel Mut – die meisten machen so etwas nicht … S H … auch wenn das Budget vergleichsweise gering war. Schafft die Identität der Fassadengestaltung für den Bauträger nicht auch einen Mehrwert für den Verkauf der Wohnungen? S H Er kann aber auch ein paar Wohnungen weniger verkaufen, das kann man vorher nicht wissen: Ein Kaufinteressent fragte mich zum Beispiel, was die Einschusslöcher an der Fassade bedeuten... Ein großes Risiko geht der Investor allerdings nicht ein – schlimmstenfalls wäre das Ergebnis des Wettbewerbs eben nicht realisiert worden. Wie haben Sie im Entwurfsprozess die Motive der Fassadenbänder festgelegt? S H : Mir war mir schnell klar, dass ich kein Muster und keinen Rapport haben wollte, obwohl es um die serielle Anfertigung eines Baumaterials ging. Darum habe ich verschiedene Anordnungen der 69 Kieselsteine auf dem Format der Verbundplatten in unterschiedlichen Verdichtungen angelegt. Das ist auch ein zentrales Thema von vielen meiner Arbeiten: Verdichten und Entzerren, das Einzelne und die Vielen… R M Wichtig dabei ist auch der Kostenhintergrund: Es geht zwar um 1.200 Meter Fassaden38 abwicklung, aber wir konnten deswegen nicht 1.000 verschiedene Platten entwerfen, sondern es ging darum, mit möglichst wenigen unterschiedlichen Platten auszukommen. S H Danach wurden die Platten so vorkonfiguriert, dass man sie um 180 Grad drehen konnte – so wurden aus vier Platten acht, wobei es technische Aspekte wie den Wasserablauf zu berücksichtigen gab. Das Relief verläuft auf den Brüstungsbändern nicht gleichmäßig und auch nicht immer füllend; die Dramaturgie beinhaltet Stellen, an denen es abebbt und nach einer Pause wieder anhebt. Um eine bewegte, pulsierende Abfolge zu erreichen, habe ich ein 1:20-Modell der Urbanstraße 11 im Atelier mit circa 2.000 Papierkopien der unterschiedlichen Platten beklebt, sowas können Sie gar nicht ausschließlich am Computer machen. Entscheidend ist dann die Frage der Abfolge – wie haben Sie die gelöst? S H Die Strecken zwischen den Balkonen – diese sind, weil aus Stahlbeton gegossen, immer gleich bemustert – sind nicht unbedingt durch das Maß der Platten teilbar, weshalb die Platten so angelegt sein mussten, dass sie geteilt werden konnten, ohne das Relief zu zerschneiden. Dadurch entstehen mehr Spielraum und die Möglichkeit, so zu „komponieren“, dass sich fließende Übergänge statt abrupter Anschlüsse ergeben. Mich erinnert die Gestaltung der Brüstungsbänder auch etwas an die eine Zeit lang sehr populären Waschbeton-Platten... R M Darüber haben wir tatsächlich auch nachgedacht – wir wussten lange Zeit nicht, wie sich diese Fassade, die wir als Putz wollten, umsetzen lässt... Interessanterweise befindet sich 39 direkt gegenüber der Urbanstraße 11 ein Gebäudekomplex aus den 1970er Jahren, der auf den ersten Blick zwar etwas brachial, rau und düster wirkt, aber für seine Zeit steht und ebenfalls mit dem Thema der horizontalen Gliederung spielt. Auch wenn uns das bei der Konzeption unserer Fassade nicht unmittelbar bewusst war, korrespondiert das Ensemble jetzt miteinander. Über das Verbindende der Horizontalität nimmt man die beiden Gebäude anders und auch gemeinsam wahr. V VG Auch wenn Fertigteile im Gegensatz zu unserem Entwurf immer den Aspekt des Wiederkehrenden, Seriellen haben... durch die Komposition von Sabrina Hohmann wird aus einer seriellen Fertigung doch eine sehr vielschichtige Abwicklung, die der Homogenität einer Waschbetonplatte entgegensteht. R M Auch wenn die Wirkung des Hauses sehr stark durch