Heavy Metal - LOGO jugendmanagement

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Dr. Roman Schweidlenka, Mag.a Veronika Strauß
DIE SCHWARZE SZENE
Populäre Jugendkulturen und ihr Verhältnis zu
Spiritualität, Satanismus und Rechtsextremismus
Anmerkung der Verfasser:
Die Verfasser/-innen verwenden in dieser Broschüre das generische Maskulinum und bitten die Leser/-innen
das weibliche Geschlecht stets mitzudenken.
Impressum
Medieneigentümer und Herausgeber: LOGO jugendmanagement gmbh. Verfasser: Roman Schweidlenka,
Veronika Strauß, 1. Auflage 2004, 2.Vollständig überarbeitete Auflage 2011, ergänzt und erweitert unter
der Mithilfe von Roland Filzwieser, Katharina Ganster, Benjamin Grilj, Alexandra Koch, Alex Mikusch und
René Molnar, Layout/Lektorat: Veronika Strauß, Johannes Heher, 3., inhaltlich weitgehend unveränderte
Auflage 2017.
INHALT
VORWORT DER LANDESRÄTIN MAG.A ELISABETH GROSSMANN................................................................. 4
VORWORT DER LEITERIN DER FA6A, HR.IN MAG.A ALEXANDRA NAGL ......................................................... 5
ÜBER DIE DYNAMIK EINER FACHBROSCHÜRE.............................................................................................. 6
BEGRIFFSDEFINITIONEN ............................................................................................................................... 8
1. DIE SCHWARZE SZENE ........................................................................................................................... 11
2. HEADBANGER SCHOCKEN DAS SYSTEM: METAL .................................................................................. 14
2.1 DER BEGRIFF (HEAVY) METAL ..........................................................................................................15
2.2 GESCHICHTE UND STRÖMUNGEN DES METAL ................................................................................16
2.3 ERSCHEINUNGSBILD UND AUSDRUCKSFORMEN .............................................................................41
2.4 VERBREITUNG DES METAL – ZUSAMMENSETZUNG DER MUSIKER UND FANS .............................55
2.5 FRAUEN IM METAL ............................................................................................................................58
2.6 KRITIKER DES METAL ........................................................................................................................60
2.6.1 SATAN IM METAL ..................................................................................................................... 64
2.6.2 NATIONALSOZIALISMUS UND METAL ..................................................................................... 69
2.6.3 WIDERSTAND GEGEN NSBM .................................................................................................... 99
3. DIE SCHWARZE ROMANTIK: GOTHIC ................................................................................................... 109
3.1 GESCHICHTE DER GOTHIC-BEWEGUNG ........................................................................................ 109
3.2 DIE WELT DES GOTHIC ................................................................................................................... 114
3.2.1 DAS OUTFIT DER GOTHS........................................................................................................ 114
3.2.2 WELTBILD DER GOTHIC-SZENE ............................................................................................. 116
3.3 VORWÜRFE GEGEN DIE GOTHIC-BEWEGUNG ................................................................................ 121
3.3.1 DER VORWURF DES SATANISMUS......................................................................................... 121
3.3.2 DER RECHTE RAND ................................................................................................................ 122
3.4 WIDERSTAND .................................................................................................................................. 128
3.5 ZUSAMMENFASSUNG .................................................................................................................... 129
3.6 EXKURS: LAIBACH .......................................................................................................................... 129
3.7 EMOTIONAL HARDCORE (EMO)...................................................................................................... 130
4. LAVEYS SATANISMUS ........................................................................................................................... 133
5. EXKURS: VAMPIRISMUS........................................................................................................................ 141
6. DIE SZENE SIND WIR – DAS JUGENDKULTURZENTRUM eXplOsiV ..................................................... 155
7. FÜR EINE OFFENE DISKUSSION ............................................................................................................ 156
8. QUELLENVERZEICHNIS ......................................................................................................................... 159
9. WEITERFÜHRENDE MEDIEN ................................................................................................................. 170
10. ABBILDUNGEN...................................................................................................................................... 174
11. AUTORENBIOGRAPHIEN ...................................................................................................................... 176
3
VORWORT DER LANDESRÄTIN MAG.A ELISABETH GROSSMANN
Jugendbewegungen haben in der Vergangenheit Geschichte geprägt und
schreiben sie auch heute maßgeblich mit. Gerade innovative Bewegungen,
die sich vom Mainstream der Gesellschaft distanzieren, schockieren dabei
oft durch ihr Aussehen oder radikale inhaltliche Positionen. In unserer
Gegenwart ist es die schwarze Szene, die Jugendkulturen wie Metal, Gothic
oder auch den Jugendsatanismus umfasst, die durch ihr Outfit – vielfach
schwarze Kleidung und ungewöhnliche Formen des Schminkens – für
Aufsehen und Ablehnung bei manchen Mitbürger/-innen sorgt. Aufgabe der
Politik, wie ich sie sehe, ist es, auch Raum für ungewohnte, subkulturelle
Strömungen zu sichern, sofern diese im Rahmen der Gesetze agieren.
Die vorliegende LOGO- Fachbroschüre, in einem langen, konstruktiven Prozess unter der wissenschaftlichen
Leitung von Dr. Roman Schweidlenka, unterstützt von freiwillig mitarbeitenden Insider/-innen, erstellt, geht
auf Inhalte und Entwicklungen der verschiedenen Strömungen der schwarzen Szene ein, die wir ja auch in
der Steiermark kennen. Dabei werden viele Vorurteile ausgeräumt, die einzelnen Strömungen können auch
vom Außenstehenden verstanden und eingeschätzt werden. Wenn damit auch mehr Toleranz und
Sympathie für die in der Szene Tätigen geweckt wird, kommt die kritische Auseinandersetzung, vor allem
mit Rechtsextremismus und Satanismus, nicht zu kurz. In diesem Zusammenhang ist es erfreulich zu lesen,
dass sich die Grazer Metalszene erfolgreich gegen rechtsextreme Vereinnahmungsversuche gewehrt hat.
Ihre
Mag.a Elisabeth Grossmann
(Landesrätin für Bildung, Familie, Frauen und Jugend)
4
VORWORT DER LEITERIN DER FA6A, HR.IN MAG.A ALEXANDRA NAGL
Jugend bewegt. Sie erprobt neue Ausdrucksformen, entwickelt
neue Lebensstile, reagiert auf die kulturellen und politischen
Anforderungen ihrer Zeit. Manchmal gehen Jugendkulturen dabei
ausgefallene Wege. Die schwarze Szene, zu der Wissenschaftler/
-innen Metal, Gothic und Satanismus zählen, fordert die
Gesellschaft immer wieder heraus.
Das Outfit der Szenevertreter/-innen, meist schwarze Kleidung und
ungewöhnliche Frisuren, ruft oft Misstrauen, sogar Aggressionen hervor. Die
intensive Beschäftigung mit nicht christlichen religiösen Weltanschauungen,
die vor allem den Bereich des neuen Heidentums betreffen, provozierte schon manche ideelle
Auseinandersetzung. Nicht zuletzt führten rechtsextreme Unterwanderungsversuche der betreffenden
Jugendszenen zu medialen Schlagzeilen.
Unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. Roman Schweidlenka hat ein engagiertes Team jugendlicher
Mitarbeiter/-innen eine zweite, völlig neu überarbeitete und erweiterte LOGO-Fachbroschüre zur schwarzen
Szene entwickelt. Die vielfältigen Beiträge, die unterschiedliche Perspektiven beinhalten, garantieren ein
Werk von hoher Qualität. Die Darstellung von Inhalten und Entwicklungen, die die angesprochenen
Jugendkulturen prägen, bringen die Diskussion auf eine sachliche Ebene und entschärfen viele Sorgen und
Ängste, die etliche Mütter und Väter haben, deren Kinder in der schwarzen Szene unterwegs sind.
Gleichzeitig stellt die Fachbroschüre klar, dass – zumindest an den Rändern – auch antidemokratische
Kräfte bemüht sind, die Jugendlichen über das Medium Musik für ihre eigenen Interessen zu vereinnahmen.
Jugend lebt. Die Lektüre der vorliegenden Fachbroschüre führt das anschaulich vor Augen. Für diese vitale
jugendliche Entwicklung, die nicht ohne Einflüsse auf die Erwachsenenwelt bleibt, sollen die notwendigen
Rahmenbedingungen gesichert sein. Denn unsere Jugend ist unsere Zukunft.
Ihre
HR.in Mag.a Alexandra Nagl
(Leiterin der Fachabteilung 6A Gesellschaft und Generationen)
5
ÜBER DIE DYNAMIK EINER FACHBROSCHÜRE
Roman Schweidlenka
Die schwarze Szene, ein Begriff, der Jugendkulturen wie Metal, Gothic, Jugend-Satanismus und ihre weit
ausladenden, dynamischen Weiter- und Nebenentwicklungen umfasst, begleitete meine Arbeit im Rahmen
der LOGO ESO.INFO bereits seit Mitte der neunziger Jahre. Aus Texten, die ich von Zeit zu Zeit zu dieser
Thematik entwarf entstand allmählich eine beachtliche Sammlung. Die Religionswissenschaftlerin Simone
Philipp konnte im Rahmen eines geförderten Projekts weitere Recherchen durchführen und einen Teil meiner
Studien aktualisieren. So konnten wir 2004 die LOGO-Fachbroschüre „Die schwarze Szene“ der Öffentlichkeit
präsentieren. Bereits damals halfen uns einige Szeneninsider bei der manchmal schwierig zu treffenden
Einordnung verschiedener Trends und Bands. Was ich schnell erkannte: Auch bei den in der Szene
Beheimateten gehen Einschätzungen und Perspektiven oft weit auseinander, was durchaus als gelebte
Demokratie bewertet werden kann. Bald erreichten mich dann Statements zur Broschüre: Viele
Zustimmende, auch solche mit konstruktiver Kritik.
Nun ist die schwarze Szene, neben Goa, vermutlich die kreativste, die am stärksten kulturelle Impulse
vermittelnde, Jugendkultur unserer Gegenwart und daher in stetem Wandel. Das führte zur Erkenntnis, eine
völlig überarbeitete, erweiterte Neuauflage in Angriff zu nehmen. Während ich die wissenschaftliche Leitung
übernahm, leistete Veronika Strausz umfassende wissenschaftliche und organisatorische Arbeit, um die
Broschüre zu einem fundierten Werk von, wie ich hoffe, hoher Qualität zu machen. Neben ausführlicher
Recherche-, Analyse- und Schreibarbeit organisierte sie die Beiträge unserer ehrenamtlich arbeitenden
Gastautoren und eine ganztägige Arbeitsklausur mit hochkarätigen Szeneninsidern, die vielfältige
Erkenntnisse hervorbrachte. René Molnar schließlich stellte uns gegen Ende der Arbeit an der Broschüre
seine Fachstudie „Hitler´s Headbanger?“ selbstlos zur Verfügung, die die Grazer Metalszene analysierte.
So danke ich neben den bereits erwähnten Kollegen Veronika Strausz, René Molnar und Simone Philipp
unseren ehrenamtlich Mitarbeitenden Roland Filzwieser, Katharina Ganster, Benjamin Grilj, Alex Mikusch,
Alexandra Koch (Textbeiträge); Frank Kumnig und Susanne Sackl (Anmerkungen) die sich aus Idealismus
am Projekt beteiligten. Detaillierte Autorenbiografien finden Sie im Anhang.
Ich hoffe, mit dieser Fachbroschüre dazu beizutragen, Klischees und Ängste über die behandelten
markanten Jugendkulturen abzubauen, gleichzeitig aber auch den kritischen Finger auf problematische
Randerscheinungen und Teilbereiche zu legen. Eine Anmerkung sei abschließend gestattet: In der Szene,
auch in der medialen Welt, wird oft der Begriff „rechts“ für rechtsextreme Gruppen und Ideologien verwendet.
So haben sich „rechte Bands“, die eigentlich rechtsextrem sind, in der Literatur eingenistet. Wir konnten uns
6
nicht völlig von dieser üblich gewordenen Begriffsverwendung freimachen. Um der Fairness und
wissenschaftlichen Redlichkeit die erforderliche Ehre zu erweisen, möchte ich klarstellen, dass „rechts“ eine
legitime politische Ideologie und Praxis der Demokratie darstellt, während „rechtsextrem“ meist mit
antidemokratischen Einstellungen verbunden ist.
Ich wünsche unserer LOGO-Fachbroschüre eine weite Verbreitung und interessierte Leserschaft!
Dr. Roman Schweidlenka
(Leiter des Bereichs „Esoterik, Sekten, Okkultismus“ bei LOGO jugendmanagement gmbh)
7
BEGRIFFSDEFINITIONEN
Roman Schweidlenka
RASSISMUS:
Prozess, durch den soziale Gruppen auf Grund physischer, kultureller oder sozioökonomischer Merkmale
oder Staatsangehörigkeit andere Gruppen als unterschiedlich wertig, beziehungsweise minderwertig,
kategorisieren. Rassistisches Denken geht von der unabänderlichen Zugehörigkeit des einzelnen Menschen
zu einer Volksgruppe aus. Dieser werden allgemeingültige Charakterzüge unterstellt, die dann auf alle
Gruppenmitglieder projiziert werden. Es wird die natürliche Überlegenheit der eigenen Gruppe behauptet
und dadurch das Recht zur Benachteiligung anderer Gruppen abgeleitet.
NATIONALISMUS:
Selbst in einschlägigen Lexika findet man zu diesem Begriff keine einheitliche Definition. Am ehesten lässt
sich Nationalismus als Forderung und Streben nach Schaffung und Sicherung eines Nationalstaates
darstellen. Weiters ist er auch als aggressive Äußerung eines übersteigerten Nationalgefühls auf Kosten
anderer Nationen und Nationalitäten verstehbar. Völkischer Nationalismus wird charakterisiert durch die
Idee einer ethnisch reinen Nation, die auf genetischer Abstammung basiert.
RECHTSPOPULISMUS:
Ist eine Strömung, die seit Anfang der 1980er Jahre existiert, mittlerweile aber in ganz Europa verbreitet ist.
Hier werden populäre Meinungen des Volkes oft widersprüchlich vertreten. Die Anhänger sehen sich als
Vertreter von traditionellen, „echten“ Werten. Oft werden einfache Lösungen für komplexe Probleme
angeboten. Rechtspopulismus zeigt sich auch in der Intoleranz gegenüber „Anderen“ und „Fremden“. Als
Feindbilder gelten vor allem Ausländer, linke Demonstranten und „ausgeflippte“ oder nicht der bürgerlichen
Norm angepasste Jugendliche.
RECHTSRADIKALISMUS:
Um die nicht immer leicht zu bestimmende Grenzlinie zwischen Demokratie und Extremismus besser ziehen
zu können, wurde der Begriff Rechtsradikalismus eingeführt. Gemeinsam mit dem Linksradikalismus bildet
er die entgegengesetzten Eckpunkte eines Kontinuums, dessen Zentrum vom demokratischen Sektor
gebildet wird.
RECHTSEXTREMISMUS:
Gesamtheit von Einstellungen, Verhaltensweisen und Aktionen die von der rassisch oder ethnisch bedingten
sozialen Ungleichheit der Menschen ausgehen, nach ethnischer Homogenität von Völkern verlangen und
8
das Gleichheitsgebot der Menschenrechts-Deklaration ablehnen. Im Zusammenhang damit werden
Demokratie und Multikulturalismus abgelehnt und bekämpft.
Rechtsextremismus schließt folgende Anschauungen ein:
•
Ablehnung des Prinzips der Gleichheit
•
Ausländerfeindlichkeit
•
Antisemitismus
•
Ablehnung von Demokratie
•
Gewaltakzeptanz und -bereitschaft
•
Wunsch nach einem starken Führer
•
Schwarz-Weiß-Malerei
•
Glaube an Weltverschwörungstheorien
ALS NEONAZISTISCH/NEOFASCHISTISCH
bezeichnet man nur Organisationen, Parteien und Personen, die sich auf den 1922 in Italien unter Mussolini
oder den 1933 in Deutschland unter Hitler zur Macht gelangten Faschismus beziehungsweise
Nationalsozialismus berufen. Neonazismus ist ein radikalisierter und gewaltbereiter Rechtsextremismus.
So ist jeder Neonazi ein Rechtsextremist, aber keineswegs jeder Rechtsextremist ein Neonazi.
Wichtig: die Grenze zwischen den Strömungen verläuft oft fließend!
9
10
1. DIE SCHWARZE SZENE
Veronika Strauß
Unter diesem Begriff werden heute für gewöhnlich
subkulturelle Strömungen zusammengefasst, die auf
Grund ihres optischen und akustischen Profils für
Außenstehende eine homogene Gruppe bilden, deren
tatsächliche Schnittmenge sich aber lediglich durch
ähnliche Vorlieben hinsichtlich Musik, Kunst, Mode
und
oft
auch
Ansichten
bezüglich
der
gesellschaftlichen Situation bildet.
„Die klassische Schwarze Szene wurde in den 1980ern
Abb. 1
und in der ersten Hälfte der 1990er Jahre zunächst
aus der Dark-Wave-Bewegung gebildet, deren Mitglieder ursprünglich in Jugendkulturen wie Punk, New
Wave, Gothic, New Romantic oder im Post-Industrial-Umfeld verankert waren.“1 Ab Mitte der Neunziger
Jahre wurden die Grenzen zwischen den Szenen immer diffuser. Dark Wave und Metalszene, sowie
Mittelalter-, Neofolk- & Neuheidenszene rückten enger zusammen bzw. bedienten sich gegenseitig an den
Stileigenheiten der anderen Genres. Dasselbe gilt für Teile der Electroszene. „Die Schwarze Szene
präsentiert sich heute als eine [...] alternative Bewegung junger (und nicht mehr ganz so junger) Menschen,
deren Erscheinungsbild von einer bemerkenswerten Vielfalt ist. Symptomatisch für diese Vielfalt ist auch
die Schwierigkeit, einen geeigneten Oberbegriff für diese Szene zu finden.“2
Die Vielfalt, die durch die Vermischung dieser Szenen entstanden ist, bringt aber nicht nur kreatives Potential
mit sich. Vielfach tauchen Vorwürfe der „Verwässerung“ und Kommerzialisierung auf, was gegen die
Grundideen vieler Basisströmungen verstoßen würde.3 Die Befürchtung des „Ausverkaufes“ ist naheliegend,
sieht man sich die mittlerweile ins uferlose expandierenden (ehemaligen) Szene- bzw. Underground –
Festivals, Lokale, Verkaufsläden und Versandhandelvertriebe an.
Die Frage, welche Gruppierungen nun genau unter den Begriff „Schwarze Szene“ fallen, ist nicht einmal von
Szenevertretern eindeutig zu beantworten. Obwohl sicherlich größtenteils ein Gefühl der Solidarität
entstehen kann, wenn Teile der Szene öffentlichen Angriffen ausgesetzt werden, so gilt in „friedlichen Zeiten“
untereinander wohl eher der Spruch „Familie kann man sich nicht aussuchen“.
1
http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Szene, 2011.
Farin, 2001, S. 147.
3
Vgl. dazu: Fiebag, 2006, S. 80, und http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Szene, 2011.
2
11
Im Umfang dieser Broschüre werden im speziellen die Metal- und Gothic Szene beachtet, in ihren
Grundlagen erklärt und hinsichtlich ihrer Einflüsse antidemokratischer, satanistischer, okkultistischer
und esoterischer Art beleuchtet. Jedoch sehen die Verfasser die hier nur am Rande erwähnten Szenen
Dark Wave, Neofolk, Industrial, Medivial und Electro genauso zugehörig zur großen „Familie“ der
„Schwarze Szene“.
12
13
2. HEADBANGER SCHOCKEN DAS SYSTEM: METAL
Roman Schweidlenka/Veronika Strauß
Da der ursprünglich für die gesamte Szene verwendete Begriff „Heavy Metal“ inzwischen nur mehr ein
bestimmtes Subgenre bezeichnet, wird in der Broschüre der Überbegriff „Metal“ für die Gesamtheit der
Strömungen verwendet.
Metal war in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren eine der beliebtesten und zugleich von
konservativen Moralhütern am meisten gefürchtetsten Musikrichtungen. 1984 brachte der so genannte
„Heavy Metal“ bereits 10% des Gesamtumsatzes der Musikindustrie ein, ab 1987 war trotz massiver
Widerstände von Metalgegnern ein „Peak“ erreicht. Nach einer Krise, in der das Interesse sowohl an der
Musik, als auch an der Subkultur massiv zurückging, breitete sich spätestens ab Mitte der neunziger Jahre
eine rundum erneuerte Metalbewegung aus, die sowohl die „Urformen“ zuließ, als auch Anleihen bei anderen
Musikstilen nahm. Metal entwickelte sich zu einer gesellschaftlich relevanten Szene und damit zu einem
kontinuierlich wachsenden Wirtschaftsfeld. Die Musik, die Künstler und die Anhänger des Metal werden
häufig als musikalisch, kulturell und sogar intellektuell oberflächlich angesehen. Tatsächlich hat Metal die
Konturen der Rockmusikgeschichte neu geschärft und damit einhergehend auch die Sexualpolitik, kulturelle
und ästhetische Normen und sogar die Musikindustrie in den Vereinigten Staaten, Europa und anderen
fortgeschrittenen Demokratien neu mitgeprägt.4
Trotz des hohen Erfolgskurses hat Metal fast ebenso viele Gegner wie Fans. So fordern zahlreiche
„Experten“ seit Beginn der achtziger Jahre ein Verbot des Metal. Der Hauptvorwurf lautet: Verbreitung von
satanistischen Ideologien und Anstiftung zu ebensolchen Praktiken. Auch Drogeneinnahme, Sexismus,
„Unzucht“, Gewalttätigkeit und Selbstmord sowie antidemokratische und neonazistische Betätigung sollen
mit dem Metal einhergehen.
Bettina Roccor beschreibt die Problematik der selbsternannten Experten in ihrem Buch „Heavy Metal – Die
Bands, die Fans, die Gegner“ vortrefflich, indem sie anmerkt: „Es sind in der Regel Menschen mit
Hochschulabschluss, die ihre Ansichten über Heavy Metal in der Öffentlichkeit äußern dürfen – der Titel
verleiht ihnen eine Autorität, die den meisten Fans fehlt. Der Normalbürger ohne nähere
Hintergrundinformation schenkt automatisch eher dem Herrn in Anzug und Krawatte Glauben als dem
nietenbewehrten, tätowierten, mit Schmuck behängten Langhaarigen in schmuddeligen Jeans und
Lederweste.“5
4
5
Vgl. LeVine, 2010, S. 11.
Roccor, 1998, S. 15.
14
Was ist eigentlich Metal? Auf welchen (musik)historischen Hintergrund baut diese Szene auf? Und was ist
dran an den Vorwürfen der Kritiker? Die vorliegende Broschüre hofft, ein weiteres kleines Stück dieses
großen, problembehafteten Feldes zurück in die lebendige Diskussion bringen und angemessen beleuchten
zu können.
2.1 DER BEGRIFF (HEAVY) METAL
Um den später für etliche, sich aus Hard/Heavy Rock entwickelnde Gruppen verwendeten Begriff des „Heavy
Metal“ ranken sich zahlreiche Entstehungs- bzw. Einführungsmythen.
„The Soft Machine“, der 1962 veröffentlichte Roman von William Burroughs beinhaltet die Figur des „Uranian
Willy, the Heavy Metal Kid“. Wikipedia spricht dabei von einer „frühe[n] Verwendung [des Begriffes] im
populärkulturellen Kontext“6. Weiters wird darauf verwiesen, dass die Veröffentlichung seiner Werke die
spätere Begriffsentwicklung der Szene- und Stilbezeichnung vermutlich beeinflusst hat. Steppenwolf sang
1968 im Klassiker „Born to be wild“ von „heavy metal thunder“.
„I like smoke and lightning
Heavy metal thunder
Racin’ with the wind
And the feelin' that I’m under“
Steppenwolf, Born to be Wild, 1968
Daneben gibt es die militärische Bezeichnung „heavy metal“ für schwere Waffen und den chemischen Begriff
des „heavy metal“ für Schwermetall. Unleugbar dokumentiert ist die Anwendung des Begriffes auf die
Musikszene in einer 1971 erschienenen Ausgabe der Zeitschrift „Creem“, in der es in einem Review7 heißt:
„All you true blue Heavy fans, take heart. This album is a crusher. […] Sir Lord Baltimore seems to have
down pat most all the best heavy metal tricks in the book.“8
Die Bezeichnung wurde auch für die Musik von Led Zeppelin und Black Sabbath verwendet, wobei sich der
Begriff zuerst in den USA und ab ca. 1979 in Europa durchsetzte.
6
http://de.wikipedia.org/wiki/Heavy_Metal, 2011.
Die Kritik bezieht sich auf das Album „Kingdome Come“ der amerikanischen Band „Sir Lord Baltimore“.
8
http://www.creemmagazine.com/_site/BeatGoesOn/SirLordBaltimore/KingdomCome001.html, 2011.
7
15
„(Heavy) Metal“ stand und steht für Härte und Unverwüstlichkeit. In ebendieser Tradition wirbt zum Beispiel
das weltgrößte Metal Festival „Wacken Open Air“9 mit den Slogans „Faster, Harder, Louder“10 und „Louder
Than Hell“. Auch die im englischen und deutschen Sprachraum sehr verbreitete Redewendung: „Ist es zu
laut, bist du zu alt!/If it’s too loud, you’re too old!“11 lässt sich hier einbinden, wobei in letzterer Wendung
auch noch der Bezug zur ausdrücklichen Jugendszene hinzukommt. So wesentlich die jugendlichrevolutionäre Prägung des Metal in seinem Ursprung war – in den letzten Jahren und Jahrzenten hat sich
auch hinsichtlich des Alters der Mitglieder in dieser Szene einiges verändert.
Szene-Insider wie René Molnar12 weisen, wie am Anfang des Kapitels angemerkt, darauf hin, dass als
Überbegriff heute nur noch „Metal“ legitim sei, da sich neben der Spielart, welche als „Heavy Metal“
bezeichnet wird, noch eine Vielzahl anderer „Metal“-Stilrichtungen entwickelt haben. In der öffentlichen
Diskussion hat sich der Begriff „Heavy Metal“ aber derart verankert, dass eine Korrektur nur schwer möglich
ist.
2.2 GESCHICHTE UND STRÖMUNGEN DES METAL
Die Wurzeln dieser Musikrichtung reichen bis in die sechziger Jahre zurück, konkret in die englische
Arbeiterklasse mit ihrer damals noch relativ ungebrochenen Arbeiterkultur, die Rocker und Skins prägten.
Dieser Arbeiterkultur werden von Soziologen die Eigenschaften hierarchisch, territorial und maskulin
zugeordnet. Körperliche Kraft stand hoch im Kurs.
In ebendiesem Umfeld wuchs der 1948 geborene Ozzy Osbourne13 als „Spinner“, Querdenker und Rebell auf.
Nach zahlreichen Gelegenheitsjobs und einer Gefängnisstrafe, die er auf Grund einiger Einbrüche absaß,
gründete er 1968 mit einigen Schulfreunden die Polka Tulk Blues Band. Als zwei Mitglieder die Gruppe
verließen, erfolgte die Umbenennung in Earth. Musikalisch waren v. a. Jazz und Blues dominant. Im
Gegensatz zur anlaufenden Love & Peace-Bewegung waren die Songs von Earth „böse“ und beschäftigten
sich mit Hass, Unrecht, Gewalt, Repression und Verzweiflung. Um Verwechslungen mit einer gleichnamigen
Band zu vermeiden wurde die Band 1969 nach einem von Geeze Butler, dem Bassisten der Band
geschriebenen Song, Black Sabbath14 benannt. Gleichzeitig erfolgte ein Stilwechsel – tiefer gestimmte
Gitarren unterstützten die besondere Düsterheit der von virtuosen Soli durchzogenen Musik.
9
www.wacken.com
Woher der Slogan, der 1994 von der österreichischen Hard Rock und Heavy Metal Band „Alkbottle“ zu „Blader, fetter,
lauter & a bissl mehr“ persifliert wird, originär stammt, ist leider nicht nachvollziehbar.
11
Mancherorts wird behauptet, die Wendung sei von Ted Nugent, einem US-amerikanischen Rockmusiker, geprägt
worden.
12
Geschäftsführer des Jugendkulturzentrums Explosiv, Metal-Musiker, siehe Autorenbiographie.
13
Bürgerlicher Name: John Michael Osbourne.
14
Anspielung auf den gleichnamigen italienischen Horrorfilm von Mario Bava,1963.
10
16
Ihre Bühnenshow wurde zunehmend okkulter und beinhaltete Utensilien wie Grabkreuze und schwarze
Kerzen. Mit Aktionen wie symbolischen Menschen- oder Mädchenopferungen machten Black Sabbath
besonders schnell von sich reden. Die Fans fanden sich auf den Konzerten in einer Welt der Dunkelheit
wider, die Band zelebrierte nach Selbsteinschätzung symbolisch die „Austreibung“ des Bösen.
Der Aufstieg von Black Sabbath war auch die Zeit, in der in Künstlerkreisen der Satanismus Anton Szandor
LaVeys15 populär wurde. Die entsetzten Reaktionen, die Boykotte durch die Fachpresse und Radiosender
waren für Black Sabbath die beste Werbung. Die Band setzte bewusst auf den inszenierten Okkultismus,
begleitet von der Sensationspresse, die über schwarze Messen, Entjungferungs- und Tieropferrituale auf der
Bühne berichtete. Wegen seiner extremen Drogen- und Alkoholexzesse trennte sich Black Sabbath 1981 von
„Madman“ Ozzy Osbourne, der nach Entziehungskuren erfolgreich als Solokünstler weitermachte und bis
heute für volle Konzerthallen und Festivalwiesen sorgt.
Neben Black Sabbath zählen Deep Purple16 und Led Zeppelin17, die kommerziell erfolgreichste der drei
Bands, zu den „Vätern“ des Hard bzw. Heavy Rock auf deren Basis sich der Metal erst entwickeln konnte.
Frontman Jimmy Page18 von Led Zeppelin (gegründet 1968) bekannte sich zu schwarzmagischen Praktiken
und eröffnete einen Buchladen für okkulte Literatur. Des Weiteren kaufte er das ehemals von Aleister
Crowley19 bewohnte Boleskine-Haus am Ufer des Loch Ness in Schottland, in dem 1980 der Schlagzeuger
der Band an seinem Erbrochenen erstickte. Dieses Ereignis schien in manchen Augen den „Beweis“ für den
ledzeppelinschen Teufels-Pakt zu erbringen.
Dem Heavy Rock kann zwar durchaus nachgesagt werden, emotionalen Entladungen zu dienen und
Möglichkeit zum „Herausschreien“ des Alltagsfrusts zu bieten, sie kann aber nicht, wie lange tradiert, nur als
aggressives Geschrei20 per se abgetan werden. „Die Formen des Schreiens in Stilen wie Hard Rock oder
Heavy Metal sind weniger als einfaches Geschrei zu bezeichnen, sondern einer besondere Form des
gesanglichen Ausdrucks, der ebenso wie ein Belcanto21 erlernt werden muss.“22 Als stiltypisch erklärte
Vorurteile vereinfachen und verzerren das Verständnis des Genres stark.23 Trotzdem ist festzustellen, dass
in den Ursprüngen der Heavy Rock Musik, Musiker und Publikum meist aus derselben benachteiligten
15
siehe dazu Kapitel „LaVeys Satanismus“.
www.deeppurple.com, 2011.
17
www.ledzeppelin.com, 2011.
18
Bürgerlicher Name: James Patrick Page.
19
Okkultist, Kabbalist, Magier, Mystiker, Poet und Verleger, 1875–1947.
20
Vgl. Kemmelmeyer, 2006, S. 189.
21
Ital. „schöner Gesang“.
22
Finkl, 2009, S. 28.
23
Vgl. ebda.
16
17
Unterschicht stammten. So waren die Texte extrem hart, laut und unbequem. Sie hatten nicht die Love &
Peace-Freiräume der Hippies zum Thema, sondern Presslufthämmer, Straßenlärm, Kreissägen und
Maschinengewehre; extreme Gesellschaftskritik. Die kritischen Töne, zugegeben nicht immer einfach zu
erahnen, wurden von der Öffentlichkeit oft vollständig ignoriert. Die offizielle Elite des Rock und die
dazugehörenden Medien wollten sich mit diesem proletarischen Auswuchs nicht weiter beschäftigen. Eine
eher musiktheoretisch ausgerichtete Betrachtung macht den Unterschied zwischen Hard Rock und Heavy
Metal wie folgt fest: „Für die Begleitgitarre im Hard Rock sind Quintakkorde auf Grund ihres besonders im
Verbindung mit Verzerrung harten Klanges typisch, während im Heavy Metal eher der Gebrauch von
Quartakkorden vorgesehen ist.“24
In Kanada punktete in den siebziger Jahren die Heavy Rock-Band Rush25 und in Australien gründeten sich
AC/DC26, die als eine der beliebtesten und langlebigsten Formationen dieser Art bezeichnet werden kann. In
Deutschland etablierten sich zur selben Zeit die Scorpions27. Rund um den Globus bildeten sich „Heavy“Bands – die „Szene“ begann sich in größerem Ausmaß zu bilden.
Zu den Pionieren der in den späten Siebziger bzw. frühen achtziger Jahren neuen Musikrichtung Heavy
Metal zählt die Band Judas Priest28 (gegründet 1969), deren Mitglieder aus der englischen Arbeiterstadt
Birmingham stammen. In der Anfangszeit wechselten sich noch Jobs am Bau mit diversen Musikauftritten
ab. Judas Priest hatten schließlich mit einem neuen Outfit Erfolg: hautenges, schwarzes Leder, Nieten und
Ketten. Dieses gern als „Machokluft“ gesehene Outfit wurde im Lauf der Zeit kennzeichnend für die Heavy
Metal-Szene. Zu Beginn eines Konzerts erschienen die Bandmitglieder auch gerne mit einem Motorrad,
üblicher Weise einer Harley-Davidson auf der Bühne – einem Symbol für Freiheit und Abenteuer. Gerade vor
dem Hintergrund des damals so exzessiv männliche Macht und Potenz demonstrierenden Szene-Umfelds
ist es interessant, dass Judas Priest-Sänger Rob Halford29 der erste Metal-Sänger war, der sich öffentlich
zu seiner Homosexualität bekannte – allerdings erst 1998. Die Band ist auch heute noch sehr erfolgreich.
Den ersten großen Generationswechsel innerhalb des Metal, der zu Beginn der achtziger Jahre stattfand,
kennzeichnet der Begriff „New Wave of British Heavy Metal“ (NWoBHM).
Das Aufkommen der NWoBHM signalisierte die Rebellion gegen die kommerzielle Zähmung des Rock, gegen
den Kapitalismus, gegen die Unterhaltungsindustrie und für die künstlerische Autonomie und Authentizität
der Musikgruppen. Scharen von Fans, als „neue Wilde“ bezeichnet, füllten die Pubs an speziellen Metal24
www.radical-music.com/genres_de/rock/hard_rock.html, 2011.
www.rush.com, 2011.
26
www.acdc.com, 2011.
27
www.the-scorpions.com, 2011.
28
www.judaspriest.com, 2011.
29
*1951, Sutton Coldfield, Warwickshire, England.
25
18
Clubabenden. Neben dem üblichen schwarzen Lederoutfit gab es die „Kutte“, üblicherweise eine ärmellose
Jeans- oder Lederweste mit Aufnähern („patches“) der verschiedenen Lieblingsbands.30 Die
Eigenständigkeit dauerte so lange, bis die großen Plattenfirmen die bis dahin verpönte Musikrichtung
entdeckten und vermarkteten.
Mit der NWoBHM begann auch die Aufsplitterung des Genres. Zu den Bands dieser Zeit zählten neben Judas
Priest unter anderem Girlschool, Iron Maiden, Motörhead und Saxon. Die Bands der NWoBHM werden heute
oft unter dem Subgenre-Begriff Heavy Metal zusammengefasst.
Zeitgleich mit der Revolution des Punkrock veröffentlichte die Band Motörhead31 ihre ersten erfolgreichen
Alben. Der ehemalige „Jimi Hendrix Experience“–Roadie und Frontman der Band Ian „Lemmy“ Kilmister32
bildete optisch und künstlerisch einen Kontrast zu den etablierten „hübschen Rockstarjungs“33. „Er war ein
schlagfertiges und charismatisches Argument für ein gefährliches Leben und wurde zum Großherzog der
dreckigen Gleichgültigkeit; Fans imitierten seine Outlawkleidung aus Patronengürteln, Jeansweste,
Cowboyhemden und Motörhead-Aufnähern. […] Black Sabbath hatten den Heavy Metal eingeführt, Judas
Priest verliehen im Glanz, und Motörhead stabilisierten ihn mit neuem Mumm. Heavy Metal schluckte den
Punkrock und drängte weiter voran.“34
1981 erschien erstmals Kerrang!35 – ursprünglich eine Beilage zum britischen
Musikmagazin Sounds. Dieses „Nebenprodukt“ wurde zu einem wichtigen
Medium der NWoBHM und verdrängte schließlich sein Herkunftsmagazin vom
Markt. Die Titelseite der Erstausgabe zierte Angus Young von AC/DC.
„1980 stand die Bewegung in voller Blüte […]. Obwohl es sich hauptsächlich
um aufstrebende Londoner Bands handelte, dominierten sie mit ihren
überzeugenden
Liveauftritten
den
Heavy
Metal
des
kommenden
Jahrzehntes.“36 Im selben Jahr erschien das gleichnamige Debüt-Album der
Band „Iron Maiden“37, die hinsichtlich der stilistischen Entwicklung des Heavy
Abb. 2: Erstausgabe
„Kerrang“
Metal eine zentrale Rolle spielte. Der von Steve Harris38 etablierte Bandname
30
Zahlreiche Beispiele für „Kutten“ gibt in der der „Kuttengalerie“ von
http://www.igelmetal.de/uploads/oldschool/kutten/kutten.htm, 2011.
31
Gegründet 1975, Großbritannien, www.imotorhead.com, 2011.
