R HEUMATISCHE E R K R A NK UN GEN ÜBERSICHT Phytotherapie in der Rheumatologie Falko Schüllner1, Erich Mur2 Für die medikamentöse Behandlung rheumatischer Erkrankungen steht ein breites Spektrum an Möglichkeiten zur Verfügung, das neben rein analgetisch wirkenden Präparaten auch entzündungshemmende sowie die Grunderkrankung modifizierende Pharmazeutika umfasst. Aufgrund beachtlicher Fortschritte im Verständnis verschiedener rheumatischer Erkrankungen gelingt es mittlerweile immer spezifischer (z. B. mit Biologicals wie TNF-Blockern), den zugrunde liegenden Krankheitsprozess zu beeinflussen. Daher stellt sich die Frage, welcher Stellenwert Phytopharmaka in der modernen Rheumatologie zukommen kann. tischen Erkrankungen eingesetzt. Dabei kommen unterschiedliche Pflanzenpräparationen zur Anwendung, deren Wirkmechanismen mittlerweile – zumindest teilweise – wissenschaftlich bis hin zur molekularen Ebene geklärt werden konnten. Inwieweit ihr Einsatz in der Rheumatologie heute noch sinnvoll ist, hängt naturgemäß v. a. von der die Beschwerden verursachenden Krankheit ab, wobei diesbezüglich zwischen degenerativen und entzündlichrheumatischen sowie weichteilrheumatischen Erkrankungen zu differenzieren ist. Ätiologie kurz gefasst Seit den Frühzeiten der Medizin werden Phytopharmaka zur Therapie von rheuma- Bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen werden auf molekularer Ebene di- Autoren-PDF ZUSAMMENFASSUNG In der Behandlung rheumatischer Erkrankungen werden Phytotherapeutika nach wie vor sowohl innerlich als auch äußerlich mit gutem Erfolg eingesetzt. Topisch werden am häufigsten Arzneimittel aus Paprika (Capsicum annum), Arnika (Arnica montana) und Beinwell (Symphytum officinale) verwendet, welche einen vergleichbaren therapeutischen Effekt besitzen wie äußerlich applizierte nichtsteroidale Antirheumatika. Innerlich verabreichbare Phytotherapeutika aus der Teufelskralle (Harpagophytum procumbens), der Brennnessel (Urtica spec.), der Weidenrinde (Salix spec.), der Pappel (Populus tremula) und der Katzenkralle (Uncaria tomentosa) sind als Arzneimittel registriert. Sie weisen im Vergleich zu konventionellen nichtsteroidalen Antirheumatika vielfach eine bessere Verträglichkeit bei reduzierter Nebenwirkungsrate auf und können im Allgemeinen auch kostengünstig angewandt werden. In klinischen Studien wurde zudem die Wirksamkeit von Weihrauch (Boswellia serrata), Hagebutte (Rosa canina) und Wilfords Dreiflügelfrucht (Tripterygium wilfordii) dargestellt, dazu stehen in Deutschland und Österreich derzeit jedoch noch keine Phytotherapeutika in Form zugelassener Arzneimittel zur Verfügung, weshalb weitere Studien zur Dosisfindung und zur Abklärung unerwünschter Wirkungen erforderlich erscheinen. Schlüsselwörter Phytotherapie, rheumatoide Arthritis, Arthrose 158 Schüllner F, Mur E. Phytotherapie in der Rheumatologie Zeitschrift für Phytotherapie 2012; 33: 158–167 verse Entzündungsmediatoren gebildet, die allesamt als Angriffspunkte antirheumatischer (auch phytotherapeutischer) Therapiestrategien dienen können. Durch zellschädigende Noxen wird nämlich im Zuge der Aktivierung der Phospholipase A2 Arachidonsäure aus der Zellmembran freigesetzt, welche durch die Enzyme Cyclooxygenase bzw. Lipoxygenase weiterverstoffwechselt wird. Auf dem Cyclooxygenaseweg entstehen Prostaglandine, Prostacyclin und Thromboxan A2. Während Thromboxan A2 vasokonstriktorische und plättchenaggregierende Wirkungen entfaltet, sind die Prostaglandine direkt an der Entstehung von Schmerz, Fieber und Entzündungsreaktionen beteiligt. Über den Lipoxygenaseweg werden Leukotriene gebildet, die ebenso am Entzündungsgeschehen beteiligt sind; so sensibilisiert Leukotrien B4 Nozizeptoren und damit direkt die Schmerzweiterleitung. Durch den Einfluss verschiedener Stimuli (wie z. B. Prostaglandine) kommt es zu einer verstärkten Bildung von proinflammatorischen Zytokinen (TNF, IL), zudem ist deren Regulation im Rahmen des rheumatischen Prozesses gestört, sodass es zu einer Aufrechterhaltung der Entzündungsprozesse ohne pathologische Auslösefaktoren kommt. Ein weiterer u. a. durch Zytokine bedingter Einflussfaktor im entzündlichen rheumatischen Prozess ist ein Ungleichgewicht zwischen knorpelabbauender leukozytärer Elastase und deren Inhibitoren. Ferner konnte gezeigt werden, dass es bei der rheumatoiden Arthritis infolge gesteiger1 2 Anstaltsapotheke Landeskrankenhaus Innsbruck, Universitätsklinikum Innsbruck Universitätsklinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität Innsbruck ter iNOS-Expression zu einer vermehrten Bildung von NO samt damit einhergehenden Entzündungszeichen kommt. buttenpulver (Rosae pseudofructus cum fructibus) und Weihrauch (Olibanum, Boswelliae serrata resina) vertrieben. Die verschiedenen Stimuli der Schmerzentstehung machen verständlich, warum die Hemmung der Phospholipase A2 (Angriffspunkt der Corticoide), der Cyclooxygenasen und Lipoxygenasen (NSAR-Interaktion), die verminderte Expression proinflammatorischer Gene, die Hemmung der leukozytären Elastase oder die verminderte Freisetzung von Zytokinen mit Analgesie einhergehen. ➤ Teufelskralle Die Teufelskralle (Harpagophytum procumbens) (Abb. 1) wächst in den Steppengebieten Südafrikas. Als Droge werden die von der Hauptwurzel abzweigenden sekundären Speicherwurzeln eingesetzt, in dieser Form ist Harpagophyti radix auch im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) offizinell. Die Speicherwurzeln enthalten als wirkungsmitbestimmende Inhaltsstoffe 1–3 % Iridoidglykoside wie Harpagosid (Zimtsäureester des Harpagids) und Phenylethanoidglykoside (Acteosid), weitere Inhaltsstoffe sind Harpagochinon, Flavonoide, Phenolcarbonsäuren und verschiedene Kohlenhydrate (13). Die Verwendung der gattungsgleichen H. zeyheri ist nach Ph. Eur. möglich, wird jedoch aufgrund des schwankenden Wirkstoffgehaltes nicht empfohlen (5). Ph. Eur. gibt für Harpagophyti radix einen Mindestgehalt von 1,2 % Harpagosid an. Nach oraler Aufnahme erfolgt eine rasche Resorption, die Konzentration von Harpagosid im Blut korreliert gut mit der Stärke der Wirkung. Als mittlere Tagesdosis werden gemäß HMPC-Monografie sowohl 4,5 g Droge als auch 300–2400 mg Trockenextrakt (DEV 1,5–2,5 :1; Auszugsmittel Wasser) bzw. 960 mg Trockenextrakt (DEV 3–5 :1; EtOH 60 %) angegeben. Chrubasik et al. verweisen aller- Die Kombination dieser verschiedenen Angriffspunkte, wie sie vielfach durch das Wirk- und Inhaltsstoffspektrum von Phytopharmaka gegeben ist, kann aufgrund der niedrigeren Dosierung der Einzelkomponenten in vielen Fällen zu einer Verstärkung der analgetischen Aktivität bei gleichzeitig herabgesetzter Neben- und Wechselwirkungsrate bzw. verbesserter Verträglichkeit führen. Ebenso kann die gleichzeitige Gabe von NSAR reduziert werden. Im Folgenden werden die wichtigsten pflanzlichen Präparate zur internen und externen Anwendung thematisiert. Hierbei ist zu beachten, dass Monografien des HMPC (Committee on Herbal Medicinal Products) der EMA (European Medicines Agency) explizit ausweisen, ob eine Anwendung im Sinne eines »well-established use« mit den erforderlichen Wirksamkeitsnachweisen evident ist oder ein Präparat rein auf empirischen Daten des »traditional use« indiziert ist. dings darauf, dass im ethanolischen Extrakt verglichen mit der wässrigen Extraktform ein geringerer Harpagosidgehalt zu erwarten ist (6, 14). Die HMPC-Monografie sieht lediglich eine Anwendung im traditional use in der Indikation geringfügige Gelenkschmerzen vor und empfiehlt eine Therapiedauer von 4 Wochen. ÜBERSICHT R HEUMATISCHE ERKR ANK UN GEN In Österreich sind als Arzneispezialitäten Dr. Böhm Teufelskralle 600 mg Filmtabletten® als wässrig hergestellter Trockenextrakt (DEV 1,5–2,5 : 1; Wasser) sowie Sogoon 480 mg Filmtabletten® bzw. Pascoflex Filmtabletten® als ethanolische Trockenextrakte (DEV 4,4–5:1; Ethanol 60 %) zugelassen. In Deutschland sind in der Roten Liste 14 zugelassene Arzneimittel in Form o. g. Trockenextrakte vermerkt, davon basieren 4 Präparate auf dem wässrig hergestellten Trockenextrakt (Doloteffin®, Harpagoforte® und Rheuma Sern®), weitere 10 sind ethanolische Trockenextrakte (Arthrotabs®, Cefatec®, flexi loges®, Jucurba®, Jucurba forte®, Pascoe-Agil®, Rivoltan®, Sogoon®, Teufelskralle dura®, Teufelskralle Stada® und Teufelskralle Ratiopharm®). Wird die Einnahmevorschrift der jeweiligen Fachinformation eingehalten, kann bei allen angeführten Präparaten die nach den Vorgaben der HMPC-Monografie deklarierte Tagesdosis erreicht werden. Wirkmechanismen Als antiinflammatorische Wirkungsmechanismen werden eine verminderte Tran- In der Rheumatherapie stehen als oral applizierbare Phytotherapeutika Extrakte aus Weidenrinde (Salicis cortex), Teufelskrallenwurzel (Harpagophyti radix), Brennnesselblätter (Urticae folium) und Katzenkrallenwurzel (Uncariae radix) zur Verfügung. Zudem existiert als Arzneispezialität ein Kombinationspräparat aus den alkoholischen Frischpflanzenauszügen von Zitterpappelblättern und -rinde (Populi tremulae folium et cortex), Eschenrinde (Fraxini cortex) und Goldrutenkraut (Solidaginis virgaureae herba). Als Nahrungsergänzungsmittel werden Präparate aus Hage- © Secrétariat CITES Autoren-PDF Interna Abb.1: Teufelskralle (Harpagophytum procumbens). Verwendet werden die schwer zugänglichen Sekundärwurzeln. Schüllner F, Mur E. Phytotherapie in der Rheumatologie Zeitschrift für Phytotherapie 2012; 33: 