die Fassade geprägt wird: Hintergrund war, dass wir die Mehrkosten der Fassade erst durch die vorangehende Optimierung der Planung „finanzieren“ mussten – eine sehr klassische Architektenleistung. So haben wir uns beispielsweise aufgrund der schwierigen Bodenbeschaffenheit lange mit der Tiefgarage beschäftigt, weil wir das Budget nicht in der Erde vergraben, sondern dafür etwas Sichtbares bekommen wollten. Dieses Konzept ist aufgegangen. S H Für mich ist das Brüstungsband ein gestalterisches Element mit hohem Anspruch – ob es Kunst ist, weiß ich nicht genau. In unserem Fall wird der Anspruch aber gerade dadurch eingelöst, dass „Kunst“ und „Architektur“ nicht mehr zu trennen sind. JOCHEN PAUL ist Redakteur und Autor. Er schreibt über Architektur und Design. 40 Nachfolgende Seiten: Die Treppenräume sind in intensive Farben getaucht 41 42 43 Grundriss Erdgeschoss: Längs der Schwaneckstraße wird die Typologie der neun Stadthäuser sichtbar. Grundriss 1.Obergeschoss Grundriss 2. Obergeschoss SCHWANEC BRUDE KSTRASSE RHOFS TRASS E Lageplan URBA NSTR ASSE Lageplan, Maßstab 1/2000 44 45 PROJEKTDATEN P LAN U N G Robert Meyer Architekten, Klenzestraße 38 / V, 80469 München, Telefon 089 / 21 57 85-21, Fax -18, [email protected], www.RMArchitekten.de Victoria von Gaudecker, Neurieder Straße 27, 82131 Gauting, Telefon 089 / 21 57 94 05, [email protected], www.vongaudecker.de B EAR B E IT E R Robert Meyer, Victoria von Gaudecker mit Tobias Karlhuber und Michael Fischer K U N ST Sabrina Hohmann, Quelle 1, 83646 Wackersberg, [email protected], www.SabrinaHohmann.de, Mitarbeit: Verena Boiger AU FT R AG G EBE R Südhausbau Verkaufsgesellschaft mbH, Görresstraße 2, 80798 München, www.suedhausbau.de, Ansprechpartner: Herr Kai Morgenstern, Telefon 089 / 27 27 42 52 B ES C HR E I B U N G Neubau eines Wohnhauses mit 69 Wohnungen und einer Tiefgarage mit 75 Stellplätzen O RT 81371 München, Urbanstraße 11 KO ST E N 9,6 Mio. € netto (KG 300 / 400) VO L U M E N BGF 9.650 m² oberirdisch, WF 7.100 m² oberirdisch B E AUFT R AG U N G Leistungsphasen 1 – 4, 5 (Regeldetailplanung) nach HOAI Z EI T R AU M 03 / 2006 – 06 / 2009 (Fertigstellung) 46 el:ch Landschaftsarchitekten Ingenieurbüro Hörmann & Bosch TEC HN IS CH E AU S R Ü ST U N G Teuber + Viel Ingenieurgesellschaft VO RB EUGEND ER B R A ND S C H UTZ Karl Lesnik V ER M ES S UNG GEOSYS° - IB Eber W ER K PLA NUNG CAD Planpartner B AU L EITUNG SPP Sturm, Peter + Peter S C HA LLS C H UTZ Möhler + Partner LA ND S C H AF T TR AG W E R K / E N EV 47 PERSONEN VI CTORIA VON G AUDECKER S A B R INA H O HM A NN RO BE RT M EY ER 1968 1988 1991 / 97 1966 1985 1986 1987 / 93 1964 geboren in Freising 1984 / 89 Studium der Architektur an der Fachhochschule Augsburg, Diplom 1990 / 92 Aufbaustudium Architektur an der Akademie der Bildenden Künste München, Klasse Prof. Erich SchneiderWessling, Prof. Otto Steidle 1992 Gründung des eigenen Architekturbüros in München 1992 / 94 Projektpartner bei Prof. Otto Steidle, München 1994 Mitarbeit bei Massimiliano Fuksas, Rom 1995 Rückkehr nach München, Weiterführung des eigenen Architekturbüros geboren in Hannover Bauzeichnerlehre Studium Architektur: Bauhaus Universität Weimar, Politecnico di Milano bei Prof. Giorgio Grassi, Virginia Tech University / Alexandria, Washington DC 1997 eigenes Architekturbüro in Haunetal 2000 / 05 Projektleiterin bei Prof. Adolf Krischanitz, Wien seit 2005 eigenes Architekturbüro in München seit 2005 akademische Mitarbeiterin an der Universität Stuttgart bei Prof. Arno Lederer 