32
* 1945, in Stoke-on-Trent, Staffordshire, England.
33
Christe, 2004, S. 42.
34
Ebda.
35
www.kerrang.com, 2011.
36
Christe, 2004, S. 53.
37
Gegründet 1975, Großbritannien, www.ironmaiden.com, 2011.
38
Stephen P. Harris, *1956 in London, England. Bassist und Songwriter der Band „Iron Maiden”.
igelmetal.de:
19
dürfte auf das mittelalterliche Foltergerät, die „Eiserne Jungfrau“ zurückzuführen sein. Eine weitere
Dimension erhielt der Name durch die Anspielungen auf die damalige Parteivorsitzende der britischen
Konservativen, Margaret Thatcher (die sich selbst als „Iron Lady“ bezeichnete), deren Konterfei die Cover
der Singles „Women in Uniform“ und „Sanctuary“ ziert. Auf erstgenanntem lauert sie dem Bandmaskottchen
„Eddie“ mit einem Maschinengewehr auf, auf dem zweiten wird sie bei dem Versuch ein Konzertplakat von
„Iron Maiden“ herunterzureißen von „Eddie“ getötet. „Die britische Regierung reagierte auf die Beliebtheit der
Platte mit Zensur […]“39 und ließ Teile des Gesichtes von Thatcher verdecken.
Abb. 4: Women in Uniform
Abb. 3: Sanctuary
Obwohl bereits 1975 gegründet, stellten sich die ersten musikalischen Erfolge der Gruppe erst zu Beginn
der 80er Jahre ein. „Mit der Single Running Free traten Iron Maiden bei BBCs Top of the Pops auf und spielten
dort als erste Band seit The Who ohne Playback. Damit wurden sie ebenso außerhalb der Umgebung
Londons bekannt. Es folgte eine ausgedehnte Großbritannien-Tournee als Vorband von Judas Priest, eine
Europatournee mit den US-Hardrockern Kiss40 und ein Auftritt im Vorprogramm von UFO41 im Rahmen des
Reading-Festivals.“42
Iron Maiden verstanden es, inhaltlich Arbeiter-Ethos, (öko-)politische Themen und Horror zu abenteuerlichen
Geschichten zu verbinden und musikalisch fundiert auf die Bühne zu bringen. Der Einsatz einer zweiten
Leadgitarre gilt unter vielen Fans als einer der Schlüssel zu ihrer musikalischen Durchsetzungskraft. Das
39
Christe, 2004, S. 48.
Gegründet 1973, New York City, New York, USA, www.kissonline.com, 2011.
41
Gegründet 1969, London, England, www.ufo-music.info, 2011.
42
http://de.wikipedia.org/wiki/Iron_Maiden, 2011.
40
20
Album „Killers“ steigerte ihre internationale Popularität was zu Spannungen43 mit dem Sänger Paul Di’Anno44
und schließlich zu dessen Rausschmiss führte. Der Einstieg von Bruce Dickinson45 als neuer Frontman von
Iron Maiden erwies sich als äußerst fruchtbar.
„Im August 1980 präsentierte Sounds46 ein Konzert mit dem Titel Monsters of Rock, bei dem Judas Prist,
Saxon, die Scorpions, Rainbow, Riot, April Wine und sechzigtausend Fans auf dem Gelände von Castle
Donington zum ersten reinen Heavy-Metal-Festival zusammenkamen.“47 Rückbetrachtet war die wichtigste
Dimension dieser Zusammenkunft laut Ian Christe, „dass die loyalen Heavy-Metal-Fans in Massen
herbeiströmten, sobald sie zeigen durften, wie zahlreich sie waren. „Das Monsters of Rock entwickelte sich
zum bedeutendsten Heavy-Metal-Festival der 80er und frühen 90er Jahre. Auch Iron Maiden traten
mehrmals in Donington auf.48
Ebenfalls aus dem NWoBHM Umfeld stammt die heute dem „Black Metal“ zugeordnete Formation Venom49.
Ihre erste Single „In League with Satan/Live Like an Angel” erregte auf Grund ihrer antichristlichen Aussagen
Aufmerksamkeit. Ian Christe wirft (und das sicher nicht als Einziger) der Band musikalisches Unvermögen
vor, gesteht ihnen aber durchaus künstlerische Qualitäten zu. „Venom brachen mit der Vorstellung von
Sorgfalt und künstlerischer Raffinesse und ersetzten sie durch einen aufregenden chaotischen Strudel.“50
Das zweite Album trug den Titel „Black Metal“ und wurde so zum Namensgeber für ein ganzes Subgenre.51
Musikalisch beeinflussten Venom auch die Richtungen Speed Metal, Thrash Metal und Death Metal. Sie
genießen in der Szene Kultstatus.
Metal traf in den Vereinigten Staaten von Amerika direkt auf das abebbende Diskofieber und die Überbleibsel
der Punkbewegung. Nur allmählich entwickelte sich auch hier eine zusammenhängende Szene. Durch das
Tauschen von Musikkassetten und Szenemagazinen versuchten die Fans an Neuigkeiten über Bands und
Konzerte heran zu kommen. „Als Metalhead musste man außergewöhnlich engagiert sein, um an neue
43
Vgl. Christe, 2004, S. 58.
Bürgerlicher Name: Paul Andrews, *1958 in Chingford, England. 1977-1981 Sänger von Iron Maiden.
45
Bürgerlicher Name: Paul Bruce Dickinson, *1958 in Worksop, Nottinghamshire, England. 1981-1993 und gegenwärtig
seit 1999 Sänger von Iron Maiden.
46
Britisches Musikmagazin, das vom Spin-Off „Kerrang!“ (ursprünglich als Beilage von Sounds erschienen) abgelöst
wurde. Siehe S. 27.
47
Christe, 2004, S. 49.
48
Nach Höhenflügen in den 80er und frühen 90er Jahren bargen die späten 90er einige Krisen. Bruce Dickinson und
Adrian Smith (Gitarre) verließen die Band, kehrten aber beide 1999 wieder zurück. Iron Maiden erlebten – pünktlich zur
„Wiederauferstehung des Metal“ ein Comeback der Sonderklasse. Die ansonsten ansich sehr stiltreu operierende
Gruppierung vollzog 2006 einen deutlichen Schwenk hin zu einer progressiven Spielweise.
49
Gegründet 1979, Newcastle, England, www.venomslegions.com, 2011.
50
Christe, 2004, S. 54.
51
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Venom_(Band), 2011.
44
21
Musik zu kommen“.52 Amerikanische Metal-Magazine gab es vorerst nicht, sehr wohl aber aufstrebende
Metal-Bands.
Als Wegbereiter des US-amerikanischen Metal gelten vor allem (Hard) Rock-Formationen wie Van Halen53
(Westküste) und Kiss (Ostküste). „Die Musik von Kiss war eine kommerziell funktionierende Mischung aus
hymnischem, gitarrengeprägtem Hard Rock und Balladen, bei denen die Gitarren dann wegflossen. Das war
der Sound, der den „Stadion-Rock“ und das „Pop-Metal“ ermöglichten, die später in den 1980er Jahren die
Rockmusik beherrschten.“54 Van Halen wird von Christe als DER musikalische Vorreiter des Metal genannt.
„Spielte man 1980 in Los Angeles etwas, das auch nur entfernt nach Heavy Metal klang, ohne Van Halen zu
sein… galt man als Idiot.“55 Auch Alice Cooper56, der mit Horror-Schock-Effekten seine Kritik an der
bürgerlichen Doppelmoral auszudrücken suchte, kann dazu gezählt werden. „Ozzy Osbourne“57, der in Los
Angeles wohnte, seit er mit Black Sabbath 1976 dorthin übersiedelt war, schaffte den Brückenschlag
zwischen den europäischen und amerikanischen Einflüssen.“58
Der amerikanische Metal war in seinen Anfängen düster und aufgeladen mit Showeffekten. Es entwickelten
sich zahlreiche neue Stilrichtungen. „Den ursprünglichen Heavy Metal an Geschwindigkeit und Aggressivität
übertreffend, entwickelten sich so in den USA der vom Hardcore-Punk beeinflusste Thrash Metal und der
Speed Metal […].“59 Parallel dazu etablierte sich Glam Metal. Auch in Europa erfolgten Weiterentwicklungen.
Als die Hard’n’Heavy-Welle nach Österreich kam geschah dies im Underground und unter starker
Einflussnahme der deutschen Nachbarn. Einige lokale Bands waren aber durchaus bekannt: „[…] U8, No Bros,
Blind Petitition, Cat Walk, Sextiger, Ballroom Blitz. Was sich konkret im österreichischen Underground tat,
ist nicht überprüfbar, da es keine gesicherte Dokumentation des Geschehens gibt.“60 Auch über die
Entwicklung der eigentlichen Metal Szene ist wenig bekannt. Sicher ist, dass provokante Vorarbeiter wie
Drahdiwaberl61 den kritischen Umgang mit politischen Themen und das Aufzeigen sowohl von
gesellschaftlich tolerierten menschlichen Grausamkeiten, als auch tabuisierten „Grauslichkeiten“ einen
Platz auf der Bühne des Metal sicherten. Aber auch die okkulten und rechts bis rechtsextrem orientierten
Strömungen scheinen durchaus auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein.
52
Christe, 2004, S. 62.
Gegründet 1974, Pasadena, Kalifornien, USA, www.van-halen.com, 2011
54
Erlewine, 1995.
55
Christe, 2004, S. 62.
56
*1948 in Detroit, Michigan, USA, bürgerlicher Name: Vincent Damon Furnier, www.alicecooper.com, 2011.
57
*1948 in Aston, Birmingham, England, www.ozzy.com, 2011.
58
Christe, 2004, S. 63.
59
http://de.wikipedia.org/wiki/Metal, 2011.
60
Anastasiadis, 2000, S. 171.
61
Gegründet 1969, Österreich, www.drahdiwaberl.at, 2011, Hardrock/Heavy Metal/Punk.
53
22
Bedeutsam waren in den ersten Jahren auch die Formation No Bros62, deren Hit „Heavy Metal Party“
Geschichte geschrieben hat und Liquid Gallon, die allerdings nie einen Plattenvertrag bekamen.
Auf Grund der chronologischen Gleichzeitigkeit und wechselweisen Beeinflussung sind nachfolgend
ohne zeitliche oder geographische Reihung einige Subgenres beschrieben.
LITE METAL
Musikalisch bereits in den siebziger Jahren durch US-amerikanische Hard Rock Bands wie Kiss oder
Aerosmith63 vorbereitet, wurde die Genrebezeichnung später auf Gruppen wie Van Halen oder Bon Jovi64
übertragen. Die Texte des Lite Metal behandeln gern tabuisierte Themen wie Sexualität und Lust. Der Begriff
„Lite Metal“ ist allerdings umstritten. Sam Dunn rechnet z. B. Van Halen und Guns’n’Roses65 der Kategorie
Pop Metal66 zu, die aber (zumindest in Europa noch) nicht als geläufige Bezeichnung gesehen werden kann.
Gerade die Zuordnung von Bands in diesem speziellen Bereich des Metal erweist sich als schwierig und
uneinheitlich. So kann es geschehen, dass dieselben Bands als dem Lite, dem Glam, dem Hair und dem
Power Metal zugehörig beschrieben werden. Bettina Roccor67 blendet z. B. die Bezeichnung Lite Metal völlig
aus und führt die hier unterschiedlich kategorisierten Gruppen alle unter Glam Metal.
GLAM METAL (HAIR METAL)
Der Glam Metal hat seine Wurzeln im Glam Rock, einer Anfang der 1970er Jahre vor allem im britischen
Raum populären Spielart des Rock. Der Stil des Glam Metal ist geprägt von seiner Vorliebe für Lidschatten,
Lippenstift und femininer Kleidung. Daher wurde er von anderen Metal-Richtungen als „Schwulenmusik“
diffamiert. Die Musik ist einfach und für Metal relativ melodisch. Glam Metal erweiterte das Spektrum der
Hörerschaft. Vertreter sind z. B. Poison68, Mötley Crüe69, Twisted Sister70, W.A.S.P.71, Ratt72 und Cinderella73.
62
Gegründet 1974, Österreich, www.nobros.com, 2011, Hard Rock/NWoBHM.
Gegründet 1969, Sunapee, New Hampshire, USA, www.aerosmith.com, 2011.
64
Gegründet 1983, New Jersey, USA, www.bonjovi.com, 2011.
65
Gegründet 1985, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.gunsnroses.com, 2011.
66
Vgl. Dunn/McFayden, 2005.
67
Vgl. Roccor, 1998, S. 117.
68
Gegründet 1983, Harrisburg, Pennsylvania, USA, www.poisonweb.com, 2011.
69
Gegründet 1981, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.motley.com, 2011.
70
Gegründet 1973, New York City, New York USA, www.twistedsister.com, 2011.
71
Gegründet 1982, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.waspnation.com, 2011.
72
Gegründet 1979, San Diego, Kalifornien, USA, www.therattpack.com, 2011.
73
Gegründet 1982, Philadelphia, Pennsylvania, USA, www.cinderella.net, 2011.
63
23
SLEAZE METAL
Ähnlich problematisch wie schon beim Speed Metal ist die Bestimmung des Subgenres Sleaze Metal. Die
Bezeichnung taucht in Schriftstücken zwar auf, allerdings nur selten und wenn, dann vor allem in Verbindung
mit Hair und Glam Metal. Häufiger ist die Rede von Sleaze Rock74. „Sleaze-Rocker pflegten eine UnderdogMentalität, sahen sich als die Ausgestoßenen der Gesellschaft und unterstrichen ihre Rebellen-Attitüde mit
entsprechenden optischen Merkmalen und Kleidungsvorlieben: Toupierte Haarpracht war passé, dafür
diente nun nicht selten ein möglichst breites Stirnband als Kopfschmuck; Tattoos als Hautverzierung und
zerrissene Jeans als Standard-Beinkleid waren obligatorisch, Westernboots unterstrichen die OutlawMentalität.“75 Die Texte weisen oft auch rassistische und homophobe Elemente auf. Vertreter sind unter
anderem Guns’n´Roses76, Skid Row77 und The 69 Eyes78
DOOM METAL
Als Doom Metal wird eine kontemplative Richtung im Metal bezeichnet, als deren Wurzel gerne Black
Sabbath angenommen wird. Kennzeichnend sind langsame, schwere Gitarrenriffs und eine allgemein
düstere Stimmung. Melancholie, Trauer, Endzeitstimmung, Sehnsucht, Verzweiflung und Tod gehören zu
den klassischen Inhalten der Songs.79 Vertreter sind z. B. Cathedral80, Jack Frost81, My Dying Bride82,
Empyrium83, Type O Negative84.
POWER METAL
Markige Texte, die heroische Zeiten und Fantasy-Ereignisse behandeln, gehören wohl zu den
hervorstechendsten Merkmalen auf inhaltlicher Seite. Kriegslüsterne Heiden oder mittelalterliches
Schlachtgetümmel stehen im Mittelpunkt. Die Melodien sind eingängig und, bis auf die häufig
anzutreffenden Balladen, in relativ hohem Tempo gespielt, was dem europäischen Zweig dieser Kategorie
74
Siehe dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Sleaze_Rock, 2010.
www.breakoutmagazin.de/archiv/aglam3.html, 2011.
76
Gegründet 1985, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.gunsnroses.com, 2011.
77
Gegründet 1987, New Jersey, USA, www.skidrow.com, 2011.
78
Gegründet 1990, Helsinki, Finnland, www.69eyes.com, 2011.
79
Vgl. www.doom-metal.com/whatisdoom.html, 2010.
80
Gegründet 1990, England, www.cathedralcoven.com, 2011; nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen USamerikanischen Progressive Rock Band www.cathedralprogrock.com, 2011.
81
Gegründet 1993, Linz, Österreich, www.jackfrost.at, 2011.
82
Gegründet 1990, Halifax, England, www.mydyingbride.org, 2011.
83
Gegründet 1994, Hendungen, Deutschland, www.empyrium.de, 2011.
84
Gegründet 1989/90, New York City, New York, USA, www.typeonegative.net, 2011.
75
24
unter anderem auch den Namen Melodic Speed Metal eingetragen hat. Vertreter sind z. B. Virgin Steele85,
Fates Warning86, Manowar87, Rhapsody of Fire88, Hammerfall89.
SYMPHONIC METAL
Ursprünglich wurde diese Bezeichnung vor allem auf Gruppierungen angewandt, die sich besonders durch
pompöse Arrangements mit symphonischen Elementen auszeichneten. Symphonische Elemente der
klassischen Musik verschmolzen mit stilistischen Eigenheiten des Metal. Es ist dies eines der Subgenres,
das sich stilistisch bei derart vielen anderen bedient, dass kaum festgelegt werden kann, welchem
Hauptgenre es zuzuordnen ist. Sowohl Progressive, als auch Power Metal und Gothic Metal sind stilistisch
spürbar. Als Vertreter dieses Genres können z.B Blind Guardian90, Haggard91, Nightwish92, Within
Temptation93, After Forever94, Sonata Arctica95 und Therion genannt werden. Für die mystischen Texte
Therions zeichnet Thomas Karlsson verantwortlich, der Gründer der inzwischen internationalen
esoterischen Loge „Dragon Rouge“96.
CLASSIC METAL
Unter diesem Begriff wird zu viel grundlegend Verschiedenes verstanden, als dass er hier tatsächlich
definiert werden kann. Einerseits wird er bezüglich des „klassischen“ Heavy Metal der 80er Jahre97
(NWoBHM; …) verwendet, andererseits wird „classic“ auch als Bezug zur „klassischen Musik“98 gewertet, was
dem Symphonic Metal entspräche.
PROGRESSIVE METAL
„Progressive Metal ist eine stilistische Synthese aus den Musikrichtungen Heavy Metal, Progressive Rock
und Psychedelic Rock, die seit den 1990er Jahren zu großer Popularität gelangte.“99 Auch Elemente aus
Jazz und Klassik spielen eine wesentliche Rolle. Dadurch finden sich unter den Fans dieses Subgenres auch
85
Gegründet 1981, New York City, New York, USA, www.virgin-steele.com, 2011.
Gegründet 1983, Connecticut, USA, www.fateswarning.com, 2011.
87
Gegründet 1980, Auburn, New York, www.manowar.com, 2011.
88
Gegründet 1993 (urspr. „Rhapsody“), Triest, Italien, www.rhapsodyoffire.com, 2011.
89
Gegründet 1993, Göteborg, Schweden, www.hammerfall.net, 2011.
90
Gegründet 1984, Krefeld/Meerbusch, Deutschland, www.blind-guardian.com, 2011.
91
Gegründet 1989, München, Deutschland, www.haggard.de, 2011.
92
Gegründet 1996, Kitee, Finnland, www.nightwish.com, 2011.
93
Gegründet 1996, Niederlande, www.within-temptation.com, 2011.
94
Gegründet 1995, Niederlande, www.afterforever.com, 2011.
95
Gegründet 1996, Finnland, www.sonataarctica.info, 2011.
96
www.dragonrouge.net, 2010.
97
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Heavy_Metal, 11.04.2011.
98
http://de.wikipedia.org/wiki/Klassische_Musik, 11.04.2011.
99
http://de.wikipedia.org/wiki/Progressive_Metal, 11.04.2011.
86
25
oft „Nicht-Metaller“. Die Musik ist von kompositorischer Vielfalt geprägt und technisch anspruchsvoll. Neben
der klassischen Band-Besetzung (Gitarren, Schlagzeug, Gesang) werden häufig auch Synthesizer sowie
Streich- und Blasinstrumente miteinbezogen. Vertreter sind z. B. Fates Warning100, Psychotic Waltz101,
Dream Theater102, Queensryche103, Tool104und Pain of Salvation105.
EXTREME METAL
Black, Death und Thrashmetal können unter dem Oberbegriff Extreme Metal zusammengefasst werden.
„Der Name suggeriert bereits die wichtigsten musikalischen Parameter: Schnelle Tempi sowie vielfältige
Tempowechsel und extreme Kakophonie und Ähnliches sind für jene Substile charakteristisch. Auf textueller
Ebene finden sich oftmals ebenfalls extreme Elemente und Thematiken, wie etwa die explizite Darstellung
von Gewalt, Misanthropie oder extremistische politische Ansichten.“106 Ausführliche Infos zu Extreme Metal
liefert das 2007 erschienene Buch „Extreme Metal“107 von Keith Kahn-Harris.
Die Stilrichtungen des Extreme Metal sind für diese Broschüren besonders relevant und deshalb etwas
ausführlicher beschrieben als andere.
THRASH METAL
Häufig wird der Name des Subgenres falsch ausgesprochen und so vom Thrash (von engl. to thrash:
dreschen/prügeln) zum Trash (engl. „Müll“) Metal. „Der ursprüngliche Thrash Metal zeichnet sich vor allem
durch schnelles und präzises Riffing aus. […] Thrash Metal wird allgemein als Ausgangspunkt für die
extremen Metal-Stile angesehen. Typisch für die Texte von Thrash-Metal-Bands sind die Thematisierung
von Gewalt oder politische Themen. Einige der frühen Bands spielten mit satanistischen Themen, die aber
oft mit Schilderungen von Krieg und sozialen Missständen vermischt wurden oder später durch diese ersetzt
wurden.“108
Drei für die gesamte Musikgeschichte des Metal wichtige Zentren, abgesehen von England und
Skandinavien, sind auch in der Entstehungsgeschichte des Thrash im Focus:
100
Gegründet 1983, Connecticut, USA, www.fateswarning.com, 2011.
Gegründet 1988, El Cajon, San Diego, www.psychoticwaltz.com. 2011.
102
Gegründet 1985 (urspr. als „Majesty“), New York City, New York, www.dreamtheater.net, 2011.
103
Gegründet 1981, Seattle, Washington, USA, www.queensryche.com, 2011.
104
Gegründet 1990, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.toolband.com. 2011.
105
Gegründet 1984 (urspr. als „Reality“), Eskilstuna, Schweden, www.painofsalvation.com, 2011.
106
http://de.wikipedia.org/wiki/Extreme_Metal, 2010.
107
Kahn-Harris, 2007.
108
http://de.wikipedia.org/wiki/Thrash_Metal, 11.04.2011.
101
26
•
San Francisco Bay Area (US-Westküste)
•
New York (US Ostküste)
•
Ruhrgebiet (Deutschland)
Metallica109, Exodus110, und Kreator111 gelten neben Slayer112, Anthrax113 und Megadeth114 als früheste
Thrasher. Slayer, deren Markenzeichen Geschwindigkeit, Brachialität und sprachliche Aggression sind,
gerieten später durch ihr nicht unproblematisches Spiel mit Satanismus und neofaschistischem
Gedankengut in den Blickpunkt der Kritik. Einige der folgenden Kapitel beschäftigen sich damit im Detail.
In der Szene wurde zur damaligen Zeit allerdings
streng zwischen künstlerischer und
privater/gesellschaftlicher Ebene getrennt. Auf der künstlerischen Ebene war alles erlaubt, was als Fiktion
und Kritik realer Vorkommnisse interpretiert werden konnte. So erhielten z. B. Horrortexte und satanistische
Elemente ihre Legitimität. Auf privater Ebene sollten die Musiker sich nicht zu rassistischen, rechtsextremen
oder sexistischen Statements bekennen. Die Übertragung von z. B. gewalttätigen Phantasien in die
gesellschaftliche Realität war tabu. Dieser Ehrenkodex, der bis zum Auftreten neonazistischer Black MetalBands eingehalten wurde, ist zum Verständnis der Metal-Szene wichtig. Unterschätzt wurde die
metapolitische Bedeutung derartiger künstlerischer „Visionen“: Was auf der Ebene der Kunst und der Ideen
dargestellt wird, kann nur allzu leicht in die gesellschaftliche Realität hinein kippen und sich auch
realpolitisch manifestieren.
SPEED-METAL
Es ist umstritten, ob Speed-Metal als eigenständiges Genre bezeichnet werden kann oder eine frühe
Unterkategorie des Thrash-Metal darstellt. Die meisten Bands, die stilistisch Speed-Metal Elemente
verwenden, sind nicht ausschließlich diesem Subgenre zuordenbar. Als Vorreiter dieses „Zwischen-Genres“
gilt die kanadische Band Anvil115. Als weitere Vertreter können (partiell) Motörhead und Exciter116 gesehen
werden.117
109
Gegründet 1981, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.metallica.com, 2011.
Gegründet 1982, Bay Area, Kalifornien, USA, www.exodusattack.com, 2011.
111
Gegründet 1982, Essen, Deutschland, www.kreator-terrorzone.de. 2011.
112
Gegründet 1981, Huntington Park, Kalifornien, USA, www.slayer.net, 2011.
113
Gegründet 1981, New York City, New York, USA, www.anthrax.com, 2011.
114
Gegründet 1983, USA, www.megadeath.com, 2011.
115
Gegründet 1978, Kanada, www.anvilmetal.com, 2011. Sehenswert ist der 2010 erschienene Film „Anvil! The Story
of Anvil“, der den kurzen weltweiten Erfolg und das Versinken in der Vergessenheit der Band Anvil dokumentiert. Siehe
www.anvilthemovie.com, 2011.
116
Gegründet 1978, Kanada, www.hemidata.se/exciter, 2011.
117
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Speed_Metal, 2011.
110
27
BLACK METAL
Der Black Metal erhielt seinen Genre-Namen durch den Titel der 1982 erschienenen zweiten Platte der
Gruppe Venom118, die aber musikalisch eher dem Thrash Metal zuzuordnen ist. Inhaltlich befassten sich die
Texte von Venom, wie auch die der frühen Black Metal Bands, bevorzugt mit Satanismus. Die Beinamen der
Bandmitglieder sollten das Image noch unterstreichen. So nannte sich der Sänger und Bassist von Venom,
Conrad Lant „Cronos“119 und der Schlagzeiger Anthony Bray „Abbadon“120. Das Verwenden von Beinamen
oder Pseudonymen ist in diesem Genre häufig zu beobachten.
Black Metal hantiert eindeutig mit satanistischen und okkulten Texten und Symbolen und es fällt schwer,
Show-Satanismus von tatsächlichem Satanismus zu unterscheiden. Offen angegriffen wird generell die
(christliche) Kirche als Institution, wohingegen Glaube und/oder Religion an sich oft als zumindest neutral
gewertet werden. Besonders bei der Betrachtung amerikanischer Black Metal Bands muss das Handeln
einiger konservativer, oft als doppelmoralisch empfundener christlich-fundamentalistischer Kirchen
mitgedacht werden, deren Einfluss auf Gesellschaft und Politik in den USA sehr groß ist. Die
Auseinandersetzung zwischen Musik und Kirche hat (nicht nur in den USA) bereits lange Tradition. Blues,
Rock’n’Roll, Rock und Metal wurde (und wird teilweise noch) nachgesagt, ein Medium des Teufels zu sein,
um junge Menschen vom Glauben bzw. „dem rechten Weg“ abzubringen. Black Metal bemüht sich so
gesehen in erster Linie um Abgrenzung zur herrschenden bürgerlichen Religiosität. Der Satanismus ist
hierbei als die größtmögliche Provokation für Kirche und Bürgertum zu verstehen.
Skandinavien gilt als Wiege des Black Metal. Musikalische Vorreiter sind unter anderem King Diamond121
bzw. dessen Band Mercyful Fate122. King Diamond brachte unter anderem eine Vorform des später für den
Black Metal so typischen Corpse Paint auf die Bühne. Die Ausbreitung des Black Metal erfolgte in drei
Wellen, wobei die erste etwa Mitte der 80er Jahre abebbte. Bands wie Celtic Frost123, Darkthrone124,
Hellhammer125 und Mayhem126 waren bis dahin prägend. „1984 veröffentlichte die schwedische Band
Bathory127 (die musikalisch eher dem Thrash und Viking Metal zugeordnet wird) ihr […] Debüt-Album, mit
118
Newcastle, England.
Figur aus der griechischen Mythologie, Vater des Zeus, Anführer der Titanen.
120
Biblische Figur; Name abgeleitet von hebräisch abad „Untergang, Vertilgung, Abgrund“.
121
Bürgerlicher Name: Kim Bendix Petersen, *1956 in Kopenhagen.
122
Gegründet 1981, Dänemark, Heavy-Metal, www.covenworldwide.org, 2011.
123
Gegründet 1984, Schweiz, www.celticfrost.com, 2011.
124
Gegründet 1986, Norwegen, www.darkthrone.no, 2011.
125
Gegründet 1982, Nürensdorf, Schweiz, www.hellhammer.org, 2011.
126
Gegründet 1984, Norwegen, www.thetruemayhem.com, 2011.
127
Gegründet 1983, Schweden, www.bathory.se, 2011.
119
28
dem der typische Krächzgesang aufkam und dessen roher Proberaum-Klang den Standard des
„schmutzigen“ Klangs setzte, der dem Black Metal seither eigen ist.“128
Die zweite Welle rollte in den frühen 90ern los. Maßgeblich an der Ausformung beteiligt ist der MayhemGitarrist „Euronymous“. Varg Vikernes129, ein Freund und der spätere Mörder von Euronymous, der sich auch
„Count Grishnackh“ nannte, gründete das Black Metal/Ambient Projekt Burzum130. Vikernes verband
satanistische Vorstellungen mit neonazistischen Agitationen (siehe Ausführungen zum NS-Kult im Heavy
Metal). Emperor131, Darkthrone und Immortal132 vollzogen Stilwechsel und passten sich dem neuen Bild des
Black Metal an. Grundsätzlich ging es um die klare Abgrenzung vom als zu massentauglich empfundenen
Death Metal.133 „Durch ein Interview, das Varg Vikernes einer norwegischen Tageszeitung gab und in dem
er die Black-Metal-Szene mit den Kirchenbränden134 in Verbindung brachte, und einen kurz darauf
veröffentlichten, reißerischen Artikel über die Vorgänge innerhalb der norwegischen Black-Metal-Szene im
britischen Magazin Kerrang! geriet die Szene 1993 ins Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit. Musiker von
Bands wie Satyricon135, Marduk136, Emperor, Burzum, Dimmu Borgir137 und Darkthrone gaben in Interviews
Abb. 5
Abb. 6
neben gewaltverherrlichenden Aussagen auch solche von sich, in denen sie mit Rassismus und
Rechtsextremismus kokettierten und so für den Boykott des Black Metal durch zahlreiche Medien
sorgten.“138
128
http://de.wikipedia.org/wiki/Black_Metal, 2011.
1994 wegen Mordes und Brandstiftung zu 21 Jahren Haft verurteilt. 2009 auf Bewährung entlassen.
130
Gegründet 1991, Norwegen, www.burzum.org, 2011.
131
Gegründet 1991, Norwegen, www.emperorhorde.com, 2011.
132
Gegründet 1990 (urspr. als „Amputation“), Norwegen, www.immortalofficial.com, 2011.
133
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Black_Metal, 2011.
134
Es gab in Norwegen zahlreiche Brandstiftungen, die mit der Black-Metal Szene in Verbindung gebracht wurden.
Burzum vermarktet sogar eine Art Kirchenbrand-Tourshirt. Vgl. Abb. 5 und 6.
135
Gegründet 1990 (urspr. als „Eczema“), Norwegen, www.satyricon.no, 2011.
136
Gegründet 1990, Norrköping, Schweden, www.marduk.nu, 2011.
137
Gegründet 1993, Norwegen, www.dimmu-borgir.com, 2011.
138
http://de.wikipedia.org/wiki/Black_Metal, 2011.
129
29
Die dritte Welle, etwa ab Mitte der 90er, spaltete die „Szene“. Einerseits erfolgt eine Hereinnahme von
musikalischen Einflüssen anderer Genres, wie z. B. der klassischen und der elektronischen139 Musik,
andererseits bemühten sich die – aus ihrer Sicht – einzig „wahren“ Black Metal Bands um härtere
Ausdrucksformen und die intensivstmögliche Abgrenzung gegenüber „Kommerz“ und Massentauglichkeit.
Weltweit setzte ein Nachahmungsprozess des nordischen Black Metal ein, den Mortiis140 schlichtweg als
„peinlich“ bezeichnete: „Wenn sich ein Typ aus Griechenland an Thors Hammer festhält, wozu soll das gut
sein? Er soll ein Symbol für Zeus oder Kronos nehmen und wenigstens seinen eigenen mythologischen
Göttern Respekt entgegenbringen!“141 Nicht nur die Musik, auch das aggressive Verhalten wurde als
„dazugehörig“ kopiert – es kam zu zahlreichen Friedhofsschändungen und Kirchenbränden. „Von der BlackMetal-Welle peinlich berührt, versuchte eine engagierte Fraktion an möglichst rohen, einfachen Sounds
festzuhalten und echtem Gefühl den Vorzug vor greller Symbolik zu geben.“142 Dazu gehörten Bands wie
Darkthrone, Carpathian Forest143, Havohej144 und Hemlock145.
Christe führt in seinem erstmals 2003 erschienen Buch „Höllenlärm“ aus, dass sich das „Extreme in
Norwegen in die soziale Akzeptanz ergeben“ hat, „da die Bands jetzt unverständlicher Weise Zuspruch dafür
erhielten, dem Land eine musikalische Identität verschafft zu haben.“146 Bands wie Cradle of Filth147 und
Dimmu Borgir verliehen den nicht im Untergrund verwurzelten Teilen der Szene neuen Glanz. Was Christe
nicht erwähnt, aber der Wahrnehmung bei Konzerten, Festivals und in einschlägigen Kneipen entspricht: Der
„Underground“ existiert weiterhin. Jene, die die Inhalte des Black Metal so ernst meinen, dass jede Art von
finanziellem Profit zu einer Beleidigung der Idee würde, scheren sich natürlich nicht um Breitenwirksamkeit
und öffentliches Aufsehen.
Der Politologe Dr. Rainer Fromm bezeichnet in einem Gutachten für die BPiM148 den Black Metal als „eine
Subkultur der Widersprüche, die Blut, Gewalt und Stärke glorifiziert und gleichzeitig ihren Frieden mit der
oftmals schockierenden Umwelt sucht.“149
139
Verbindung zu Industrial/Black/Dark Ambient
Gründungsmitglied von Emperor, später bekannt für seine Dark Ambient Solo-Projekte.
141
Christe, 2004, S. 296.
142
Ebda.
143
Gegründet 1990, Sandens, Norwegen, www.tnbm.no, 2011.
144
Gegründet 1993, New York City, New York, USA, keine Website auffindbar.
145
Gegründet 1992, New York City, New York, USA, keine Website, Fansite: www.myspace.com/hemlockworship, 2011.
146
Christe, 2004, S. 296.; Man denke an Metal-Bands beim Euro-Visions-Songcontest, in Werbungen etc.
147
Gegründet 1991, Suffolk, England, www.cradleoffilth.com, 2011.
148
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, Deutschland.
149
Genese der Black Metal-Subkultur und des Neosatanismus in der Rockmusik, www.bundespruefstelle.de, 2011.
140
30
2009 erschien der nicht unumstrittene Dokumentarfilm „Until The Light Takes Us“150, der sich der
norwegischen Black Metal Szene widmet.
DEATH METAL
Als die erste Welle des Black Metal abebbte, gewannen Death Metal und etwas später auch Viking Metal an
Bedeutung. 1985 nimmt die Formation Death151 die Demo „Infernal Death“ in Florida auf. Chuck
Schuldiner152, der Sänger von Death, gilt als Begründer des Death Metal. Im Unterschied zum schrillen, hohen
„Gekreische“ das im Black Metal üblich ist, sind hier tiefe dunkle „Growls“ ein wesentliches Stilelement. Als
wichtiger Vorarbeiter des Death Metal gilt die, ebenfalls kalifornische, Thrash-Metal Gruppe Slayer.
Possessed153, auch aus der Bay Area stammend, gelten als eine der ersten tatsächlichen Death Metal
Formationen. „Durch das rasende, vernichtende Tempo des Grindcore154 entzündet, machte die massive
Feuersbrunst des Death Metal alles andere vergessen. Die letzten Spuren von traditionellem Rock’n’Roll
wurden von den neuen Gebietern – dem Triumvirat Death, Morbid Angel155 und Deicide156 – endgültig
verwischt.“157 Deicide gelten als die bekannteste Death Metal-Formation. Der Sänger und Bassist von
Deicide, Glen Benton158, ließ sich ein umgedrehtes Kreuz in die Stirn einbrennen159, bezeichnete sich selbst
wie auch die übrigen Bandmitglieder als von Dämonen besessen und tätigte ferner die Aussage, dass „Death
Metal und Satanismus Hand in Hand zu gehen hätte[n].“160 Zu den einflussreichsten Vertretern des Florida
Death Metal161 zählen auch Obituary162 und Brutality163.
Inhaltlich liegt dem Death Metal eine zutiefst pessimistische Weltsicht zu Grunde. Der Tod an sich ist
Angelpunkt und Richtung. Weiters handeln die Texte vom Horror der Gentechnik, von Aufrüstung und
Umweltzerstörung, sozialem Leid und Massenvernichtung. Die Bühnenshows dürften vor allem von
sogenannten Splatter164-Filmen inspiriert worden sein. Die Sexualität, sofern sie besungen wird, ist
manchmal ebenfalls auf den Nach-Todesbereich (Nekrophilie) verschoben, etwa bei zahlreichen Texten der
150
Aites, Aaron, Ewell, Audrey: „Until The Light Takes Us“, Variance Films, 2009.
Gegründet 1983 (urspr. als „Mantas“), Tampa, Florida, USA, www.emptywords.org, 2011.
152
*1967 in Long Island, New York, USA.
153
Gegründet 1983, San Francisco, Kalifornien, USA, www.myspace.com/666possessed, 2011.
154
Im Hardcore-Punk wurzelnder Musik-Stil.
155
Gegründet 1984, Tampa, Florida, USA, www.morbidangel.com, 2011.
156
Gegründet 1987 (urspr. als „Amon“), Florida, USA, www.deicide.com, 2011.
157
Christe, 2004, S. 250.
158
*1967 in den USA.
159
Vgl. Abb. 24.
160
Dornbusch/Killguss, 2005, S. 227.
161
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Florida_Death_Metal, 2011.
162
Gegründet 1984 (urspr. als „Executioner“), Tampa, Florida, USA, www.obituary.cc, 2011.