158–167 159 R HEUMATISCHE E R K R A NK UN GEN ÜBERSICHT skription der Cyclooxygenase, der Lipoxygenase, der iNOS und von TNF-α proklamiert (8, 13). Dies korreliert mit der Suppression der NF-κB-Aktivierung durch Harpagosid, welches die Translokation des NF-κB-Komplexes in den Zellkern und den Abbau der inhibierenden Subeinheit Iκ-Bα blockiert und somit die Transkription bestimmter Gene hemmt (15). Da auch Harpagosid-freie Extrakte von Harpagophytum procumbens eine signifikante Inhibierung der iNOS-Exprimierung mit subsequenter antiinflammatorischer Aktivität aufweisen, wird davon ausgegangen, dass weitere Wirkstoffe an der antiinflammatorischen Aktivität beteiligt sind (14). In vitro wird ein Schutzeffekt der Knorpelzellen proklamiert (23). Unerwünschte Arzneimittelwirkungen Studien In mehreren Studien wurden Teufelskrallen-Präparate mit synthetischen NSAR verglichen. Umgerechnet auf 60 mg Harpagosid als Tagesdosis war ein HarpagophytumExtrakt gleich wirksam wie 12,5 mg Tagesdosis Rofecoxib; ebenso konnte eine Doppelblindstudie über 4 Monate bei Knieund Hüftschmerzen zeigen, dass 2,6 g/d Pulverdroge mit ca. 60 mg/d Harpagosid eine ähnliche Wirksamkeit wie 100 mg/d Diacerhein haben (5). Fazit: Ein Einsatz von Arzneimitteln mit Zubereitungen aus Teufelskrallenwurzel ist in der beschriebenen Dosierung zur unterstützenden Therapie bei degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparats gerechtfertigt, insbesondere bei leichteren Formen. ➤ Brennnessel Brennnesselblätter (Urticae folium) (Abb. 2) werden als diuretisch wirkende Droge eingesetzt, woran die enthaltenen Flavonoide maßgeblich beteiligt sind. Die- © Michael Gasperl Autoren-PDF Als Nebenwirkungen werden allergische Reaktionen beschrieben, welche als selten statuiert werden und mit Harpagochinon in Verbindung gebracht werden. Als weitere Nebenwirkungen sind aufgrund der Bitterstoffe gastrointestinale Unverträglichkeiten und Kopfschmerzen evident. Kontraindikationen sind aufgrund des Bitterstoffgehalts Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre, Gallensteinleiden sowie infolge mangelnder Erfahrungswerte die Schwangerschaft. Die Anwendung bei Herzbeschwerden ist nur bei strenger Indikationsstellung indiziert. Harpagophytum- Extrakte inhibieren in vitro CYP3A4 bzw. CYP2C8/19/19 (IC50-Wert: 100–350 µg/ml), somit scheint eine mögliche Beeinflussung der Metabolisierung bestimmter Arzneimittel wie Statine, Protonenpumpeninhibitoren, Antiepileptika, Antidepressiva und Antidiabetika nicht ausgeschlossen (14). Abb.2: Brennnessel (Urtica dioica). Für Anwendungen in der Rheumatologie werden die Blätter verwendet, bei BPH-bedingten Miktionsbeschwerden die Wurzel. 160 Schüllner F, Mur E. Phytotherapie in der Rheumatologie Zeitschrift für Phytotherapie 2012; 33: 158–167 selben Wirkstoffe unterstützen auch die antirheumatische Wirkung, welche jedoch hauptsächlich durch Caffeoyläpfelsäure, Chlorogensäure und 13-HOTE (13-Hydroxyoctadecatriensäure) bestimmt wird. Angesichts der Vielzahl der an der Wirkung beteiligten Stoffe hat sich eine Standardisierung als nicht praktikabel erwiesen, demzufolge werden in den wissenschaftlichen Monografien keine Leitsubstanz bzw. wirksamkeitsmitbestimmenden Inhaltsstoffe angegeben. Die HMPC-Monografie sieht die Verwendung als traditional use in der Indikation geringgradig ausgeprägte Gelenksschmerzen vor und gibt als Referenz 8–12 g Droge bzw. 1080 mg Trockenextrakt (DEV 8–10 : 1; Ethanol 50 %) als Tagesdosis an. Die Anwendungsdauer wird im Gegensatz zur Monografie der ESCOP (3 Monate) auf 4 Wochen beschränkt. In Österreich ist kein Arzneimittel in Form eines Trockenextrakts registriert, die in Deutschland verfügbaren Präparate Natulind®, RheumaHek®, RheumaHek forte® und Selenk® liegen im Bereich der angegebenen Dosierung der HMPC-Monografie. Ein Teil der Wirkung resultiert aus einer Inhibierung der Transkription der COX-2 durch Chlorogensäure und Caffeoyläpfelsäure, welche auf das Spaltprodukt Kaffeesäure zurückzuführen ist. Ebenso konnte die Hemmung der Lipoxygenase demonstriert werden. 