Digitale Vernetzung: BIM – der Countdown läuft

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PRAXIS
Digitale Vernetzung
BIM – der Countdown läuft
«BIM – Building Information Modeling» ist in aller Munde. Ab 2018 wird bei öffentlichen Ausschreibungen
BIM-Kompatibilität eingefordert. Klar, Planungsbüros wollen sich auf die anstehende Regelung vorbereiten –
doch herrscht grosse Verunsicherung in der Branche. Was genau bedeutet BIM, wie können Mitarbeiter
für die neue Arbeitsmethode geschult werden, für welche Bauphasen ist sie relevant?
Von Katharina Weber*
D
igitale Vernetzung wird immer wichtiger.
BIM soll als neue Arbeitsmethode den Informationsfluss zwischen Architekten, Bauingenieuren, Fachplanern, Herstellern und Ausführenden optimieren. Planungsfehler, die ehemals erst auf der Baustelle zutage getreten sind,
sollen mithilfe BIM bereits in der Planungsphase
detektiert und korrigiert werden. Sogar soll die
28 baublatt
komplette Bewirtschaftung eines Gebäudes über
seine ­gesamte Lebensdauer durch BIM kontrolliert ­und gesteuert werden können. «BIM –
Einführung in der Schweiz» lautete der Titel der
Tagung für B
­ esteller, Planer, Unternehmer und
Betreiber zu welcher der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA) Mitte Juni an
die ETH Zürich einlud.
BIM beschreibt eine Methodik, bei welcher die
verschiedenen Baubeteiligten ihre Informationen
in 3D-Modelle einspeisen. Diese werden dann
permanent miteinander abgeglichen. Ändert der
Architekt in seinem Modell den Entwurf, werden
automatisch alle relevanten Parameter angepasst
und bei den Modellen der betroffenen Fach­planer
aktualisiert. Genauso verhält es sich vice versa.
Nr. 28, Freitag, 10. Juli 2015
Visualisierungen: zvg
Neue Informationstechnik
kann die Planungkosten für
Gebäude reduzieren und
deren nachträgliche Bewirtschaftung verbessern.
Der lineare Planungsprozess, der durch eine Vielzahl an Modellen und Werkzeugen sowie sehr
grosse Datenmengen gekennzeichnet ist, wird
durch ein integriertes Gesamtmodell – den dynamischen BIM-Prozess – abgelöst. Ziel ist eine
­Effizienzsteigerung im Hinblick auf Zeit-, Kostenund Ressourcenplanung. Somit gewinnt BIM auch
für die Bauherrschaft zunehmend an Bedeutung.
Roche entscheidet sich für BIM
Innerhalb der nächsten zehn Jahre wird Roche
3 Milliarden Franken in neue Büro- und Labor­
gebäude investieren. Nicht nur die Planung, auch
das Facility-Management soll über BIM gesteuert
werden. «BIM setzen wir ein, um die Datenintegrität sowohl über die komplette Planungs- und Bauphase als auch über den gesamten L­ ebenszyklus
aller Gebäude aufrecht erhalten ­­zu können», erklärt Riekert, Projektleiter der BIM-Arbeitsgruppe
bei Roche. «Wir sind überzeugt, dass sich der anfängliche Mehraufwand rentieren wird. Insbesondere bei komplexen Bauvor­haben werden sich die
Vorteile von BIM deutlich manifestieren.»
Nr. 28, Freitag, 10. Juli 2015
Ähnlich begeistert äusserte sich Christoph Merz,
Vertreter der Koordinationskonferenz der Bauund Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren und der Interessengemeinschaft privater
professioneller Bauherren: «Öffentliche und private Bauherren stehen hinter BIM und wollen
­dessen Entwicklung vorantreiben. Da die Bauvorhaben zunehmend komplexer und die Realisie-
finden, die mit BIM vertraut seien. Während sich
BIM in den USA, Grossbritannien und Skandinavien bereits weitestgehend durchgesetzt hat,
hinkt der deutschsprachige Raum hinterher.
Mitarbeiter schulen
Mit dem Masterstudiengang «Digitales Bauen»
liefert die Fachhochschule Nordwestschweiz eine
Antwort auf die grosse Nachfrage
in der Praxis. Der Studiengang richtet sich sowohl an Führungskräfte
von Planungsbüros und Baufirmen
Der anfängliche Mehraufwand
als auch an professionelle Bauherwird sich rentieren, insbesondere bei
ren und Investoren. In drei Lehrgänkomplexen Bauvorhaben.
gen und einer Master-Thesis wird
den Studenten Wissen über «die
Möglichkeiten, Chancen und RisiDaniel Riekert, Projektleiter der BIM-Arbeitsgruppe bei Roche
ken von BIM-gestützten Prozessen
vermittelt, die in der Regel über­
rungszeiten kürzer werden, ist die Transparenz das eigene Unternehmen hinausreichen». Ferner
und Ressourcenschonung, die BIM verspricht, werden sie befähigt «im eigenen Unternehmen
­genau das Richtige.» Allerdings sei es für die Bau- Prozesse zu analysieren und durch gezielte Innoherrschaft schwierig, geeignete Planerteams zu vationen zu verbessern. Zentral ist auf dieser
«
»
baublatt 29 PRAXIS
Stufe das Verständnis für die Notwendigkeit und
den Nutzen standardisierter Schnittstellen.»