163
Gegründet 1986, Tampa, Florida, USA, http://originalbrutality.tripod.com, 2011.
164
„Splatter“ setzt sich aus den engl. Worten „splash“ und „to spatter“ zusammen – beide bedeuten „spritzen“, hier vor
allem das Herumspritzen des Blutes.
151
31
Formation Cannibal Corpse165. Der Death Metal verherrlicht allerdings nicht die Freude an dieser
dargestellten Welt, sondern besingt die Angst davor. Die menschliche Existenz gilt ihm als ständig von Tod
und/oder Irrsinn bedroht.
„Während England das Heimatland des Heavy Metal gewesen war und das Herz des Thrash in San Francisco
pochte [wie das des Black Metal in Skandinavien], gedieh Death Metal auf der ganzen Welt.“166 Neben der
bedeutenden US-amerikanischen Szene begann sich zu Anfang der 90er Jahre auch im skandinavischen
Raum eine Szene zu entwickeln, die im sogenannten Melodic Death Metal (auch New Wave of Swedish
Death Metal, NWoSDM) gipfelte167: „Entombed168, Dismember169, At the Gates170, Grave171, Dissection172, In
Flames173 – diese energiegeladenen Verwalter des schwedischen Göteborg-Sounds betonten Power neben
Groteskem und lockten viele bereitwillige Mainstream-Rockfans in die Tiefen des Death Metal.“174
Der Bezug zu okkulten und satanistischen Themen ist nicht von der Hand zu weisen. „Metallica, Megadeth
und Anthrax hatten dem Satanismus bereits zu Beginn ihrer Laufbahn abgeschworen, Death Metal aber
stellte die mythische Auslegung wieder in den Vordergrund.“175 Es wird immer wieder versucht, die Bands
des Black und Death Metal zu unterteilen nach jenen die tatsächlichen Satanismus praktizieren und
propagieren (hier werden oft Deicide, Mayhem, Dark Funeral und Marduk genannt), und jenen, die Protestbzw. Show-Satanismus betreiben (wie Possessed, Dimmu Borgir und Cradle of Filth). Show-Satanismus
äußert sich durch ein betont dämonisches Image der Musiker und eine entsprechende Aura, die durch
hasserfüllte, verbitterte Bühnenshows mit Kunst-Blut und Tierkadavern verstärkt wird.176
WHITE METAL UND UNBLACK METAL
Beides sind Untergenres des so genannten Christlichen Metal die sich ausschließlich mit christlichen
Inhalten befassen.177 Diese Strömungen stellten eine Gegenreaktion auf die satanistische Welt des Black
Metal dar und entstanden in den USA ab ca. 1985. Die Gruppen dieser Richtungen vertreten meist ein
strenges „Recht- und Ordnung“-Christentum mit reaktionären, fundamentalistischen Inhalten. Armut,
Hunger oder AIDS werden z. B. als Strafen Gottes für vorehelichen Geschlechtsverkehr gesehen und auch
165
Gegründet 1988, Buffalo, New York, USA, www.cannibalcorpse.net, 2011.
Christe, 2004, S. 251.
167
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Melodic_Death_Metal, 2011.
168
Gegründet 1989, Stockholm, Schweden, www.entombed.org, 2011.
169
Gegründet 1988, Stockholm, Schweden, www.dismember.se, 2011.
170
Gegründet 1990, Göteborg, Schweden, www.atthegates.se, 2011.
171
Gegründet 1988, Visby, Schweden, www.grave.se, 2011.
172
Gegründet 1989, Strömstad, Schweden, www.dissection.se, 2011.
173
Gegründet 1990, Göteborg, Schweden, www.inflames.com, 2011.
174
Christe, 2004, S. 262.
175
Ebda. S. 254.
176
Vgl. Schweidlenka: Satanismus, 2010.
177
http://de.wikipedia.org/wiki/Christlicher_Metal, 2010.
166
32
antisemitische Weltverschwörungstheorien sind aus diesen Musikerkreisen bekannt. „Im Gegensatz zum
später entstandenen Unblack Metal wirken die Texte [des White Metal] positiv, direkt und plakativ und sind
stark von reformatorischen und evangelikalen Einflüssen geprägt. Die Band Stryper verband ihr
musikalisches Schaffen zudem mit offensiver Evangelisation, etwa durch das Verschenken von tausenden
Bibeln während ihrer Konzerte. […] Im Unblack Metal werden primär negative Aspekte des Lebens wie
Melancholie, Trauer und innere Verzweiflung, die mühsame Suche nach Gott oder Hass und Wut
beleuchtet.“178
Vertreter sind z. B. Stryper179, Bloodgood180, 7th Angel181 und Horde182. Auch in anderen Metal Subgenres
wie z. B. dem Heavy, Power, Death, Doom und Gothic Metal sind Bands mit christlichen Inhalten vertreten.183
CROSSOVER – DIE VERSCHMELZUNG MUSIKALISCHER STILE MIT METAL
Der ursprünglich Mitte der siebziger Jahre aufgekommene Begriff des „Crossover“ erlebte Ende der
achtziger bzw. zu Beginn der neunziger Jahre eine Renaissance, als Vermischungen zwischen Metal, HipHop, Alternative Rock, Rap, Punk und Funk versucht wurden. „Den Startschuss gab wahrscheinlich 1992 das
Debütalbum von Rage Against The Machine184, obwohl schon Jahre vorher Gruppen wie Fugazi,185 White
Zombie186, aber auch Rapper wie Run DMC187 damit begonnen hatten, die bis dahin als unvereinbar
geltenden stilistischen Grenzen bis zur Unkenntlichkeit zu verwischen.“188 Die stilistische Öffnung führte
auch zu einer Erweiterung des Hörerkreises.
Der Rap war, neben dem Punk, eine der ersten Musikrichtungen, die für die „Metalvariante“ des Crossover
bedeutend wurden. Metal galt lange Zeit als Musik der weißen Unterschicht, die gegen das wohlhabende
Bürgertum rebellierte, doch spätestens diese Fusion machte die Musik und Szene auch für schwarze Fans
zugänglich und interessant. Auch oder gerade die Fachliteratur189 definierte den „Metalfan“ lange als
männlichen, weißen, sozial unterprivilegierten Arbeiter in den mittleren Zwanzigern. Mittlerweile
widersprechen viele Autoren dieser Annahme deutlich und bestreiten – zumindest seit der
178
Ebda, 2011.
Gegründet 1983, Orange County, Kalifornien, USA, www.stryper.com, 2011.
180
Gegründet 1984, Seattle, Washington, USA, www.bloodgoodband.com, 2011.
181
Gründungsjahr unbekannt, USA, keine Website auffindbar.
182
Gegründet 1994, Australien, keine Website auffindbar, Fansite: www.thanatosmetal.com/horde, 2011.
183
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Christlicher_Metal, 2010.
184
Gegründet 1991, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.ratm.com, 2011.
185
Gegründet 1987, Washington D.C., USA, Post-Hardcore/Indie-Rock/Art-Punk, www.southern.net, 2011.
186
Gegründet 1985, USA, www.zombiefaq.com, 2011.
187
Gegründet 1982, New York City, New York, USA, www.rundmc.com, 2011.
188
Graf, 2001, S. 5.
189
Siehe dazu: Roccor, 1998; Kemper/Langhoff/Sonnenschein, 1998, S. 244-259.
179
33
„Gattungsaufweichung und den daraus resultierenden Stilbastarden“190 – die Gegebenheit dieses
homogenen Szenebildes.
Zwar gab es auch rassistische Färbungen, verbale Rassismen wie „Speak English or die“ von M.O.D.191
(Method of Destruction). Sozial-darwinistische Texte wie „Der Untermensch“ von Type o Negative192 blieben
aber Ausnahmen. Mit der zunehmenden Politisierung der Metal-Szene entdeckten „Metalintellektuelle“
Gemeinsamkeiten von Fans aller Hautfarben und Schichten: Das gesellschaftliche Außenseitertum, der
Hass auf das System und die Wünsche nach Sozialreformen. Es kam zu einigen Allianzen, bei denen
schwarze Anliegen in die Metal-Szene hineingetragen wurden (Run DMC, Beastie Boys, …).
Bekannte Bands, die sich des Crossover bedienen sind z. B. Biohazard193, Body Count194, Clawfinger195, Dirty
Rotten Imbeciles196, Dog eat Dog197, Faith No More198, Living Colour199, und Suicidal Tendencies200.
NU METAL/NEW METAL
Hier werden vornehmlich Elemente des Thrash Metal, Hardcore, Grunge, Industrial, Punk und Rap
kombiniert, wobei der Unterschied zum Crossover in der härteren Spielart, tiefer gestimmten Gitarren und
dem eher spärlichen Einsatz von Rap-Passagen201 liegt. Graf202 bezeichnet den Nu Metal als „populäre
Schnittstelle“ zwischen den oben genannten Musikgenres und schreibt die Etablierung des Begriffes den
medialen Erfolgen der Bands Korn (bzw. KoЯn )203, Slipknot204 und Papa Roach205 zu. Weitere bekannte
Bands sind z. B. Coal Chamber206, Limp Bizkit207, Linkin Park208, Ill Niño209.
190
Schäfer, 2002.
Gegründet 1986, New York City, New York, USA, www.billymilano.com, 2011.
192
Gegründet 1989/90, New York City, New York, USA, www.typeonegative.net, 2011.
193
Gegründet 1987, New York City, New York, USA, www.biohazard.com, 2011.
194
Gegründet 1989, USA, keine Website auffindbar.
195
Gegründet 1991, Schweden/Norwegen, www.clawfinger.net, 2011.
196
Gegründet 1982 (urspr. als „US-Dirty Rotten Imbeciles“), Houston, Texas, USA, www.dirtyrottenimbeciles.com, 2011.
197
Gegründet 1991, New Jersey, USA, www.dogeatdog.nl, 2011.
198
Gegründet 1982, San Francisco, Kalifornien, USA, www.fnm.com, 2011.
199
Gegründet 1984, New York City, New York, USA, www.myspace.com/livingcolourmusic, 2011.
200
Gegründet 1982, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.suicidaltendencies.com, 2011.
201
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Nu_Metal, 2010.
202
Graf, 2001, S. 202.
203
Gegründet 1993, Bakersfield, Kalifornien, USA, www.korn.com, 2011.
204
Gegründet 1995, Des Moines, Iowa, USA, www.slipknot1.com, 2011.
205
Gegründet 1993, Vacaville, Kalifornien, USA, www.paparoach.com, 2011.
206
Gegründet 1994, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.myspace.com/coalchambermusic, 2011.
207
Gegründet 1994, Jacksonville, Florida, USA, www.limpbizkit.com, 2011.
208
Gegründet 1996 (urspr. als „Xero“ bzw. „Hybrid Theory“), Los Angeles, Kalifornien, USA, www.linkinpark.com, 2011.
209
Gegründet 1999, New Jersey, USA, www.illnino.com, 2011.
191
34
METALCORE
Aus Elementen von Heavy, Threash und Melodic Death Metal sowie des Hardcore Punk entwickelte sich der
Metalcore, in Anspielung auf die NWoBHM auch „New Wave of American Heavy Metal“ genannt. Aus dem
Metalcore entwickelte sich der schnellere und aggressiver gespielte Death Core. Musikalisch orientiert sich
dieses Genre mehrheitlich am Metal, inhaltlich jedoch mehrheitlich am Hardcore. Gesellschaftliche und
politische Themen und ein starker Jugendbezug stehen im Vordergrund. 210 Vertreter sind z. B. As I Lay
Dying211, Caliban212, Chimaira213, Heaven Shall Burn214, Bullet for My Valentine215 und Killswitch Engage216.
Als Subgenre des Hardcore, nicht des Metal, gilt der Hatecore217, eine Strömung, deren Texte sich durch
besonders aggressive und hasserfüllte Texte auszeichnen. „Heute wird der Begriff oft mit Gruppen in
Verbindung gebracht, die dem Rechtsextremismus, Neonazismus, Rassismus und der White-SupremacyIdeologie anhängen oder nahe stehen, weshalb dieses Subgenre hier Erwähnung findet.“218
 Weitere Fachbroschüren zum Thema erhältlich unter www.logo.at.
GOTHIC METAL
In den frühen 90er Jahren begannen Bands wie Paradise Lost219, Tiamat220 und My Dying Bride221 damit,
typische Elemente des Gothic mit Metal zu verbinden. „1995 brachte die norwegische Band Theatre of
Tragedy222, mit ihrem ersten Album das markanteste Merkmal für den typischen Gothic Metal mit ein, und
zwar den Wechselgesang zwischen Mann (Growls, Grunts) und Frau.“223 In diesem Genre sind
Überschneidungen mit Doom und Symphonic Metal häufig zu beobachten. Der Song „Black No. 1“ von Type
O Negative (die allerdings vor allem dem Doom Metal zugeordnet werden) verhalf dem Stil, zumindest
vorübergehend, zu großer Popularität. Gerade diesem Genre werden auf Grund eines düsteren
210
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Metalcore, 2010.
Gegründet 2001, San Diego, Kalifornien, USA, www.asilaydying.com, 2011.
212
Gegründet 1997, Hattingen, Deutschland, www.calibanmetal.com, 2011.
213
Gegründer 1998, Cleveland, Ohio, USA, www.chimaira.com, 2011.
214
Gegründet 1996 (urspr. als „Before the Fall“), Saalfeld an der Saale, Deutschland, www.heavenshallburn.com, 2011.
215
Gegründet 1999, Wales, Großbritannien, www.bulletformyvalentine.com, 2011.
216
Gegründet 1999, Westfield, Massachusetts, USA, www.killswitchengage.com, 2011.
217
Siehe dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Hatecore, 2011.
218
http://de.wikipedia.org/wiki/Hatecore, 2010.
219
Gegründet 1988, Halifax, England, www.paradiselost.co.uk, 2011.
220
Gegründet 1988, Schweden, anfangs Black/Death Metal, gelten später als Begründer des Gothic Metal,
www.churchoftiamat.com, 2011.
221
Gegründet 1990, Halifax, England, www.mydyingbride.org, 2011.
222
Gegründet 1993, Stavanger, Norwegen, www.theatreoftragedy.com, 2011.
223
http://www.metalstile.de/gothic-metal.html, 2011.
211
35
Erscheinungsbildes viele Bands fälschlicherweise zugeordnet (Oomph!, Rammstein, HIM, Lacrimas
Profundere, Cradle of Filth, etc.).224
In den achtziger Jahren wäre eine Annäherung von Metal und Gothic schwer möglich gewesen. Die Welt der
eher feminin anmutenden Goths schien mit der rauen Metal-Macho-Männlichkeit unvereinbar. Auf beiden
Seiten war aber das Interesse an okkultistischen Themen vorhanden. Im Gothic Metal trafen sich nun die
okkulten Interessen der beiden Strömungen. Weitere Merkmale, die eine Annäherung der beiden Szenen
erleichterten, waren der Hang zu extremen Outfits und – für die bürgerliche „Normalgesellschaft“ –
extremen Lebenseinstellungen, Nichtanpassung, Widerstand gegen Gleichschaltung und Normierung im
Sinne des Mainstream. Von Bedeutung ist ferner der Gothic Rock, worauf im Kapitel über die Gothic Szene
näher eingegangen wird.
224
36
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Gothic_Metal, 2011.
INDUSTRIAL
Alex Mikusch
Industrial entwickelte sich Mitte der 1970er Jahre in England und den USA. Stilprägend war die Band
Throbbing Gristle225 aus England mit ihrem Label „Industrial Records“. Hier wird Provokation als Kunstform
eingesetzt. Dabei ist die Provokation jedoch kein Selbstzweck, sondern beabsichtigt eine Verstörung des
Hörers, die ein Reflektieren seines eigenen Handelns bewirken soll. Die Vertreter entstammten anfangs
Kunsthochschulen. Ähnlich wie beim Wiener Aktionismus wollten die Industrial-Vertreter durch Provokation
die Wurzeln von Faschismus und Unterdrückung aufzeigen. Die Künstler versuchten, durch bewusste
Provokation die Doppelmoral der Gesellschaft sichtbar zu machen. Die Musikrichtung Industrial brach mit
herkömmlichen Vorstellungen von Musik. Mit Synthesizern, Alltagsgeräuschen und Sprach-Samples wurden
teils ruhige, teils orkanartige Klangbilder erzeugt. Mit dem Gesamtkonzept wollte man die hoch technisierte
Industriegesellschaft und deren Medien kritisieren, in welchen man die Ursachen für pervertiertes
menschliches Verhalten sah. Ursprünglich verstand sich Industrial als ganzheitliches avantgardistisches
Musikkonzept, das mit sämtlichen Elementen von Schock und Provokation Tabus brechen wollte. Der
Industrial wollte durch extreme Darstellungen von Krieg, Faschismus, Nationalsozialismus, Sexualität und
Tod irritieren und wachrütteln. Diese Kunstform ist stark anfällig für Fehlinterpretationen, zum Verständnis
dieser Inszenierungen gehört eine große Portion an Reflexionsbereitschaft.
Im Laufe der 1980er vermischte sich die Industrial Szene mit anderen Stilrichtungen: Gothic, Dark Wave,
Neofolk, Metal, usw. „Mitte der 1980er lösten sich die meisten Industrialbands der ersten Stunde auf, da der
anfangs so innovative Impuls verfiel und das ursprünglich komplexe Geflecht aus Kunst, Medientheorie und
Provokation zu einem Stereotyp degenerierte.“226
In den 1990ern sind etliche Bands mit dem Industrial-Etikett versehen worden, die jedoch mit dem
ursprünglichen Konzept nur mehr wenig zu tun hatten und haben: Nine Inch Nails227, Ministry228, Marilyn
Manson229 usw.
Der heutige Industrial teilt sich musikalisch in eine an den Ursprüngen der Musik orientierte Stilrichtung,
sowie in eine mehr dem Techno verpflichteten Weiterentwicklung.
Inhaltlich schrecken einige dieser Bands nicht davor zurück, Tabubrüche noch weiter zu überspitzen. Diese
werden oft nicht mehr in einen kritischen Diskurs gestellt, sondern offen ausgelebt. Im Laufe der Zeit wurde
225
Gegründet 1976, England, www.throbbing-gristle.com, 2011.
Dornbusch, 2002, S. 288.
227
Gegründet 1988, Cleveland, Ohio, USA, www.nin.com, 2011.
228
Gegründet 1981, Chicago, Illinois, USA, www.ministrymusic.org, 2011.
229
Gegründet 1989, Tampa, Florida, USA, www.marilynmanson.com, 2011.
226
37
aus einer Bewegung mit einem eher linken Background eine, die sich mittlerweile in weiten Teilen offen der
rechten Ideologie verschreibt. Teilweise mit einem Hang zur Nazi-Esoterik, wie etwa bei Death in June230,
oder dem Musiker Boyd Rice, der rassistische und sozialdarwinistische Thesen propagiert.
Die 1980 gegründete slowenische Band Laibach231 gilt als „Kult“ und steht beispielhaft für die kontroverse
Art des Industrials. Bei Laibach verschmelzen viele Musikstile zu einer neuen Einheit und einer in dieser
Form einzigartigen Klangcollage. In dieser spiegelt sich die Denkweise der Band wider. Laibach arbeiten mit
dem Stilmittel der Überidentifizierung von totalitärer Ideologie. So bestehen ihre Konzerte aus multimedialen
Performances bei denen sie Uniformen tragen und ihr Sänger als Erlöserfigur erscheint.
Der eindringlich beschwörende Gesang des Sängers Milan Fras gilt als gewaltiger Einfluss auf den Sänger
Till Lindemann, der seit Mitte der 1990er mit der erfolgreichen deutschen Band Rammstein ausgehend von
Ostberlin die Welt musikalisch erobert.
FOLK METAL
Diese Stilrichtung mischt, sowohl hinsichtlich der Spielweise, als auch der instrumentellen Besetzung, Metal
mit folkloristischen Elementen aller Art. Als Wegbereiter gilt die Band Skyclad232, die erstmals 1991
englische Folklore in ihre Musik einbrachte. Die Abgrenzung zu Pagan-, Viking-, und Mittelaltermetal ist nicht
immer klar. So werden z. B. dem entsprechenden Artikel233 der Seite www.laut.de folgend auch mancherorts
Bathory234, die von Wikipedia235 ganz klar dem Vikingmetal zugeordnet werden, als „Erfinder“ des Folkmetal
gesehen. Die Gruppe In Extremo236, ebenfalls gerne als Folk Metal bezeichnet, fällt eher in den Bereich
Mittelalter Metal. Das Feld des Folk Metal beschränkt sich nicht auf den europäischen Raum, sondern hat
sich vielmehr explosionsartig weltweit (weiter)entwickelt. Elemente aus beinah allen Ethnien finden ihren
Widerhall. Und es muss nicht zwingend der eigene Kulturkreis vertreten werden, wie die Celtic-Folk-Metal
Band Tuatha de Danann237 aus Brasilien beweist. Einen guten Überblick über die Vielfalt dieser Szene bietet
der Wikipedia Artikel „Folk-Metal“, in dem über fünfzig Gruppen aus Kulturkreisen beinah aller Kontinente
gelistet werden. Auffallend ist die überwiegende Hinwendung zu frühgeschichtlichen Kulturen und deren
230
Gegründet 1981, Großbritannien, www.deathinjune.net, 2011.
Gegründet 1980, Trbovlje, Slowenien, www.laibach.nsk.si, 2011.
232
Gegründet 1990, Newcastle upon Tyne, England, www.skycladmusic.co.uk, 2011
233
www.laut.de/Folk-Metal-(Genre), 2010.
234
Gegründet 1983, Schweden, www.bathory.se, 2011.
235
http://de.wikipedia.org/wiki/Folk_Metal, 2010.
236
Gegründet 1995, Siegen, Deutschland, ww.inextremo.de, 2011.
237
Gegründet 1995, Varginha, Brasilien, www.myspace.com/tuathadedanann, 2011.
231
38
Mythologien. Vertreter des Folk Metal sind zum Beispiel: Chthonic238, Eluveitie239, Finntroll240, Korpiklaani241,
Mägo de Oz242, Orphaned Land243, Tuatha de Danann.
MITTELALTER METAL/MITTELALTER ROCK
Auch die Bezeichnung Medieval Folk Metal ist zu finden, wonach der Mittelalter Metal/Rock ein Subgenre
des zuvor genannten Folk Metal wäre.244 Gemeint ist jedenfalls die Verbindung von modernen, historisch
inspirierten Instrumenten, „wie beispielsweise Sackpfeife, Harfe, Drehleier, Schalmei, Blockflöte und/oder
mittelalterlichen Texten mit Elementen moderner Rock- und Metal-Musik wie E-Gitarre, E-Bass, Schlagzeug
oder Elektronik.“245 Stilprägend für den deutschen Raum waren vor allem die Gruppen In Extremo, Subway
to Sally246 und Corvus Corax247. Weitere Vertreter sind zum Beispiel Haggard248 und Schandmaul249. Der
Versuch nicht-deutschsprachige Bands diesem Begriff zuzuordnen erwies sich als äußerst schwierig, da die
meisten (z. B. die finnische Band Waltari250) im Laufe ihres Bestehens vielen verschiedenen Stilen
zugeordnet werden können und die Phase des Mittelalter Metal nicht im Vordergrund steht. Eine gute
Recherchehilfe bietet hier der Artikel „Neo-Medieval-Music“251 der englischsprachigen Wikipedia Seite.
Bezeichnender Weise wurde der deutschsprachige Artikel „Mittelalter Metal“ im April 2011 gelöscht bzw. zu
„Mittelalter Rock“252 verschoben.
VIKING METAL
Roland Filzwieser
Umstritten bleibt sicherlich, wo die genaue Grenze zwischen Viking Metal und Viking Black Metal zu ziehen
ist. Zählen für die einen alle Bands, deren Texte und Artwork sich mit der Wikingerzeit und der nordischen
Mythologie befassen, selbst wenn sie musikalisch eher im Black Metal (seltener auch im Death Metal)
beheimatet sind als Viking Metal Bands, so verstehen die anderen unter Viking Metal nur jene Musik, welche
238
Gegründet 1995, Taipeh, Taiwan, www.chthonic.tw, 2011.
Gegründet 2002, Winterthur, Schweiz, www.eluveitie.ch, 2011.
240
Gegründet 1997, Helsinki, Finnland, www.finntroll.net, 2011.
241
Gegründet 2003, Lahti, Finnland, www.korpiklaani.com, 2011.
242
Gegründet 1988/89, Spanien, www.magodeoz.com, 2011.
243
Gegründet 1991, Israel, www.orphaned-land.com, 2011. Arbeitet mit vielfältigen folkloristischen Anleihen, wird
allgemein aber eher zum Death, Doom u./o. Progressive Metal gezählt.
244
Vgl. http://rateyourmusic.com/genre/Medieval+Folk+Metal, 2011.
245
http://de.wikipedia.org/wiki/Mittelalter-Rock, 2010.
246
Gegründet 1992, Potsdam, Deutschland, www.subwaytosally.com, 2011.
247
Gegründet 1989, DDR, www.corvuscorax.de, 2011.
248
Gegründet 1989, München, Deutschland, www.haggard.de, 2011.
249
Gegründet 1998, München, Deutschland, www.schandmaul.de. 2011.
250
Gegründet 1986, Helsinki, Finnland, www.waltarimusic.com, 2011.
251
http://en.wikipedia.org/wiki/Neo-Medieval_music, 2010.
252
http://de.wikipedia.org/wiki/Mittelalter-Rock, 2011.
239
39
eben erwähnte Thematik mit einer Mischung aus recht frei kombinierbaren Elementen des Black Metal und
des Folk allgemein, sowie skandinavischer Volksmusik im Speziellen, vertonen. Vom Viking Metal zu
unterscheiden ist im Übrigen der Pagan Metal welcher sich mit dem Heidentum und der Mythologie
außerhalb Skandinaviens befasst, wobei es naturgemäß auch häufig zu Überschneidungen kommen kann.
Ein früher Vorreiter des Genres ist sicherlich die Band Manowar, die 1983 mit dem Lied „Gates of Valhalla“
auf dem Album „Into Glory Ride“ begann, immer wieder Themen der skandinavischen Mythologie und
Geschichte aufzugreifen. Einen nächsten großen Schritt für den Viking Metal machte 1988 die schwedische
Band Bathory mit dem Album „Blood Fire Death“, welche sich diesem Thema als erste skandinavische Band,
und darüber hinaus als Gesamtkonzept annahm. Als Urheber des Begriffes „Viking Metal“ wird oft die
norwegische Band Enslaved genannt, die diesen 1994 im Booklet ihres Albums „Frost“ als Untertitel
abdrucken ließ. Ein weiteres Charakteristikum, welches allerdings bei Weitem nicht nur auf Viking Metal
zutrifft, ist, dass viele Bands neben Englisch auch in einer skandinavischen Sprache bzw. ihrer
Landessprache singen. So haben etwa Enslaved, Einherjer253, Windir254, Himinbjørg255 und Helheim256 Lieder
auf Norwegisch, Thyrfing257, Månegarm258, Odhinn259 und Mithotyn260 auf Schwedisch, Falkenbach261 und
Sólstafir262 auf Isländisch sowie Týr263 auf Färöisch herausgebracht, um hier exemplarisch nur einige
wichtige Bands zu nennen.
Neben den obgenannten Stilrichtungen existiert noch eine Vielzahl weiterer die sich oftmals
überschneiden! Es soll hier aber nur um eine grobe Einteilung und die grundlegende Erklärung einiger
Subströmungen gehen um ein Grundverständnis der Vielfalt der Szene zu bekommen.
253
Gegründet 1993, Haugesund, Norwegen, www.einherjer.com, 2011.
Gegründet 1994, Sogndal, Norwegen, www.windir.no, 2011.
255
Gegründet 1996, Chambéry, Frankreich, www.himinbjorg.fr, 2011.
256
Gegründet 1992, Bergen, Norwegen, www.helheim.com, 2011. Nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen
NSBM/Industrial Band.
257
Gegründet 1995, Stockholm, Schweden, www.thyrfing.com, 2011.
258
Gegründet 1995 (urspr. als „Antikrist“), Norrtälje, Schweden, www.manegarmsweden.com, 2011.
259
Gegründet 1995, Sundsvall, Schweden, www.myspace.com/trueodhinn, 2011.
260
Gegründet 1993, Mjölby, Schweden, http://www.myspace.com/mithotyn, 2011.
261
Gegründet 1989, Island, www.facebook.com/OfficialFalkenbach, 2011.
262
Gegründet 1994, Reykjavík, Island, www.solstafir.net, 2011.
263
Gegründet 1998, Kopenhagen, Dänemark, www.myspace.com/tyr1, 2011.
254
40
2.3 ERSCHEINUNGSBILD UND AUSDRUCKSFORMEN
TEXT UND BILD
„Es ist überraschend und bezeichnend zugleich, dass bisher [1998] nur wenige brauchbare
wissenschaftliche Arbeiten über Texte und Musik des Heavy Rock veröffentlicht wurden. Die wenigen
schriftlichen Zeugnisse der Auseinandersetzung mit diesem Genre sind meist von zwei Sachverhalten
gekennzeichnet: Entweder werden die Texte sowie die dazugehörige Musik nicht als künstlerischer
Ausdruck oder gar als Auseinandersetzung mit sozialen Verhältnissen ernst genommen, oder die
entsprechenden Autoren verfolgen mit ihren Veröffentlichungen gesellschaftspolitische Ziele.“264 Die Vielfalt
der wissenschaftlichen Werke, die sich explizit auf die Analyse der Bild- und Textbotschaften des Metal
beziehen, ist nach wie vor nicht überwältigend. Sieht man sich jedoch die wissenschaftlichen Arbeiten (im
Besonderen Diplomarbeiten und Dissertationen) der letzten Jahre an, wird deutlich, dass Metal öfter als
Untersuchungsgegenstand auftaucht und vor allem wesentlich differenzierter wahrgenommen wird, was
daran liegen könnte, dass viele der Autoren selbst ein Naheverhältnis zu dieser Musikszene haben. „Metal
goes science“, sozusagen. Besonders interessant im Zusammenhang mit Texten und sprachlichem
Ausdruck ist die Website der Forschungsgruppe der Linguistik an der Bergischen Universität Wuppertal, die
sich
mit
der
Soziosemiotik
im
Heavy
Metal
auseinandersetzt,
zu
finden
unter
http://wupperhead.wordpress.com.
Waren in der Anfangszeit (Heavy) Metal Cover vor allem geprägt von heroischen Darstellungen,
Horrorgestalten (z. B. das Maskottchen „Eddie“ von Iron Maiden) und okkulten Symbolen, so hat sich
inzwischen, entsprechend der Erweiterung und Entfaltung der musikalischen Landschaft, auch hinsichtlich
der Bildbotschaften einiges getan. Jedes Subgenre hat auch in diesem Punkt seine stilistischen Eigenheiten
und so ist inzwischen die gesamte Bandbreite grafischer Kunst auf Metal Covern zu finden. Bei einem
großen Teil der vertriebenen Medien ist, wenig verwunderlich, nach wie vor der Hang zu düsteren oder/und
martialischen Motiven deutlich spürbar. In der Metalszene erlebt das Vinyl erneut Aufschwung – nicht
zuletzt auf Grund der ausdrucksstark gestalteten Plattenhüllen, die in diesem Format besser betrachtbar
sind als die „Miniaturen“ die CDs zieren. „Das lebhafte Interesse der Metalmusiker an tabuisierten Themen
verschafft ihnen eine gewisse Aufmerksamkeit im gesellschaftlichen Diskurs, führt jedoch in Fällen der
Zensur häufig zur Marginalisierung und Ausgrenzung.“265
264
265
Becker,1998, S. 3f.
www.textem.de/2050.0.html, 2011.
41
Eine interessante Entwicklung ist die unterschiedliche Gestaltung von Covern für den deutschen und den
internationalen Markt.266 Zumeist waren nicht kreative Überlegungen oder Marketing-Aspekte der Ursprung,
sondern Zensur und Indizierung die dem Jugendschutz dienlich sein sollten. Die Diskussionen über deren
Sinnhaftigkeit sind bis heute nicht abgeebbt und werden vermutlich auch niemals einschlafen.
Abb. 8: Cannibal Corpse – Gallery Of Suicide
(Originalversion)
Abb.9: Sorpions – Virgin Killer (Originalversion)
266
42
Vgl. Abb. 9–12.
Abb.8:: Cannibal Corpse – Gallery Of Suicide
(Version für den deutschen Markt)
Abb. 8: Sorpions – Virgin Killer (Version für den
deutschen Markt)
Bei der Indizierung von Metal Cover stehen politische Gründe hinter Erotik und Gewalt zurück. „Deren
mitunter sexistische Motive huldigen machohaften Idealen von starken, heldenhaften Männern und spärlich
bekleideten Frauen als verfügbare Lustobjekte einer Männerphantasie, beispielweise das W.A.S.P.-Cover
von „Animal – f..k like a beast“, das T.N.T.-Cover von „Deflorator“ oder „Club Mondo Bizarre“ von Pungent
Stench. Auch eher harmlos anmutende Motive, wie das der LP „Condition Critical“ der Band Quiet Riot, auf
dem sechs Hände ins Bild ragen, die einem auf einer Krankenbahre festgeschnallten Mann eine Metallmaske
anlegen – während ihre Platte „Metal Health“ kein Ärgernis erregte – stehen, wie die LP „Let them eat metal“
der Band „The Rods“, wo eine Frau in weißen Dessous eine geschälte Banane, in der sich ein Metalldildo
befindet, an ihre Brust drückt, seit Mitte der 1980er Jahre auf dem Index.“267 Aus welchen Gründen optische
Schockeffekte eingesetzt werden ist nur anhand der jeweiligen Bands bzw. Cover diskutier- und
analysierbar.
Ähnlich wie bei der Covergestaltung verhält es sich bei den Texten. Sie konkretisieren die Emotionen der
Musik und liefern Beispiele für das zu vermittelnde Lebensgefühl.268 Nihilistische und hedonistische
Grundthemen, Wut über die gedankenlose Konsumgesellschaft, den „Mainstream“ oder das epische
Glorifizieren heroischer Heldentaten – all das können Zutaten von Metal-Lyrics sein. Wieder ist die
Ausgestaltung stark abhängig vom Subgenre. Patrick Hahn sieht im Aufruf „sich neu aufzurichten und trotz
aller Widerstände gegen das Böse zu kämpfen“269 ein Leitmotiv im (Heavy) Metal der ersten Stunde. „Gegen
Frauenbewegung, Pille und die Schlappe in Vietnam half offenbar die ostentativ zur Schau getragene
maskuline Vitalität, die ihren Ausdruck z. B. in tiefen Stimmen, blanken, muskulösen Oberkörpern und
größtmöglicher Potenz, also Lautstärke, findet.“270 Einige Gruppen singen z. B. sozial oder ökologisch
engagierte Texte: Die Band Iron Maiden brachte mit „The Trooper“ einen Antikriegssong, mit „2 Minutes to
Midnight“ die Schilderung eines nuklearen Holocausts und mit „Run to the Hills“ eine Absage an den
Völkermord an den Indianern Nordamerikas auf den Markt. Die Gruppe Nevermore271 produzierte
Gesellschaftskritisches wie den Song „Medicated Nation“, der die Methoden der Pharmaindustrie kritisiert
oder die Platte „Enemies of Reality“, deren Texte vom Verfall der Gesellschaft, vom Streben nach Ruhm, von
korrupten Religionen und Eitelkeit handeln.
Florian Heesch glaubt, dass die Aggression in Metaltexten zu selten hinterfragt wird. „Die abstoßenden
Texte, die es da gibt, und die düstere Bildlichkeit sind ja eine Fiktion, die nicht mit der Wirklichkeit
267
Pieper 2000, S. 4, www.telos-verlag.de/seiten/musikzensur.pdf, 2010.
Vgl.Feser/Hillebrand, 1998, S. 64.
269
www.nmz.de/online/diva-satanica-eine-konferenz-ueber-heavy-metal-and-gender-an-der-koelnermusikhochschule, 2010.
270
Ebda.
271
Gegründet 1991, Seattle, Washington, USA, www.myspace.com/nevermorefans, 2011.
268
43
verwechselt werden darf.“272 Auch die Autoren von „Musik- und Sprachstile“273 sprechen sich für die
Verortung der textlichen Inhalte jenseits einer realen Welt aus. Mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit sind nicht alle Texte als reine Fiktion anzusehen. Für einen großen Teil der Lyrics dürfte
die Aussage Heeschs aber zutreffen. Vieles in den Texten ist ironisch, sarkastisch und mit derbem Humor
angereichert. Außenstehende sind schockiert, da gerne alles für bare Münze genommen wird. Eigentlich ist
es bei den Texten noch viel unmöglicher eine allgemeine Aussage zu treffen, als bei Covergestaltungen, da
die Bandbreite der Inhalte und Ausdrucksformen genau so reichhaltig und vielfältig ist, wie das gesamte
musikalische Feld zwischen Schlagermusik und Free-Jazz.
Das Kapitel „Musik- und Sprachstile. Hip-Hop, Heavy Metal und Hard Rock“ der bereits erwähnten Studie274
analysiert unter anderem Texte der lokalen Gothic Metal Band Nekros275 und der Band Lithium276 und kommt
dabei zu dem Schluss, dass die alleinige Interpretation des Inhaltes mittels der akustischen Botschaft zu
einer grundlegenden Fehldeutung führen kann. Raue Sounds können auch für positive Gefühle und
Aussagen stehen und sind nur durch das Zusammenspiel mit dem Text erschließbar. Weiters ist eine
Diskrepanz zwischen „künstlerischer Aussage“ und dem tatsächlichen Umsetzen der Botschaften im
eigenen Leben durchaus gegeben. Die aufgrund der behandelten Inhalte der Band Nekros durchwegs morbid
erscheinende Sichtweise des Lebens kann keinesfalls auf den Alltag der Bandmitglieder übertragen werden.