13-HOTE hemmt die Untereinheit pr65 des nukleären Transkriptionsfaktors NF-κB und vermindert somit die Freisetzung inflammatorischer Zytokine wie Interleukin-1 und TNF-α, zudem konnte eine Inaktivierung des nukleären Rezeptors PPARγ mit subsequenter Supprimierung proinflammatorischer Gene gezeigt werden. Als Nebenwirkungen werden gelegentlich gastrointestinale und allergische Reaktionen beschrieben, laut Fachinformation sind Wechselwirkungen mit oralen Antikoagulantien möglich, was auf den Gehalt an Vitamin K zurückzuführen sein dürfte. In einer Anwendungsbeobachtung mit einem großen Patientenkollektiv konnten Effekte gezeigt werden, die bei gleichzeitig besserer Verträglichkeit mit denen der synthetischen NSAR vergleichbar sind (5, 13). Fazit: BrennnesselblattPräparate können demzufolge in Ergänzung zur konventionellen Therapie unter- © Hermann Schachner 50–90 mg Acetylsalicylsäure angesehen (5). In einer Kohortenstudie an 450 Patienten war ein Trockenextrakt mit 240 mg Salicin der konventionellen Behandlung überlegen bei glz. Reduktion der Kosten (5), weiter zeigte eine Vergleichsstudie Bioäquivalenz mit Rofecoxib (22). Eine Metaanalyse hat ergeben, dass bei vergleichbarem Anwendungszeitraum in der Therapie von Rückenschmerzen mit 240 mg Salicin 42 % und mit 100 mg Harpagosid 15 % schmerzfreie Patienten beobachtet werden konnten (2). Diese Ergebnisse können als Hinweis darauf gewertet werden, dass Weidenrindenpräparate von der klinischen Wirksamkeit her im Vergleich zu Teufelskrallenwurzel-Präparaten als stärker wirkAbb. 3: Purpur-Weide (Salix purpurea) mit Fruchtstand. Zur Drogengewinnung darf die Rinde verschiedener Arten verwendet werden, sofern der Salicin-Gehalt mind. 1,5 % beträgt. stützend in der Behandlung rheumatischer Beschwerden eingesetzt werden. ➤ Weide Autoren-PDF Die durch Abkochung der Weidenrinde (Salicis cortex) (Abb. 3) erhaltenen Extrakte wurden trotz ihres bitteren Geschmacks seit jeher als schmerzstillendes Mittel eingesetzt, ihre analgetische Komponente gilt als Prototyp der synthetischen NSAR (13). Das Europäische Arzneibuch legt für die Weidenrinde einen Gehalt von mindestens 1,5 % Gesamtsalicin fest. Salicin ist ein Prodrug, das nach der Spaltung im Darm zu Salicylalkohol und nachfolgender Resorption anschließend in der Leber sowie im Blut zu Salicylsäure metabolisiert wird und somit das gleiche Wirkprinzip aufweist wie Acetylsalicylsäure (13). Die HMPC-Monografie in der Indikation der Kurzzeitbehandlung von Rückenschmerzen (well-established use) gibt als Tagesdosis 1572 mg eines Trockenextrakts von Salicis cortex (DEV 8– 14 : 1; Ethanol 70 %) mit einem Mindestgehalt von 15 % Salicin an. das verminderte Nebenwirkungspotenzial bei gleichzeitig gesteigerter Verträglichkeit erklärbar wird (17). Dennoch müssen gemäß der HMPC-Monografie als Kontraindikationen ähnlich wie bei synthetischen NSAR Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre, Asthma, Salicylatüberempfindlichkeit, schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen, die Anwendung bei Kindern und das 3. Trimenon der Schwangerschaft angeführt werden. Der Effekt auf die Blutgerinnung ist geringer ausgeprägt als bei synthetischen NSAR (17). Wechselwirkungen werden insbesondere mit oralen Antikoagulantien beobachtet, gemäß Fachinformation von Assalix® auch mit oralen Antidiabetika, Corticoiden und Urikosurika. Studien 240 mg Salicin werden in Studien als bioäquivalent zu einem Dosisbereich von ÜBERSICHT R HEUMATISCHE ERKR ANK UN GEN sam einzustufen sind. Dies ist durch weitere Studien zu beweisen. ➤ Pappel (Espe) Die Zitter-Pappel (Populus tremula) (Abb. 4) ist als ubiquitärer Alleebaum gut bekannt, während seine volksmedizinische Anwendung als Schmerzmittel infolge des Salicingehaltes weniger publik ist. In Österreich existiert mit Phytodolor Rheumatropfen® ein Kombinationspräparat. Dabei handelt es sich um alkoholische Frischpflanzenauszüge (DEV 1: 2; Auszugsmittel Ethanol 60 %) aus Pappelrinde/-blättern, Eschenrinde und Goldrutenkraut, welche einen Mindestgehalt von 1,2 mg/ml Salicin aufweisen. In Deutschland steht mit Phytodolor® Tinktur ein Präparat mit einem anderen DEV (4,5–4,8 : 1; Ethanol 60 %) zur Verfügung. Die antirheumatische Wirkung von Salicin wird durch die kapillarabdichtende Aktivität von Cumarinderivaten aus Fraxinus cortex (Isofraxidin) und die antiAbb. 4: Zitter-Pappel (Populus tremula). Auszüge aus Blättern und Rinde sind nur in Kombinationsarzneimitteln enthalten. Die Wirkung der Weidenrindenpräparate wird durch Flavonoide unterstützt, womit © Ximenez In Österreich gibt es kein Fertigarzneimittel mehr am Markt, in Deutschland sind Assalix®, Optovit® actiflex und Proaktiv® (traditional use) zugelassen. Schüllner F, Mur E. Phytotherapie in der Rheumatologie Zeitschrift für Phytotherapie 2012; 33: 158–167 161 R HEUMATISCH E E R K R A N K U N G E N ödematösen Eigenschaften von Flavonoiden aus Solidaginis herba unterstützt. Die Wirksamkeit des Kombinationspräparates ist nicht nur tierexperimentell mit Diclofenac und Indometacin vergleichbar (5), sondern ist auch durch Fallstudien am Menschen erwiesen. Fazit: Im angegebenen Dosierungsbereich sind ähnliche Effekte wie bei der Anwendung von 3 25 mg Diclofenac oder 20 mg Piroxicam in der Indikation Gon- und Coxarthrose zu erwarten (12), was den Einsatz zur Beschwerdelinderung bei