Griepentrog, H. W. (2015): Agrartechnik der Zukunft ‐ Klein, aber oho. Bauernzeitung Brandenburg (Sonderheft November 2015, Wege in die Zukunft ‐ Visionen für die Landwirtschaft von übermorgen) p.8‐11 Agrartechnik der Zukunft ‐ Klein, aber oho Autor: Prof. Dr. Hans W. Griepentrog, Universität Hohenheim Nach der Grünen Revolution in den 1970er Jahren mit der Intensivierung der Produktion und der Biotechnologie der 1980er Jahre mit der Anpassung an unterschiedliche Produktionsbedingungen steht heute Precision Farming für eine Optimierung komplexer Prozesse mittels der Informations‐ technik. Diese informationsbasierte Technologie wird sich für alle landwirtschaftlichen Produktions‐ prozesse durchsetzen und insbesondere mit neuen zuverlässigen Informationen zur Entscheidungs‐ unterstützung den Landwirt effektiv entlasten. Dazu ist es notwendig, dass die technische Kommunikation nicht nur zwischen Traktor und Anbaugerät funktioniert, sondern dass alle beteiligten technischen Komponenten erfasst werden und untereinander Informationen aus‐ tauschen („Internet der Dinge“, Industrie 4.0). Die Agrartechnik der Zukunft wird in der Lage sein, sich konsequent und eng an Produktionsbedingungen anzupassen. Aufgrund der Weiter‐ entwicklungen der Sensor‐ und Informationstechnik werden die Prinzipien des Precision Farmings zur breiten Anwendung kommen. Insbesondere die neuen Möglichkeiten der informations‐ verarbeitenden Mobil‐ und Cloud‐Anwendungen als auch der Datenanalyse werden zu einer Optimierung der Produktionsprozesse führen. Für den Landwirt als Anwender wird die Nutzung der neuen Techniken durch entsprechende Dienstleister gewinnbringend und stark vereinfacht werden. Die Pflanzenbestände werden räumlich und zeitlich besser zu beschreiben sein, und die Applikationstechnik erhält präzise Karten, um kleinräumig Wachstumsbedingungen zu optimieren. Einheitliche Bearbeitungen pro Schlag wie bei der Bodenlockerung oder bei Dosierungen von Betriebsmitteln werden der Vergangenheit angehören. Beispielsweise wird die Heterogenität der Bodendichte auch im vertikalen Profi l sensorisch in Echtzeit erfasst und gleichzeitig die Intensität der Lockerung gesteuert und somit an den Pflanzenbedarf angepasst. Dadurch erhält der Bestand optimale Entwicklungsbedingungen und der Zeit‐ wie auch Energieaufwand der Maßnahmen werden minimiert. Einer passt auf Die Maschinen werden kleiner. Ein bemanntes Fahrzeug könnte andere kleinere und unbemannte autonome Fahrzeuge koordinieren. Dadurch erhöhen sich die Schlagkraft, Produktivität und Flexibilität, und sicherheitsrelevante Vorgaben sind einfacher zu erfüllen, da ein Bediener weiterhin den Prozess überwacht. Kleine, intelligente und dabei sehr flexible Maschinen tragen dazu bei, die Kulturlandschaft in ihrer Vielfalt und kleinräumigen Struktur zu erhalten. Sie sind bei gleicher Schlagkraft nicht auf ausgeräumte Großflächen angewiesen und erlauben kleiner strukturierte Nutzflächen mit ökologischen und ästhetischen Vorteilen. Aufgrund ihrer Anzahl und der Reduzierung auf die notwendigen Anwendungen können Nachteile in der Kapazität überkompensiert werden: Schwärme statt Kolosse. Saubere Energie Die Landwirtschaft als ökologisch und ethisch vertretbarer Energieproduzent wird zur Realität, allerdings schwerpunktmäßig durch Wind‐ und Solarstrom sowie auch als Lieferant von Pflanzen‐ resten zur Erzeugung von Bioethanol der zweiten Generation. Die Fruchtfolgen haben sich wieder auf die ethisch korrektere Lebens‐ und Futtermittelproduktion ausgerichtet. Die Einspeisever‐ gütungen und die guten Preise für organische Reststoffe sorgen für ausgezeichnete Zusatzeinnahmen der Landwirte. Vernachlässigter Boden Dem Boden wird in Zukunft sicherlich mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden müssen, da innovative Sensorik bisher nur für den Pflanzenbestand entwickelt wurde. Die Stressursachen von Kulturpflanzen liegen jedoch häufig in zeitlich früheren Änderungen der Bodeneigenschaften und der Verfügbarkeit von Nährstoff en und Wasser. Die Entwicklungen im Controlled‐Traffic‐Farming mit permanenten Fahrspuren