Die Schmerzgrenze dessen, was als schockierend oder anrüchig empfunden wird, hat sich definitiv
verändert. Neben „normalen“ Bühnenshows mit den üblichen szeneeigenen Stilmitteln (oft pyrotechnisch
aufwendig gestaltet mit einem ausgeklügelten Bühnenbild und energiegeladenen „Choreografien“) sind in
einigen Spielrichtungen des Metal auch Themen wie konkret angewandte physische und psychische Gewalt
sowie Satanismus zu finden. Das Verspritzen von Körperflüssigkeiten von Tier und Mensch oder das Tragen
von so genannter „Corpsepaint“ („Leichenbemalung“) ist vor allem in der Black Metal Szene beliebt. In den
frühen Neunzigern wurde Corpsepaint im Black Metal auch vor allem zur Abgrenzung vom Death-Metal
Trend eingesetzt. Außerdem verstärkt die Schminke die Todesthematik. „Heute sehen viele Corpsepaint zu
unreifem Kitsch entartet; so beschweren sich in jüngerer Zeit einige „Puristen“ der Szene, Corpsepaint büße
seinen früheren Wert ein, da es immer mehr zur Mode verkomme; so merkt Azter von der dänischen Band
Denial of God277 an, zu viele Musiker würden es verwenden, ohne zu wissen warum und dass sie es nicht als
Corpsepaint bezeichnen sollten, wenn sie damit nicht wie Leichen aussehen.“278
272
www.zeit.de/kultur/musik/2009-10/metal-gender-kongress, 2010.
Vgl. Feser/Hillebrand, S. 80.
274
Vgl. Feser/Hillbrand u.a.
275
Keine Detailinformation, keine Website auffindbar.
276
Keine Detailinformation, keine Website auffindbar.
277
Gegründet 1991, Dänemark, www.denialofgod.net, 2011.
278
http://de.wikipedia.org/wiki/Corpsepaint, 2010.
273
44
Mayhem und Gwar279 machten sich mit der Präsentation von Tierkadavern und dem Verschütten von
(künstlichem) Blut einen Namen. Die Gewalt wird dargestellt, sie soll allerdings als Provokation verstanden
und nicht als Aufforderung zu entsprechenden Aktionen gedeutet werden. Auch die Musikinstrumente
werden im Metal, ähnlich wie in anderen Musikrichtungen, in die Bühnenshows mit ihrer eigenen Bedeutung
miteinbezogen, als mystische Heilsbringer, magische Zauberschwerter und auch als phallische Symbole.
Die Adaption von Symbolen verschiedenster Kulturkreise ist im Metal beliebt. Aufgrund der inhaltlichen
Auseinandersetzung des jeweiligen Subgenres bzw. deren Herkunft sind folgende als besonders relevant
anzusehen:
PENTAGRAMM
Dieser inzwischen wohl, buchstäblich wie wortwörtlich, jedem Kind bekannte fünfzackige (pentá: griechisch
für „fünf“; gramma: Strich/Linie) Stern gehört zu den ältesten in der Metalwelt inflationär verbreiteten
Symbolen, was, hat man das Kapitel über die Wurzeln und Entstehungsgeschichte aufmerksam gelesen,
kaum verwundert. Das Pentagramm ist ein altes, kulturgeschichtlich vielschichtig verwurzeltes Zeichen, das
zumeist dem Schutz seines Trägers bzw. seines unmittelbaren Umfeldes dient. Sieht man etwas genauer
hin, fällt auf, dass es sich bei dem in der Schwarzen Szene verwendeten Zeichen zumeist um ein
umgekehrtes Pentagramm, auch als Drudenfuß oder Alpfuß bezeichnet, handelt.
Abb. 101: Pentagramm/Drudenfuß
Abb. 10: Logo der
Church of Satan
Auch diese Version des Pentagramms symbolisiert an sich Schutz. Der Okkultismus vereinnahmte das
invertierte Pentagramm als Zeichen des Satans. Als „Siegel des Baphomet“ wird der mit einem Ziegenkopf
ausgefüllte und von hebräischen Lettern umgebene Drudenfuß von LaVey als Zeichen der Church of Satan280
übernommen.281
279
Gegründet 1985, USA, www.gwar.net, 2010.
Siehe dazu Kapitel „LaVeys Satanismus“.
281
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Drudenfuß_(Symbol), 2011.
280
45
In szeneeigenen Internetforen erwachsen immer wieder brennende und oft haarsträubende Diskussionen
darum, welche Zeichen denn nun tatsächlich die guten/bösen, hellen/dunklen, abwehrenden/anrufenden,
linksdrehenden/rechtsdrehenden, etc. sind.
MJÖLNIR
Der Hammer „Mjölnir“ ist die magische Waffe des germanischen Gottes Thor.
Seine Geschichte wird in der Edda282 beschrieben. Es werden sowohl kunstvolle
Repliken, als auch moderne Neugestaltungen des Thorshammers getragen.
Dieses Symbol erfreut sich in der gesamten Schwarzen Szene größter
Beliebtheit und steht für Stärke und Tatkraft.283 „Zahlreiche Menschen,
insbesondere in Skandinavien und Norddeutschland, tragen Thorshämmer
allerdings auch als reinen Schmuck ohne religiösen oder ideologischen
Abb. 11
Symbolgehalt, abgesehen von einer Verbundenheit mit nordischer bzw. skandinavischer Kultur und
Geschichte und Interesse an der Wikingerzeit. […] Als legal verwendbares „germanisches“ Symbol hat in
jüngerer Zeit auch die rechtsextreme Szene den Thorshammer für sich entdeckt. Aus diesem Grunde wird
er immer häufiger auch in Listen rechtsextremer Symbole und Zeichen geführt.“284
Weiters werden gerne verschiedene Runen (germanische Schriftzeichen) getragen bzw. als Artwork auf
Covern und Textilien verwendet.
Es ist zu beachten, dass gerade das Pentagramm und „Thors Hammer“ inzwischen teilweise als
(bedeutungsarmer) Modeschmuck getragen werden. In der LOGO-Broschüre „Rechts rockt?“285 werden eine
Vielzahl von Symbolen erläutert, die dem politisch äußerst rechten Rand der Rock- und Metal Szene
zugeordnet werden können. Interessant zum Nachschlagen ist auch die Broschüre „Das Versteckspiel“286,
die sowohl als Druckausgabe287 bestellt, als auch online gelesen werden kann.
 „Rechts rockt?“ erhältlich auf www.logo.at
282
Als Edda werden zwei verschiedene auf Altisländisch verfasste literarische Werke bezeichnet, Siehe dazu:
http://de.wikipedia.org/wiki/Edda, 2011.
283
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Mjölnir, 19.04.2011.
284
Ebda.
285
Mikusch/Schweidlenka, Rechts rockt?, 2017.
286
www.dasversteckspiel.de
287
www.dasversteckspiel.de/Broschuere.html, 2011.
46
OUTFIT UND ACCESSOIRES
Das (Klischee-)Bild des 80er-Jahre-Metalfans (männlich, weiß, Arbeiter) manifestierte sich auch in der
Kleidung der Musiker und ihrer Anhänger. Die Anhänger des Metal waren in den Anfangszeiten „rein optisch
sehr deutlich im Straßenbild erkennbar. Nach außen hin wurde ein visuell stark ausgeprägtes Image
gepflegt.“288 Während es in der Anfangszeit des Metal keine spezielle „Tracht“ gab und verschiedene Stile
möglich waren – wenn auch Black Sabbath bereits ganz in Schwarz auftraten – so kam Ende der siebziger
Jahre, im Gefolge von Judas Priest, dann das schwarze Leder als Symbol von männlichem Körperkult, Härte
und musikalischer Kompromisslosigkeit auf. Dazu wurden die langen Haare praktisch verpflichtend.
Einzelne Bandmitglieder trugen T-Shirts anderer Bands, um so den solidarischen Geist der Metal-Community
zu zeigen. „Heavy Metal plakatiert seine Zugehörigkeit zur Sphäre der Subkulturen, der club cultures.289
Pathos und Provokation, Pole übersteigerten Ausdrucks einer Abweichung vom goldenen Mittelmaß, einer
imaginierten gesellschaftlichen Mitte.“290
Die vielzitierte Kutte (vermutlich herrührend vom engl. „cut-off“, was sich auf die abgeschnittenen Ärmel
bezieht) ist wohl ein Kleidungsstück der Metaller (aber nicht nur!) der allerersten Stunde und dürfte aus der
Biker- bzw. Rocker-Szene übernommen worden sein. Darunter versteht man für gewöhnlich eine Jeans- oder
Lederweste, die mit Aufnähern (Patches) verziert ist. Patches gibt es vom kunstvoll gestickten Einzelstück
bis hin zur gedruckten Massenware. Für einige ist die Kutte eine mit Respekt zu behandelnde, die
persönliche (Fan)-Geschichte erzählende „Reliquie“, die z. B. nicht gewaschen werden darf oder von der
niemals Aufnäher entfernt werden dürfen. Dieses Ausstattungsstück wird nicht (mehr) in der gesamten
Szene verwendet.
Ende der achtziger Jahre brachen US-Metal-Bands das schwarze Kleidungsmonopol. Sie griffen die
Showtraditionen mit dem dazugehörigen Glitter auf. In den neunziger Jahren, mit dem Crossover, wichen
die Stile vollständig auf. Outfit-Mischformen erschienen, produziert von einer regen Modeindustrie. Symbole
und Slogans vieler rebellierender Jugendkulturen seit 1945 sind seitdem am Markt erhältlich und werden
gerne gekauft.
Ein tendenzieller Hang zu schwarzer Kleidung ist nach wie vor nicht abzustreiten, deshalb aber noch lange
nicht „verpflichtend“. Alle „traditionellen“ Accessoires und Styles der ersten Stunde – egal ob Lederkluften,
Nieten oder Patronengurte – existierten noch in dem einen oder andern Genre. Gerne getragen werden auch
Textilien
und
Schuhe
im
Military
Look
(Camouflage-Hosen,
Militärstiefel
und
diverse
288
www.textem.de/2050.0.html, 2011.
Siehe dazu: Thornton, 1996.
290
www.textem.de/2050.0.html, 2011.
289
47
Ausrüstungsgegenstände), was vor allem auf Festivals durchaus auch praktischen Erwägungen entspringen
kann, sowie T-Shirts, Longsleeves und Kapuzenpullover – mit Band-Motiv, (Celtic) Knotwork oder Tribal.
Neben all diesen möglichen „Erkennungszeichen“ gibt es aber eine große Anzahl von Metalfans, die jegliche
Form der Uniformierung ablehnen. Die Motivationen dafür sind unterschiedlich.
Zu Beginn wie heute sorgen Magazine (z. B. DarkScene291, Metal Hammer292, Rock Hard293, Schwermetall294,
Stormbringer295) für Szene-Information und Community-Feeling. Nicht unterschätzt werden darf auch die
Wertigkeit von einschlägigen Festivals, die nicht selten Wochenend- und Urlaubsplanung der Fans
dominieren.
Immer wieder spannend zu lesen und ein deutliches Zeichen dafür, dass einen Metalhead mehr ausmacht,
als sich die „richtigen“ Klamotten zu kaufen, sind Diskussionen, die seit geraumer Zeit in Internetforen
geführt werden. Beispielhalber werden nachfolgend Diskussionsausschnitte aus dem Online-Forum eines
deutschen Metal Magazins und einer populären „Frage- & Antwort-Seite“296 abgebildet. Bezeichnend ist in
beiden Fällen, dass eine vermutlich sehr junge szenefremde Person versucht, quasi „Mitglied“ der Metal
Szene zu werden, in dem sie sich „entsprechend“ kleidet. In beiden Foren folgen, neben ironischen
Kommentaren in Wort und Bild, in erster Linie Ratschläge zu sich selbst zu stehen und die Musik und nicht
„Outfitklischees“ als wesentlich zu betrachten, als Reaktion (siehe Abbildung auf den nächsten Seiten).
291
www.darkscene.at, 2011.
www.metal-hammer.de, 2011.
293
www.rockhard.de, 2011.
294
www.schwermetall.ch, 2011.
295
www.stormbringer.at, 2011.
296
www.gutefrage.net, 2011.
292
48
49
Abb. 12: MetalHammer-Forum
50
Abb. 13: Gutefrage.net
51
DER KÖRPER ALS AUSDRUCKSMITTEL
Ronnie James Dio297, 1979–1983 und 1991–1992 Sänger von Black Sabbath, nahm für sich in Anspruch,
den unter Metalheads weit verbreiteten Teufelsgruß298, mit abgespreizten Daumen, Zeige- und kleinem
Finger, in die Szene eingebracht zu haben. Er soll das Zeichen von seiner Großmutter übernommen haben.
Als „Erfinder“ sah sich fast zeitgleich auch Gene Simmons299, Bassist der Band Kiss. Tatsächlich dürfte es
sich ursprünglich (unter anderem!) um eine Geste gegen den bösen Blick300 gehandelt haben. Die älteste
bekannte Darstellung wurde auf etruskischen Grabsteinen gefunden.301 Wer dieses, in Deutschland auch
liebevoll als „Pommesgabel“ bezeichnete, „Erkennungszeichen“ tatsächlich in die Szene eingebracht hat, ist
wohl nicht mehr eindeutig nachvollziehbar.
Große Verwechslungsgefahr besteht mit dem Zeichen der amerikanischen Gebärdensprache für „I love you“
und dem Handzeichen der grauen Wölfe302, das durch vorgestreckten Zeige- und kleinen Finger die Ohren
und mit den übrigen Fingern die Schnauze eines Wolfes symbolisieren soll.
Abb. 14: Mano Cornuta
Abb. 15: „I L Y“ – I love you
297
*1942 in New Hampshire; bürgerlicher Name: Ronald James Padavona.
Auch Mano Cornuta (ital. „gehörnte Hand“), Devils horns, Metal Fork.
299
*1949 in Haifa, Israel, bürgerlicher Name: Chaim Witz.
300
Zu den vielfältigen Bedeutungs- und Verwendungsmöglichkeiten der
http://de.wikipedia.org/wiki/Mano_cornuta, 2010.
301
Hall,1997, S. 359.
302
Mitglieder der rechtsextremen türkischen Partei der Nationalistischen Bewegung.
298
52
„Mano
Cornuta“
siehe:
Als szenetypisch gilt das sogenannte „Headbangen“,
ursprünglich wohl eine Art unbewusste Trancetechnik, die
bereits in Amsterdamer Hippiekreisen der späten sechziger
Jahre praktiziert wurde. Der Kopf wird im Takt der Musik
schnell vorwärts/rückwärts bzw. seitwärts oder in Kreis- und
Achterform bewegt, wofür es regional unterschiedlich eigene
Bezeichnungen gibt.
Um einiges riskanter ist das sogenannte „Stagediven“, das auch
in vielen anderen Musikrichtungen üblich ist. Dabei springen
Personen von der Bühne ins Publikum, was zumeist im
Abb. 16: Headbangen“
Crowdsurfen303, also dem Überkopf-von-der-Menge-vor-derBühne-weitergereicht-werden, mündet. Stagediven und crowdsurfen ist bei vielen Konzerten und Festivals
aus Sicherheitsgründen verboten.
Eine weitere Variante des körperlichen Ausdrucks vor der Bühne ist
der Moshpit. Die im Regelfall nahe vor der Bühne stehenden Fans
bilden spontan einen „pit“ (Kessel, Grube) in dem in enger
Formation vehement „gemosht“ wird. „Beim Moshen bilden die
Tänzer einen Pulk und schubsen sich gegenseitig durch die
Gegend, wobei sich die Tänzer jedoch nur an Armen und Schultern
gegenseitig abstoßen und üblicherweise nicht hart zuschlagen.“304
Variationen davon sind der Circle-pit, bei dem im Kreis gelaufen
wird, und die Wall of Death, die meist von den Musikern der
spielenden Band angesagt wird. Hierbei stehen sich zwei Gruppen
des Publikums gegenüber und stürmen auf ein Signal hin
aufeinander los.
Abb. 17: Circle pit
Über die genauen Unterschiede zwischen Bangen, Moshen, Pogen, Wrecken und dergleichen wird laufend
diskutiert.
303
304
Siehe dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Crowd_surfing, 2010.
http://de.wikipedia.org/wiki/Moshen, 2011.
53
Obgleich diese „Tanzformen“ gewalttätig wirken, kommt es nur in Ausnahmefällen zu ernsthaften
Verletzungen. Auf Schwächere wird Rücksicht genommen, ist jemand gestürzt, hilft man dieser Person
sofort auf und schafft sie aus der „Gefahrenzone“.
So führt die Musik in Zusammenhang mit der körperlichen Bewegung zur Befreiung aufgestauter Wut und
Aggression, die Fans geraten in einen Zustand jenseits von Schmerz oder Erschöpfung, sie gehen in der
Massenekstase auf und transzendieren zeitweise ihr Ich; ein von Rockkonzerten gut bekanntes Phänomen,
das zumindest ansatzweise mit schamanistischen Ekstasepraktiken und -zuständen verglichen werden
kann. Die Sehnsucht nach einer „unio mystica“305 ist tief im Menschen verwurzelt und hat Aufklärung und
Industrialisierung offenbar heil überstanden, wenngleich der Mystiker der Vergangenheit und der
Headbanger des Metal in verschiedenen kulturellen Zusammenhängen stehen. Nur wenige Metal-Musiker
und -Fans konsumieren harte Drogen, um das Metalerleben noch zu steigern, eine zunehmende Zahl von
Metalheads lehnt Drogen jeder Art ab.
Die fortschreitende Industrialisierung, Durchrationalisierung und Kommerzialisierung aller Lebensbereiche
führt zu einem Verlangen nach einer „starken“ Musik, die man körperlich spüren kann, bei der Aggressionen,
Frustrationen und das Gefühl des Eingekerkertseins in triste, unveränderbare Arbeitsverhältnisse abgebaut
werden können. Metal war in den Anfängen eine Musik für Rebellen, die von parteipolitischem Engagement
oder dem Hippie-Aussteigertum wenig hielten. Ihr Frust wurde bei Konzerten abgebaut, gleichzeitig erfolgte
ein Sicherheitsgefühl, das die „Community“ gewährte. Insider betonten, dass die zwanghafte Normalität
unserer neoliberalistischen Arbeitswelt in Wirklichkeit den Horrorszenarien der Metaltexte gleichzusetzen
sei. Werwolf und Vampir würden zu Chefs, Politikern, Lehrern etc. In Musik und Texten wird der alltägliche
Horror in eine magisch-phantasievolle Kunstwelt übertragen und dort in Form szeneeigener Rituale
verarbeitet und abreagiert. Das Eintauchen in Todesangst und Horror verschaffe so nebenbei auch den heiß
begehrten „Adrenalinkick“. Provokation und Kritik sollen die strukturelle Gewalt unserer neoliberalen
Gesellschaft bewusstmachen. Musiker und Fans sprechen hierbei oft von einem kathartischen Erleben.
Daher ist es auch durchaus verständlich und einleuchtend, dass sich der Großteil der Metal-Fans im Kontrast
zu den gesungenen Texten und den Bühnenshows für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Gewaltfreiheit
ausspricht. „Heavy Metal ist ein kulturelles Phänomen der technischen Welt, er reflektiert das
Maschinenzeitalter, die unerbittliche Rhythmik und Lautstärke, der die Menschen in ihrer Umwelt
ausgeliefert sind. Heavy Metal ist zugleich eine emotionale, kraftvolle Musik, der ein gutes Stück Rebellion
innewohnt. 306
305
306
54
Eigentlich ein Begriff der (christlichen) Mystik; „Einswerdung“ (mit Gott).
Bettina Roccor, 1998, S. 136.
Werden als Möglichkeit der individuellen Abgrenzung erdachte Systeme popularisiert, wie es mit
einigen zum Mainstream erhobenen Bands und Strömungen im Metal passiert ist, „setzt sich ein
Verfremdungsprozess in Gang. Historisch schlug sich das im Heavy Metal meist in der zunehmenden
akustischen wie auch ideologischen Radikalisierung nieder.“307
2.4 VERBREITUNG DES METAL – ZUSAMMENSETZUNG DER MUSIKER UND FANS
Wie im musikgeschichtlichen Kapitel ausgeführt, hat die Szene ihre Ursprünge in den USA und Mittel- bzw.
Nordeuropa. Wesentliche Einflüsse kamen später auch aus Südamerika und Asien (vor allem Japan).
Inzwischen ist Metal eine weltweit wirkende kulturelle Bewegung, die sich fortlaufend in Wachstum und
Weiterentwicklung befindet.
Für die Fans gibt es zwei wichtige Komponenten: An allererster Stelle steht unverrückbar die Musik. An
zweiter die Gemeinschaft. Die Vernetzung der Fans funktioniert, abgesehen vom Kontakt bei Konzerten,
Festivals und Plattenbörsen, vor allem über Internet-Foren. Für den metallischen Reisenden gibt es Websites
mit Hinweisen auf einschlägige Bars und Geschäfte, wie z. B. den „Metal Travel Guide“308. Wie die meisten
Services in der Welt des Metal, ist auch dieses durch Fan-Initiative entstanden und nicht kommerziell
orientiert.
Abb. 18
Nicht nur die berühmten internationalen Musikgruppen sind wichtig. Gerade Metal lebt vor allem auch durch
regionale Bands, denen in Jugendzentren und ähnlichen Einrichtungen eine Chance gegeben wird
aufzutreten. Wichtig ist den (meisten) Fans, dass die Musiker „echt“ sind. Das heißt, dass sie sich nicht
(vorrangig) nach kommerziellen Vorgaben des kapitalistischen Musikbusiness richten, ihre Musik leben und
die Szene (die Fans) wertschätzen. Zum Ehrenkodex der Musikgruppen gehört es, mit dem gleichen Einsatz
sowohl für 20 als auch für 20.000 Fans zu spielen.
307
308
www.textem.de/2050.0.html#c3118, 2011.
www.metaltravelguide.com
55
„You can't be something you're not!”
Pantera/Walk
Durch eigene Contests für Nachwuchsbands (in Österreich z. B. „WOA-Metal-Battle“309, „Metalchamp“310 und
„Rock the Nation Award“311) ist es vielen kleinen Formationen möglich auf großen Festivals vor einem
internationalen Publikum zu spielen.
Metal ist die Musikrichtung einer Minderheit, die diese auch sein will. Es findet aber seit ca. Ende der 90er
Jahre erneut312 eine nicht überall in der Szene gern gesehene Öffnung zum Mainstream statt, die enormen
Zulauf, vor allem bei jungen Hörern verzeichnet. Anschauliche Belege dafür sind Line Up und
Besucherzahlen großer Musikfestivals (in Österreich z. B. „Nova Rock“, Deutschland z. B. „Rock am
Ring/Rock im Park“) auf denen immer mehr „metallisches“ verschiedenster Couleur Einzug hält.
Ursprünglich war Metal für eine weiße, aus der Unterschicht stammende, männliche Hörerschaft konzipiert.
Das bedeutet allerdings nicht, dass der Metal an sich rassistisch geprägt ist. Inzwischen gestaltet sich die
Szene – natürlich je nach Subgenre – vielschichtig und offen. Sowohl unter den Musikern, als auch den Fans
sind Menschen aller Nationen und sozialen Schichten vertreten. Beispiele dafür sind Bands wie Abaddon313,
Blasphemy314, Chthonic315, District Unknown316, Killswitch Engage317, Nevercell318 und Suffocation (USA,
afro-amerikanischer Schlagzeuger). Ein gutes Bild der weltweiten Verbreitung und kulturellen Wandlung des
Metal
zeichnet
„Global
Metal“319,
eine
bereits
erwähnte
Dokumentation
des
kanadischen
Kulturanthropologen Sam Dunn und des Filmreporters Scot McFayden. Metal hat sich inzwischen weltweit
verbreitet und ist von den unterschiedlichsten Kulturräumen geprägt, bereichert und erweitert worden.
Neben Global Metal beschäftigt sich eine inzwischen beachtliche Zahl filmischer Aufarbeitungen wie „Heavy
Metal in Baghdad“320 und „Heavy Metal. Louder than Life“321 mit den Konsequenzen dieser Entwicklung.
309
www.metal-battle.com
www.metalchamp.com
311
www.myspace.com/RTNAWARD
312
Die erste „Kommerzwelle” erfasste den Metal laut Kommentaren in einschlägigen Online-Foren bereits Mitte der
80er Jahre. Dann war die Szene für einige Zeit totgesagt.
313
Gegründet 2004, Chaguanas, Trinidad and Tobago, www.myspace.com/abaddontt, 2011. Nicht zu verwechseln mit
„Abbadon” aus Deutschland.
314
Gegründet 1984, Burnaby, Kanada, keine Website auffindbar. Afro-kanadischer Gitarrist.
315
Gegründet 1995, Taipeh, Taiwan, www.chthonic.tw, 2011.
316
Afghanistan, erste afghanische Metal Band! Keine weiteren Infos auffindbar. Siehe dazu:
http://news.orf.at/stories/2003561/2003587, 2011.
317
Gegründet 1999, Westfield, Massachusetts, USA, www.killswitchengage.com, 2011. Afro-amerikanischer Sänger.
318
Gegründet 2000, Dubai, Vereinigte Arabische Emirate, www.nervecell.net, 2011.
319
Dunn/McFayden: Global Metal, Universal Pictures Germany GmbH, 2007.
320
Alvi/Moretti: Heavy Metal in Baghdad, Vbs Iptv LLC, 2007.
321
Carruthers: Heavy Metal: Louder Than Life, Metropolis, 2006.
310
56
„Heavy Metal ist eine internationale musikzentrierte Teilkultur“322, aber auch eine dezidierte
„Außenseiterkultur, was zu einem engeren Zusammenschluß der Fans untereinander führt“323 als dies in
vielen musikbeeinflussten Szenen üblich ist.324
„From Brazil to Ghana, and in upwards of 150 countries in between, the music has grown continuously
during the last twenty years, adding local musical, lyrical and fashion elements while remaining true to
the hardcore, anti-authoritarian, do-it-yourself attitude that first made it popular in the United Kingdom
and the United States almost two generations ago.”325
Zensur ist im Metal seit seinen Ursprüngen ein wichtiges Thema. Äußerst interessant ist die Aufarbeitung
von Mark Levin „Headbanging against repressive regimes. Heavy metal in the Middle East, North Africa,
Southeast Asia and China“326, die über das Portal Freemuse327 kostenlos verfügbar ist. Im Mittleren Osten
und Nordafrika zum Beispiel haben Anhänger des Metal kaum eine Chance sich gegen die repressiven
Vorstellungen von Liberalisierung und Demokratisierung durchzusetzen.328
Setzten sich die Fans des Heavy Metal früher vornehmlich aus Mitgliedern der Arbeiterklasse zusammen,
gibt es heute kaum eine soziale Schicht oder Bildungsstufe, in der keine Metalheads zu finden sind. Gerade
in Ländern, in denen um Demokratie und (künstlerische) Freiheit gerungen werden muss, finden sich die
Metal-Musiker und eine große Zahl der Metalfans in Akademikerkreisen.
„In many cultures, members of the metal and related scenes – and especially musicians – function as
“organic intellectuals” their comparatively high level of education and political awareness – a large
share of artists and fans are college students or graduates, many artists have backgrounds as doctors,
lawyers, MBAs or PhDs – provide them with the skills not merely to express the frustrations of the
larger mass of their societies, but to offer examples of how to resist, however surreptitiously,
government and corporate control.”329
322
Roccor, 1998, S. 135.
Roccor, 1998, S. 136.
324
Im Anhang unter „Weiterführende Medien“ befindet sich eine ausführliche Auflistung von verschiedensten FilmDokumentationen zum Thema.
325
LeVine, 2010. S. 9.
326
www.freemuse.org/sw36408.asp, 2011.
327
www.freemuse.org, 2011.
328
Vgl. Levin, 2010, S. 17.
329
LeVin, 2010, S. 19.
323
57
Es gibt keine gemeinsame politische Ideologie. Florian Heersch wirft in einem Interview mit der „Zeit“ auf,
dass in der internationalen Szene politische Inhalte wesentlich öfter anzutreffen sind, als in der deutschen.
„Hier geht es allein um Musik, wer politische Inhalte gleich welcher Richtung transportieren will, bekommt
Schwierigkeiten.“330
Im Rahmen dieser Broschüre wird im Kapitel „Zum Nazivorwurf und zum NS-Kult im Metal“ im Speziellen
auf die Gefahren der Unterwanderung durch rechtsradikale Interessensgemeinschaften eingegangen.
 In diesem Zusammenhang lesenswert ist auch die Fachbroschüre „Demokratie tschüss!“
erhältlich auf www.logo.at.
Das körperliche Erscheinungsbild der Fans spielt in Metal-Kreisen im Großen und Ganzen insofern kaum
eine Rolle, als dass Menschen mit Behinderung oder stark übergewichtige Personen weder ausgegrenzt
noch gemobbt werden.
2.5 FRAUEN IM METAL
Die Position der Frau im Metal hat sich ab Anfang der neunziger Jahre stark gewandelt. In der Fangemeinde
wie auf der Bühne scheinen zwar nach wie vor die Männer das Feld zu dominieren, der Anteil an Frauen ist
aber in den letzten Jahren – sowohl auf ausübender als auch auf konsumierender Seite – markant
gestiegen. Unter den Musikern ist das Vordringen in bis dato klar männliche Domänen (Gitarren,
Schlagzeug) für Frauen immer noch untypisch; „ihre Rolle beschränkt sich [dann] in der Regel auf den
Gesang.“331
Das Thema „Frauen im Metal“ bzw. „Gender und Metal“ ist immer öfter auch im Fokus wissenschaftlicher
Diskurse. Im Oktober 2009 fand beispielsweise ein vielbeachteter internationaler Kongress zum Thema
„Heavy Metal und Gender“ in Köln statt, der von Deena Weinstein, die 1991 mit ihrer „Kultursoziologie des
Heavy Metal“ eines der ersten wissenschaftlichen Bücher zum Thema verfasst hat, eröffnet wurde.
Weinstein zufolge erklärt sich der ursprünglich vorherrschende „Männlichkeitskult“ im Metal durch einen
Versuch der Kompensation des männlichen Machtverlustes z. B. angesichts der Frauenbewegung und ihrer
„Begleiterscheinungen“. René Molnar, der Leiter des Grazer Jugendkulturzentrums Explosiv, führt die
ursprüngliche Mehrheit männlicher Hörer und Musiker darauf zurück, dass Metal sehr viel mit Rebellion zu
tun hat. Frauen wären nicht aktiv ausgegrenzt worden, das offene Rebellieren sei den „Mädels“ in dieser Zeit
330
331
58
www.zeit.de/kultur/musik/2009-10/metal-gender-kongress, 2010.
Altrogge, 2001.
weniger eigen gewesen, weswegen viele eher zu Disco332 als zu Metal tendierten. Molnar macht die
konservative Erziehung und den Zeitgeist für die ursprüngliche Unterrepräsentanz der Frauen im Metal
verantwortlich. Heute sind laut MMag.a Susanne Sackl, die an der Fertigstellung ihres Dissertationsprojektes
zum Thema Geschlechterbilder im Heavy Metal arbeitet, bei vielen Bands Männer und Frauen im Publikum
annähernd gleich verteilt.
Die Musikwissenschaftlerin Sarah Chaker333 schätzt laut UNISpiegel in ihrer Dissertation „Black und Death
Metal. Der Sound. Der Markt. Die Szene.“ den Anteil weiblicher Fans in den genannten Subgenres auf ca.
15%. Ihnen würden hier die Identifikationsfiguren fehlen.334
Aus einem Bericht zum eingangs erwähnten Kongress „Heavy Metal and Gender“ geht hervor, dass die
unterschiedlichen Betrachtungsweisen sehr stark vom Genre bzw. dem geographischen Gebiet und dessen
gesellschaftlichen Struktur abhängig sind. So gibt es z. B. gerade in der Türkei eine hohe Anzahl weiblicher
Metal-Musiker und Dr. Pierre Hecker, wissenschaftlicher Mitarbeiter am „Centrum für Nah- und MittelostStudien der Philipps-Universität Marburg“, sieht „die türkische Metal-Szene bei aller patriarchalen
Widersprüchlichkeit als einen möglichen Fluchtort säkularer Frauen“.335
Inhaltlich sind Frauenfiguren im Metal häufiger anzutreffen. Ob posierend auf Plattencovern oder als zu
rettende Maid in Songtexten – das zu Beginn der Bewegung kolportiere Frauenbild dürfte ebenfalls mit der
von Weinstein beschriebenen Kompensationsbedürftigkeit zusammenhängen. Inzwischen scheint sich
aber, natürlich je nach Genre, auch das relativiert zu haben. „Es kursieren diverse Frauenbilder im Metal, die
erst nach und nach eine Reevaluation erfahren.“336 Im Vortrag „Women and Moral Degradation in Jamrud’s
Songs” sprach Muria Endah Sokowati aus Indonesien über die ebenfalls indonesische Metalformation
Jamrud337, die das Übernehmen des westlichen, nicht ihrer Tradition entsprechenden, Frauenbildes in die
indonesische Kultur als moralischen Werteverfall kategorisieren.338
332
Stilrichtung der Popmusik, die Mitte der 70er Jahre zu einem eigenen Genre wurde.
Sie trägt den klingenden Spitznamen „Frau Doktor Death Metal“.
334
vgl. www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,608101-2,00.html, 2010.
335
Elflein, 2009, S. 2.
336
http://www.textem.de/2050.0.html, 2011.
337
Gegründet 1989 (urspr. als „Jam Rock“), Cimahi, West Java, Indonesien. Keine Website auffindbar.
338
Elflein, 2009, S. 3.
333
59
(HARD)ROCK UND METALBANDS IN DENEN FRAUEN BEDEUTEND SIND/WAREN:
Band-Name
Frauenanteil
Gründung
Land
Stil
Arch Enemy
Sängerin
1996
Schweden
Melodic Death M.
Arkona
Sängerin
2002
Russland
Folk/Pagan Metal
Draim STH
alle
1993
Schweden
Grunge/Heavy Metal
Girlschool
alle
1978
GB
NWoBHM
Holy Moses
Sängerin
1980
Deutschland
Thrash Metal
Ice Age
alle
1985
Schweden
Thrash Metal
Kittie
alle
1996
Kanada
Nu Metal
Nightwish
Sängerin
1996
Finnland
Symphonic Metal
Phantom Blue
Sängerin
1987
USA
Heavy Metal
Rockbitch
mehrheitlich
1996
USA
Crossover
Rock Goddess
alle
1977
GB
NWoBHM
Warlock
Sängerin
1982
Deutschland
Heavy Metal
Vixen
alle
1980
USA
Hard Rock
The Donnas
alle
1993
USA
Rock/Punk Rock
The Gathering
Sängerin
1989
Niederlande
Death/Doom M.
The Great Kat
Sängerin/Gitarristin
1986
USA
Speed Metal
The Runnaways
alle
1975
USA
Hard Rock/Punk
shEver
alle
2004
Schweiz
Doom Metal
Die Webseite www.metaladies.com listet ausschließlich Frauen Metalbands und www.metalmaidens.com
ist „the online zine dedicated to women in metal & rock“.
In Belgien findet 2011 zum neunten Mal das „Metal Female Voice Festival“339 statt, bei dem ausschließlich
„female fronted“ Bands auftreten. Ihnen ist auch die Seite www.femalemetal.com gewidmet.
2.6 KRITIKER DES METAL
Musik ist eine Geschmacksfrage, worüber sich sprichwörtlich nicht streiten lässt. Die Themen, mit denen
sich Metal befasst und die Motivationen, die hinter dieser Musik stehen bzw. stehen könnten bescheren
allerdings reichlich Material für Diskussionen.
339
60
www.metalfemalevoicesfest.be, 2011.
Heute ist Metal ein globales Phänomen das gleichermaßen Fans wie Gegner mobilisiert hat. Die „long haired
music“, wie Metal in Malaysia und China beschrieben wurde, wurde von den Regierungen beider Staaten
verboten. In zahlreichen Ländern des Mittleren Ostens wurden und werden Musiker und Fans verhaftet und
ihnen wird Teufelsanbetung vorgeworfen.340 In den historischen Ursprungsländern des Heavy Metal
konzentrieren sich die Vorwürfe neben der Nähe zum Satanismus auf die Verleitung zum Suizid und das
Verbreiten von antidemokratischen, meist rechtsextremen Ansichten.
1984 erschien das Buch „Wir wollen nur Deine Seele - Rockszene und Okkultismus. Daten, Fakten,
Hintergründe“, verfasst vom evangelischen Theologen Hans-Ulrich Bäumer. Es hat im deutschen
Sprachraum zahlreiche Neuauflagen erreicht und wurde kostenlos in Schulen verteilt. In einem großen
Rundumschlag betrachtet Bäumer die Rockszene und zeigt viele angebliche oder tatsächliche Verbindungen
einzelner Musiker mit dem okkulten Bereich auf. Seiner Meinung nach verführe die Musik zu
Teufelsanbetung, Drogenmissbrauch, Gewalttätigkeit und Selbstmord.
Ein weiterer fanatischer Gegner ist der spanische Jesuit Fernando Salazar Bañol. In seinem Buch „Die
okkulte Seite des Rock“ von 1987 macht er die gesamte Rockmusik inklusive Elvis Presley für alle Probleme
des Planeten verantwortlich. Dazu gehören neben Satanismus, freier Liebe, Lust an der Sexualität,
Homosexualität, Kriminalität, Rebellion, Anarchie und Ketzerei auch die Verstümmelung von ungeborenen
Kindern im Mutterleib und sogar das Sterben von Zimmerpflanzen.
Übereinstimmend beurteilen diese Bücher die Musik des Metal als einzigen Negativfaktor in einer ansonsten
gesunden Gesellschaft. Die Jugend gilt in ihren Augen als schwach und leicht verführbar. Nun kann also der
Satan, indem er sich der Metal-Musik bedient, ohne weiteres die leicht verführbare Jugend verderben. Reto
Wehrli, der sich in seiner 2001 erschienenen Arbeit „Verteufelter Heavy Metal“ auf wissenschaftlichem
Niveau mit dem Phänomen des Metal befasst, behauptet, dass dieser in zwei Bereiche einzuteilen sei, in
den dionysischen und den chaotischen. Ersterer stellt die lustvolle Seite des Lebens dar und beschäftigt
sich vor allem mit leicht anrüchigen Themen aus dem sexuell-erotischen Bereich. Der letztere zeigt die harte
Realität des Lebens bis ins Extrem der Ausweglosigkeit und handelt von Wahnsinn, Lärm, Hass, Gewalt und
Tod. Beide Bereiche werden von den Gegnern als vom Teufel geschickt angesehen.