rheumatischen Beschwerden, insbesondere bei degenerativen Erkrankungen der peripheren Gelenke, rechtfertigt. ➤ Hagebutte, Hundsrose Hagebutten sind die Scheinfrüchte der Hundsrose (Rosa canina) (Abb. 5); sie haben den höchsten Vitamin-C-Gehalt der einheimischen Pflanzen. Dies impliziert ein antioxidatives Potenzial, welches zur antirheumatischen Wirkung beiträgt. Die Hagebutten (Rosae pseudofructus cum fructibus) müssen schonend aufgearbeitet werden, weil ein an der Wirkung mitbeteiligtes Galaktolipid (GOPO®) bei Temperaturen oberhalb 40°C thermisch instabil ist. Eine HMPC-Monografie wurde bislang nicht publiziert, die Kommission E stellte fest, dass für Zubereitungen aus Hagebutten keine ausreichenden Belege für die Wirksamkeit existieren. Im Handel gibt es derzeit keine Arzneispezialität, es werden jedoch Nahrungsergänzungsmittel vertrieben. Was wissen wir? © Júlio Reis Autoren-PDF Es konnte eine Hemmung der Phospholipase A2 sowie eine Hemmung der Chemotaxis von Leukozyten gezeigt werden. Für die aus standardisiertem Hagebuttenpulver durch n-Hexan- bzw. Dichlormethanextraktion isolierten Triterpensäuren Ursol-, Oleanol- und Betulinsäure wurde eine Inhibierung der Zytokinproduktion mit signifikant reduzierter Freisetzung von IL-6 und TNF-α nachgewiesen. Zudem zeigten apolare Extrakte COX-/LOX-inhibierende Aktivität, was zumindest teilweise auf den Gehalt an Öl- und Linolsäure zurückzuführen sein dürfte. In einer aktuellen In-vivo-Untersuchung wurde im Abb.5: Hagebutten der Hundsrose (Rosa canina): Erste Hinweise auf Wirksamkeit, aber noch zu wenig Daten. © Leo Himsl R HEUMATISCHE ER K R A NK UN GEN Abb. 6: Katzenkralle (Uncaria tomentosa). Nur in Österreich gibt es ein zugelassenes Arzneimittel. Carrageenan-induzierten Rattenpfotenödem-Test eine mit Indomethacin vergleichbare antiinflammatorische Wirkung gefunden (18). Eine Metaanalyse von 3 randomisierten, placebokontrollierten Studien fand Hinweise für eine Schmerzreduktion bei Arthrose-Patienten, die Autoren weisen aber auf eine dünne Datenlage hin (4). In einer doppelblinden, placebokontrollierten Studie konnte eine Gabe von 5 g Hagebuttenpulver täglich eine signifikant bessere Wirksamkeit als Placebo zeigen (25). Fazit: Da in Studien Nebenwirkungen festgestellt wurden, für die ein Zusammenhang mit dem Hagebuttenpulver nicht eindeutig ausgeschlossen werden konnte, sollten dazu und zur Wirksamkeit weitere Untersuchungen folgen (4, 25). ➤ Katzenkralle Autoren-PDF Einen besonderen Wirkansatz bietet Uncaria tomentosa, eine in Südamerika beheimatete Liane, deren deutscher Name Katzenkralle (»Una de gato«) von den sichelförmig gebogenen Dornfortsätzen herrührt (Abb. 6). Die einheimische Bevölkerung verwendet Extrakte der Wurzeln (Uncariae radix) seit jeher bei Infekten, weshalb eine genauere Untersuchung der Pflanze in der Ethnobotanik erfolgte. Neben Chinovasäure und Catechinen konnten als wirksamkeitsmitbestimmende Inhaltsstoffe Isopteropodin und Indolalkaloide nachgewiesen werden. Da Katzenkralle jedoch nicht durch die Kommission E bzw. die HMPC bewertet worden ist und auch keine Monografie des Europäischen Arzneibuchs vorliegt, muss die Dosierungsreferenz auf der Grundlage von Studiendaten erfolgen. In Österreich existiert mit dem Präparat Krallendorn® Kapseln ein Arzneimittel am Markt, welches als Zusatzbehandlung für die antirheumatische Basistherapie bei Patienten mit rheumatoider Arthritis zugelassen ist. Die Kapseln enthalten 20 mg eines Trockenextraktes (DEV 8–12 :1; Extraktionsmittel angesäuertes Wasser), spezifiziert auf mindestens 13 mg/g pentazyklische und maximal 0,5 mg/g tetrazyklische Oxindolalkaloide. Als Dosierung wird 3 1 Kapsel angegeben. Bis zum Eintritt des R HEUMATISCHE E R K R A NK UN GEN ÜBERSICHT therapeutischen Effekts ist meist eine Einnahmedauer von 3–4 Monaten nötig, eine Langzeitanwendung über einen Zeitraum von einem Jahr wurde in einer kontrollierten klinischen Doppelblindstudie untersucht (20). Wirkungen Isopteropodin steigert die Phagozytoseleistung der Granulozyten und der Zellen des RES um 50 % und führt somit zu einer Anregung des unspezifischen Immunsystems. Pentazyklische Oxindolalkaloide wirken durch Regulierung der Leukozytenproliferation immunmodulierend, sie steigern die Vermehrungsrate schwach aktiver Lymphozyten, wohingegen die Expression hochreaktiver Lymphoblasten herabgesetzt wird. Lemaire et al. konnten eine Senkung des IL-1-Spiegels und einen Anstieg des IL-6-Spiegels zeigen (19), Sandoval et al. eine Senkung der TNF-Konzentration (21). Tetrazyklische Oxindolalkaloide könnten diese Effekte durch kompetitive Hemmung aufheben und sind möglicherweise an den unerwünschten Wirkungen beteiligt; neben Flatulenz und Diarrhö