Neubau des Weinguts Abril: Stahl im Grün der Reben Praktikabel und ökologisch statt hochehrgeizig in der Ästhetik: Der Neubau des Weinguts Abril in Bischoffingen im Kaiserstuhl Frontansicht des Neubaus: Weingut Abril Foto: Susanne Sommerfeld Außerhalb von Bischoffingen, einem Ortsteil von Vogtsburg im Kaiserstuhl, leuchtet derzeit ein fast orangefarbener Quader aus dem Grün der Reben. Doch so deutlich auffallen soll der Neubau des Weinguts Abril eigentlich nicht. Der Cortenstahl, mit dem die Fassade des gut 30 Meter langen Quaders verkleidet ist, wird, so die Hoffnung, mit der Zeit die dunklere Tönung des Kaiserstühler Tuffgesteins annehmen. Überhaupt soll das Gebäude mit seinen zwei hohen Geschossen noch stärker im Grün der Reben versinken, wenn diese insbesondere auf der Westseite hochgewachsen sind. Beste Voraussetzungen für betriebliche Abläufe Einfügen in die Landschaft, das war, wird berichtet, die Lösung der Bauherren, dem Ehepaar Erivan und Helga Haub, Eigentümer der Tengelmann-Gruppe, an den Architekten. Wolfgang Münzing und sein mit dem Bau von Weingütern erfahrenes Büro in Fleis bei Heilbronn, haben dies, so gut es mit der Baumasse ging, versucht: Der Neubau steckt in einem Hang neben dem Enselsberg, was ihn nicht nur optisch kaschieren hilft, sondern auch für die betrieblichen Abläufe einer Kellerei beste Voraussetzungen schafft. Das Rebgut wird oben angeliefert und rutscht im Laufe der Verarbeitung Schritt für Schritt in die unteren Etagen. Kurzum: Anders, als es die ersten, bald verworfenen Entwürfe ankündigten, ist dies kein Weingut, das einen hochehrgeizigen architektonischen Akzent in die zum Rhein hin auslaufenden Hügel des Kaiserstuhls setzen will, trotz seiner beachtlichen Größe und dem Investitionsvolumen von mehr als zehn Millionen Euro. Das Hauptaugenmerk galt Anforderungen einer Ökoweinproduktion, die mit dem Rebgut möglichst schonend umgehen will, und ökologischen Ansprüchen, in diesem Fall einer nicht bloß neutralen, sondern sogar positiven Kohlendioxidbilanz. Entsprechend sind die gesamten technischen Räume, aber auch die großzügig ausgelegten Keller, von kühler Funktionalität aus glatten, gut gearbeiteten Sichtbetonwänden. Gleichwohl verzichtet Wolfgang Münzing nicht völlig auf architektonischen Ehrgeiz. Schließlich gibt es eine derartige, bei näherem Hinsehen kleinteilig gegliederte CortenFassade in der gesamten Region bisher nicht. Sie mag darum manchem gerade in ihrem Rostzustand ein unpassendes Material für ein Weingut erscheinen. Stahl aber ist andererseits für die Weinherstellung kein unbekanntes Material, weshalb durchaus nachvollziehbar ist, wenn man ihn hier einmal bewusst ausstellt – statt mit Stein und Holz eine ursprüngliche Handwerklichkeit vorzugaukeln, als gebe es im Keller – hier sogar in vorzeigbaren Räumen zwischen Obergeschoss und Keller – keine Technik. Eine geschwätzige Botschaft Aber vor der reinen Cortenstahl-Kiste, der im unteren Geschoss der Eingangsbereich vorgelagert ist, schreckte man dann doch zurück. In einer kühnen Assoziation mit dem auf diesem Grundstück ausgegrabenen altsteinzeitlichen Dorf aus der Epoche der Bandkeramiker zieht sich nun auf Höhe der Fenster im Obergeschoss ein graues Stahlband rund um den Bau, in dem kreuzförmige und rund Löcher ausgestanzt sind. Und als wäre das nicht Symbol genug, hat man braune Schattenrisse von Rebstöcken auf das Band gemalt. Das Band gliedert die lange Kiste sicherlich – aber seine Botschaft ist einfach zu geschwätzig. Fingerspitzengefühl fehlt dem Architekten mitunter auch im Detail. Während die Technik glänzend organisiert scheint, wirkt der Verkaufsraum, mit hohen Decken und klaren Sichtbetonwänden durchaus beeindruckend, merkwürdig uneinheitlich in der Ausgestaltung. Das Dunkelgrau der Türrahmen beißt sich mit den dunklen Sepia von Möbeln und Wandverkleidungen, die zudem manchmal burgunderrot gefüllt sind. Regale für Weinflaschen sind ohne Rücksicht auf die Gliederung der Betonbauteile an die Wände montiert, und ein Regal spannt sich gar über ein Fenster – als hätte man in diesem doch so großzügigen, auf Zuwachs ausgelegten Bauwerk jetzt schon Platznot. Jene Sorgfalt, die man im Weingut Abril den Weinen angedeihen lassen will – sie fehlt gerade im öffentlichen Bereich des Gebäudes. (Quelle: Badische Zeitung vom Samstag, 08.09.2012)