Zu diesen „wissenschaftlichen“ Werken von Gegnern des Metal kommen Bestsellerromane wie z. B. „Rock
im Rückwärtsgang“ von Michael Buschmann (1987) oder „The God of Rock“ von Michael K. Haynes (1982).
340
Vgl: LeVine, 2010. S. 7.
61
Des Weiteren organisieren sich Bürgerinitiativen, die gegen Metal demonstrieren. 1980 kam es zu einer
ersten öffentlichen CD-Verbrennung in Iowa, USA und bereits 1981 zur zweiten. Im vom evangelischen
Fundamentalisten Preston Fletcher geleiteten „Freedom Village“341 (USA) können verschreckte Eltern ihre
Metal-Fan-Kids zwangstherapieren lassen. Hier werden diese religiösen Fanatiker durchaus ernst
genommen.
Eine Behauptung der Gegner betrifft die angeblich versteckten Rückwärtsbotschaften342 (backward
masking), durch die die Metalhörer zu satanistischer Praxis angeregt würden. Satan habe sich so zum Herrn
der Rockmusik gemacht, mit der er Millionen von Jugendlichen verdirbt. Die Musiker seien nur noch
willenlose Opfer der Hölle, der sie ihre Seelen versprochen haben und dafür im irdischen Leben Erfolg und
Reichtum ernten, was sich derartige Kritiker unter normalen Umständen bei „dieser Musik“ nicht vorstellen
können. Diese angeblichen Rückwärtsbotschaften werden im Abschnitt „Satan im Metal“ näher beleuchtet.
Auch mit Prozessen machen die Gegner mobil: Immer wieder lautet die Anklage auf Mitschuld am
Selbstmord von Jugendlichen durch direkte oder versteckte Aufforderungen dazu.
Ozzy Osbourne stand dreimal wegen seines Songs „Suicide Solution“ vor Gericht, den drei Jugendliche bei
ihrem Selbstmord (zwischen 1984–1988) aufgelegt hatten. Das Lied war ursprünglich für den AC/DC Sänger
Bon Scott geschrieben worden, der 1980 an den Folgen seines Alkoholismus verstarb. Osbourne selbst
versteht das Lied als Warnung vor dem langsamen Suizid durch Alkohol und wurde in den oben genannten
Prozessen auf Grund psychiatrischer Gutachten freigesprochen.
1990 wurde die Band Judas Priest angeklagt. Ihr Song „Better by You, better than Me“ wurde für den
Selbstmord zweier Jugendlicher verantwortlich gemacht. Die angebliche versteckte Botschaft (Do it!) wurde
durch ein Gutachten als atemtechnischer Seufzer entlarvt. So erfolgte auch in diesem Fall ein Freispruch.
Trotz dieser und weiterer haltloser Vorwürfe an die Musik des Metal wurden und werden schwarzgekleidete
Jugendliche, die diese Musik lieben und entsprechende T-Shirts ihrer Idole tragen, immer wieder ohne
Überprüfung der Hintergründe als Satanisten, manchmal auch als Neonazis diskriminiert.343 Durch solch
unqualifizierte Beschuldigungen können die Jugendlichen aber erst recht zu einer satanistischen Betätigung
getrieben werden.
Auch ganze Staaten machten immer wieder gegen die Metalheads mobil. Im ehemaligen real existierenden
Sozialismus galt Metal als subversiv, ja sogar generell als faschistoid. In Singapur wurden Metal-Fans
341
www.freedomvillageusa.com, 2011.
Siehe dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Rückwärtsbotschaft, 2010.
343
Diese Aussage stützt sich auf Erfahrungswerte aus der Beratungstätigkeit bei LOGO jugendmanagement.
342
62
gezwungen, sich die Haare abzuschneiden oder bekamen Einreiseverbot. In einigen islamischen Staaten
gibt es für Metalheads ein religiös bedingtes Tätowierungsverbot. Weltweit werden sie in der bürgerlichen
bzw. Boulevard-Presse als arbeitsscheu, gewalttätig und asozial beschrieben. Sie gelten als geistig etwas
minderbemittelt, sollen saufend, grölend und raufend in Langhaarhorden durch die Städte ziehen und
„unschuldige“ Bürger verschrecken.
Ebenso rümpften in den Anfängen des Metal die alte Rock-Garde der Woodstock-Generation und die mit ihr
verbündeten Magazine verachtungsvoll die Nasen über Metal. In ihren Augen war er zu proletarisch, zu
brutal und wurde als kultureller „bullshit“, der nichts von Political Correctness hält, abgetan. Aber auch
dieses vernichtende Urteil konnte den Siegeszug des Metal nicht verhindern. Die TV-Musik-Sender scheuten
zunächst aus Angst um ihren (angeblichen) guten Ruf die Ausstrahlung von Metal-Clips. Spätestens der
kommerzialisierte „Nu Metal“ (auch „New Metal“) sorgte für eine Trendwende. Neben dem zu dieser Zeit
bereits gut etablierten Format „Headbangers Ball“ auf MTV wurden auch in Programmen des Massen-TVMusiksender „Viva“ metallische Beiträge gebracht.
So wie die Gegner einseitig die negative Seite des Metal darstellen, so tun es die Befürworter mit der
positiven und spiegeln damit manchmal die Schwarz-weiß-Malerei ihrer Kritiker. Sämtliche Strömungen des
Metal werden nur positiv betrachtet, Kritik wird als „spießig“ oder „uninformiert“ ausgeblendet oder
abgekanzelt. So weisen junge Verteidiger der Szene immer wieder eine Verharmlosung des Satanismus auf.
Sie verherrlichen die Thesen von Anton Szandor LaVey und Aleister Crowley, was teilweise als Reaktion auf
die "bürgerliche" Kritik verstanden werden kann.
Ein typisches Anti-Kritiker-Zitat aus der Szene: „Der Hang zu düsteren Themen und das Schreiben derartiger
Texte, auch aus dem okkulten Bereich, waren schon immer Kritikpunkte der Gesellschaft gegenüber der
Metal- und der Gothic-Szene. Schnell kommt man in den Ruf, Satanist, Kinderschlächter und
Friedhofsschänder in einer Person zu sein. Andererseits sind für diese Gesellschaft Massentierhaltung,
Tierversuche oder Massenabschlachtung und Bombardements Tausender von Menschen am
Fernsehbildschirm total normal.“344
Es gibt aber innerhalb der Szene auch viele kritikfähige Anhänger, die z. B. vehement gegen die
neonazistischen Unterwanderungsversuche vorgehen.
344
Matzke/Seeliger, 2002, S. 89 (Zitat Alexander Krull von „Atrocity“).
63
2.6.1 SATAN IM METAL
Bettina Roccor unterteilt die satanistischen Bezugnahmen im Metal in drei Gruppen:
Dem „Satano Poser“345 geht es um den Coolness-Faktor und das Schockieren seines (bürgerlichkonservativen) Umfeldes. Das Tragen von Symbolen, wie umgekehrten Kreuzen und dem Drudenfuß ist, oft
inhaltlich unreflektiert, Mittel zu Abgrenzung. Diese „Mode-Satanisten“ bilden die größte Gruppe.
Die zweite Gruppe bilden die gewaltbereiten Satanisten. Hass und Verachtung, die Gesellschaft und das
Christentum betreffend, und das Streben nach Macht stehen im Vordergrund. In Norwegen wurden von
fanatischen Black Metal Anhängern zahlreiche Kirchenbrände gelegt. Die Bestrebung, die (Black) Metal
Szene von unwürdigen „Verrätern“ zu säubern wird in Taten von Varg Vikernes bzw. seinen Anhängern
deutlich, die u.a. den Tourbus der Band Paradise Lost und die Haustüre von Therion-Mitglied Christoffer
Johnsson in Brand setzte(n).346 Der Großteil der Metal Szene lehnt diese Art des Fanatismus grundlegend
ab.347
Die intellektuellen Satanisten setzen sich tatsächlich mit der Philosophie des Satanismus auseinander.
Ihnen geht es um „das höchste Maß an individueller Selbstentfaltung“348. Viele berufen sich auf die von
Anton Szandor LaVey gegründete Curch of Satan.
Die Auseinandersetzung und das Spiel mit dem Satanismus wird von etlichen Metal-Bands gerne als Mittel
des Protestes, zur Provokation und der „Erhöhung öffentlichen Interesses“ genutzt. Das Landeskriminalamt
Brandenburg spricht in diesem Zusammenhang von Kultursatanismus.349
Possessed, eine der ersten Black Metal Bands, kommentierte die starke Bezugnahme des Genres auf
Satanismus mit einem lapidaren: „It’s just an image. It sells.“350 Auch der kritische Umgang mit Okkultismus
und Satanismus wird besungen wie z. B. in „The Number of the Beast“ (Iron Maiden, 1982). AC/DC wiederum
geht es in „Highway to Hell“ um die frei und ohne Rücksicht auf Gesetze und Moral genossene Lebenslust.
Auf einzelnen Covers von Black Metal CDs wird zum Kampf gegen das Christentum aufgerufen und damit
subtil für Gewalt geworben (etwa auf einem Cover der Band Rebaelliun351, auf dem brennende Kirchen zu
sehen sind). Der Satanismus wird dabei als künstlerische Provokation begrüßt und soll als Protest gegen
345
Vgl. Roccor, 1996, S. 279.
Vgl. Roccor, 1996, S. 279.
347
Vgl. Wetzel, 2002, S. 8.
348
Roccor, 1998, S. 171.
349
Landeskriminalamt Brandenburg, 2000, S. 4.
350
Roccor, 1998, S. 271.
351
Gegründet 1998, Brasilien, www.myspace.com/rebaelliun, 2011.
346
64
die christliche Kirche und ihre Vertreter verstanden werden. In zahlreichen Songtexten werden Kreuzzüge,
Hexen- und Ketzerverfolgungen und die Inquisition scharf kritisiert und verurteilt. Die Metal-Community
wendet sich dabei vor allem gegen die Scheinheiligkeit einiger – besonders in den USA mächtiger –
Subströmungen des Christentums, die „das eine predigen und das andere tun“. Da der Satanismus sich
demgegenüber ähnlich verhält, wird er oft als „Verbündeter im Kampf“ herangezogen. Dabei passiert es auch
oft, dass Vordenker des modernen Satanismus wie Crowley oder LaVey (siehe weiter unten) verharmlost
oder als „rebellische gute Onkel“ dargestellt werden.
Zu den Vertretern der dritten Gruppe, die also tatsächlich an die satanistische Philosophie glauben, zählen
z. B. Mercyful Fate352 mit ihrem Leader King Diamond353, einem Anhänger der Church of Satan, Morbid
Angel354, die ein umfassendes okkultes Weltbild mit vielen Anleihen aus verschiedenen Mythologien
vertreten oder Deicide355, eine radikale satanistische Band („Fundamentalsatanismus“), deren Sänger Glen
Benton356 sich ein auf dem Kopf stehendes Kreuz in die Stirn einbrennen ließ und sich zu Tieropfern
bekannte.357 Er rief zu politischem Engagement auf, um den Einfluss des Christentums auf Kinder und
Jugendliche zurückzudrängen und plädierte für die Freiheit, eine satanistische Religionspraxis ausüben zu
können. Der Satanismus, den Glen Benton vertritt, kann Anton LaVeys Prinzipien (siehe Kapitel LaVeys
Satanismus) zugeordnet werden.
352
Gegründet 1981, Kopenhagen, Dänemark, www.covenworldwide.org, 2011. (Heavy) Metal.
*1956, Kopenhagen, Dänemark, www.covenworldwide.org, 2011.
354
www.morbidangel.com, 2010.
355
www.deicide.com, 2010.
356
*1967, USA, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Glen_Benton, 2011.
357
Siehe seine Ausführungen unter www.reocities.com/SunsetStrip/Stadium/6078/deicideint.html, 2010.
353
65
Abb. 201: King Diamond
Abb. 192: Glen Benton
Deicide schaffte es, zahlreiche aktive Fans zu werben,
schuf sich aber ebenso einen festen Stamm an aktiven Gegnern. 1993 unternahm die Band mit Gorefest358
und Atrocity359 eine Europatournee. Begleitet wurde diese von etlichen Bombendrohungen, deren Urheber
radikale christlich-fundamentalistische Gruppen und extreme Tierschützer waren. Weiters war die Band in
einen Prozess verwickelt, nachdem vier Jugendliche einen Überfall begangen hatten und sich dazu auf
Deicide als Anstifter beriefen.360
Immer wieder mussten sich Musiker vor Gericht verantworten: Ihnen bzw. ihrer Musik wurde vorgeworfen
durch satanistische, gewaltverherrlichenden Botschaften die Basis für (Ritual-)Morde zu schaffen. 2001
wurde Slayer361 für den Mord an der 15-jährigen Elyse Pahler mitverantwortlich gemacht. Drei Jugendliche
hatten unter Drogeneinfluss das Mädchen getötet um es ihrer Aussage nach Satan darzubieten. Das Opfer
sollte ihnen Erfolg mit der eigenen Band bescheren. Vor Gericht sagten die Täter aus, die Musik von Slayer
habe sie hierzu inspiriert, vor allem die Songtexte zu „Postmortem“ und „Dead Skin Mask“. Aufgrund der
mangelhaften Beweise wurden Slayer allerdings von dem Vorwurf der Mitschuld freigesprochen.362
358
Gegründet 1989, Niederlande, www.gorefest.nl, 2011, Death-Metal.
Gegründet 1985 (urspr. „Instigator“), Ludwigsburg, Deutschland, www.atrocity.de, 2011. (Death-) Metal.
360
Vgl. Wehrli, 2001, S. 8.
361
Gegründet 1981, Huntington Park, Kalifornien, USA, www.slayer.net, 2011.Thrash Metal.
362
Siehe hierzu: www.laut.de/vorlaut/news/2001/01/24/01404, 2010.
359
66
Große Medienwirksamkeit bewies auch die mehrmalige Anklage von Ozzy Osbourne, dessen Lied „Suicide
Solution“363 Jugendliche zum Selbstmord verleitet haben soll. Angeblich sei eine Botschaft
mitaufgenommen worden, die auf das Unterbewusstsein wirkt. Das Lied behandelt laut Osbourne den
langsamen Verfall (also eine Art Selbsttötung) durch Alkoholmissbrauch.
1999 wurde von den amerikanischen Medien der Amoklauf an der Columbine Highschool (oft als das
„Schulmassaker von Littleton“ bezeichnet) mit Marylin Manson364 in Verbindung gebracht. Allerdings stellte
sich heraus, dass die Täter keine Fans von Manson waren. Trotzdem mussten einige Konzerte abgesagt
werden und die Band zog sich für drei Monate zurück.365 Der Film Bowling für Columbine366, in dem auch ein
Interview mit Manson-Frontman Brian Warner gezeigt wird, versucht unter anderem die tatsächlichen
Hintergründe des Amoklaufes zu beleuchten.
Black Metal ist jenes Subgenre, das sich gezielt mit satanistischen Inhalten auseinandersetzt. „Anders als
bei den traditionellen Bands die den Teufel gelegentlich als Sinnbild für das Böse bzw. für
uneingeschränktes
Vergnügen
verwendeten,
beschrieben
diese
Bands
satanistische
Rituale,
Dämonenbeschwörungen, Hexensabbate und höllische Szenarien.“367 Die zweite Welle des Black Metal368
bescherte dem Subgenre neuen Schwung. Bands wie Mayham, Emperor und Burzum schockierten durch
bis dato noch nicht dagewesene extreme Härte. „Mit dem Aufgreifen all dessen, was als evil (böse) definiert
wurde, wollte sich die Szene als absoluten Gegenpol zu einer christlich-humanistischen Gesellschaft und
ihrem Wertekanon positionieren. Das implizierte die Ablehnung des „Guten” nach christlicher Definition, vor
allem der Ideale der Nächstenliebe, der Gnade und der Vergebung. Mit der Integration satanistischer und
nazistischer Elementen wollte man sich kompromisslos gegen die Gesellschaft und in musikalischer
Hinsicht abseits des kommerziellen Mainstreams stellen.“369
BACKWARD MASKING
Für die Gegner des Heavy Metal ist eine Tatsache klar: Der Teufel beeinflusst durch verschiedene Methoden
diese Art der Musik. Die Krönung des Wirkens Satans sollen die sogenannten Rückwärtsbotschaften sein,
die sich angeblich nahezu auf jeder Metal Schallplatte finden. Spielte man die Platten vorwärts ab, seien die
sublimen Botschaften gar nicht oder nur kaum hörbar, für das Unterbewusste dagegen sehr wohl
363
Erschienen auf seinem ersten Solo-Album, Blizzard of Ozz, 1980.
Gegründet 1989, USA; Rock/Alternative Metal, gleichzeitig Künstlername des Frontman Brian Hugh Warner.
365
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Marilyn_Manson, 2011.
366
Michael Moore, 2002; gewann einen Oscar.
367
Roccor, 1998, S. 269.
368
Etwa zu Beginn der 1990er Jahre, vgl. „Headbanger schocken das System“, Abschnitt Black Metal.
364
369
Lohmann, www.turnitdown.de/526.html, 2011.
67
verständlich. Der erste, der diese These in Umlauf brachte, war David A. Noebel370. In seinem 1965
erschienen Buch „Communism, hypnotism and the Beatles: An analysis of the Communist use of music, the
Communist master music plan“ wird behauptet, dass die kapitalistische Ordnung durch unterschwellige
Botschaften in Rocksongs unterminiert werde. Die Liste der Bands, denen angebliche Rückwärtsbotschaften
in irgendeiner Hinsicht unterstellt wurden, ist sehr lang und beginnt bei den Beatles. Größter Beliebtheit
bezüglich Backward-Masking erfreute sich die Ballade „Stairway to Heaven“ von Led Zeppelin, in der sich,
spielte man sie rückwärts ab, ein satanistisches „Glaubensbekenntnis“ befände. Der angebliche Text lautet:
„ Listen! We have been there […]
I will sing because I live with Satan [...]
Serve me! [...]
There is no escaping it [...] with Satan.
If we´ve got to life with Satan [...]
Master Satan [...]”371
Trotz der Masse an „wissenschaftlichen“ Abhandlungen zu diesem Thema, konnte der Vorwurf der sublimen
Botschaften nicht bestätigt werden. Doch haben im Zuge der folgenden öffentlichen Diskussion einzelne
Bands zur Provokation tatsächlich absichtlich Rückwärtsbotschaften auf ihre Platten montiert, so etwa
Venom in ihrem Song „At War with Satan“ (Rückwärtstext: „I will return“) oder „In League with Satan“ (Text:
„Praise to hell! I´m gonna burn your soul, crush your bones, make you bleed. You´re gonna bleed for me!”).
Diese Botschaften sind allerdings bereits beim normalen Abspielen deutlich als Montagen zu erkennen.
Auf einigen Platten finden sich auch Stellungnahmen gegen das Backward-Masking oder abgrenzende
Rechtfertigungen. Aber auch diese absichtlichen und oft in höchstem Maße ironischen Einspielungen
wurden in die Liste der ernstzunehmenden Manipulationen eingereiht.
Zusammenfassend ist anzumerken, dass es keine Rückwärtsbotschaften auf Platten gibt, die mit dem Ziel
der sublimen Beeinflussung ihrer Hörerschaft aufgenommen wurden. Es gibt lediglich Bands, die im
Anschluss an die bereits in Gang gekommene Diskussion absichtlich Rückwärtsbotschaften als Provokation
aufnahmen.
370
371
68
*1937, USA, religiöser Führer, siehe dazu: http://en.wikipedia.org/wiki/David_A._Noebel.
Bäumer, 8. Auflage 1991, S. 26. Das Abhörergebnis von Wehrli fällt leicht unterschiedlich aus.
Wetzel zitiert in seiner Arbeit Thomas Hermanns372, der gesagt haben soll: „Ich hab’ mir neulich ‘ne Heavy
Metal-Platte gekauft und dann rückwärts abgespielt, um zu hören, ob da satanische Botschaften drauf sind.
Tatsächlich ertönte eine Stimme und sagte: Falsche Richtung, du Trottel!“373
Wie Wehrli folgert, hätte es, wären tatsächlich auf das Unterbewusstsein wirkende, zu Gewalt, Mord und
Selbstmord aufrufende, Botschaften auf den Platten zu hören, angesichts der Verkaufszahlen weltweit zu
„infernalischen Auswüchsen“ kommen müssen.374
2.6.2 NATIONALSOZIALISMUS UND METAL
„Gerade das Absetzen von der ersten, eher kommerziell ausgerichteten Black Metal-Generation, ließ den
Begriff des Real Underground entstehen.“375 Zu satanistischen Symbolen gesellen sich immer öfter
neonazistische, was auch zu Auseinandersetzungen innerhalb der Szene(n) führte. Bei Konzerten in Europa
und in den USA agitieren Neonazis, über das Internet werden Black Metal-Fans mit neonazistischer Ideologie
beworben und zur politischen Solidarität mit der jugendlichen Neonaziszene aufgerufen. Vor allem in
Kleinstädten der USA hat dies bereits zu ernsthaften Problemen geführt. Black Metal und neonazistische
Ideologie und Agitation gehen immer mehr Hand in Hand. Die Anhänger dieser Musikrichtung sollen sich
vom Mainstream der Gesellschaft absondern und Stämme bilden, so dass die Völker unvermischt bleiben
und nicht vermarktet werden können376. Stammesutopien der linksliberalen Alternativbewegung der
siebziger und achtziger Jahre tauchen seit einigen Jahren am rechten Rand wieder auf. Das multikulturelle
Credo wich dabei einer völkischen Ideologie, die wieder auf die sogenannte „Rassenreinheit“ abzielt.
Abgesehen von verschiedenen Bands, die tatsächlich der neurechten Bewegung zugeordnet werden können,
gibt es aber auch eine nicht unbedeutende Anzahl von Bands, denen der Vorwurf des NS-Gedankengutes zu
Unrecht gemacht wurde. Dies wiederfuhr zum Beispiel der Band Kiss, deren zwei „S“ im Logo die Sigrune
zum Vorbild hätten. Dies ist allerdings nicht der Fall, denn sie leiten sich von dem US-Warnschild für
Abb. 223
Abb. 214
372
Deutscher Moderator, Komiker, Drehbuchautor und Regisseur, *1963.
Wetzel, 2002, S. 7.
374
Vgl. Wehrli, S. 129.
375
Fromm, 2003, S. 9.
376
Vgl. Einführungstext von www.nsbm.org.
373
69
elektrische Hochspannung her. Gene Simmons (Bassist von Kiss) bekräftigt die Tatsache, nichts mit
Naziideologie zu tun zu haben, später mit dem Hinweis auf seine eigene jüdische Herkunft und seinen
Migrationshintergrund377. Das selbe Symbol findet man als Schrägstrich des Bandlogos der Formation
AC/DC. Jene Formation hatte auch noch zusätzlich das Problem, dass ihr Name als Anti-Christliche
Botschaft (AntiChrist/Death To Christ bzw. AntiChrist/Devils Corporation) gelesen wurde statt als (gängige)
englische Abkürzung für Wechselstrom/Gleichstrom (alternating current/direct current). Die Vorwürfe
konnten nicht bestätigt werden.
Als Quellen des Neonazismus werden in Gedankengut und Texten der einzelnen Bands zahlreiche Größen
der Szene herangezogen, so Adolf Hitler378, Benito Mussolini379 oder der italienische Neofaschist Julius
Evola380.
Aber auch heute noch lebende und aktive Neonazis oder Rechtsextremisten werden gerne und oft rezipiert,
so Michael Moynihan381, Jan van Helsing382 oder Varg Vikernes383.
Vikernes sagte im Interview mit dem Black Metal Magazin Infernus: „Ich unterstütze alle Diktaturen, Hitler,
Stalin, Ceauşescu… Und ich will selbst Diktator von Skandinavien werden. Make war, not love! […] Ich bin
stolz, ein norwegischer Wikinger und arischer Mensch zu sein. Heil Hitler! Black Metal for White People!“384
„Damit war eine neue Qualität erreicht. Für Count Crishnackh und seine Jünger hieß die Steigerung von
Satanismus offenbar: Faschismus.“385
MICHAEL MOYNIHAN
Katharina Ganster
Der provokative Künstler, Journalist, Schriftsteller, Verleger und Musiker Michael Moynihan hat einen extrem
kontroversiellen Ruf. Er wird abwechselnd als rechts- oder linksextrem, als Faschist oder Anarchist
bezeichnet, und scheint selbst mit diesen Zuschreibungen zu spielen und zu provozieren. So bezeichnete er
sich Anfang der neunziger Jahre als Faschist, hat das aber mittlerweile zurückgezogen, da er eingesehen
habe, dass die Öffentlichkeit diesen Begriff in einer anderen Weise deutet als er es tut. Er sehe sich eher als
„jenseits von Gut und Böse“ und ist der Überzeugung, dass die traditionellen Begriffe von politisch „rechts“
377
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Kiss_(Band), 2010.
*1889 in Braunau am Inn, Österreich, Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches.
379
*1883 in Dovia, Italien, Italienischer Diktator.
380
*1898 in Rom, Italien, Philosoph, Esoteriker.
381
*1969 in Boston, Massachusetts, USA, US-amerikanischer Musiker, Verleger und Journalist.
382
*1967 in Dinkelsbühl, Deutschland, Autor. Bürgerlicher Name: Jan Udo Holey.
383
*1973 in Bergen, Norwegen, Musiker, Autor und Aktivist. Bürgerlicher Name: Kristian Larsson Vikernes.
384
Vgl. Der Spiegel, 1994, S. 91f.
385
Billerbeck,1994, S. 275.
378
70
und „links“ heutzutage an Bedeutung verloren hätten und man sich selbst und andere neu definieren müsse.
Ende der Neunziger veröffentlichte er Statements gegen das Herrenrassendenken der amerikanischen
„White Supremacists“ und gegen den Hitlerkult.
Was man deutlich bei ihm feststellen kann ist ein provokantes Verhalten seit den frühen Neunzigern, ein
Hochstilisieren seiner Person durch Mythologisierung, Provokation und Okkultisierung, ein Favorisieren von
totalitären oder in einer anderen Weise extremen Ideologien und eine relativ deutlich ausgeprägte
Vergangenheitssehnsucht, wobei das imaginierte, bessere „Damals“ – als Gegenbewegung zu Spaß- und
Konsumgesellschaft – von Einfachheit, Disziplin und Naturrecht geprägt ist. Deshalb überrascht es nicht,
dass er mit Vordenkern des Dritten Reichs wie Julius Evola, Jörg Lanz von Liebenfels, Friedrich Nietzsche
oder Karl Maria Wiligut sympathisiert und Mitglied in eher rechten neuheidnischen Gruppen ist. Er hat
außerdem enge Kontakte zu verschiedenen rechten und linken Organisationen, der Church of Satan und
vielen anderen, extremen Künstlern, vor allem im Industrial-Bereich, in dem er selbst musikalisch aktiv ist.
Der schwedische Professor und Autor (Gods of the Blood) Matthias Gardell schreibt über ihn, er würde am
besten beschrieben als „heidnischer Anarchofaschist, mit allen Paradoxien und Zweideutigkeiten, die in
dieser Kategorisierung enthalten sind“.386
Das 1998 erschienene Buch Lords of Chaos, das er mit dem Norweger Didrik Søderlind zusammen
recherchiert und verfasst hat, scheint jedoch – trotz Unkenrufen von Sensationsjournalisten – relativ
objektiv zu beschreiben, was in den frühen neunziger Jahren in der skandinavischen Metalszene geschah
und warum. Es hat dafür im Jahr 1998 außerdem den „Firecracker Alternative Press Award“ gewonnen.
Kritiker bemängeln jedoch, dass zu wenig Distanz zwischen Autor und Thema erkennbar sei, und dass es
den rechten Ideologien – vor allem von Varg Vikernes – ein zu unkommentiertes Forum bietet.
Interessanterweise ist aber gerade Vikernes einer der schärfsten Kritiker dieses Buches und behauptet, die
Autoren hätten keine Ahnung von der Thematik, stellten sie falsch dar und hätten „die Köpfe einer Generation
von Metalfans mit Lügen gefüllt”387. Dass er damit nicht aussagen will, dass das Buch zu rechtslastig wäre,
wird im Abschnitt über Vikernes selbst klarwerden.
NATIONAL SOCIALIST BLACK METAL (NSBM)
„NSBM is a type of ‘modern’ black metal, coming from the movement that arose in Scandinavia during
the early 1990s. Many of the bands which initiated this genre, including Burzum, Darkthrone, Mayhem,
and Impaled Nazarene, have cited or alluded to National Socialism and its imagery and ethos as part
of the inspiration toward their music. Although black metal varies in sound and ideal, it shares across
386
387
Gardell 2003, S. 276.
www.burzum.org/eng/library/lords_of_chaos_review.shtml, 2010.
71
its genre an obsession with darkness and destruction of the Judeo-Christian social ideal, as well as a
blistering sound of rasping vocals and distorted, chaotic guitars over droning percussion.“
(Selbstdarstellung388)
Der Begriff National Socialist Black Metal (NSBM) bezeichnet die neonazistische Strömung innerhalb des
Black Metal. Es handelt sich hierbei nicht um eine gänzlich neue Erscheinung – „neonazistische und
antisemitische Gruppierungen [waren] schon immer in dieser Subkultur vorhanden“389 und griffen zu
Provokationszwecken darauf zurück.
Varg Vikernes gilt als einer der wichtigsten Wegbereiter. Einschlägige Magazine gab es in den USA bereits
in den neunziger Jahren, das Medium Internet verhalf in Folge zu einer raschen globalen Verbreitung. Die
Website www.nsbm.org gibt sich exklusiv und rebellisch. Eine Zeit, so ist auf der mit Hakenkreuzen
versehenen Start-Seite zu lesen, in der die Erde vergiftet, alte Rassen und Kulturen vernichtet und in der viele
Menschen zu Sklaven der Konsumgesellschaft geworden sind, verlangt nach extremen Musikstilen und
Ideologien. Ferner bekennen sich die Verfasser der Seite dazu, dass NSBM eine hasserfüllte Musik ist, die
die Zuhörer kleiner werden lässt und sie mit uralten mystischen Glaubensrichtungen durchdringt.
„Black Metal ist die Musik unseres Widerstands und Protests gegen ein System, das unsere heidnische
Identität, die Identität der weißen Völker, beschränkt und zerstört“, erklärt Rob Darken390 von der polnischen
Band Graveland391 im Kommentar zum 1997 erschienenen Album „Following The Voice Of Blood“:
„We dedicate this album to all people who are still faithful to true spirit and ideas of Black Metal,
particularly to Black Metal underground... Do not forget that true Black Metal is intrasignence and
inflexibility, resistance and persistence, rage and hatred, severity and retribution...”392
Darken dementiert – bezugnehmend auf einen im Szene-Magazin Rock Hard393 erschienen Artikel – dass
Graveland dem NSBM zuzuordnen ist. Das Dementi erfolgte als offener Brief auf der Website der Band und
ist zu finden unter „Interviews“. Unter „Bilder“ ist auf derselben Seite der abfotografierte Rock Hard Artikel
abrufbar.
388
www.nsbm.org, September 2010.
http://de.wikipedia.org/wiki/NSBM, 2011.
390
Bürgerlicher Name: Robert Fudali, Pseudonym: Lord Wind.
391
Gegründet 1992, Breslau/Warschau/Polen, www.graveland.org, 2011. Black Metal, später Pagan Metal.
392
Vgl. www.darklyrics.com/lyrics/graveland/followingthevoiceofblood.html, 2011.
393
Mühlmann, 2007, S. 58-61.
389
72
Der Nationalsozialismus wird laut nsbm.org als logische Konsequenz aus der Weltanschauung des Black
Metal angesehen. Nach Jahren der Wut und des Widerstands habe sich Black Metal nunmehr gegen den
Materialismus gewandt und damit – angeblich logischerweise – seine Erfüllung im NSBM gefunden. Es
gehe gegen Konformität und alte Denkstrukturen. Ausgehend von den okkulten Botschaften der Gruppe
Black Sabbath sei es zu einer spirituellen Ablösung von der jüdisch-christlichen Religion und dem damit
verbundenen sozialen Empfinden gekommen. Der Satanismus im Black Metal habe schließlich zu einer
Neubesinnung auf alte heidnische Religionen und Kulte geführt, zu einer spirituellen Veränderung des
Bewusstseins. Eine der daraus abgeleiteten Forderungen: Eine eigenständige, indoarische Kultur mit den
gleichen Rechten, die von den Liberalen und Vertretern der Political Correctness auch für Farbige und
Indianer gefordert werden. Teile aus Hitlers „Mein Kampf“, seine Korrespondenz mit Goebbels, Nietzsche
und – das ist keine humoristische Einlage! – „Das Kapital“ von Karl Marx, werden als wichtige ideologische
Schriften für NSBM angegeben.394
Darüber hinaus werden Savitri Devi395 und Helena Petrovna Blavatsky396 als Quellen des NSBM
angegeben.397 „Das Recht des Stärkeren ist Gesetz!“ lautet eine der Stellungnahmen oder: „In 500 Jahren
werden wir sehen, wer Affe ist und wer Mensch. Totalen Tod den Schwachen!“398 Durch die Ausrottung der
Schwachen und Förderung der Starken werde im Sinne der Evolution eine schönere Welt geschaffen.
Menschen mit angeblich niederem Bewusstsein werden von jüdisch-christlichen und kapitalistischen
Politikern manipuliert, um heidnische, nordische, gnostische oder arische Glaubenssysteme zu zerstören.
„Wenn du Black Metal kennst, weißt du, dass Christen und Juden von uns nicht willkommen geheißen
werden... Ihr müsst sterben!!“399 Damit sind weiters auch Farbige, „Zigeuner“ und Slawen gemeint. Ziel ist
die Wiederherstellung angeblich weißer Heimatländer. Judentum und Christentum werden mit Rache,
Sadomasochismus, Fetischismus, Grausamkeit etc. gleichgesetzt. Seitenabrufe von 2001 zeigten derartige
Äußerungen gerne mit „Heil Hitler!“ und „Joerg Haider World Consulate 2004!! Yes!!“ bekräftigt400. Inzwischen
wurden diese Aussagen von der Website entfernt.
„Although there is wide diversity (snicker, snicker) among the beliefs of the members of the NSBM
movement, most espouse some variants of the philosophy and political ideality put forth by Adolf Hitler
and the NSDAP in 1930s Germany; many are also inspired by Benito Mussolini, Julius Evola, Savitri Devi
394
Vgl. www.nsbm.org, 2011.
*1905 in Lyon, Frankreich, bürgerlicher Name: Maximine Portaz, Schriftstellerin, Idol der Neonazi-Szene.
396
*1831 in Dnipropetrowsk, Ukraine. Schriftstellerin, Okkultistin.
397
Weitere Informationen zu diesen „Ikonen“ des NSBM gibt es in der Fachbroschüre „Die braune Aura der Esoterik“
von LOGO jugendmanagement gmbh.
398
Vgl. www.nsbm.org, 2011.
399
Ebda.
400
Vgl. ebda.
395
73
and H.P. Blavatsky's Theosophy. Most accept to some degree all of the major beliefs of National Socialism,
including ethnic nationalism, a rigid ethos of honor, environmentalism and anti-Semitism.“
(Selbstdarstellung401)
Das Judeo-Christentum ist der Feind Nr. 1, da es die alte einheimische Kultur zerstört hat. So muss laut
NSBM darauf geachtet werden, dass sich die Rassen nicht vermischen. Jede Kultur soll für sich alleine
stehen, das hat oberste Priorität.
Auf der NSBM-Website sind folgende Bands als NSBM Bands aufgelistet: Absurd, Burzum, Gontyna Kry,
Graveland, Infernum, Infester, I Shalt Become, Kataxu, Legion of Doom, Lord Wind, Ohtar, Thor´s Hammer,
Thunderbolt, Veles, Winter Funeral.
Weiterhin werden folgende Bands als NSBM-beeinflusst bezeichnet: Angelcorpse, Bathory, Beherit,
Blasphemy, Darkthrone, Impaled Nazarene, Marduk, Mayhem, Zyklon-B und die folgenden als
nationalsozialistisch geprägt: Motörhead, Repulsion, Slayer.
Diese Auflistung, darauf sei noch einmal ausdrücklich hingewiesen, erfolgte von www.nsbm.org und
darf daher keineswegs als repräsentativ angesehen werden.
Auf der NSBM-Website finden sich auch Links zu nationalsozialistischen oder dem Gedankengut
nahestehenden Organisationen, z. B. zur National Alliance402 zur Libertarian National Socialist Green Party403
oder zum Earth First! (EF!) Journal404. EF!405 ist ein internationales Netzwerk von radikalen Umweltgruppen.
Abb. 23–247
401
www.nsbm.org, September 2010.
www.natvan.com, 2011.
403
www.nazi.org, 2011.
404
www.earthfirstjournal.org
405
www.earthfirst.org, 2011.
402
74
Weiters werden das Hitler Historical Museum406, diverse Bands, im speziellen Burzum407, und die Befreiung
von Hendrik Möbus408 propagiert.