wurden Hautreaktionen bei Patienten mit allergischer Diathese beschrieben. Als Kontraindikation gelten Knochenmarkoder Organtransplantationen, verstärkte Impfreaktionen sind möglich. Fazit: Das Präparat Krallendorn wird aktuell v. a. in Ergänzung zur klassischen Basistherapie bei Patienten mit rheumatoider Arthritis eingesetzt. Bei nicht hinreichender Wirksamkeit oder Kontraindikationen zur Basistherapie kann bei leichter ausgeprägten Formen dieser Erkrankung in Kombination mit niedrig dosierten Corticosteroiden und Analgetika, mitunter auch mit Krallendorn als Monotherapie, das Auslangen gefunden werden. Vor nicht standardisierten Präparationen von Uncaria tomentosa wird wegen stark unterschiedlicher Wirkstoffmengen und dadurch nicht sicher abschätzbarer Wirksamkeit und Nebenwirkungsrate abgeraten. ➤ Indischer Weihrauchbaum Das Harz von Boswellia serrata (indischer Weihrauchbaum) (Abb. 7) wird in der indischen Volksmedizin bereits seit jeher in der Behandlung rheumatischer Erkrankungen eingesetzt. Im Europäischen Arzneibuch wird für Olibanum indicum ein Mindestgehalt an 11-Keto-β-Boswelliasäure (KBA) und von Acetyl-11-Keto-β-Boswelliasäure (AKBA) von 1,0 % gefordert. Die antirheumatische Wirkung wird auf β-Bos- © Scott Zona Autoren-PDF In Ergänzung zu einer Basistherapie mit Sulfasalazin oder Hydroxychloroquin konnte die Zusatzbehandlung mit Krallen- dorn bei Patienten mit rheumatoider Arthritis einen signifikanten Rückgang der Schmerzintensität, der Anzahl schmerzhafter Gelenke, der Morgensteifigkeit und des Rheumafaktors bewirken (20). Abb. 7: Blüten des Weihrauchbaums; im Bild Boswellia sacra aus dem Arboretum der Florida International University, Miami. 164 Schüllner F, Mur E. Phytotherapie in der Rheumatologie Zeitschrift für Phytotherapie 2012; 33: 158–167 welliasäure (βBA) und deren Derivate zurückgeführt. Es gibt durch die HMPC-Arbeitsgruppe und die Kommission E noch keine Bewertung. Boswellia-Präparate werden in Form von Trockenextrakten als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben, für die gemäß Einnahmeempfehlung und Extraktionsweise bis zu 6-fache Schwankungen im Gehalt an β-Boswelliasäure festgestellt wurden. Im Gegensatz zu βBA liegen die Plasmakonzentrationen von KBA und AKBA nach oraler Einnahme unterhalb der für eine Bioaktivität nötigen Konzentration. Während KBA einer starken Metabolisierung unterliegt, wird AKBA nur in geringem Maß resorbiert, weist eine hohe Plasmaeiweißbindung auf und wird möglicherweise im Fettgewebe akkumuliert. Wirkungsmechanismen Als Wirkungsmechanismen werden neben einer gering ausgeprägten Hemmung der 5-Lipoxygenase durch AKBA und KBA eine Inhibition von NF-κB und der humanen Leukozytenelastase beschrieben. Neuere Daten zeigen als Wirkansatz auch eine Inhibition der Prostaglandin E Synthase 1 und Cathepsin G durch β-Boswelliasäure. In Tierversuchen wurde die antirheumatische Wirkung von Weihrauchextrakten dargestellt, nachfolgende klinische Studien lieferten weitere Anhaltspunkte für eine gute Wirksamkeit, weisen jedoch geringe Fallzahlen auf und leiden unter methodischen Mängeln. Sonntake et al. haben in einer offenen, randomisierten, kontrollierten Studie 33 Patienten mit Osteoarthritis entweder mit 10 mg Valdecoxib oder mit 333 mg eines Weihrauchextraktes (Cap Wovel) behandelt, wobei sich eine vergleichbare, signifikante Verbesserung der Parameter Schmerz, Beweglichkeit und Steifigkeit zeigte. Die Wirkung des Boswelliaextraktes trat zwar später ein, hielt jedoch über ein Monat nach dem Absetzen an (1). In mehreren Studien wurden gastrointestinale Nebenwirkungen (Diarrhö, Nausea) beschrieben. Fazit: Angesichts dieser Beobachtungen sowie der beschriebenen Gehaltsschwankungen und der komplexen Pharmakologie der Wirkstoffe ist für den Einsatz in der klinischen Praxis die Durchführung von Studien hoher Qualität an größeren Patientenkollektiven zu fordern. Tripterygium wilfordii (Celastraceae) ist ein in Südostasien beheimateter kletternder Strauch, der Wuchshöhen von bis zu 6 Metern erreicht und vom Botaniker Charles Wilford seinen Namen nach den dreiseitig mit Flügeln versehenen Nussfrüchten erhalten hat (Abb. 8). Als Droge war die Wurzel (Tripterygii radix) vormals im Chinesischen Arzneibuch offizinell. Es existieren derzeit im deutschsprachigen Raum keine Präparate von Tripterygium wilfordii am Markt, ebenso gibt es keine Bewertung in Monografien des HMPC, der ESCOP oder der Kommission E. Autoren-PDF Extrakte der Wurzel enthalten Diterpenoide (Triptolide, Tripdiolide), welche antiinflammatorische und immunsuppressive Wirkung entfalten und in Studien erfolgreich in der Therapie der rheumatoiden Arthritis eingesetzt worden sind. Als Wirkungsmechanismus