Auch die Hochschule Luzern bietet in ihrem
Bachelorstudiengang Gebäudetechnik ein Modul
BIM an, in welchem die interdisziplinäre 3D-/4DModellierung, das Anwenden von BIM sowie eine
intensive «Auseinandersetzung mit Nutzen für die
Ablaufplanung, Visualisierung, Kollisionsuntersuchung sowie statische und thermische Simulationen» vermittelt wird.
Little BIM versus big BIM
Nicht nur für Grossprojekte, auch bei kleineren
Bauvorhaben kann es durchaus sinnvoll sein, BIM
anzuwenden. Dies müsse je nach Projekt abgewogen werden, und es bedarf einer Planung der
Planung, bei welcher Ziele, Wege und Verbindlichkeiten festgelegt werden müssen.
Unterschieden wird zwischen «little BIM» und
«big BIM», wobei sich ersterer Begriff auf die
­Zusammenarbeit innerhalb eines Büros und
­letzterer auf einen interdisziplinären BIM-Einsatz
bezieht. Selbst bei der Anwendung von big BIM
arbeitet jedes Büro mit seiner herkömmlichen
Software. Der Datenabgleich erfolgt über Schnittstellen, so dass keinerlei Umstellung von Software notwendig ist. Um ein BIM-kompatibles
­Modell zu entwickeln, sollten zahlreiche Daten
eingepflegt und jedem Zeichenblock diverse Informationen wie Produktmerkmale, Planungs­
daten, Daten zur Statik und eventuell sogar Produktionsdaten zugewiesen werden. Alle Referenzen des eigenen Gewerkemodells zeigen auf den
automatisch synchronisierenden Datenpool. Die
LINK-TIPPS
Beteiligten arbeiten dezentral, können aber jederLeitfaden
zeit auf das aktuelle BIM-Modell zugreifen. Doch
Grundzüge einer open BIM Methodik
auch hier darf die Verhältnismässigkeit nicht
für die Schweiz, Ernst Basler + Partner
­ausser Acht gelassen werden. Der Informations(Februar 2015):
umfang des Modells sollte so gross wie nötig und
www.ebp.ch/files/publikationen/
so klein wie möglich gehalten sein.
ki-leitfaden-open-bim.pdf
Der anfängliche Mehraufwand zahlt sich aus.
«Vergleichende Studien zeigen, dass diese neuen
Allgemeine Infos
modularen Gebäudemodelle um den Faktor 5 einBIM Building Information Modeling
facher und damit beherrschbarer sind, ohne die
und digitale Planung in der Schweiz:
architektonische oder funktionale Qualität des
swissbim.ch
Entwurfes in irgendeiner Form zu beeinträchtigen», erläutert Volkmar Hovestadt, Geschäfts­
SIA-Tagung
führer von Digitales Bauen GmbH. Auch der ösAlle Referate der Tagung können unter
terreichische Architekt Peter Kompolschek ist­
folgendem Link abgerufen werden:
seit vielen Jahren Anhänger der BIM-Methode. Er
www.sia.ch/de/der-sia/berufsgruppen/
plädiert dafür, die Informationstiefe von BIM der
technik/jahrestagung-2015
Honorarordnung anzupassen. «Zudem müssen
BIM den länderspezifischen Normen angepasst
und offene Standards entwickelt werden.»
zen. Je nach Projekt müsse abgewogen werden,
welches die geeignete Arbeitsweise sei. BIM kann,
Chancen erkennen
muss aber nicht angemessen sein. Als eine Art
Bei der abschliessenden Podiumsdiskussion der Paradigmenwechsel der Baubranche beschreibt
Tagung kristallisierte sich die Empfehlung her- Marco Fleury, Bauingenieur bei Emch + Berger
aus, zunächst little BIM in den einzelnen Büros WSB AG, die Einführung von BIM: «Sie kann
zu etablieren, bevor die Vernetzung mit anderen durchaus mit der Einführung des CAD verglichen
Beteiligten via big BIM vollzogen wird. Insbeson- werden. Wer den Wechsel rechtzeitig in Angriff
dere kleineren Planungsbüros wird empfohlen, nimmt, kann davon profitieren. Wer diesen Zeitsich für BIM zu rüsten, um nicht den Anschluss punkt verpasst, läuft Gefahr den Anschluss zu
zu verpassen und von den grossen Ingenieurs­ verlieren.» ■
firmen abgehängt zu werden.
* Katharina Weber ist Chefredaktorin der Schweizer
BIM kann bei vielen Projekten eine sinnvolle Baudokumentation, der führenden Schweizer
Ergänzung darstellen, wird aber herkömmliche Informationsplattform für Bauprodukte, Architektur­
Werkzeuge wie Bleistift und Papier nicht erset- projekte und Expertenprofile.
BIM kann das Facility
Management eines
Gebäudes unterstützen.
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Nr. 28, Freitag, 10. Juli 2015
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