Der NSBM ist auch in den USA eng mit der rechtsextremen Neuheidenszene verbunden, so mit der Pagan
Front, die als Koalition von Music Labels, Bands, Organisationen und rechtsextremen Einzelkämpfern
weltweit verbreitet ist, ihren Sitz aber in den USA hat. Zu den Mitgliedern zählen unter anderem Dungeons
of Darkness409 Records, die eine enge Verbindung zu den deutschen Label Darker Than Black Records
aufweisen, das wiederum vom satanistischen Neonazi und Mörder Hendrik Möbus410 und seinem Bruder
gegründet bzw. geführt wurde.411
Einzelne Gruppen, wie die bereits erwähnte Pagan Front412, versuchen sich im Internet als interessant für
jugendlichen Entdeckermut darzustellen. Eine Recherche von 2001 brachte jenes, von Simone Phillip
übersetze Statement zu Tage: „Bevor du weiterklickst, lies bitte das folgende Statement sorgfältig. Wenn du
dich angegriffen fühlst durch den radikalen Stolz weißer Leute, den heidnischen Glauben und die starke
antichristliche Ausrichtung, dann empfehlen wir, dass du diese Webseite nicht aufsuchst. Wenn doch, dann
tust du das auf deine eigene Verantwortung und gib niemand außer dir selbst die Schuld, dass du deine
geistige Gesundheit riskierst.“413 Das kann natürlich auf der Suche nach einem „Kick“ interessant sein... Wie
viele Beiträge ist auch dieser inzwischen nicht mehr auffindbar. Bands, die über Pagan Front promotet
Abb. 258
406
www.hitler.org, 2011.
www.burzum.com, 2011.
408
www.nsbm.org/pub/hendrik, 2011.
409
„Dungeons of Darkness“ ist auch ein Song-Titel auf dem Debut-Album von Burzum.
410
*1976 in Sondershausen, Deutschland, Musiker.
411
Vgl. www.nsbm.org/media/splc_report.html, 2011.
412
www.thepaganfront.com, 2011.
413
http://heathenfront.org, 2001; diese Seite ist nicht mehr existent.
407
75
werden sind z. B.: Absurd414, Dark Thule415, Graveland, Pantheon416, Der Stürmer417, Sunwheel, Temnozor418
und Wodulf419.
Labels, die über Pagan Front promotet werden sind z. B.: Old Legend Productions, Dark Hidden, Deathabyss
Productions, Werewolf Promotions, Lower Silesian Stronghold.
Weiters ist die Heathen Front420 (Allgermanische Heidnische Front – AHF421 bzw. Deutsche heidnische
Front – DHF422, gegründet 1998) von Bedeutung. Diese internationale Vereinigung, in der Vikernes eine große
Rolle spielt und in der u.a. sein antisemitisches Buch Vargsmål vertrieben wird, wurde in den USA von James
Mason423 geleitet. Dieser war als Jugendlicher Mitglied der American Nazi Party424 (ANP) und Chef der
National Socialist Liberation Front425 (NSLF). Laut nsbm.org ist er gegenwärtig der Führer des Universal
Order, einer okkulten Formation, die auf den Zusammenbruch des Systems wartet, und wird gemeinsam mit
Charles Manson426, dem Anstifter zum satanistischen Mord an der Schauspielerin Sharon Tate und heutigen
Neonazisprücheklopfer, als zweiter Hitler verehrt. Mason hat auch ein Buch über den Manson geschrieben,
das unter dem Titel Siege im Storm-Verlag von Michael Moynihan veröffentlicht wurde, und steht mit ihm in
regem Kontakt.427
Auch das rumänische Label Tellurian Battleground Productions, das von „Orcrist, dem Judenschlächter“
geleitet wird, ebenso wie die Breath of Night Records, stehen dem Faschismus und dem NSBM nahe.428
„Reverend“ Thomas Thorn von der 1991 gegründeten Industrial Rock Band The Electric Hellfire Club429
sprach sich für Kirchenverbrennungen aus.
414
Gegründet 1992, Sondershausen, Deutschland, www.hordeabsurd.com, 2011. Black/Pagan Metal.
Gegründet 2002, Ioannia, Grichenland, www.thepaganfront.com/darkthule, 2011.
416
Gegründet 1993, Tucson, Arizona, USA, www.thepaganfront.com/pantheon, 2011.
417
Gegründet 1998, Athen, Griechenland, www.thepaganfront.com/dersturmer, 2011.
418
Gegründet 1996, Obninsk, Russland, www.thepaganfront.com/temnozor, 2011.
419
Gegründet 2002, Athen, Griechenland, keine Website auffindbar.
420
http://heathenfront.webs.com, 2011.
421
Siehe dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Allgermanische_Heidnische_Front, 2011.
422
Siehe dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Heidnische_Front, 2011.
423
Ausführliche Biographie unter http://thescorp.multics.org/18siege.html, 2011.
424
www.americannaziparty.com, 2011.
425
Keine Website auffindbar.
426
*1934 in Cincinnati, Ohio, USA.
427
Vgl. www.nsbm.org/media/splc_report.html, 2011.
428
Vgl. www.nsbm.org/media/splc_report.html, 2011.
429
http://de.wikipedia.org/wiki/The_Electric_Hellfire_Club, 2011.
415
76
NS-GEDANKENGUT IM METAL – LÄNDERBEISPIELE:
Vereinigte Staaten von Amerika
Eine Musikgruppe aus den USA, die sehr in den Blickpunkt der Diskussion geraten ist, ist die Formation
Slayer430. Vor allem ihr Song „Angel of Death“, der die Experimente von Josef Mengele im
Konzentrationslager Auschwitz beschreibt, bildete einen Stein des Anstoßes. Die Grenze zwischen reiner
„Darstellung“ und Verherrlichung ist hier schwer erkennbar. „Tom Araya selbst äußerte im ‚Sounds’-Magazin
(zit. nach „US Metal Vol. 1, a.a.O.): ‚Wir sagen nicht, daß Mengele Gott ist. Wir sagen nur: das ist Mengele,
das hat er getan, und hier ist ein Song über ihn.“431
Im Anschluss an die entstandene öffentliche Diskussion bekannte sich Bandmitglied Jeff Hanneman sogar
dazu und klebte Hakenkreuze und Waffen-SS-Symbole auf seine Gitarre und seine Jacke. Es ist jedoch nicht
auszumachen, ob dies als Provokation gedeutet werden kann oder nicht. Der Chilene Tom Araya sprach sich
in einem Interview mit dem Szene-Magazin „Rock Hard“ sinngemäß für die faschistische Diktatur in Chile
unter Pinochet aus.432 Der offizielle Fanclub der Band trägt den Namen Slaytanic Wehrmacht433. Bei
Konzerten soll es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Slayerfans
gekommen sein. Tatsache ist, dass die Band recht leichtsinnig mit den von ihnen verwendeten Symbolen
aus der Zeit des Dritten Reiches umgeht (Sig-Rune im Band-Logo, etc.).
In dem, zumindest im Internet nicht mehr nachvollziehbar existenten, Musikmagazin „Pit“ (Colorado)
scheinen Musiker aus dem Dunstkreis des NSBM angeblich unkritisiert zur blutigen Gewaltanwendung
gegen katholische Kirchen und Farbige und zur Neueröffnung von Konzentrationslagern aufzurufen.
Eine weitere Person, die in diesem Umfeld in den USA eine bedeutende Rolle spielt, ist der bereits im
vorangegangenen Kapitel erwähnte Michael J. Moynihan. Seine erste Ein-Mann-Band Coup De Grace434, die
dem Industrial zuzurechnen ist, wurde in den späten siebziger Jahren von der englischen Band Throbbing
Gristle435 beeinflusst, die durch Neonazioutfit und entsprechende Songtextinhalte auffiel. Sie wurden auch
als „death art fascists“ oder „gegenkultureller Faschismus“ bezeichnet. Auseinandersetzungen gab es mit
Bands, die zum Rock against Racism436 gehörten. Nach der Auflösung traten einige Mitglieder von Throbbing
Gristle dem Orden „Thee Temple ov Psychick Youth“437 bei.
430
www.slayer.net, 2011.
www.crossover-agm.de/thema_haarus10.htm, 2011.
432
Vgl. www.crossover-agm.de/thema_haarus10.htm, 2011.
433
www.slatanicwehrmacht.com
434
Bedeutet „Gnadenstoß“ oder auch „Gnadenschuss“, von 1984-1989.
435
Gegründet 1976, England, www.throbbing-gristle.com, 2011.
436
Siehe dazu: http://en.wikipedia.org/wiki/Rock_Against_Racism
437
www.topy.net
431
77
Nach der Auflösung von Throbbing Gristle sprang die Industrial Band Whitehouse438 als rechtsextremer
Nachwuchs ein. Verehrung fanden hier vor allem die SS und eine Ideologie, nach der die wahren freien
Menschen über Gut und Böse stehen und so auch die Freiheit haben, ein Kind zu Tode zu quälen. Nachdem
sich Whitehouse 1985 aufgelöst hatten, kam es 1990 zu einem Neustart, bei dem auch der Moynihanfreund
Peter Sotos439, ein ehemaliger Punk, beteiligt gewesen war. Sotos ist bekennender Sadist. 1986 wurde er
wegen des Besitzes von Kinderpornographie verhaftet. Zur damaligen Zeit gab er das Magazin „Pure“
heraus, das detaillierte Schilderungen von Kinderfolterungen beinhaltete und außerdem sadistische Mörder
verherrlichte, ebenso wie den Holocaust und die Nazis.
Moynihan pflegte auch enge Kontakte zu James Mason und Charles Manson und dessen inzwischen nicht
mehr existenten Family440. Über seinen Verlag Storm Books441 veröffentlichte Moynihan 1992 das Buch
„Siege“, das Mason über Manson geschrieben hat. In einem späteren Interview gibt sich Moynihan immer
noch fasziniert von der Persönlichkeit Mansons.442 Ferner bestand ein Kontakt zu Anton LaVey, dem Gründer
der Church of Satan. Moynihan traf LaVey 1989 und outete sich als dessen begeisterter Fan. Angeblich
fanden sie ihre Gemeinsamkeit darin, dass sie beide gegen die „Sklavenmentalität“ seien. Das Buch Lords
of Chaos ist der satanistischen Black Metal-Szene in Norwegen gewidmet. Es wird fälschlicherweise immer
wieder, auch unter interessierten Jugendlichen in Österreich, als „objektive“ Information bezüglich der
satanistisch-rechtsextremen norwegischen Black Metal-Szene gehandelt. 443
Moynihan erweist sich allerdings bei genauerem Hinsehen als Holocaustleugner und Freund des
Faschismus und kann auf eine große Neonazifangemeinde zurückgreifen. Er schreibt für Neonazi- und
rechtsextreme Zeitschriften, z. B. das französische Blatt Filosofem444, und gehört zur neuheidnischen
Gruppe „Tribe of the Wulfings“, einer Unterorganisation der „Asatru Alliance“445, bei der er führendes Mitglied
ist. Ihren Sitz hat die Organisation in Arizona und ihr Führer Michael Murray war Mitglied der ANP.
438
Siehe dazu: http://en.wikipedia.org/wiki/Whitehouse_(band)
*1960 in Chicago, Illinois, USA, Musiker, Autor.
440
Die Charles Manson Family bzw. später The Family war eine Hippie-Sekte die vor allem durch Überfälle, Morde und
Drogenmissbrauch auf sich aufmerksam machte.
441
zu finden über die Seite www.welcome.to/bloodaxis, 2011.
442
Coogan, S. 52
443
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Moynihan, 2011.
444
http://laserareas.tripod.com/bklist/filosofem.htm.
445
www.asatru.org; Asatru zu sein, bedeutet nicht gleichzeitig politisch rechter oder rechtsextremer Gesinnung zu sein.
„Asengläubige“ sind sehr wohl auch in andereren politischen Lagern bzw. sehr häufig in „neutralem Gebiet“ zu finden.
In Skandinavien ist Asatru offiziell als Religion anerkannt.
439
78
Moynihan war auch Mitglied der von Boyd Rice446 und Nicolas Schreck447 gegründeten „Abraxas
Foundation“448, einer okkult-faschistischen Denkfabrik, die eng in Verbindung mit der Church of Satan steht.
Aus dieser Szene heraus entwickelte Moynihan 1989 seine Band „Blood Axis“449. Blood Axis veröffentlichte
Redefragmente Adolf Hitlers, des rumänischen Faschisten Corneliu Codreanu, des Lyrikers Ezra Pound und
auch von Charles Manson. Die CDs weisen das Krückenkreuz auf, das manchmal mit dem Ku Klux Klan in
Zusammenhang gebracht wird. Eine der umstrittensten CDs heißt „The Gospel of Inhumanity.“450
In den USA wurde die Band Zielscheibe antirassistischen Protests, unter anderem in San Francisco. In der
Abb. 269: Blod Axis - The Gospel of Inhumanity
BRD wurden ihre Platten über das Label Cthulhu (bestand von 1981-1999) vertrieben. 1998 gab es eine
Europatournee, die 16 Konzerte in 11 Staaten umfasste, bei denen es allerdings fast keinen Protest gab.
Moynihans Verbindungen führen auch nach Österreich, konkret zum Wiener Musiker Kadmon, dessen Band
„Allerseelen“ und der Schriftenreihe „Aorta“. Gemeinsam mit Kadmon nahm Blood Axis eine CD auf. Kadmon,
der bereits Texte von Evola auf einer CD veröffentlichte, ist ein politischer Unterstützer des Mörders
Vikernes, der seiner Meinung nach wegen seiner „Wikingerethik“ im Gefängnis sitze.
Kontakte bestehen auch zum rechtsextremen neuseeländischen Satanisten Kerry Bolton, der den
Faschismus in die dortige Musikszene einschleusen möchte. Dazu werden unter anderem Texte von Boyd
Rice (siehe unten) und Kadmon publiziert. Bolton war Mitglied in der faschistisch-magischen Gruppe „Black
446
Elektro- bzw. Industrial Musiker, Mitglied der Church of Satan, www.boydrice.com.
Sänger der 1992 aufgelösten Band Radio Werewolf.
448
http://www.boydrice.com/interviews/fifthpath.html, 2011
449
www.welcome.to/bloodaxis, 2011.
450
Schröder, 2000, S. 82.
447
79
Order of the Trapezoid“451, einer Vorläufergruppe des „Schwarzen Orden von Luzifer“452, die als Ableger der
Church of Satan bezeichnet werden kann. Inzwischen scheint der „Black Order of the Trapezoid“ wieder aktiv
geworden zu sein. Es gibt eine neugestaltete Website mit vielfältiger Information und natürlich der
Möglichkeit mit einem „Marshall“ des Ordens Kontakt aufzunehmen.
Es bestehen auch Verbindungen zu Christian Bouchet, einem rechtsextremen französischen OTO453-Führer,
der mit der okkulten Gruppe „Thelema“454 verbunden ist, welche wiederum mit der neurechten Gruppe
„Nouvelle Résistance“455 verknüpft ist. Bouchet ist ein Grenzgänger: Er möchte Linksextreme und
Rechtsextreme vereinen und präsentiert sich als Fan von Ulrike Meinhof und der RAF (Rote Armee Fraktion).
Er steht auch hinter der Musikzeitschrift „Napalm Rock“456, die im Unterstützungsnetzwerk für Vikernes aktiv
ist457.
„In fact I think highly of Varg Vikernes - he is a courageous and brave Norseman. [...] I understand his
actions (church arsons and the murder of the traitor EURONYMOUS).”458
Gungnir (Editor of Napalm Rock)
An dieser Stelle muss auch die Band „Rahowa“459 (Akronym füt „Racial Holy War“) Erwähnung finden. Deren
Gründer George Burdi ist gleichzeitig der Inhaber von Resistance Records, dem größten neonazistischen
Versand der USA.
Norwegen
Katharina Ganster
Seit den frühen neunziger Jahren kann man in der norwegischen Black Metal Szene eine Vermischung von
satanistischem und neonazistischem Gedankengut feststellen, seit den späten neunziger Jahren werden
immer häufiger satanistische Symbole durch nordisch-heidnische ersetzt (z. B. im Logo der Band Enslaved,
das zuvor ein verkehrtes Kreuz zeigte, jetzt einen Thorshammer präsentiert). Als Vorreiter dafür gilt die Band
„Bathory“, die schon auf ihrem 1988 erschienenem Album „Blood Fire Death“ den satanistisch geprägten
Bereich des „Okkult-Rock“ verließen und über germanische Mythologie sangen. Gemeinsam ist beiden
451
www.trapezoid.org
www.myspace.com/schwarzerordenvonluzifer
453
Ordo Templi Orientis, www.oto.org
454
www.thelema-93.info
455
Derzeit keine eigene Website auffindbar, es empfiehlt sich aber den Artikel “‘National revolutionary’ groupuscules
and the resurgence of ‘left-wing’ fascism: the case of France’s Nouvelle Résistance.“ von Jeffrey Bale zu diesem Thema
zu lesen. Siehe www.miis.edu/media/view/18971/original/balenouvelleresarticle.pdf, 2011.
456
Keine Website auffindbar.
457
Vgl. www.oraclesyndicate.org/pub_e/k.coo_e/publ_08-02_2.htm, 2004.
458
Moynihan/Søderlind, 1998, S. 310.
459
Gegründet 1990, Kanada, Keine Website auffindbar.
452
80
Bereichen, dass das Christentum als aufgesetzte Religion verstanden wird, die sowohl die ursprüngliche
Bevölkerung als auch die ursprüngliche Religion gewaltsam überlagert hätte. In diesem und weiteren Alben
von „Bathory“ werden nordische Helden und Götter verehrt und skandinavische Freiwillige in der Waffen-SS
gelobt. Moynihan nennt das ein „absichtliches Flirten mit der Ikonographie von Faschismus und
Nationalsozialismus“460 .
Anlässlich des Mordes von Varg („Count Grishnackh“, „Greven“) Vikernes (Band Burzum) an Øystein
(„Euronymous“) Aarseth (Band „Mayhem“) wurde, auch durch das Buch „Lords of Chaos“ von Michael
Moynihan, mehr aus dieser skandinavischen Szene bekannt.
Statt dem damals üblichen Kokettieren mit satanistischen oder heidnischen Motiven als Provokation, die
selten ernst genommen wurde, entstand in Skandinavien eine neue, um vieles härtere und brutalere, Szene.
Insbesondere Mayhem arbeiteten schon in den späten achtziger Jahren an einem Image, das auch heute
noch von vielen Fans des Genres als „true“ angesehen wird. Bühnenshows mit verwesten Tierkadavern und
Selbstverstümmelung, Aufrufe zu Mord und Selbstmord, und zu Krieg gegen alle „Poser“ und „Pseudos“. Es
wird oft spekuliert, dass gerade bzw. nur in einem Land wie Norwegen, in dem die Sonne im Winter einige
Zeit komplett verschwindet und die Selbstmord- und Depressionsrate sehr hoch ist, dieser Musikstil so
richtig blühen konnte. Das scheint eine plausible Erklärung für die Vorgänge im Skandinavien der Neunziger
zu sein, Verständnis dafür aufzubringen fällt jedoch trotzdem schwer.
Ein Anfang der Ereignisse wird oft im Selbstmord von Per „Dead“ Ohlin, dem Sänger von „Mayhem“, gesehen.
Sein Bandkollege Euronymous verbreitete danach Mythen über diese Tat, behauptete, Teile von Deads Hirn
gegessen zu haben und Teile seines Schädels als Anhänger zu tragen. Außerdem fotografierte er ihn und
verwendete das Bild des Toten als Albumcover.
Euronymous gründete das Label „Deathlike Silence Productions“ und eröffnete 1991 einen Plattenladen in
Oslo, den er „Helvete“ („Hölle“) nannte. Dort traf sich die norwegische Black Metal-Szene und tauschte sich
aus, Euronymous sah sich als ihr Anführer und Trendsetter. Diesen inneren Kreis von Freunden und Bands
nannte er später „Norwegian Black Circle“ und es scheint, als hätten die damaligen Besucher des Ladens
sich auch um Euronymous' Gunst bemüht.
Auch Vikernes kam öfter in Euronymous' Geschäft, und sein Ein-Mann-Projekt „Burzum“ wurde von
Euronymous' Label unter Vertrag genommen. Die beiden wurden schnell Freunde, da Euronymous der festen
460
Moynihan/Søderlind,1998, S. 22.
81
Überzeugung war, dass Burzum in sein Konzept von „truly evil music“ passte. Außerdem kam Vikernes aus
Bergen, sechs Stunden Fahrt von Oslo entfernt, und übernachtete deswegen öfter im Keller von „Helvete“.461
Der „Norwegian Black Circle“ scheint damals nur ein unorganisierter Haufen von Leuten gewesen zu sein,
die sich in Euronymous' Geschäft trafen, er entwickelte jedoch eine gefährliche Eigendynamik und war
verantwortlich für viele Straftaten. 1991 kam es zu ersten Kircheneinbrüchen (Euronymous dekorierte
seinen Laden mit den gestohlenen Dingen), Friedhofsschändungen und Morddrohungen – die Medien
stürzten sich darauf und erklärten den „Circle“ zu einer geheimen, durchorganisierten Vereinigung.
In öffentlichen Interviews – teilweise europa- oder weltweit publiziert – fingen Euronymous und Vikernes
an, extremste Ansichten über die Black Metal-Szene zu propagieren, und jeder von beiden wollte sich als
ideologischer Kopf herausstreichen. Beide erkannten jedoch, dass es für die teils weit entfernten Fans als
lächerlich und wie leere Worte erscheinen musste. So geschah es, dass Vikernes anfing, Stabkirchen
anzuzünden (ob er in Bergen die berühmte Stabkirche von Fantoft anzündete, wie er behauptet, ist nicht
geklärt und er wurde dafür nicht verurteilt), um seinen Reden über den Kampf gegen das Christentum auch
entsprechende Taten folgen zu lassen, die ihm von der Black Metal-Gemeinschaft weltweit Anerkennung
einbringen sollte. Und wirklich scheint die Szene die Botschaft positiv aufgenommen zu haben, denn etwa
45 bis 60 Feuer oder versuchte Brandstiftungen an norwegischen Kirchen sind dokumentiert, davon
mindestens ein Drittel mit deutlichen Verbindungen zum „Norwegian Black Circle“462.
Nach Aussagen von Vikernes' damaligen Freunden war er zu dieser Zeit ein Teufelsanbeter und trat gegen
Nazis auf, erst nach seiner Verhaftung 1993 hätte er mit nationalsozialistischer Ideologie sympathisiert.463
Heute leugnet er all das und meint, er sei schon mit 15 „Skinhead“ gewesen (nicht im rassistischen Sinn,
sondern als Gegenbewegung zu den Punks in Bergen) und habe Satan immer nur als Symbol für Odin
verwendet.464
Vikernes, der nun auch von seiner Mutter Varg genannt wird465 (er hat den Namen mit 20 offiziell ändern
lassen), wuchs mit einem sehr autoritären Vater auf und verbrachte im Alter von sechs Jahren ein Jahr im
Irak wo er – laut seiner Mutter – einige seiner Ansichten entwickelt haben könnte. Überall wurde er
bevorzugt behandelt, weil er blond und hellhäutig war, und er habe das als grobe Ungerechtigkeit
empfunden.466
461
Moynihan/Søderlind,1998, S. 65.
Moynihan/Søderlind,1998, S. 79.
463
Moynihan/Søderlind,1998, S. 67.
464
Moynihan/Søderlind,1998, S. 148., Wikipedia.
465
Moynihan/Søderlind,1998, S. 142.
466
Moynihan/Søderlind,1998, S. 142 und S. 147.
462
82
Warum er wirklich seinen ehemaligen Freund Euronymous umgebracht hat, liegt immer noch im Dunkeln,
und es gibt sowohl von ihm selbst als auch von der „Gegenseite“ legendenhafte Darstellungen darüber. Klar
ist nur, dass er am 16. Mai 1994 zu 21 Jahren Haft verurteilt wurde. Die Anschuldigungen waren der Mord
an Øystein Aarseth, das Anzünden der Åsanekirche in Bergen, der Skjoldkirche in Vindafjord und der
Holmenkollenkapelle in Oslo, und der versuchten Brandstiftung der Storteveitkirche in Oslo.467
Seit seinem Aufenthalt im Gefängnis veröffentlichte er Bücher und Tonträger, die immer extremer seinen
ideologischen Standpunkt vertreten: Skandinavier seien die wahren Arier, müssten zu ihrer „natürlichen UrDemokratie“ zurückkehren und die „Fesseln“ des Christentums abwerfen. Alles „nicht-Arische“ sei für diese
„Herrenmenschen“ zu meiden. Mittlerweile wurde er 2009 aus dem Gefängnis entlassen und lebt mit seiner
Familie in Telemark, verbreitet seine Ideen jedoch immer noch zumindest über das Internet.
Schweden
Für die schwedische Szene von größter Bedeutung ist die Black Metal Band Bathory. Ihr erste Alben „The
Return“ und „Under the Sign of the Black Mark” die zwischen 1984 und 1987 veröffentlicht wurden, verhalfen
dem Schwedischen Metal sich eine neue, extremere Identität zu schaffen.468 Bathory kann als Vorläufer der
neuen ariergläubigen Black Metal-Gemeinde angesehen werden. Die Verbindungen zur norwegischen Szene
sind nach wie vor eng.
Nefandus469 erregten öffentliches Interesse, nachdem das Bandmitglied Michayah Belfagor mit zwei
Kumpanen Jagd auf einen Farbigen veranstaltet hatte.470 Die Gruppe bekennt sich öffentlich zum
Satanismus und gibt auch zu, dem Faschismus nicht fern zu sein, ihn zumindest ideologisch zu
unterstützen.471 Eine weitere Band von Belfagor ist Ofermod472. Er gibt an, zum Schreiben der Texte durch
seine Erfahrungen mit Meditation und Astralreisen inspiriert zu werden. Bei der Gründung 1998 bezeichnete
die Band ihre Musik als „Orthodox Black Metal“, verlagerte sich später allerdings auf „Orthodox Death
Metal“473 „da sie das Wort Satan nicht mehr verwandte, sondern seine heiligste Essenz unbenannt belassen
wollte, die noch vor dem Kosmos existiert habe. Aufgrund seiner okkulten Erfahrungen kam Belfagor vor
den anderen Mitgliedern zu dieser Sichtweise, während diese 2004 noch religiöse Teufelsanbeter waren.“474
467
www.dagbladet.no/2009/03/10/nyheter/innenriks/fengsel/5216306, 2010.
Vgl. Scott/Van Helden, S. 180.
469
www.nefandus.org, 2010.
470
Vgl. Moynihan/Søderlind, S. 331.
471
Siehe: www.angelfire.com/ak/tiagoblackmetal/nefandus.html, 2010.
472
Gegr.1996, Nörrköping, Schweden, www.myspace.com/ofermodrapetheworld, 2011. Black Metal.
473
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Ofermod, 2011.
474
http://de.wikipedia.org/wiki/Ofermod,2011.
468
83
Der Sänger der Gruppe „Dissection“475, Jon Nödtveidt476, wurde „wegen Beihilfe zum Mord an […] einem 38jährigen homosexuellen Algerier, sowie illegalen Waffenbesitzes, zu zehn Jahren Haft verurteilt; als
Haupttäter wurde Vlad, Mitglied und Kopf des „Misanthropic Luciferian Order“, dem Nödtveidt ebenfalls
angehörte, verurteilt. Während seiner Inhaftierung arbeitete Nödtveidt an neuen Dissection-Titeln.477 Auf das
Konto der Bandmitglieder sollen außerdem einige Kirchenbrandstiftungen und Grabschändungen gehen.
Der Sänger der Gruppe „Algaion“478, Märten Björkman, wurde wegen Brandstiftung eines alten Gebäudes zu
einer einmonatigen Haftstrafe verurteilt479, aber auch verschiedene Stellungnahmen gegen das Christentum
und für den Satanismus ließen sich in Interviews einer inzwischen aus dem Netz genommenen Website
nachlesen.480
So vermischen sich in der schwedischen Black Metal-Szene Arierverherrlichung, Antisemitismus,
Rassismus, Gewalt und Satanismus. All das wird als politische Methode Teil dieses bizarren
neonazistischen Black Metal-Teufelkultes.
Deutschland
Nach der deutschen Wiedervereinigung schlossen sich viele Metalheads der in-rechtsextreme-Richtungabgedrifteten Skinheadszene an. Einige deutsche Bands überschritten dann auch die Grenze der vorher nur
formal vorhandenen Ablehnung gegenüber Ausländern.
Der bekannteste Fall in Deutschland ist der als „Satansmord von Sondershausen“ bekannt gewordene Mord
am Schüler Sandro Beyer, der von Mitgliedern der Band „Absurd“481 verübt wurde. Der Band-Leader Hendrik
Möbus verbüßte eine mehrjährige Haftstrafe. Satanistische Züge mögen zwar in der Presse breitgetreten
worden sein, langfristig wesentlicher war aber wohl die rechtsradikale, sadistische Motivation hinter der Tat.
„Absurd“ gelten als vom „Inner Circle“ beeinflusst. Sandro Beyers Grabstein zierte das Cover der 1995
veröffentlichten Aufnahme „Thuringian Pagan Madness“.482
Hendrik Möbus wuchs als Kind protestantischer Eltern im Thüringer Sondershausen auf. Nach dem Fall der
Mauer wurde er zum linksradikalen Punk, später gründete er die Black Metal-Band „Absurd“. Die jungen
Musiker trafen sich auf Friedhöfen und propagierten eine Mischung aus Neosatanismus und neuheidnischer
475
Gegründet 1989, Strömstad, Schweden, www.dissection.se, 2011, Melodic Black Metal/Melodic Death Metal.
Nahm sich 2006 durch einen Kopfschuß das Leben. Seine Leiche wurde in einem satanistisch anmutenden Szenario
aufgefunden.
477
http://de.wikipedia.org/wiki/Dissection, 2011.
478
Gegr.1993, Åtvidaberg, Schweden, www.myspace.com/algaion, 2011, Atmospheric Black Metal.
479
Moynihan/Søderlind, S. 330.
480
www.lysator.liu.se/~marten/Algaion/index1htm, 2003.
481
http://de.wikipedia.org/wiki/Absurd_(Band), 2010.
482
Davisson, 2010, S. 194.
476
84
Mythen mit Arierverherrlichung. Von den anderen Jugendlichen des Ortes wurde die Gruppe eher gemieden,
nur der etwas jüngere Sandro Beyer, ebenfalls ein Außenseiter, suchte Anschluss, wurde von den AbsurdMitgliedern aber abgelehnt. 1993 kam es dann zum Mord an dem damals 15-Jährigen durch Möbus
gemeinsam mit zwei seiner Kollegen, da dieser sich aufgrund der anhaltenden Ablehnung über Möbus‘
Clique Kinder des Satans lustig gemacht hatte. Seither boomt laut dem heimischen Pfarrer Hauskellner die
örtliche Satanistenszene, die sich auch logenartig organisiere.
Im Gefängnis studierte Möbus die Schriften des Nationalsozialismus und alte heidnische Religionen. Ebenso
wie Vikernes, zu dem er sich hingezogen fühlte, kam er hinter Gittern in immer stärkeren Kontakt mit dem
Faschismus. Obwohl der Mord an Sandro Beyer immer wieder mit dem Satanismus der Gruppe „Absurd“ in
Verbindung gebracht wird, handelt es sich dabei nicht um ein bewusstes Opfer an Satan, die Tat kann eher
im Feld des Neofaschismus gesehen werden, da die Gruppe, wie Möbus später in verschiedenen
Interviews483 äußerte, nur einen Volksschädling beseitigen wollte. 1998 wurde Möbus auf Bewährung
entlassen. Er floh allerdings nach einem Konzert, für das ihm NS-Wiederbetätigung (Zeigen des
Hiltlergrußes) zur Last gelegt wurde, nach Seattle/USA: Zunächst nahm ihn der rechtsextreme heidnische
„White Order of Thule“484 auf, nach einem Streit über den Aufbau einer Black Metal-Firma floh Möbus jedoch
weiter zum faschistischen Skinmusikmagazin „Resistance-Record“485 und der „National Alliance“486 mit ihrem
Chef William Pierce, der als mächtigster US-Neonazi galt. Dieser gab ihm Asyl als „politischem Flüchtling“,
der in Deutschland aufgrund seiner Gesinnung verfolgt werde.
Wörtlich sagte Möbus: „Ich betrachte den deutschen Nationalsozialismus als die perfekte Synthese aus dem
satanisch/luziferischen Willen zur Macht, dem elitären Sozialdarwinismus und dem arisch-germanischen
Heidentum.“ Wichtig ist für ihn ein Leitsatz der SS: „Den Tod zu geben und den Tod zu empfangen.“487
Über seine NPD-Kontakte versuchte Pierce, mehr Einfluss in Deutschland zu gewinnen. Möbus sollte ihm
dabei helfen und Jugendliche rekrutieren. Immerhin kannte der „Satansmörder“, wie ihn die Presse gerne
nennt, die rechtsextreme europäische Musikszene und er hatte Erfahrungen darin, wie man jugendliche
Goths und Black Metal-Fans für rechtsextreme Anliegen instrumentalisiert. Gemeinsam mit seinem älteren
Bruder Ronald leitet Möbus das deutsche Label „Darker Than Black“488, zu dem polnischen Rechtsaußenlabel
483
dpa 30.07.2001.
http://en.wikipedia.org/wiki/White_Order_of_Thule, 2010.
485
www.resistance.com, 2010.
486
www.natvan.com, 2011.
487
Vgl. Thielke, 2000, S. 134f.
488
www.darker-than-black.com, 2010.
484
85
„Pagan Front“489 bestehen gute Kontakte. Ronald (Hellstrum) Möbus gab außerdem das Magazin
„Infernus“490 heraus.
Heute verbreitet Roland Möbus National Socialist Black Metal (siehe oben) und verlegt Neonazibands.
Bands, die in diese Richtung wirkten, waren Impaled Nazarene, Dark Throne, Mayhem, Burzum, Abysmal,
Unholy, Barad Dúr, Asatru und die polnische Gruppe Graveland.
Nach der Verhaftung von Hendrik Möbus in den USA im August 2000 und seiner Überstellung nach
Deutschland wurde er von Pierce zum Märtyrer der ariergläubigen White Power Bewegung491 hochstilisiert.
Heute lassen sich im Internet zahlreiche Seiten zu Möbus finden492, die sich um eine angeblich genauere
Darstellung des Falls bemühen und sich für den aus „politischen Gründen“ Gefangenen einsetzen und um
seine Haftentlassung kämpfen.
Aufgrund ihrer Popularität soll auch die der Neuen deutsche Härte zugeordnete Ostberliner Formation
„Rammstein“493 genannt werden. In ihren Videoclip zu „Stripped“494 wurden Ausschnitte aus Leni Riefenstahls
Film „Triumph des Willens“495 eingefügt. Vor allem in den USA und in England führte dies zu einem
Ausstrahlungsverbot des Liedes. In Deutschland durfte das Video nur nach 22 Uhr gezeigt werden. Auch
das Massaker von Littleton im Jahr 1999 wurde mit der Gruppe in Verbindung gebracht. Den Tätern wurde
unter anderem nachgesagt, neben der Musik von Marilyn Manson auch die der Band Rammstein zu hören496.
Die Gruppe wehrte sich gegen die Vorwürfe rechtsextreme Ideologien zu propagieren. Mit dem Song „Links
234“ wollten sie auch musikalisch ein Zeichen setzen, das ihre Position klarstellte. In einem im Breakout
Magazin erschienen Interview sagt ein Mitglied der Band: „Da haben wir uns gedacht, gut, wir sagen was
Klares. Wir haben auch ein extrahartes Lied gemacht, um zu zeigen, daß gerade eine linke Band auch harte
und böse Musik machen kann. Wir sind natürlich böse, wollen es auch sein; wir wollen, daß die Jugendlichen
mit der Musik ihre Eltern ärgern. Daß die Eltern sagen: Mach aus, den Dreck! - Dafür ist Rockmusik da! Aber
irgendwann ist halt mal böse und rechts in einen Topf geschmissen worden, und mit dem Vorurteil wollen
wir aufräumen. Wir marschieren, aber wir sind links, absolut klar bekennend links.“497
489
www.thepaganfront.com, 2010.
Vgl. Der Spiegel, 1994, S. 91f.
491
http://de.wikipedia.org/wiki/White_Power, 2011.
492
Siehe z. B. http://nsbm.org/pub/hendrik und www.mourningtheancient.com/evelyn.htm, 2011.
493
Gegründet 1994, Berlin, Deutschland, www.rammstein.de, 2011, Neue deutsche Härte.
494
Cover Version eines Stückes von Depeche Mode.
495
NS-Propagandafilm über den Reichsparteitag der NSDAP 1934 in Nürnberg.
496
www.arte-tv.com/tracks/20001110/dtext/manson.htm, 2010
497
http://www.breakoutmagazin.de/archiv/aram11.html, 2011.
490
86
Aufgrund der Relevanz für die deutsche Szene muss hier auch das französische Magazin „Deo Occidi“
genannt werden, war es doch die erste relevante Propagandafläche „des Neonazizweiges der deutschen
Schwarz-Metaller.“498 Ein Mitglied der bayrischen Black Metal Band Slice499 erklärte darin seinen Gebrauch
des Hakenkreuzes damit, dass er die Leute wissen lassen möchte, dass er Arier und Deutscher sei.
Außerdem drücke es seinen Hass auf Moslems und Juden aus.500 Ähnliche Statements sind in diesem
Magazin von der Formation Mayhemic Truth501 zu lesen. Die Band gilt als Wegbereiter für den deutschen
Black Metal.502
Schweiz
Im Juli 2001 kam es nach einem Death Metal-Konzert im Luzerner Friedenstal zu einer Friedhofsschändung
durch sieben jugendliche Metal-Fans. Laut Polizeiaussagen hatten sich die Jugendlichen, von Alkohol und
(Black Metal-)Musik berauscht, zu den Vandalenakten hinreißen lassen, mit Satanismus habe die Tat aber
angeblich überhaupt nichts zu tun.503 Der Death Metal-Musiker und rechtsextreme Satanspriester Satorius
hatte dort den Schwarzen Orden von Lucifer504 gegründet. In einem Interview505 bekennt sich Satorius zum
Satanismus in der von LaVey propagierten Form und weist eine gedankliche Nähe zu gewissen Ansichten
und Theoretikern des Dritten Reiches, wie etwa Karl Maria Wiligut, nicht von sich.