konnten eine Inhibierung der Expression proinflammatorischer Gene für IL-2, iNOS-, TNF-α, COX-2 und INF-γ und NF-κB demonstriert werden. So vergleicht eine Studie die Gabe von täglich 3 60 mg Extrakt aus Tripterygii radix mit der Einnahme von 1 g Sulfasalazin und konnte eine signifikant bessere Wirksamkeit darlegen (10). Ein systematischer Review fand 18 randomisierte klinische Studien, von denen aber nur 2 die Einschlusskriterien für die Metaanalyse erfüllen konnten. Fazit: Der möglichen Wirkung in der Therapie der rheumatoiden Arthritis steht ein nicht unerhebliches Potenzial an unerwünschten Effekten entgegen, darunter Flush, Anämie, Diarrhö und eine Beeinflussung der Spermienmotilität. Von einer Anwendung wird daher abgeraten (3). Externa Es sind zahlreiche topisch applizierbare Arzneispezialitäten am Markt, welche traditionell bei rheumatischen Gelenk- und Muskelbeschwerden, aber auch bei Trau- Abb.8: Wilfords Dreiflügelfrucht (Tripterygium wilfordii). Die Wurzeldroge spielt in der TCM eine Rolle. men wie Prellungen, Quetschungen, Verstauchungen und Hämatomen zum Einsatz kommen. ➤ Arnika Arnica montana (Abb. 9) wächst in den Alpen und anderen europäischen Hochgebirgen, offizinell sind die Blüten (Arnicae flos). ÜBERSICHT ➤ Wilfords Dreiflügelfrucht © Cedric Basset R HEUMATISCHE ERKR ANK UN GEN R HEUMATISCHE E R K R A NK UN GEN Innerhalb der möglichen Nebenwirkungen ist v. a. zu beachten, dass unter Arnika eine allergische Kontaktdermatitis mit Bläschenbildung auftreten kann, insbesondere bei allergischer Disposition im Sinne einer Korbblütlerallergie. Diese ist auf den Gehalt an Sesquiterpenlactonen zurückzuführen. Die Wirksamkeit eines Arnicamontana-Gels bei Kniearthosen war in einer Studie vergleichbar mit Diclofenac-Gel und bei Handarthrosen mit jener von Ibuprofen-Gel (24). Fazit: Topisch eingesetzte Arnikapräparate stellen eine therapeutische Alternative zu extern applizierten NSAR dar. ➤ Beinwell Beinwell (Symphytum officinale) (Abb. 10) wird neben einer Wirkung im Sinne einer Förderung der Wundheilung auch antiphlogistische Effekte zugeschrieben. Bei äußerlicher Anwendung besteht für die antiphlogistische Aktivität eine positive Monografie der Kommission E, eine Bewertung durch das HMPC ist in Ausarbeitung. Im Zusammenspiel mit anderen Inhaltsstoffen wird Allantoin als wirksamkeitsmitbestimmender Inhaltsstoff von Symphytum officinale genannt. Allantoin weist antiphlogistische, antiexsudative Effekte auf, regt die Zellproliferation an und fördert die Regenerationsvorgänge im verletzten Gewebe. Aus toxikologischer Sicht wird in Österreich eine Obergrenze von 0,1 ppm Pyrrolizidinalkaloide gefordert, welche als kanzerogen und hepatotoxisch eingestuft werden. Die Arzneispezialität Traumaplant® Salbe erfüllt diese Anforderungen. Sie enthält einen Extrakt aus frischem Kulturbeinwellkraut (DEV 2–3 :1; Ethanol 30 %), wobei für dieses Präparat eine maximale Behandlungsdauer von 4 Wochen angegeben wird. Das in Deutschland zugelassene Präparat Kytta®Salbe enthält hingegen BeinwellwurzelFluidextrakt (DEV 1: 2; Ethanol 60 %) und ist auf einen Gehalt von < 0,35 ppm Pyrrolizidinalkaloide spezifiziert. © www.imagines-plantarum.de ÜBERSICHT Die daraus hergestellte Tinktur wird in Konzentrationen von maximal 25 % in Salben und Gele eingearbeitet und enthält Sesquiterpenlactone (Helenalin), Flavonoide und ätherisches Öl. Die Kommission E empfiehlt Arnikazubereitungen zur äußerlichen Anwendung bei Verletzungs- und Unfallfolgen sowie bei rheumatischen Muskel- und Gelenksbeschwerden. Die antirheumatische bzw. antiphlogistische Wirkung ist auf eine Hemmung der 5-Lipoxygenase und Inhibition der Transkription von NF-κB zurückzuführen. Experimentell konnte gezeigt werden, dass Helenalin den NF-κB/IκB-Komplex durch Alkylierung der p65Subeinheit modifiziert (13). Abb.10: Beinwell (Symphytum officinale). Studien In einer randomisierten, doppelblinden, multizentrischen Studie konnte in der Behandlung von Rückenschmerzen eine Überlegenheit von dreimal täglich 4 g eines Beinwellextraktes gegenüber Placebo demonstriert werden (9). In gleicher Weise konnte Kytta®-Salbe (dreimal täglich 2 g) bei Osteoarthritis im Knie eine signifikant bessere Wirkung im Vergleich zu Placebo erzielen. Neben einer Reduktion der Schmerzsymptomatik und Verbesserung der Lebensqualität wurde dabei auch eine deutliche Verbesserung der Beweglichkeit der behandelten Gelenke beobachtet (11). In einer Studie über Verstauchungen im Fußbereich ergab sich im direkten Vergleich mit Diclofenac-Gel eine signifikant bessere Wirksamkeit des Beinwellextrakts (7). Fazit: In der klinischen Praxis gewinnt der Einsatz der topisch angewandten Beinwellpräparate im Vergleich zu lokal applizierbaren NSAR immer mehr an Bedeutung. Capsaicin-haltige Pflaster bzw. Cremes werden in der Rheumatherapie häufig als Topika eingesetzt. Capsaicinoide als wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe in Capsici fructus stimulieren aufgrund ihrer strukturellen Ähnlichkeit mit Vanilloiden den Vanilloidrezeptor an Nervenendigungen Substanz-P-haltiger Neurone und führen aufgrund des counter irritant effect zu Hyperämisierung und lokal analgetischen, antiphlogistischen Effekten (13). © Abalg Autoren-PDF ➤ Paprika, Capsaicin Abb.9: Arnika (Arnica montana). Wildsammlung der Blüten in den Vogesen. 