48 geboren in Ulm Abitur in München Köchin auf dem Großsegler „Thor Heyerdahl“ Studium der Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste, München 1990 / 91 Studentenvertretung der Akademie der bildenden Künste, München 1993 Diplom, seither freischaffende Künstlerin 1994 / 00 freie Mitarbeit im Kinderforum van de Loo 1997 Arbeitsaufenthalt in Japan 2001 Atelier in Wackersberg/Obb. 2003 Arbeitsaufenthalt in Mexiko 49 DAN K E FÜR D IE F R E U N D LICH E UNTERSTÜTZUNG Ottmann GmbH & Co. Südhausbau KG Görresstraße 2 80798 München Telefon 089 / 27 27 42 77 [email protected] www.suedhausbau.de StoVerotec GmbH Hanns-Martin-Schleyer-Straße 1 89415 Lauingen/Donau Telefon 09072 / 990 - 0 Telefax 09072 / 990 - 117 [email protected] www.stoverotec.de GEOSYS° - IB Eber Landsberger Straße 155/1 80687 München Telefon 089 / 20 18 26 44 0 [email protected] www.geosys-eber.de Teuber + Viel Ingenieurgesellschaft mbH Eversbuschstraße 194b 80999 München Telefon 089 / 89 26 29 - 0 [email protected] www.teuber-viel.de ISOMA GmbH Parkweg 6 83137 Schonstett Telefon 08055 / 905 40 [email protected] www.haustechnik-isoma.de Käuferle GmbH & Co. KG Robert Bosch Straße 4 86551 Aichach Telefon 08251 / 90 05 - 0 [email protected] www.kaeuferle.de Möhler + Partner Paul-Heyse-Straße 27 80336 München Telefon 089 / 54 42 17 - 0 [email protected] www.mopa.de Stadler Treppen Postfach 1554 88344 Bad Saulgau Telefon 07581 / 50 50 [email protected] www.stadler.de Thaler GmbH Schulweg 11 85301 Güntersdorf / Schweitenkirchen Telefon 08444 / 72 61 [email protected] Vukavin & Vincek Ilmstraße 1 85579 Neubiberg Telefon 089 / 688 84 68 vukavin-vincek-gmbh@ t-online.de www.vukavin-vincek.de WEPA Bau GmbH Hohenbrunnerstraße 14c 85579 Neubiberg Telefon 089 / 60 01 94 - 24 Telefax 089 / 60 01 94 - 25 [email protected] Dr.-Ing. A. Schubert Werner-von-Siemens-Straße 17 82140 Olching Telefon 08142 / 490 00 [email protected] www.dr-schubert-geotec.de Hörmann und Bosch GmbH Hörmann und Bosch GmbH Stefan George Ring 6 81929 München Telefon 089 / 99 30 93 - 0 [email protected] 50 CAD Planpartner Langbehnstraße 9 83022 Rosenheim Telefon 08031 / 28 44 0 [email protected] www.cad-planpartner.de Firma H. Harrer Postfach 1340 84343 Pfarrkirchen Telefon 08561 - 233 80 [email protected] www.harrer-metallbau.de Grebien GmbH Freilandstraße 4 82194 Gröbenzell Telefon 08142 / 510 03 [email protected] www.dachdeckerei-grebien.de HAUSEGGER GMBH Theodor-Fischer-Straße 105 80999 München Telefon 089 / 812 94 28 Telefax 089 / 812 95 49 [email protected] 51 52 53 B IL D N ACH W E I S S. 26, S. 29, S. 35, S. 36, S. 43 S. 2/3, S. 4/5, S. 12, S. 14, S. 16 STE FAN M Ü L L E R -N AU M ANN S. 38, S. 45 LOTH AR R E I C HE L S. 49 rechts F R AN K SAU E R S. 15, S. 17, S. 18/19, S. 20, S. 21 links, S. 22 links, S. 23, S. 24, S. 32, S. 34, S. 37 alle anderen Abbildungen von den Architekten MI C HAEL H E I N R I CH S ABRIN A H O HM A N N U M S C H L AG Gipsmodell Wettbewerbsbeitrag von Sabrina Hohmann IMPR ES S U M Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung „SteinZeit“ in der Architekturgalerie München vom 4. – 26. September 2009. Türkenstraße 30, 80333 München, www.architekturgalerie-muenchen.de Robert Meyer, Victoria von Gaudecker, Sabrina Hohmann G E STA LT U N G Christine Bernard D R U C K Holzer Druck und Medien G ES AM TH E RST E L L U N G ea Edition Architektur, Christine Bernard und Jan Esche H E R AU S G EB E R © 2009 ea Edition Architektur, München www.edition-architektur.de ISBN 978-3-941145-06-1 54