Menegroth steuerte einen Song zum Julius Evola Tribute Album „The Spirit of Europe“ bei.506 Weiters beruft
sich die Band auf Filippo Tommaso Marinetti und vermengt ihre Songtexte mit Verschwörungstheorien des
Dritten Reiches.507
Die Metal- und Crossover Band Samael unterhielt einige Zeit gute Kontakte zu Mitgliedern von Mayhem. Der
Bassist soll sogar ein Stück vom Gehirn des Mayhem-Sängers nach dessen Ermordung zugesandt
bekommen haben. Samael brachte zwar ein T-Shirt auf den Markt, auf dem der Konterfei Christi mit einer
NS-Parole in Verbindung gebracht wurde, tat dies aber nach eigener Angabe, um das Christentum als
totalitär zu kritisieren und damit zu provozieren.508 Die rechtsextremen Äußerungen einiger norwegischer
Musiker bezeichnete der Sänger von Samael „als zwangsläufige Folge ihrer Versuche, Extreme auf die Spitze
498
Fromm, 2003, S. 9.
Keine Website auffindbar.
500
Vgl. Fromm, 2003, S. 9
501
Bestand von 1992–1998. Zwei Mitglieder machen unter dem Namen „Morrigan“ weiterhin Musik.
502
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Mayhemic_Truth, 2011.
503
Unter http://www.agpf.de/Satanismus.htm#31.7.01 kann ein Interview der Neuen Luzerner Zeitung mit beteiligten
Jugendlichen nachgelesen werden.
504
www.myspace.com/schwarzerordenvonluzifer, 2011.
505
www.schwarzeorden.ch/interview_nlz.htm, 2003, Seite 2011 nicht mehr verfügbar.
506
Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Menegroth_(band), 2011.
507
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/National_Socialist_Black_Metal, 2011.
508
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Samael_(Band), 2011.
499
87
zu treiben und Tabus zu brechen. Eine solche Sichtweise sei ‚von Grund auf völlig falsch’, aber er könne ‚den
Weg in ein solches Loch‘ nachvollziehen.“509
Ein Schweizer (Extreme-)Metal-Fan, der unter dem Pseudonym „Azrael“ die Internetseite „Taste of Black“510
betreibt und Mitglied der germanisch-heidnischen Forenplattform Lichtwärts ist, beschreibt in einem
Interview mit der Aufklärungsgruppe Krokodil511 den „Kampf gegen den Rechtsextremismus im Metal, vor
allem gegen den NS Black Metal“ als wichtiges Ziel seiner Plattform. Die „totalitäre, antisemitische,
einseitige und verquere Weltanschauung hat nichts mehr mit dem ursprünglichen Gedanken des Metal zu
tun, außerdem wird durch solche Bands das Heidentum sehr schnell in den Dreck gezogen.“512
Österreich
Die vom Journalisten Franko Petri für „News“ enttarnte satanistische Grazer Metalzeitschrift513 The Art Of
Necronomicon514 schrieb z. B.: „Dies ist ein weiterer Beitrag des Circle of Hate, um den Haß gegen diese
christlich-soziale Welt zu schüren. Mögen wir oder unsere Nachkommen einmal die Kraft haben, um wie
unsere Väter in die Schlacht zu ziehen. Um unser Ziel zu erreichen, bedarf es viel Durchhaltevermögen,
welches nur die B.M.515-Elite aufweisen kann. So sei es, bei Wotan!“
Die Wiener Band Abigor516 galt einige Zeit lang als Aushängeschild des Black Metal in Österreich517. Die Band
pflegte enge Verbindungen zur deutschen Band Absurd bzw. Hendrik Möbus. „Wegen Möbus’ Mitwirkung
am Album „Nachthymnen (From the Twilight Kingdom)“ und eigener Aussagen wurde Abigor am äußersten
rechten Rand verortet, wogegen sich die Band halbherzig versuchte abzugrenzen.“518 Die Gründer Peter
Kubik und Thomas Tannenberger sehen sich als Satanisten und wollen ihre Einstellung auch über Abigor
transportieren.519
Nicht zuletzt entwickelte sich der Wiener Metal-Musiker Kadmon zu einer Drehscheibe rechtsextremer
Bands und Ideologien. In den neunziger Jahren tauchte ein Teil der Elite der jungen FPÖ in das Wiener Musikund Diskoleben ein. Neben einer Vorliebe für Techno streiften einige Kollegen aus dem Umfeld von HC
509
http://de.wikipedia.org/wiki/Samael_(Band), 2011.
www.taste-of-black.ch, 2011.
511
Projekt von EBIS e.V. (Eltern- und Betroffenen-Initiative zur Selbsthilfe gegenüber neuen religiösen und
ideologischen Bewegungen, Baden-Württenberg, e.V.)
512
www.aufklaerungsgruppe-krokodil.de/MetalIsTheLaw.pdf
513
2011 kann die Existenz dieses Magazins nicht mehr belegt werden.
514
Keine Website auffindbar.
515
Black Metal
516
Gegründet 1993, Österreich, www.abigor.at, 2011, Black Metal bzw. Industrial Black Metal.
517
Vgl. www.legacy.de/contenido/cms/front_content.php?client=1&lang=1&idcat=22&idart=686, 2011.
518
http://de.wikipedia.org/wiki/Abigor_(Band), 2011.
519
Ebda.
510
88
Strache auch mit dem Black Metal-Musiker Kadmon durch das nächtliche Wien, der ihnen alte Wiener Sagen,
vorzeitliche Mythen und (neu)heidnische Kulte näherbrachte. Kadmon, vulgo Gerhard Petak, betreibt die
Band „Allerseelen“ und gibt die Heftreihen „Ahnstern“ und „Aorta“ heraus, in denen auch der satanistische
Filmemacher Kenneth Anger zu Wort kam. Kadmon vertonte Aussagen des italienischen Faschisten Julius
Evola und des „SS-Rasputin“ Karl Maria Willigut. Auch Nazi-UFOs bevölkern das Weltbild des Musikers.520
„In Österreich gibt es kaum Bands, die sich selbst als ‚NSBM’ bezeichnen, jedoch einige Versände, die
Tonträger von NSBM-Bands vertreiben. So sind beim ‚Irdenwerk Versand’ aus Oberösterreich diverse
Tonträger von NSBM-Bands wie ‚Bilskirnir’, ‚Draugurz’, ‚Seigneur Voland’, ‚Kristallnacht’ und vielen anderen
erhältlich.“521 Das obersteirische Label Napam Records522 wurde 2007 vom Szenemagazin Rock Hard
aufgrund der im Sortiment befindlichen Produktionen von NSBM-Bands befragt. Der Inhaber fühlte sich
durch die Fragen des Journalisten angegriffen und berief sich auf Fachleute, die das Sortiment prüfen
würden.523
Aufruhr gab es 2005 um das „Dunkelheit“-Festival524. Ursprünglich als 2-Tages-Festival geplant hätte es in
Niederhollabrunn in Niederösterreich stattfinden sollen.525 Nach massiven Protesten wurde die
Veranstaltung auf einen Tag gekürzt und nach Graz verlegt, wo es ebenfalls zu Protesten (v.a. der Antifa)
und verschärften Kontrollen am Einlass kam. Wie sinnvoll es ist, Festivalbesucher anhand von Band T-Shirts
auszusortieren und nach Hause zu schicken, sei dahingestellt.
Einer speziellen Betrachtung soll die Grazer Metalszene unterzogen werden. Sie entwickelte sich laut einem
mit René Molnar geführten Interview526 sehr langsam. „Es begann in Graz mit 15 bis 20 Personen, heute sind
es 1500 bis 2000, wobei ich von einigen Tausend Sympathisanten ausgehe. Der Inner Circle, also der harte
Kern, umfasst 500 bis 600 Menschen.“527 Ferner räumt Molnar mit der Annahme auf, dass der überwiegende
Anteil der Szenemitglieder aus dem Lehrlingsbereich käme. Er hat sich im Rahmen seiner Arbeit zur
Erlangung des Abschlusses „Akademischer Jugend- und Soziokulturpädagoge“528 an der Pädagogischen
Hochschule Steiermark mit der Frage beschäftigt, inwieweit eine rechtsextreme Ausrichtung bei
jugendlichen Grazer Metalfans vorliegt und kommt zu dem Schluss, dass die Szene sich eher im politisch
neutralen bis linken Spektrum bewegt und somit Rechtsextreme eine Minderheit bilden.
520
Vgl. Horaczek/Reiterer, 2009, S. 81f.
www.infoladen-wels.at/print/aktuelles/mehr.php?no=19, 2011.
522
www.napalmrecords.com, 2011.
523
Vgl. Mühlmann, 2007, S. 60.
524
Veranstalter waren das Label „Ashen Productions“ und das Online Magazin „blackmetal.at“
525
Vgl. http://www.infoladen-wels.at/print/aktuelles/mehr.php?no=19, 2011.
526
Schweidlenka: Interview mit Rene Molnar, 2011.
527
Ebda.
528
Molnar, 2011.
521
89
„Die Grazer Metaler sind sicherlich weniger rechts[extrem] als der Durchschnitt bei den steirischen
Jugendlichen. Zurzeit sehe ich in Graz keine Chance für eine rechtsextreme Unterwanderung der Szene. Der
Widerstand gegen rechtsextreme Unterwanderung nimmt übrigens im gesamten deutschen Sprachraum
zu. Metaller weisen auch eine große Teilnahmequote bei Wahlen auf.“529 Nicht nur unter den Fans, auch in
Musikerkreisen sieht Molnar die Situation ähnlich. Zwar gibt es Bands, bei denen nicht sicher auszumachen
ist, ob sie provozieren oder tatsächlich rechtsradikale Ideologien verbreiten wollen wie z. B.
Flammensturm530 und Interregnum531, an sich ist die Szene aber auch, was die lokalen Musikgruppen
betrifft, eher politisch neutral bzw. latent links orientiert.
Auch was satanistische Tendenzen betrifft ist die Grazer Szene laut Molnar relativ unbelastet. Ein großer
Teil bezeichnet sich als atheistisch.
Abb. 30
Unter den Grazer Metalheads herrsche hinsichtlich der hohen Wahlbeteiligung ein überdurchschnittliches
Demokratieverständnis. Sie beobachten die aktuellen politischen Geschehnisse durchwegs kritisch. „Die
Altersgruppe der 16-bis-20-jährigen Szenemitglieder zeigen ein größeres Interesse an Politik, als ihre
steirischen Altersgenoss/-innen.“532 Ferner verortet Molnar in der untersuchten Szene eine durchwegs
tolerante Haltung gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund. „Zusammenfassend kann man sagen,
dass die Grazer Metalzene besser ist als der Ruf des Metals als solches.“533 Molnar konkludiert, „dass es
sich bei der Grazer Metalszene um keine rechtsorientierte Szene handelt, und dass dieselbe derzeit nicht
durch rechtsextreme Kreise unterwanderbar ist.“534
529
Schweidlenka: Interview mit Rene Molnar, 2011.
Graz, www.flammensturm.at, 2011, Black Metal.
531
Gegründet 2006, Graz, Österreich, www.interregnum.at, 2011, Viking Death Metal.
532
Molnar, 2011, S. 40.
533
Ebda.
534
Ebda.
530
90
Eine Liste österreichischer Metal Bands findet man in den „Metal Archives“.535
Die schwarz/braune Szene in Osteuropa
Benjamin M. Grilj
In dieser Beschreibung soll der geographische Begriff „Osteuropa“ und alle Im- und Explikationen nicht
thematisiert werden. Da die Entwicklungslinien zwischen den Ländern des ehemaligen COMECON (meist
Ostblock genannt) und der ehemaligen UdSSR aber gänzlich different sind, soll hier die Situation in den
europäischen Ländern der Ex-UdSSR (Russland, Ukraine, Weißrussland, Estland, Lettland, Litauen und
Moldawien) an Hand von einigen Beispielen beschrieben werden.
Grundsätzlich müssen vier Dinge vorausgeschickt werden, die sich wesentlich von der Situation in Westund Zentraleuropa unterscheiden, aber essentielle Folgen hatten und zum Teil auch noch heute haben:
•
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Deutschland lange Zeit die alleinige Schuld an diesem
und dem Holocaust gegeben; in Österreich z. B. folgte die Diskussion um eine Mitschuld erst Mitte der
1980er, in Frankreich und anderen Ländern noch später. Die Situation in Osteuropa unterscheidet sich
davon aber, da im Sinne des kollektiv-sozialistischen Denkens jeder Sowjet Europa vom
Nationalsozialismus befreit hat, als ob er tatsächlich in der Roten Armee gedient hätte. Diese
Interpretation der Geschichte verhinderte größtenteils eine Aufarbeitung der Fragen von Kollaboration,
Antisemitismus und herrschendem faschistoiden Gedankengut.
•
Das
sowjetisch-planwirtschaftliche
Marktsystem hatte
auch
eine Entsprechung
in
der
Musiklandschaft, sodass es als einziges Plattenlabel Melodia gab, welches politisch kontrolliert wurde.
Rock oder Metal waren als „rowdyhaft“ und „dekadent“536 verschrien und dementsprechend
unerwünscht. Das „unkultivierte, rüpelhafte Betragen, Herumgröhlen und rücksichtslose Gedränge“
wurde nicht nur als „Oppositionshaltung“ sondern als „gestörte Beziehung zur sozialistischen
Gesellschaft überhaupt“537 verstanden, womit eine Veröffentlichung auf Melodia für Bands aus
diesem Genre nahezu unerreichbar war. Dies änderte sich erst mit den Reformen Gorbatschows, die
das Label marktwirtschaftlichen Gesetzen unterwarfen und damit öffneten.
•
Wegen der herrschenden Zensur waren die meisten ausländischen und alle inländische Bands, die dem
Profil Melodias nicht passten, vom Verkauf ausgeschlossen, sodass sie sich andere, illegale,
535
www.metal-archives.com/lists/AT, 2011.
Vgl. Wicke, P.: Rockmusik und Politik. Ch. Links: 1996, S. 29.
537
Vgl. ebda. S. 32.
536
91
Vertriebsmöglichkeiten suchen mussten. So war ein musikalischer Austausch ausschließlich auf
persönliche Kontakte beschränkt und Szenen konnten sich primär regional entwickeln.
•
In den meisten der angeführten Länder wird das kyrillische Alphabet verwendet, was sich häufig negativ
auf eine Verbreitung in West- und Zentraleuropa auswirkt(e).
Russland
D.I.V.
D.I.V. (Д.И.В.) ist die einzige der hier angeführten russischen Bands, die es nicht mehr gibt, soll aber wegen
ihrer Reichweite Erwähnung finden. Gegründet 1987 in Moskau können sie am ehesten im Oi!538 verortet
werden, wechselten aber (vermutlich durch den häufigen Besetzungswandel) immer stärker in den Thrash
Metal über. Inhaltlich bleiben die Texte aber, unüblich für den Thrash, eindeutig rechtsradikal, faschistoid
und nationalsozialistisch. Der Sänger von D.I.V. versuchte sich daneben auch als rechtsextremer Politiker,
scheiterte aber. International Beachtung findet die Band nur in Skinhead-Kreisen aufgrund der Schweizer
Dokumentation Skinhead Attitude. Der Versuch an RAC (Rock against Communism – gegründet von Ian
Stuart von Skewdriver) anzukoppeln schlug auch fehl, da D.I.V. immer wieder durch ihre (Alkohol-)Launen
negativ auffielen und nicht ernst genommen wurden. Bis 2004 veröffentlichte die Band elf Alben mit teils
eindeutigen Titeln wie „Genocide“ oder „Mein Kampf“ für das Label „Rebel Records Russia“. Bedeutend sind
sie, weil sie noch zu Zeiten des Kommunismus offen nationalsozialistische Äußerungen verlauten ließen
und deswegen heute vielfach als Türöffner für die radikale rechte Szene in Osteuropa bezeichnet werden.
Kolovrat
Bei dieser Band fällt die politische Einteilung leicht, da allein schon der Name Kolovrat (Коловрат)
Sonnenrad bedeutet, das auch als Bandlogo fungiert: eine achtarmige, rechtsgedrehte Swastika. Daneben
ist Kolovrat gleichzeitig der Kampfname eines russischen Kriegsherren und Deckmantel der aktuellen
russischen Rechtsradikalen.
Die Band formierte sich 1994 in Moskau unter dem Namen Russian Ghetto, den sie aber 1997 zu Gunsten
von Kolovrat änderte, um ihre „politischen Ansicht zu verdeutlichen.“539 Mittlerweile veröffentlichten sie 10
Alben auf dem eigenen Label Kolovrat NS und sind fest im internationalen Geschehen verankert: Sie spielen
auf zahlreichen NSBM- und Pagan-Festivals in ganz Europa und veröffentlichten auch eine Split-CD540 mit
den deutschen Neonazis von Nahkampf unter dem Titel „Russian-German NS Unity“. Die Song-Texte sind
538
Musikstil dessen Anhänger zumeist aus der Skinhead- und Punkszene kamen [Anm. d. Red.]
Interview mit dem Sänger Timonichev, A. in: Aryan Music, 23.06.2006.
540
Darunter wird eine meist von zwei, manchmal aber auch von mehreren Bands gemeinsam herausgebrachte CD
verstanden [Anm. d. Red.].
539
92
klar antisemitisch und nationalsozialistisch: „das einzig wahre politische System für die Weißen ist der
Nationalsozialismus, der modern, angemessen und fortschrittlich ist. [...] Der 2. Weltkrieg war ein
brudermordender Krieg, der von den Zionisten angezettelt wurde um die Gefahr von Seiten der
Nationalsozialisten zu bannen, die sowohl die Herrschaft der Zionisten als auch deren Existenz gefährdeten.
18 war ein großartiger Politiker und Stratege des 20. Jahrhundert [...].“541 Musikalisch gesehen begannen
Kolovrat als RAC also im rechtsradikalen Oi! Häufig stößt man auf Beschreibungen, dass sie heute Trash
Metal spielen würden, was aber sehr weit hergeholt ist. Man kann sie eindeutig im Rechts-Rock verorten,
der aber wesentlich melodischer als sein deutsches Pendant ist.
M8L8TH
M8L8TH (oder Moloth88/Молотх88) wurden 2002 im russischen Tver gegründet. In beiden Formen
verwenden sie die 88 als Zahlencode für „Heil Hitler“ – im Bandlogo finden sich daneben auch noch das
verkehrte Kreuz und ein angedeutetes Hakenkreuz. Bekanntheit erreichten sie aber nicht mit ihrer Musik,
sondern auf Grund der Tatsache, dass der Sänger Alexey wegen vierfachen Mordes und mehreren (teils
schweren) Raubüberfällen in einer Haftanstalt für psychisch gestörte Gewaltverbrecher einsitzt.
Die erste LP von M8L8TH wurde auf Stellar Winter Records veröffentlich, das zur Pagan Front gehört, die
aktuellste bei Lost Reich Records. Musikalisch sind sie dem NSBM zuzuordnen; in den Texten finden sich
krude Aneinanderreihungen von nordischer und altslawischer Mythologie, russischem Nationalismus,
faschistoiden Rassentheorien und Christenhass.
Rodovest
So wie bei M8L8TH lässt sich bei Rodovest (Родовест) schon viel aus dem Bandlogo erkennen: Neben
Streitäxten findet sich ein Sonnenrad, mehrere angedeutete Swastiken und eine eindeutige. Rodovest wurde
2002 in Volgograd gegründet und ist auf dem Label Soldatus Inconnus (heute Vae Victis, die von Frankreich
aus den deutschen NSBM-Markt beliefern), auf dem unter anderem auch Pagan Hellfire läuft. Daneben sind
sie in der rechtsextremistischen Pagan Front aktiv und covern Lieder von Absurd und Burzum.
Musikalisch wurde Rodovest stark von Temnozor542 beeinflusst, sodass sich neben typischen Black-,
Viking-, Doom- und Death-Metal-Elementen auch Reminiszenzen an die russische Volksmusik heraushören
lassen. Was musikalisch schon angedacht ist, findet eine Entsprechung in den Texten, wo russische Folklore
mit Paganismus und Nationalsozialismus vermengt wird.
541
542
Interview mit dem Sänger Timonichev, A. in: Aryan Music, 23.06.2006. Hinweis: Die Zahl 18 steht für Adolf Hitler.
Pagan Metal, Russland, gegründet 1996.
93
Stella Aria
Zwei Jahre nach Moloth88 wurde 2004 ebenfalls in Tver Stella Aria (Стелла Ариа) gegründet, wobei es auch
personelle Überschneidungen gibt. Auch wenn es im Deutschen so anmutet, der Name Aria hat nichts mit
Ariern zu tun, sondern mit der Arie543. Die Bedeutung von Stella ist allerdings mehrdeutig: so kann es
entweder ein weiblicher Vorname sein, oder im Russischen „Denkmal“, „Säule“ oder im Lateinischen „Stern“
bedeuten. Daneben gibt es noch aus der Medizin das Arias-Stella-Phänomen, das die Veränderung der
Gebärmutterschleimhaut nach einem Abort beschreibt.
Bisher hat Stella Arja nur ein Album im Selbstverlag veröffentlicht, wird aber mittlerweile über Aryospher
Productions vertrieben, die ansonsten Bands wie Endlösung im Programm haben. Musikalisch versuchen
sie, Black-Metal mit Industrial und Ambient zu verbinden und übersteigern diese seltsame Mischung noch
mit Texten über Arier im Weltall.
Temnozor
Eine der bekanntesten rechtsradikalen Bands Russlands ist sicherlich Temnozor (Tемнозор), die über ein
ausgezeichnetes Netzwerk verfügten, in der rechtsradikalen Pagan Front, Blood & Honour Russland und der
White Power Bewegung aktiv sind und mit Stellar Winter Records das einzige NSBM/RAC-Label Russlands
besitzen. Temnozor hat mittlerweile auch jenseits eingeweihter Fans eine derartige Bekanntheit in ZentralEuropa erreicht, dass eine Reihe von Konzerten in den Niederlanden, Deutschland und auch Ungarn544
entweder abgesagt wurde, oder im Geheimen stattfinden musste.
Seit der Gründung 1996 in Obninsk fallen die Bandmitglieder (es gibt eine sehr starke Fluktuation in der
Besetzung; die 17 aktuellen und vorherigen Bandmitglieder sind das Who-Is-Who der osteuropäischen
Neonaziszene) vor allem mit rassistischen und antisemitischen Äußerungen auf: „pagan revival will stay
only a dream until modern civilization based on materialism and judaism is annihilated. [...] If most of you
will act the same way, trying to break the chains of judeo-christian slavery and consequences of its noxious
impact (i.e. disastrous ecological, demographic and geopolitic state of the whole White Race) speaking a
lot but doing nothing, then soon there will be nothing and nobody to save. We have to act now.“545 Sie
bekennen sich offen zum Nationalsozialismus und dem „heiligen Rassenkrieg [...] KULTURKAMPF“546. Ihre
zweite LP erschien 2004 bei Maximum, einem der größten russischen Hard-Rock/Metal-Labels, wurde aber
bereits nach zwei Tagen Verkauf verboten – zu diesem Zeitpunkt war aber fast die gesamte Auflage bereits
verkauft.
543
Arier von pers. „āryā“: „edel“; Arie von ital. „aria“: „Weise“, „Luft“.
Vgl. www.telegraaf.nl/binnenland/5695444/__Onderzoek_naar__nazi-band___.html, 2011.
545
Interview mit Kai Mathias Stalhammer von Nargathrond 1998: www.rusmetal.ru/vae_solis/Temnozor.htm, 2011.
546
Resistance #23, 2004.
544
94
Für den Vertrieb in Zentral-Europa haben sie Partner in anderen einschlägigen rechtsradikalen
Organisationen wie Hakenkreuz Productions, Ascent Records, Eastside Records, Nebelfee Klangwerk und
anderen gefunden, mit denen sie auch über die Pagan Front und Stella Winter Records kooperieren.
Musikalisch gesehen können sie dem Folk- und Black-Metal zugeordnet werden, wobei sie versuchen,
russische Instrumentierung und Melodien mit Black-Metal zu vereinen. Bei ihren Auftritten versuchen sie
außerdem, ihre russische Herkunft mit (Fantasie-)Trachten darzustellen. In ihren Texten geht es primär um
Paganismus, Krieg, Nationalsozialismus und Beschreibungen der Natur, wie sie auch bei anderen BlackMetal-Bands zu finden sind.
Velimor
Velimor (Велимор) wurde 2002 in Novomoskovsk gegründet. Der erste Schlagzeuger Ulv Gegner Irminisson,
Mitbegründer der häufig als ersten russischen NSBM Band bezeichneten Raven Dark und des NSBMNetzwerkes BlazeBirth Hall, wurde 2005 von einem angeblich militanten Anti-Faschisten erstochen. Die
Band, die mittlerweile vier Alben veröffentlicht hat, steht bei Stellar Winter unter Vertrag.
Musikalisch sind sie Temnozor ähnlich, wenngleich weniger russische Volksmusik Verwendung findet. Ihre
Texte behandeln im Wesentlichen die Themen Krieg, Paganismus und Antisemitismus.
Abb. 271: Startseiten-Grafik der BlazeBirth Hall
Woods of Fallen
Das 1996 in Moskau gegründete Duo Woods of Fallen versucht möglichst unerkannt zu bleiben. Die
vorhandenen sechs Aufnahmen sind Proberaummitschnitte, daneben sind sie auch nur auf zwei Samplern
vertreten, wovon einer eine Burzum Tribute CD ist. Beide Mitglieder sind in der Szene aber äußerst aktiv: So
spielten sie beide bei Temnozor und einer, ebenso wie der schon erwähnte Ulv Gegner, ist
Gründungsmitglied von Raven Dark und BlazeBirth Hall. Gorruth, der noch immer die Texte für Temnozor
schreibt, ist der Eigentümer von Stellar Winter Records, über die auch die Aufnahmen von Woods of Fallen
vertrieben werden. Musikalisch sind sie dem Black Metal zuzuordnen und haben im Gegensatz zu den zuvor
beschriebenen Bands (fast) keine Reminiszenzen an die russische Tradition (weder musikalisch, noch
95
inhaltlich oder grafisch beim Logo): So werden keine kyrillischen Buchstaben verwendet, es findet sich eine
Abbildung Wotans in Begleitung eines Rabens und Wolfes und darüber thront ein rechtsgedrehtes,
abgerundetes Hakenkreuz. Die Texte, die nur sehr spärlich vorhanden sind, huldigen größtenteils dem
Paganismus und Nationalsozialismus.
Ukraine
Dub Buk
Die 1997 in Charkiv gegründeten Dub Buk (Дуб Бук – Eiche und Buche) erlangten auch in Österreich 2008
eine gewisse Bekanntheit, nachdem eine Anzeige wegen Wiederbetätigung nach dem NS-Verbotsgesetz
gegen ihren österreichischen Vertrieb Ashen Records eingereicht wurde. Neben Dub Buk waren dort auch
Bands wie Pogrom, Gestapo 666, Nokturnal Mortum oder Nordisches Blut unter Vertrag.
Mit Nokturnal Mortum verbindet sie sehr viel, da sie nicht nur dieselben Vertriebswege nutzen (lange Zeit
waren beide auf Eastside Records), sondern auch personelle Überschneidungen vorhanden sind.
Musikalisch entwickelte sich Dub Buk aus einem sehr puristischem Black-Metal hin zum Melodic-BlackMetal. In ihren Texten transportieren sie vornehmlich paganistische, antisemitische, antichristliche,
nationalsozialistische (ein verschobenes, abgerundetes Hakenkreuz ist auch zentrales Element des Logos)
Inhalte, die mit Heldenmythen der Kiewer Rus (das erste „russische“ Staatswesen, bevor es eine Trennung
zwischen Russen und Ukrainer gab) verknüpft werden. Dementsprechend sind die Songtexte fast
ausschließlich auf Russisch und Ukrainisch.
Finist
2002 formierte sich in Charkiv die Power-Folk-Metal Band Finist, benannt nach einem Falken der russischen
Mythologie. Verbindungen hat diese Band vor allem mit Nokturnal Mortum, da drei von ihnen in beiden Bands
spielen.
In den Texten geht es primär um die Themen Krieg, arisch-slawischen Stolz, Rassismus und Ukrainischen
Nationalismus. Obwohl diese Band nicht einmal ansatzweise dem Black-Metal zugeordnet werden kann,
reiht sie „metalcrypt“ in den NSBM ein, und warnt Fans des Power Metals, sich diese Band anzuhören, da
ihre Texte nationalsozialistisch und rassistisch sind.547 Auf ihrer eigenen Myspace Seite bezeichnen sie
ihren Stil als Brutal Ukrainian Nationalism, der „new light to the ukrainian NSMB Scene“548 bringen solle und
verwenden das ukrainische Wappen als Hintergrundbild. Auffallend ist allerdings, dass sie obwohl sie so
547
548
96
www.metalcrypt.com/pages/review.php?revid=3138, 2011.
www.myspace.com/finist1, 2011.
„stolze Patrioten“ sein wollen, sowohl auf das Ukrainische als Sprache, als auch auf das kyrillische
Schriftsystem verzichten.
Nokturnal Mortum
Kaum eine andere NSBM-Band aus Ost-Europa ist derart bekannt wie auch wandelbar wie Nokturnal
Mortum. 1991 als, wie sie es selbst bezeichnen „Unholy Death Metal“549 Band in Charkiv unter dem Namen
„Suppuration“ gegründet, wurden sie zwei Jahre später die Black-Metal Band Cristaline Darkness, bevor sie
in der Originalbesetzung von Suppuration 1994 zuerst Nokturnal Mortum und schließlich ein Jahr später
Nokturnal Mortum wurden. 1997 schaffte die Band den Durchbruch im Westen, was vor allem über The End
Records und Nuclear Blast ermöglicht wurde. Beide trennten sich aber aufgrund der zunehmend (offen)
geäußerten nationalsozialistischen Ausrichtung der Band von dieser.550 Stilistisch gesehen wandelten sie
sich von einer relativ thrashigen Death Metal Band zu einer melodischen Black Metal-Band, oder wie sie es
selbst bezeichnen „Folk Symphonic Black Metal-Band“. Sie kombinieren ukrainische Volksmusik und
Instrumente mit einem melodischen Black-Metal, der sich aber vor allem durch den klaren Gesang vom
skandinavischen oder britischen unterscheidet.551
In der zentral-europäischen Szene wird häufig über die ideologische Ausrichtung von Nokturnal Mortum
diskutiert, wobei vor allem das A-Blaze Magazin sich der Peinlichkeit Preis gab, zu behaupten, dass sie nicht
„unter das Akronym ‚NSBM‘ subsumiert werden können, da sich weder die Texte noch die Präsentation
dieser Bands politisch kategorisieren lassen.“552 Leider basierten diese und ähnliche Äußerungen entweder
auf Unwissen, oder auf Verleugnen von Tatsachen, da der Sänger Knjaz Varggoth in einem Interview mit
dem Firegoat schon Jahre zuvor meint: „[...] They [Runes of Dianceht] play the same style of music as
Nokturnal Mortum: national socialistic Black Metal.“553 Anfangs bezeichneten sie ihren Stil und auch ihre
Texte noch als „Lunar Black Metal“554, worunter sie vor allem Christenhass subsumierten, ab dem Album „To
the Gates of Blasphemous Fire“ verbreiteten sie aber offen nationalsozialistisches, antisemitisches
Gedankengut und waren bis 2008 Mitglied der Pagan Front. Im Text von „The Taste of Victory“ präsentieren
sie den Zweiten Weltkrieg als von Juden angestifteten Bruderkrieg. Auch wenn der Sänger in aktuelleren
Interviews immer wieder behauptet, dass sie nun unpolitisch seien, bezeichnet er den Revisionisten Migual
Sirrano als einen der Haupteinflüsse seiner Texte, womit er die zuvor gemachte Aussage negiert. 555
549
www.rusmetal.ru/mortum/bio.html, 2011.
Vgl. www.firegoat.com/eng/?id=3&d=16, 2011.
551
Vgl. www.metalunderground.com/reviews/details.cfm?releaseid=445, 2011.
552
ablazemagazin.de/ablaze/index.php?mact=News,cntnt01,detail,0&cntnt01articleid=85&cntnt01returnid=15, 2011.
553
www.firegoat.com/eng/?id=3&d=16, 2011.
554
www.metalunderground.com/reviews/details.cfm?releaseid=445, 2011.
555
Vgl: http://frostkamp.wordpress.com/2008/08/05/nokturnal-mortum-interview, 2011.
550
97
Aufregung gab es auch noch in Bezug auf die W:O:A Roadshow, bei der 2008 in Kiew auch Nokturnal Mortum
hätte spielen sollen – ihr Auftritt wurde dann aber kurzer Hand (ohne Nennung von Gründen) gecancelt.
Im Gegensatz zu Drudkh, wo eine eindeutige Zuschreibung schwierig ist, handelt es sich bei Nokturnal
Mortum um ein Aushängeschild des ukrainischen NSBM.
Sokyra Peruna
Sokyra Peruna ist eine international sehr gut verknüpfte Kiewer Band, die sich zwischen Pagan Metal und
Rechtsrock bewegt. Sie werden meist als RAC kategorisiert, brechen die Genregrenze allerdings immer
wieder in Richtung Thrash und Pagan auf. Inhaltlich sind sie eindeutig rechtsradikal und vermischen
nationalsozialistisches Gedankengut mit ukrainischem Nationalismus. Das Logo mit dem linksgedrehten,
abgerundeten Hakenkreuz lässt eine ideologische Nähe erkennen. Sie sind bei Blood & Honour und Division
East Europe aktiv und haben im Zuge dessen auch Sampler mit Bands wie Front18, Vandal, H8 oder Kolovrat
veröffentlicht. Daneben sind sie Mitglieder der German Slavonic Army und haben im Zuge dessen eine
Gedenkveranstaltung für Ian Stuart556 in Kiew organisiert, in Folge dessen eine Split-LP mit Brigade M aus
Holland und Antisystem aus Russland veröffentlicht wurde – eine von insgesamt vier Split-CDs. Daneben
haben sie bis jetzt sechs Alben produziert, die vom rechtsradikalen Label Eastside Records vertrieben
werden.
Hate Forest
Hate Forest wurden 1995 in Charkiv gegründet und haben sich 2004/2005/2006557 wieder aufgelöst. Sie
haben stets versucht, sich von der Öffentlichkeit fernzuhalten, keine Interviews zu geben und sich nicht
eindeutig politisch zuordnen lassen. Ihr Label Primitive Reactions hat keine NSBM Bands unter Vertrag.558
In einschlägigen Metal-Magazinen werden sie aber trotzdem unter dem Genre NSBM gelistet559, obwohl
keine der sehr spärlichen Texte veröffentlicht worden sind und es kaum vorstellbar ist, dass diese
verstanden werden könnten. Als Belege für die nationalsozialistische Ausrichtung gelten die offizielle
Website (es handelt sich dabei nur um eine MySpace-Seite) und das Merchandise. So findet sich auf der
Myspace-Seite die Zeile „every subhuman buying hate forest releases buys a weapon against himself.“560
Als Merchandise wird unter anderem ein Pulli mit dem Bild Roman Shukewytschs verkauft, der als Offizier
an der Seite von Wehrmacht und SD in der Operation Nachtigall in der Westukraine gekämpft hatte und für
(mindestens) ein Pogrom an der jüdischen und polnischen Zivilbevölkerung in Galizien verantwortlich ist.
556
Britischer Sänger, *1957, †1993; Kopf der neonazistischen Band Skrewdriver, Gründer von Blood and Honour.
Die Quellen nennen kein eindeutiges Jahr.
558
Taghut stehen allerdings auf Grund ihrer islamophoben Texte unter Verdacht.
559
Vgl. www.chroniclesofchaos.com/reviews/albums/2-3277_hate_forest_purity.aspx, 2011.
560
www.myspace.com/hateforestukraine, 2011.
557
98
Daneben gibt es Hinweise auf die Zugehörigkeit zur rechtsextremen Szene, wie beispielsweise, dass Hate
Forest häufig mit Kolovrat aufgetreten ist.
Weißrussland
Molot/Molat
Die einzige weißrussische Band, die hier beschrieben werden soll, ist die 2004 in Orsha gegründete Band
Molot (Молот). Der Name und das Logo haben zwar einen direkten Bezug zur UdSSR, die Band selbst steht
allerdings ideologisch auf der gegenüberliegenden Seite. Alleine, wenn man sich die Sampler, auf denen die
Band vertreten ist, ansieht, weiß man, welcher Gedanken Kinder hier am Werk sind: So findet man ihren Song
„White Power“ auf dem Sampler „10 Years in Valhalla – Ian Stuart Donaldson Memorial“, der auch auf
Blood & Honour Russia vertreten ist. Andere Sampler, an denen sie beteiligt sind, wären der „Lost Freedom
Burzum-Tribute-Sampler“, „Tribute to Legion 88“ oder „Shave ´em all“. Songtitel wie Aryan Knight, Racial War,
White Rock, White Power, Kolovrat, und ähnliche lassen auch keinen Zweifel zu. Molot, die mit Thrash Metal
beginnen und im Laufe der Zeit zu einer Mischung aus Black-Metal und Rechtsrock wechseln, kehren damit
zu ihren musikalischen Wurzeln zurück, als sie noch Arachia (diese tauchen in einschlägigen Internetforen
immer wieder unter der Bezeichnung Apaxia auf, wobei hier einfach kyrillische Buchstaben als lateinische
gelesen wurden) hießen. Unter dem alten Namen war bereits nationalsozialistisches Gedankengut in den
Texten vertreten, wurde aber bei weitem versteckter formuliert, als dies Molot tut. Ihr Vertrieb läuft über den
ukrainischen, rechtsradikalen Versand Evil Barber Records, der mittlerweile in Deutschland indiziert ist.
Abschließende Bemerkungen
Auffallend bei der Recherche war, dass beinahe alle russischen Band-Websites gesperrt waren, obwohl es
im russischen Recht kein Verbotsgesetz wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung gibt.561 Des
Weiteren war es verwunderlich, dass eigentlich alle russischen Bands aus dem direkten Umfeld Moskaus
kommen. Für die Ukraine ist es erstaunlich, dass die Bands aus dem Osten (Charkiv und Kiew) kommen,
wohingegen faschistische Parteien im Regelfall ihrer Wählerschaft im Westen des Landes haben. Von den
ukrainischen Bands waren auch keine Websites gesperrt.