166 Schüllner F, Mur E. Phytotherapie in der Rheumatologie Zeitschrift für Phytotherapie 2012; 33: 158–167 Pflaster dürfen nie länger als 48 Stunden auf derselben Stelle appliziert werden, da es ansonsten zu einer Schädigung sensibler Nerven und Blasenbildung kommen kann. Zudem muss ein 14-tägiger Abstand zur nächsten Applikation eingehalten werden. Studiendaten zeigen, dass Hautirritationen bei Konzentrationen von 0,0125 % Capsaicin selbst bei 4-wöchiger Anwendungsdauer auf ein erträgliches Ausmaß reduziert werden können, gleichzeitig noch ein gegenüber Placebo signifikant überlegener therapeutischer Effekt bei der Behandlung von Osteoarthritis im Kniegelenk vorherrscht (16). Fazit für die Praxis Für die Therapie rheumatischer Erkrankungen steht ein breites Spektrum von Phytopharmaka zur Verfügung, die durchaus in Ergänzung zur schulmedizinischen Behandlung zum Einsatz gebracht werden und bei niedriger Nebenwirkungsrate sowie zumeist auch geringen Kosten zu einer Besserung der Beschwerden des Patienten beitragen können. Dabei ist jedoch immer auf eine gute Abstimmung mit der übrigen Medikation zu achten, da Phytopharmaka zwar selten, aber doch zum Teil klinisch relevante Interaktionen aufweisen können. Generell sind Phytopharmaka zu bevorzugen, die den gültigen Qualitätsanforderungen eines Arzneimittels entsprechen, da dies bei Nahrungsergänzungsmitteln nicht zwingend erforderlich ist. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte kann den Phytopharmaka auch heute noch bzw. wieder ein relevanter Stellenwert in der Behandlung rheumatischer Erkrankungen zugeordnet werden. Autoren-PDF Dank Für freundliche Unterstützung bei der Erstellung des Manuskripts bedanken sich die Autoren bei Univ.-Doz. Dr. Reinhard Länger. Mag. Dr. Falko Schüllner, aHPh Krankenhausapotheke LKH Innsbruck Anichstr. 35 6020 Innsbruck Österreich [email protected] Online http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1309266 ■ LITERATUR 1 Abdel-Tawab M, Werz O, Schubert-Zsilavecz M. Boswellia serrata: an overall assessment of in vitro, preclinical, pharmakokinetic and clinical data. Clin Pharmakokinet 2011; 50; 349–369 2 Buechi S. Weidenrinde versus Teufelskralle – Ein indirekter Wirkungsvergleich. Phytotherapie 3/2006: 35–36 3 Canter PH, Lee HS, Ernst E. A systematic review of randomized clinical trials of Tripterygium wilfordii for rheumatoid arthritis. Phytomedicine 2006; 13: 371–377 4 Christensen R, Bartels EM, Altman RD et al. Does the hip powder of Rosa canina (rosehip) reduce pain in osteoarthritis patients? – A meta-analysis of randomized controlled trials. 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Phytotherapie in der Rheumatologie Zeitschrift für Phytotherapie 2012; 33: 158–167 ÜBERSICHT R HEUMATISCHE ERKR ANK UN GEN 167 R HEUMATISCHE E R K R A NK UN GEN SUMMARY ÜBERSICHT Phytotherapy in rheumatology Phytopharmaceuticals are successfully administered externally and internally in the treatment of rheumatic diseases. Topically used medicines are Capsicum (Capsicum annum), Arnica (Arnica montana) und comfrey (Symphytum officinale) which have a similar therapeutic value compared to nonsteroidal anti-inflammatory drugs. Internally applied devil’s claw (Harpagophytum procumbens), stinging nettle (Urtica dioica), willow bark (Salix spec.), cottonwood (Populus tremula) and cat‘s claw (Uncaria tomentosa) are registered phytopharmaceuticals. In comparison to conventional NSAID, these drugs have a better compatibility and cost efficiency as well as reduced adverse effects. Clinical studies also show the therapeutic potency of frankincense (Boswellia serrata), rose hip (Rosa canina) und Tripterygium (Tripterygium wilfordii), though these are not registered phytopharmaceuticals in Germany or Austria. In order to reach this status, further studies about dose rate as well as investigations on adverse effects are necessary for these drugs. Key words Autoren-PDF Phytotherapy, rheumatoid arthritis, osteoarthritis 168 Schüllner F, Mur E. Phytotherapie in der Rheumatologie Zeitschrift für Phytotherapie 2012; 33: 158–167