haben gezeigt, dass Bodenschonung durch Nichtbefahren zu wesentlichen Verbesserungen der Bodenstruktur führen kann und dass dies sich auch in einem Mehrertrag äußert. Ein anderer Weg der Bodenschonung kann beschritten werden, indem konsequent Maschinen in ihrer Größe den Aufgaben angepasst werden und so zur Bodenschonung beitragen. Dies gekoppelt mit einer autonomen Betriebsweise als fahrende Roboter wurde von einigen Forschungsinstitutionen bereits entwickelt und in den positiven Effekten beschrieben. Entscheidend für den Bodendruck und dadurch verursachte Verdichtungen unterhalb der Bearbeitungsgrenze ist, unabhängig von der Wahl und Gestaltung der Bereifung, die Radlast. Dies wird in der Praxis nicht immer beachtet. Das heißt allerdings auch: Obwohl Luftdruckregeleinrichtungen die Traktion und das Fahrverhalten positiv beeinflussen, können sie die schädliche Tiefenwirkung von hohen Radlasten als Folge hoher Maschinengewichte nicht verhindern. Die Methoden des Precision Farmings werden teilflächenspezifisch Informationen über den Lockerungsbedarf des Bodens und weitere relevante Parameter der Wachstumsbedingungen liefern. Daraus wählt eine Maschine selbsttätig die geeigneten Maßnahmen aus, sei es beispielsweise tief oder flach zu lockern und die Saattiefe zu bestimmen, um die Körner in einer geeignet feuchten Bodenschicht abzulegen. Punktgenaue Applikation Die Applikationstechnik muss in der Zukunft kleinräumiger auf heterogene Bedingungen reagieren. Die Technik ist heute bereits weitgehend verfügbar mit Teilbreiten‐ und optimierten Dosierstopp‐ Schaltungen. Echtzeitsensorik und Remote‐Sensing kommen zur Anwendung, Datenanalyse und ‐ abgleich mit Datenbanken und aktuellen Marktpreisen zur Entscheidungsfindung sind alltäglich und fließen aktualisiert direkt in die Maßnahmen zur Bestandesführung ein. Die Unkrautbekämpfung wird durch indirekte Maßnahmen der Kulturtechnik und durch direkte physikalische und thermische Behandlungen erledigt. Dazu erkennen Sensoren zuverlässig Unkräuter und Aktoren können diese selektiv nach Schadschwellen entfernen. Fazit Nach den Umwälzungen der Grünen Revolution mit der Intensivierung der Produktion und der Biotechnologie mit der Anpassung an unterschiedliche Produktionsbedingungen steht heute Precision Farming für eine Optimierung komplexer Prozesse mittels der Informationstechnik. Eine weitere Stufe von grundlegender Veränderung könnte die Kombination von intelligenten autonomen Maschinen und ökologischer Produktionsweise sein. Diese ökologische Intensivierung der Produktion stellt eine hohe Effizienz der Ressourcennutzung bei gleichzeitig hoher Ertragsstabilität und Umweltschonung dar. Permanente Fahrgassen sind bei steigenden Maschinengewichten eine Möglichkeit, den größten Teil des Bodens vor Schadverdichtungen zu schützen. Der kleine autonome Roboter Oz von Naio Toulouse Technologies wurde für Gartenbaubetriebe bis 10 ha entwickelt. 30 Stück sollen bis Endes des Jahres in der Praxis Unkraut jäten. Screenshot und Foto: Klaus Meyer Der elektrisch angetriebene Raupen‐Roboter mit 2 x 3,5 kW Leistung ist für eine sichere Navigation u. a. mit Stereokamera, 2D‐Laser‐Scanner und RTK‐GPS ausgestattet. Er kann Unkraut mechanisch mit einer Reihenhacke und thermisch mit Wasserdampf bekämpfen. Foto: Hans W. Griepentrog Vor 31 Jahren erschien das Buch „The future world of agriculture“. Eine Illustration zeigt den Farmer der Zukunft bei der Arbeit. Vom Büro aus überwacht er seine autonomen Maschinen auf dem Acker. Das könnte demnächst Realität werden. Fotos: Marlon Schröder, Werkbilder Der Septoria Timer ist ein Prognosesystem und Warngerät für die Pflanzenkrankheit Septoria tritici (Septoria‐Blattdürre). Damit kann der Zeitpunkt einer Septoria‐Infektion im Weizen auf Basis der lokalen Umweltdaten (maßgeblich Wetterdaten) relativ präzise vorhergesagt werden. Der Agrarroboter Bonirob unterscheidet anhand der Blattformen Nutzpflanzen von Unkraut. Mithilfe eines Rammstabs beseitigt er Unkraut mechanisch statt mit Gift. Unerwünschte Pflanzen werden einfach mit hoher Geschwindigkeit in den Boden gerammt.