2.6.3
WIDERSTAND GEGEN NSBM
Bereits 1997 haben Jugendliche, die sich mit dem Satanismus im Rahmen des Projekts „Jugend und Musik“
des BORG Hasnerplatz (Graz) beschäftigt haben, diese harte Musikszene kritisiert: „So fordern Bands wie
Burzum, Bathory und Immortal richtiggehend zu satanistischen Taten in ihren Texten auf. Die oben
561
Da sich mein aktueller Server in der Ukraine befindet, ist es auszuschließen, dass dieser aufgrund europäischer
Gesetze gesperrt wäre.
99
genannten Gruppen erreichen eine kaum für möglich gehaltene Dimension. So nach dem Motto: „Die alten
Bands haben nur darüber gesungen, wir tun es“ testen Extrem-Gruppen wie Darkthrone, Mayhem, Emperor
oder Immortal ihre wirre Zerstörungslyrik an lebenden Objekten."562
90% der Metalheads stehen dem NSBM ablehnend gegenüber. Gegen die rechtsextreme Unterwanderung
des Heavy Metal regt sich seit Jahren Widerstand: So tragen viele Metalfans antifaschistische Aufnäher auf
ihrer Kleidung, viele sind bei der Antifa, den Autonomen oder den Grünen aktiv. Manche Deutsche haben
sich auch für eine Karriere in der CDU entschieden. In der Regel sind rechtsextreme Personen – so in der
westdeutschen Metal-Community – ein Feindbild. Die meisten Metalbands wenden sich unmissverständlich
gegen Unterdrückung, Rassismus, Gewalt und Intoleranz. Kreator oder Rumble Militia leiten ihre Konzerte
mit Stellungnahmen gegen den Faschismus ein.
Im Rahmen des Wacken-OpenAir, eines großen, jährlich stattfindenden Metal-Festivals in Norddeutschland,
kam es zu einer Antifa-Kampagne. Es gibt eine Initiative Metalheads gegen Faschismus, unterstützt unter
anderem. von „Metalheads against brown insanity“ (siehe oben) und „Pagans against fascism“563. Folgendes
Grundsatzstatement wurde 2001 abgegeben: „In letzter Zeit machen sich in der Metal-Szene (vor allem beim
BM) schändliche Missstände breit. Die Rede ist von der „Politisierung“ dieses Musikstils. Rechtsextremes,
faschistisches Gedankengut wird angepriesen und findet zunehmend Anklang, vor allem bei unerfahrenen
„Neueinsteigern“. Dabei sei einmal in aller Deutlichkeit ausgesprochen, dass Metal NIE wirklich politisch
orientiert war (oder zumindest nie in solch einer extremen Form). Diese Musik symbolisierte immer Rebellion
gegen bestehende Systeme, gegen die Gesellschaft an sich und die Unterdrückung durch staatliche
Organisationen, die der Massenkontrolle dienen (als da wären z. B. die Kirchen). Faschismus widerspricht
dieser Ideologie vollkommen, er fördert das Wohl einzelner Machthaber und die vollkommene Kontrolle des
Individuums. Faschismus zerstört, beschmutzt altehrwürdige Dogmen, er missbraucht sie für sich. Aus ihm
heraus und nur aus ihm waren eben diese Volksunterdrückungsmaschinerien, die wir eigentlich von jeher
bekämpft haben. Christentum ist nur ein Beispiel. Faschismus ist schändlich und beleidigend für all
diejenigen, die dem Metal wirklich treu geblieben sind.“564
„Leider werden bezüglich dieses Themas immer noch zu oft die Augen geschlossen. Nur wenige sind bisher
wirklich bestrebt, auf diese Missstände aufmerksam zu machen. Viele Fans argumentieren mit der
Differenzierung zwischen Ideologie und Sound. NSBM aber basiert gerade auf der Grundlage, seine
vermeintlich „rassenstolze“ Ideologie durch die Musik zu vermitteln, diese beiden Elemente lassen sich nicht
trennen (Wer hört schon Musik, ohne sich für die Songtexte zu interessieren?) Diejenigen, die auf dieses
562
Projektbericht Jugend und Musik des BORG Hasnerplatz, S. 13
Die Website http://mars.spaceports.com/~wolfshof/paf.htm scheint nicht mehr existent zu sein.
564
Ebda.
563
100
Argument zurückgreifen sind schlichtweg ignorant, denn wer die entsprechende Musik hört, der unterstützt
damit auch die Bands und ihre Ziele.“565
Eines muss zur Kenntnis genommen werden: Es gibt ein weltweites, gut zusammenarbeitendes
Netzwerk, das folgende Trends und deren Organisationen vereint:
•
•
•
•
Rechtsextremer/neonationalsozialistischer Black Metal (NSBM)
Rechtsextremes/neonationalsozialistisches Neuheidentum
Rechtsextreme/neonationalsozialistische Okkult- und Satanistenorden
Rechtsextreme/neonationalsozialistische politische Organisationen
Alle rechtsextremen/neonationalsozialistischen Mörder – von Manson über Vikernes bis zu Möbus – haben
in diesem Zusammenhang ein weltweites Unterstützungsnetzwerk.
Innerhalb der Szene wird vielerorts Widerstand demonstriert. Auf den Kutten vieler Metalfans sind Aufnäher
mit durchgestrichenem Hakenkreuz bzw. dem NSBM Schriftzug zu sehen. René Molnar vom
Jugendkulturzentrum Explosiv wurde in einem Interview gefragt, wie die Metalfans in der Einrichtung auf
rechtsextreme Vereinnahmungsversuche oder Meldungen reagieren würden. Seiner Erfahrung nach
reagieren die Leute nur vereinzelt aggressiv. Zumeist würde das Gespräch gesucht.566 „Aber der allgemeine
Widerstand gegen rechts ist deutlich spürbar, wie gesagt ist das ein internationaler Trend, den man auch im
Internet verfolgen kann. Die Abfuhr für rechte Bands ist heute weit verbreitet!“567
Festivals sprechen sich öffentlich dezidiert gegen nationalsozialistisches Gedankengut im Metal aus.
Musiker, Veranstalter, Label und Fans schließen sich in
Vereinigungen wie Metalheads against racism zusammen.
Abb. 282: PartySan (Festival) Against
NSBM
565
Ebda.
Vgl. Roman Schweidlenka: Interview mit René Molnar, Geschäftsführer des Jugendkulturzentrums Explosiv, Graz,
15.05.2011.
567
Ebda.
566
101
Abb.36: + 297: Banner von Metalheads against racism
Abb. 305
Auch Gruppierungen, die dem Genre nahestehen, setzen Aktionen und bilden Gemeinschaften gegen
nationalsozialistische bzw. faschistische Unterwanderung.
Abb. 318 + 329
Es werden aber auch immer wieder Stimmen laut, die solche Initiativen, vor allem, wenn sie de facto nur am
„Papier“
(bzw.
als
Banner/Logo
im
Internet)
bestehen,
anzweifeln.
Mangelnde
inhaltliche
Auseinandersetzung wird befürchtet und sogar die Distanzierung von NSBM aus taktischen Gründen.568
Es gilt – was eigentlich immer gelten sollte – auch in diesem Fall: Nicht allem nachlaufen, was oberflächlich
„gut“ wirkt, sondern kritisch mit den Hintergründen auseinandersetzen! „Das Gegenteil von Gut ist nicht
Böse, sondern gut gemeint!“ lautet ein vielzitierter Spruch von Kurt Tucholsky, der hier durchaus passend
erscheint.
Auch auf Wikipedia findet man eine Liste einiger – von Schreibern von Wikipedia(!) – als rechtsextrem
eingestufter Metal Bands569.
1
568
569
Vgl. http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/unklare-distanzierungen-black-metal
http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Rechtsextreme_Metal-Band, 2011.
102
RECHTE UNTERWANDERUNG
Katharina Ganster
Zwischen Musikgeschmack, Politik und Religion ist deutlich zu unterscheiden. Jemand, der eine Band mag,
die als rechts gilt, ist nicht automatisch selbst rechts, ebenso wenig wie jemand, der sich als Satanist oder
Asatru (Anhänger der nordischen Mythologie) bezeichnet. Zwar ist es schon ein persönliches Statement,
wenn man das T-Shirt einer rechten Band bei einem Konzert trägt (z. B. Burzum, Graveland), ich finde jedoch
die vorherrschende Praxis, solche Leute kategorisch aus Konzerten auszuschließen, nicht in Ordnung. Ich
kenne selbst viele Metalfans, die solche T-Shirts aus Protest, Provokation oder aufgrund ihrer Vorliebe für
die Musik (ohne politische Hintergedanken) tragen, oder einfach, weil ihnen die Motive auf den Shirts
gefallen. Wenn bekannt wird, dass Menschen mit solchen Shirts nicht in ein Konzert gelassen werden,
können wirklich Rechtsradikale einfach ein anderes anziehen und ihre Ideologie trotzdem verbreiten.
Ich persönlich bin ohnehin gegen jegliche Form der Ausgrenzung und der Verbote von Ideologien, weil
sich meiner Meinung nach dadurch die Selbstverantwortung der Menschen zurückbildet und dem
Schubladendenken Tür und Tor geöffnet wird. Passend scheint mir hier ein Zitat von Rüdiger Sünner aus
dem Buch „Schwarze Sonne“:
Gegen [den] Einfluß [radikaler Ideologen], wie auch gegenüber anderen „Gurus“ der neuheidnischen und
rechten Esoterik könnte u.a. mehr Aufklärung über die nach wie vor stiefmütterlich behandelte mystischsuggestive Seite des Nationalsozialismus helfen. Man muß etwas wissen über Germanen,
Hakenkreuzsymbolik, Runen, Kultstätten und Mythen, wenn man diese neuen „Propheten“ mit mehr als nur
moralischer Empörung gegenübertreten will. Der Schulunterricht klammert diese Themen aus, und man
hat den Eindruck, daß sich Pädagogen oder Erzieher auch nicht näher damit befassen wollen. In ihrem
Hang, all dies eher zu verdrängen oder mit „politisch korrekter“ Ächtung zu überziehen, befördern sie sogar
noch die Abwanderung der entsprechenden Themen in unkontrollierbare Dunkelzonen, wo sie von
charismatischen Ideologen und Künstlern mit neuer Faszinationskraft aufgeladen werden. Denn vor allem
viele Jugendliche sind in ihrer Suche nach glühenden Bildern und Idealen besonders empfänglich für alles
Ausgegrenzte und suchen sich mit untrüglichem Instinkt gerade das heraus, was die Gesellschaft
verurteilt.570
Persönliche Erfahrungen mit rechtsradikaler „Unterwanderung“
Ein Trend zu „rechts“ ist deutlich zu beobachten, aber nicht nur in der Musikkultur, sondern in der
Jugendkultur allgemein. Einige Bands haben den Ruf, rechtsextrem zu sein oder sind es tatsächlich, das hat
jedoch wenig Auswirkungen auf deren Fans. Meiner Wahrnehmung nach ist ein Metal-Fan entweder
570
Sünner, 1999, S. 200f.
103
unpolitisch und wendet sich von einer rechten Band ab, wenn er davon erfährt, oder er bezeichnet sich als
rechts und hört deswegen nur spezielle Bands, die als rechts gelten. Dass die Musik bzw. die Texte einer
Band jemandes politische Einstellung nach rechts verändert hätte kann ich mir persönlich nicht vorstellen,
zumal sich meines Wissens viele Fans die Texte nicht anhören, nicht verstehen oder nicht ernst nehmen.
Einige Jugendliche mit rechtsradikalem Gedankengut haben dies aus Provokationsgründen, andere aus
persönlichen Erfahrungen oder dem Umfeld heraus, andere finden es phasenweise einfach nur „cool“.
Wirklich rechtsradikale Metalfans gibt es vermutlich wenige, und sie werden vom Großteil der „Szene“ nicht
ernst genommen bzw. gemieden, und es scheint auch keine „Missionierung“ oder „Rekrutierung“
stattzufinden.
104
105
106
107
108
3. DIE SCHWARZE ROMANTIK: GOTHIC
Simone Phillip/Roman Schweidlenka
Die Goths gelten durchaus als liberale und offene Jugendsubkultur, da die Bewegung eine erstaunliche
Vielfalt aufweist. Von den Medien (rechten wie linken) wurde diese Szene bis heute kaum richtig dargestellt
und erfasst.
Eine erste Schwierigkeit stellt bereits die Wahl der richtigen Bezeichnung für die Bewegung dar. Mitbedingt
durch viele Berichte in der Massenpresse, die alles andere als up to date sind und weiterhin mit den alten
Begriffen hantieren, ist die Bezeichnung „Grufties“ heute zu einem Schimpfwort geworden. Ursprünglich
spielte sie auf die Vorliebe der Bewegung an, sich des Öfteren auf Friedhöfen aufzuhalten und bezeichnete
somit „die Leute aus der Gruft“.
Die Anhänger der Bewegung nennen sich selbst allerdings selten so, häufiger bezeichnen sie sich als Goths
oder New Romantics. Der Begriff Gothic leitet sich von den sogenannten Gothic-Novels des 18. und 19.
Jahrhunderts. ab, einer Art intellektueller Horrorromane, etwa von E.A. Poe, H.P. Lovecraft oder M. Shelly
verfasst. Die in diesen Romanen dargestellte Atmosphäre, etwa auch die Beschäftigung mit den darin
vorkommenden dämonischen Wesen (z. B. Vampire), spielt für die Bewegung eine große Rolle. Manche
Journalisten wollen die Goths darüber hinaus mit dem gotischen Zeitalter in Zusammenhang bringen und
mit der Vorliebe dieser Jugendbewegung für die gotische Schrift und den entsprechenden Stil. In
Deutschland hat sich auch die Schreibweise "Gotik" (ohne "h"!) eingebürgert. Die Bezeichnung New
Romantics geht auf das Zeitalter der Romantik zurück, das mit seinen Idealen sehr wichtig für die Bewegung
ist. Exakte Differenzierungen der einzelnen Stile innerhalb der Szene gibt es nicht, die Grenzen und
Zuordnungen sind fließend und verschwimmen oft. Daher spricht man heute eher von der „schwarzen
Szene“. Im folgenden Text wird von den Autoren allerdings die Bezeichnung Goths als Beschreibung der
Bewegung gewählt.
3.1 GESCHICHTE DER GOTHIC-BEWEGUNG
Ende der siebziger und zu Beginn der achtziger Jahre bildete sich die Musik des New Wave als ein Ableger
der Punk Bewegung heraus, an die sich die spätere Bezeichnung „Dark Wave“ anlehnt. Heute wird die
Musikrichtung des New Wave eher als „Independent“ bezeichnet.
Zunehmend wurden unter diese neue Art der Punk-Musik eher Bands mit melancholischen und düsteren
Texten subsummiert, bis in der Mitte der achtziger Jahre in England erstmals der Begriff „gothic“ benutzt
wurde. Durch den Kontakt mit dem Hard Rock der damaligen Zeit wurde der Gothic Rock ins Leben gerufen.
109
In den neunziger Jahren entstand dann die Bezeichnung „Dark Wave“ als Oberbegriff für die neue
Musikrichtung, unter der wiederum viele Untergruppen zu verstehen waren.
Die neue Richtung des Gothic war in England entstanden und kam zu Beginn der achtziger Jahre auch nach
Kontinentaleuropa. Schon damals gab es die verschiedensten Bezeichnungen für die Fans dieser Musik, sie
selbst nannten sich in dieser Zeit noch Waver. Für viele war die Bewegung damals noch eher eine düstere
Form des Punks als eine eigenständige Szene.
Siouxsie and the Banshees571 können als erste New Wave Band bezeichnet werden, kurz darauf folgten The
Cure572. The Cure brachten das später von vielen Goths imitierte Kleidungsideal, schwarz oder weiß, dazu
das weißgeschminkte Gesicht und die auftoupierten Haare auf.
Bald folgten Joy Division573 und Bauhaus574. Bereits 1970 wurde die elektronische Form der neuen
Bewegung durch die Band Kraftwerk575 vorbereitet, die vor allem durch Depeche Mode576 zur Perfektion
gebracht wurde und die mit ihrem Elektropop eine steile Karriere darboten.
Parallel dazu entstand die Avantgarde Musik, die ihre Wurzeln im Dadaismus der 20er Jahre sah. Die
bekannteste Strömung hieraus ist der Industrial, in dem eine Mischung aus Industrielärm,
Alltagsgeräuschen und ähnlichem mit Hilfe der Elektronik entfremdet und in Musikform gebracht wurde.
Hierbei faszinierte vor allem der Umgang mit dem Morbiden und Destruktiven. Die Gruppe Throbbing
Gristle577 prägte mit dem von ihnen gegründeten Label Industrial Records (IR)578 auch den Namen des neuen
Stils. Es sollte sich hierbei um die Musik der Industriegesellschaft handeln.
Der Gothic Rock der achtziger Jahre wurde vor allem durch die Band Sisters of Mercy579 begründet. In den
USA waren zur selben Zeit Christian Death580 besonders prägend. Ende der achtziger Jahre wurden ihre
Alben derart politisch provokativ (Verwendung von Nazisymbolen), dass einige in Deutschland nicht mit dem
Originalcover erscheinen durften.
571
Gegründet 1976, London, England, www.siouxsieandthebanshees.co.uk, 2011.
Gegründet 1976 (urspr. als „Easy Cure“), Crawley, England, www.thecure.com, 2011.
573
Gegründet 1977, (urspr. als „Warsaw“), Manchester, England, keine Website bekannt.
574
Gegründet 1978, England, www.bauhausmusik.com, 2011.
575
Gegründet 1970, Düsseldorf, Deutschland, www.kraftwerk.com, 2011.
576
Gegründet 1980, Basildon, England, www.depechmode.com, 2011.
577
Gegründet 1976, England, www.throbbing-gristle.com, 2011.
578
Gegründet 1975, London, England, siehe ebenfalls www.throbbing-gristle.com, 2011.
579
Gegründet 1980, Leeds, England, www.the-sisters-of-mercy.com, 2011.
580
Gegründet 1979, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.christiandeath.com, 2011.
572
110
Eine weitere Untergattung des Wave, die vor allem Europa weiterhin prägte, war die Richtung der Heavenly
Voices, eine maßgeblich durch die Band Dead Can Dance581 begründete Untergattung.
Ebenfalls zur selben Zeit entstand eine andere Untergruppe der Bewegung: der Neofolk, begründet durch
die Gruppen Current 93582 und Death In June583. Beide Gruppen sind aufgrund ihrer rechtsextremen
Gesinnung mehrfach in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Hier vermischt sich folkloristische
Musik mit dem Sound des Industrial. Große Bedeutung kommt dabei dem Gesang zu, auch eine gewisse
Reinheit der Musik und des Gesangs wird wieder propagiert. Um Ian Read bildete sich die Band Sol
Invictus584 und um Patrik Leagas585 das Musikprojekt Sixth Comm586 (manchmal auch „Six Comm“ oder „6
Comm“). Diese Formationen gelten als Kern des Neofolk, in Deutschland kommen unter dem Begriff Neuer
deutscher Folk (NDF) noch weitere Gruppen wie Forseti587 oder Orplid588 dazu.
Weiterhin spielen in diesem Umfeld die Gruppen Nature and Organisation, Fire & Ice, Ostara, Cernunnos,
Woods, The Soil Bleeds Black, Sieben, Hagalaz´ Runedance und Von Thronstahl eine Rolle. Der Neofolk ist
die am massivsten rechtsextrem bzw. neonazistisch geprägte Untergruppe des Gothic bzw. der schwarzen
Szene.
1982 gründeten sich Front 242589 mit rein elektronisch geprägten Klängen und schufen den Begriff des EBM
(Electronic Body Music), eine fast ausschließlich von Männern dominierte Richtung.
Die neunziger Jahre der neuen Musikrichtung waren geprägt vom Crossover. Etliche Anleihen wurden aus
anderen Gattungen entnommen. Ein wichtiger Vertreter war hier The Prodigy590. Erstmals bewegten sich
auch Heavy Metal und Wave aufeinander zu und die alte Feindschaft bröckelte ein wenig ab. Von Bedeutung
war hier Project Pitchfork Media591, die allerdings stark zu Kommerzialisierung der Szene beitrugen. In dieser
Zeit tauchten unzählige „FreizeitGoths“ auf, gegen die sich der Kern der Szene hartnäckig, aber wenig
erfolgreich, zur Wehr setzte.
581
Gegründet 1981, Melbourne, Australien, www.deadcandance.com, 2011.
Gegründet 1982, England, www.brainwashed.com/c93, 2011.
583
Gegründet 1981, Großbritannien, www.deathinjune.net, 2011.
584
Gegründet 1987, England, www.blackeaster.de, 2011.
585
Ehem. Schlagzeuger von „Death In June“.
586
Gegründet 1985, Großbritannien, www.hagshadow.net/6comm, 2011.
587
Erste Veröffentlichung 1999, www.myspace.com/windzeit, 2011.
588
Gegründet 1996, Halle an der Saale, Deutschland, www.orplid.de, 2011.
589
Gegründet 1981, Brüssel, Belgien, www.front424.com, 2011.
590
Gegründet 1990, England, www.theprodigy.com, 2011.
591
Täglich aktualisierte Website mit News aus der Musikwelt, gegründet 1996 (urspr. als „Turntable“), Minneapolis,
Minnesota, USA, www.pitchfork.com, 2011.
582
111
Durch den Kontakt der Metal- mit der Gothic-Szene wurde erstere mit einer neuen Innerlichkeit erfasst.
Melancholie und Besinnlichkeit waren plötzlich die Themen. Die Lautstärke und das Tempo wurden
gedrosselt und der Gothic Metal592 entstand. Eine Art Weltuntergangsstimmung war Anfang der neunziger
Jahre verbreitet, bedingt durch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, Lehrstellenmangel und steigende
Leistungsanforderungen, das weitere Auseinanderdriften zwischen Armen und Reichen, ungelöste
Umweltprobleme und Kriegsgreuel (Golfkrieg, Bosnienkrieg). Die goldenen Zeiten waren spätestens jetzt
vorbei. Die Jugend war die Erbin einer kaputten Welt. Wer keinen guten Job oder reiche Eltern hatte, besaß
keinen Zugang zur „Fun- und Eventkultur“. Die schwarze, depressive Romantik spiegelte die
gesellschaftliche Situation wieder. Die Gruppen des Gothic Metal: Paradise Lost593, My Dying Bride594,
Solitude Aeternus595, Tiamat596, Depressive Age597.
Auch Wolfsheim598 profitierte von der neuen medialen Aufmerksamkeit der Szene. Mit einigen ihrer Texte,
unter anderem „Die Flut“ (1998), gerieten sie aber immer wieder in die Kritik, da sie die faschistische Ästhetik
bevorzugten.
Die Industrial Musik spielt allein schon in ihren Texten mit diversen Tabubrüchen der Gesellschaft und greift
Themen auf, die sonst eher verschwiegen werden, so etwa Faschismus, Gewalt, Pädophilie etc. Bei einigen
Bands wurde diese Grenze dann jedoch überschritten und zeigte deren wirkliche Gesinnung. So geschehen
etwa bei der Gruppe Genocide Organ599, als bei einem Konzert im Jahre 2000 der von ihnen häufiger benutze
Ruf „White Power“ von Teilen des Publikums mit dem Hitlergruß beantwortet wurde und sie dies
unkommentiert stehen ließen.
In den neunziger Jahren blüht aber auch der klassische Dark Wave, mit Gruppen wie Lacrimosa600,
Illuminate601, Deine Lakaien602, Qntal603, In Extremo604, Das Ich605 oder Goethes Erben606. Letztere wurden
592
Siehe dazu auch Kapitel 2.2, Abschnitt „Gothic Metal“ (Seite 35f).
Gegründet 1988, Halifax, England, www.paradiselost.co.uk, 2011.
594
Gegründet 1990, Halifax, England, www.mydyingbride.org, 2011.
595
Gegründet 1987 (urspr. als „Solitude“), Texas, USA, auch Doom Metal, www.eternalsolitude.com, 2011.
596
Gegründet 1988, Schweden, anfangs Black/Death Metal, gelten später als Begründer des Gothic Metal,
www.churchoftiamat.com, 2011.
597
Gegründet 1990, Berlin, Deutschland, anfangs Thrash Metal mit Doom und Progressive-Einflüssen,
www.myspace.com/depressiveagetribute, 2011.
598
Gegründet 1987, Hamburg, Deutschland, www.wolfsheim.de, 2011.
599
Gegründet 1985, Mannheim, Deutschland, www.myspace.com/genocideorgan, 2011.
600
Gegründet 1990, Schweiz, www.lacrimosa.ch, 2011.
601
Gegründet 1993, Karlsruhe, Deutschland, www.illuminate.de, 2011.
602
Gegründet 1985, Deutschland, www.deine-lakaien.com, 2011.
603
Gegründet 1991, Deutschland, www.qntal.de, 2011.
604
Gegründet 1995, Siegen, Deutschland, ww.inextremo.de, 2011.
605
Gegründet 1989, Deutschland, www.dasich.de, 2011.
606
Gegründet 1989, Deutschland, www.goetheserben.de, 2011.
593
112
nach ihrem Aufruf gegen rechts auf dem Dark-X-Mas-Festival 1992 von rechten Gruppierungen bedroht und
antworteten darauf mit einem Album gegen rechts namens „Die Brut“.
Für Aufsehen sorgte in diesem Umfeld ein Projekt in Bayreuth, das sich „Neue deutsche Todeskunst“607,
analog zu der „Neuen deutschen Welle“ in den achtziger Jahren, nannte. Das Projekt war mit der Plattenfirma
Danse Macabre608 verbunden und entstand 1989 im Umfeld der Band Das Ich. Unter dem Begriff
versammelten sich deutschsprachige Projekte aus dem Dark-Wave-Umfeld, die melancholische und
nihilistische Texte in poetische Form brachten. Sie wurden auch „Neue deutsche Todeskünstler“ genannt.
Zunächst lebten viele ausgeflippte Künstler in einer Kommune und teilten ihren Profit. Als die erfolgreichen
Gruppen später nicht mehr teilen wollten, löste sich das Projekt 1993 auf. Die zugehörigen Gruppen:
Relatives Menschsein609, Das Ich, Die Form610, Deine Lakaien, Printed at Bismarck's Death611, Happy
Cadavres612, Endraum613, Placebo Effect614, Still Silent615, Operating Strategies616.
Zu Beginn der neunziger Jahre fand im Zuge des Crossover auch der Sadomaso-Bereich Eingang in die
Gothic-Szene. Die Vorliebe für Lack und Leder mit den damit verbundenen Praktiken war schon durch den
Stil des EBM mit seiner entsprechenden Kleidung vorbereitet worden. Womöglich ist es die Welt des
Morbiden und Bizarren, die in dieser Szene ausgelebt wird. Bedeutend sind hier vor allem die Gruppen Die
Form und Umbra Et Imago617, die auch in ihren Bühnenshows eindeutig mit Sadomaso-Praktiken spielen.
Eine neue weitere Untergruppe der Bewegung existiert unter dem Begriff Neue deutsche Härte618, eine
Bezeichnung, die seit 1997 für viele verschiedene Band verwendet wurde. In diesen unterschiedlichen
Gruppen wurden tabuisierte Symbole benutzt, zu deutschen Texten gesungen und das „R“ hart gerollt (etwa
bei Rammstein). Es handelt sich um eine vor allem männlich dominierte Subkultur.
Obwohl die Bewegung des Gothic in England entstanden ist, fand sie ihre größte Ausprägung in Deutschland,
das mit seiner Romantik und seinen romantisierenden Jugendbewegungen ein guter historischer
Nährboden war und ist. Berlin gilt als die Welt-Hauptstadt der Gothic-Bewegung. So soll es in der BRD 20.000
607
Siehe dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Deutsche_Todeskunst, 2011.
Gegründet 1990, Wirsberg, Deutschland, www.dansemacabre.de, 2011.
609
Gegründet 1990, Kaufbeuren, Deutschland, www.relatives-menschsein.de, 2011.
610
Gegründet 1977 (ursp. Als BSAM-Live Act), Frankreich, www.dieform.net, 2011.
611
Gegründet 1983, Stuttgart, Deutschland, www.printedatbismarcksdeath.de, 2011.
612
Gegründet 1989, Magdeburg, Deutschland, keine Website auffindbar.
613
Gegründet 1989, Frankfurt am Main, Deutschland, www.endraum.net, 2011.
614
Gegründet in den späten 1980ern, keine Website auffindbar.
615
Keine Daten auffindbar.
616
Gegründet 1985, Deutschland, keine Website auffindbar.
617
Gegründet 1991, Karlsruhe, Deutschland, www.umbraetimago.de, 2011.
618
Siehe dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Deutsche_Härte, 2011.
608
113
bis 60.000 Goths geben. Bereits im sozialistischen Ostdeutschland war Gothic als jugendkulturelle
Widerstandsform gegen die kommunistische Diktatur extrem wichtig. Schon 1985-1988 war in Leipzig „die
Hölle los“.
Als Wegbereiter bzw. erste Welle der Gothic-Musik gelten unter anderem die Gruppen: 45 Grave, Alien Sex
Fiend, Bauhaus, Christian Death, Covteau Twins, Danielle Dax, Dead Can Dance, Death in June, Diamanda
Galas, Einstürzende Neubauten, Flesh For Lulu, Gene Loves Jezebel, Joy Division, Kommunity FK, Lords Of
The New Church, Lydia Lunch, March Violets, Nick Cave And The Bad Seeds, Sex Gang Children, Siouxsee
And The Banshees, Sisters of Mercy, Southern Death Cult, Specimen, Super Heroines, The Birthday Party,
The Cramps, The Cure, The Damned, Theatre of Hate, Tones On Tail, Virgin Prunes, Voodoo Church, X-Mal
Deutschland, X-Voto.
Einige weitere Gothicgruppen: Bakterielle Infektion, Bleeding Roses, Blood Axis, Corvus Corax, Das Ich, Deine
Lakaien, Dreadful Shadows, Eternal Afflict, Faith and the Muse, Forthcoming Fire, Ghosting, Gill´s Love,
Goethes Erben, Jubilee Cure Clan, L`Ame Immortelle, Lacrimosa, Love Like Blood, Mila Mar, Moonday,
Neurotic Doll, Pitchfork Media, Qntal, Sorrow, Stendal Blast, Sweet Williams, Theatre of Tragedy, Tiamat,
Umbra et Imago, Weissglut, Wolfsheim, Wumpscut, Zeus Machine.
Einige Szenezeitschriften der Gothic-Bewegung: Orkus, Sonic Seducer, Gothic, Zillo, EMP, Entry, Astan, Sigill
(rechte Szene).
3.2 DIE WELT DES GOTHIC
Nach diesem kurzen Überblick über die Geschichte und die verschiedenen Strömungen der GothicBewegung, sollen nun die Anhänger der Szene näher beleuchtet werden. Im Blickpunkt werden dabei ihr
Outfit, ihre Lebenssicht und weitere wichtige Stichpunkte der Bewegung stehen.
3.2.1 DAS OUTFIT DER GOTHS
Die Gothic-Bewegung lebt von den Menschen, die die Szene tragen. Es gibt keine herausragenden Helden
und auch keine Mega-Stars im Musikbereich. Gothic ist die Jugendsubkultur, deren Kernszene kaum von
der Kommerzialisierung zu vereinnahmen ist; zu extrem mögen ihre provokanten, oft selbstgefertigten
Outfits sein.
Die Rebellion dieser Jugendbewegung gegen die Gesellschaft war und ist vor allem eine ästhetische. Am
ehesten fällt im Straßenbild die schwarze Kleidung der Bewegung auf, die daher zu Recht den Namen
„schwarze Szene“ trägt, zu der wie beschrieben auch Heavy Metal und andere „artverwandte“ Musikszenen
114
gezählt werden können619. Auch das blasse Make-Up ist ein auffälliges Merkmal. Die schwarze Kleidung, die
noch aus der pessimistischen Weltsicht der siebziger Jahre, letztendlich aus dem Punk, stammt,
symbolisiert das Dunkle, die Nacht, den Underground und das Unbekannte; „In Darkness we trust“ könnte
wohl ein verbreitetes Motto der Szene sein620. Schwarz ist aber auch die Farbe „edler Bescheidenheit“, der
Trauer und der Resignation. Über das Outfit wird die Verbundenheit zu der Szene gestärkt, die oft über die
eigentlichen Goths hinausreicht. Schwarz wurde zu einem Lebensgefühl, zu einer Lebenseinstellung, zum
Lebensstil, der 24 Stunden am Tag andauert. Das Outfit, auch das oft stundenlange Stylen der Goths vor
einem Event am Wochenende, gehörten dazu.
Grundsätzlich können zwei unterschiedliche Arten, sich zu kleiden in der Szene unterschieden werden: Zum
einen der Romantik-Stil, bei dem lange, wallende, schwarze Gewänder aus Samt oder Seide getragen
werden, dazu kommen Spitzenhemden mit Rüschen, besonders bei Burschen. Die Haare der Mädchen sind
lang und schwarz oder sehr blond, bei Männern dominiert – zumindest in den Anfängen – die sogenannte
Nestfrisur, bei der die Haare von den Seiten weg gleichmäßig hochtoupiert werden. Die New Romantics,
eine Untergattung der Goths, tragen auch farbige Samtstoffe und legen ein ausgeprägtes Make up an den
Tag. Die Vorbilder hierzu liegen im Glam Rock der siebziger Jahre.
Daneben gibt es gleichberechtigt den Lack- und Leder-Stil, bei dem hautenges Gewand aus Lack oder Leder,
oft mit Nieten besetzt, getragen wird. Die Mädchen sind hier des Öfteren nur knapp bekleidet und auch die
Männer tragen gerne durchscheinende sexy anmutende Klamotten. Hier ist der Übergang zum Fetisch- und
Sadomaso-Bereich fließend.
Dazwischen gibt es alle möglichen Mischformen der Kleidungsstile, die nicht klar voneinander abgegrenzt
werden können. So herrscht eine große Toleranz innerhalb der Szene. Von Außenstehenden werden sie aber
aufgrund ihrer schwarzen Kleidung des Öfteren mit anderen Strömungen der Schwarzen Szene verwechselt
bzw. mit satanistischen oder faschistischen Umtrieben in Verbindung gebracht.
Die Bewegung der Goths hat wie die meisten Jugendkulturen eine Szeneninsidersprache und dazu eine
eigene Infrastruktur entwickelt. Große „schwarz-romantische“ Festivals mit eigenen „heidnischen Dörfern“
– wie das inzwischen legendäre Wave-Gotik-Treffen621, das jährlich in Leipzig stattfindet – und einschlägige
Discos und Clubs schweißen die Szene zusammen. 1992 gab es das erste Wave-Gothic-Treffen in Leipzig,
zu Pfingsten 2003 waren es 20.000 Besucher, die 100 Bands lauschten.
619
Siehe dazu Einführungskapitel „Die schwarze Szene“ (S. 11f).
vgl. Großegger/Heinzlmaier,2002, S. 150.
621
www.wave-gotik-treffen.de
620
115
Obwohl die Szene heute immer mehr in den „Overground“ gerät, fällt ihre Vereinnahmung schwer, da die
Kernszene der Goths ihre Mitläufer meist ablehnt und häufig als oberflächliche Ignoranten (Plastic-Goths)
bezeichnet, so z. B. den verkommerzialisierten, auf Outfitoberflächlichkeiten reduzierten, japanischen Visual
Rock. Und schon entsteht ein neuer Underground in der Szene, der sich gegen die kommerzielle
Ausschlachtung richtet.
Goths der ersten Stunde schotten sich heute – vergleichbar den Traditionalisten unter den Metalheads –
oft von den Veränderungen in der Szene ab und fürchten, dass der „Geist“ durch die neue, nachrückende
Gothic-Generation verloren geht. Sie wehren sich gegen die „fremden“ Einflüsse auf „Real Gothic“. Doch die
Weiterentwicklung ist nicht aufzuhalten. Crossover-Entwicklungen, vor allem in den Bereichen der
Sadomaso- und Fetischszene, können wie oben gezeigt wurde, seit einiger Zeit stattfinden.
Gothic kann als ursprünglich die wohl intellektuellste und tiefgründigste Jugendsubkultur gelten, was damit
zusammenhängen mag, dass viele Goths aus dem Bildungsbürgertum kommen. Im Gegensatz zur
ursprünglichen Heavy Metal Szene der 80er, die oft auf reißerische und minderwertige Literatur zurückgriff,
sind bei den Goths literarische und philosophische Größen wie Goethe, Hesse, Nietzsche, Sartre, Camus,
Novalis, Baudelaire, Dostojewskij, Gogol, Poe, Lovecraft, Shelley, Stoker etc. vielfach „in“. Auch die
Gespräche, die in der Szene geführt werden, sind weit vom sonstigen Mainstream und der Oberflächlichkeit
anderer Jugendbewegungen entfernt. Man diskutiert eher über den Sinn des Lebens oder über gelesene
Literatur, statt sich in Oberflächlichkeiten wie das neue Auto oder Handy zu ergießen. Auffallend an der
Szene ist ihre Friedfertigkeit und der Respekt vor dem Anderen, verbunden mit einem hohen Maß an
Toleranz. So ist die Gothic-Szene auch weitgehend unpolitisch, da die Selbstverwirklichung im Vordergrund
steht.
3.2.2 WELTBILD DER GOTHIC-SZENE
Aufgrund ihres exzentrischen Äußeren, der schwarzen
Kleidung und des langsamen, bedächtigen Ganges,
wird die Bewegung von manchen Medien und Teilen
der Bevölkerung immer wieder im Umfeld des
Satanismus gesehen. Die Goths werden als
„Knochenlutscher“,
Geisteskranke“
„Sektierer“
beschimpft
oder
und
„depressive
eignen
sich
hervorragend als Feindbilder für den spießigen,
intoleranten Kleinbürger.
Abb. 40: Persiflage auf den Kleidungsstil der Goths
116
Was sind aber nun tatsächlich das Weltbild und die Themen, mit denen sich die Goths vorrangig
beschäftigen?
Wesentlich für die Szene im Gesamten ist eine umfassende und vor allem philosophische Beschäftigung
mit dem Tod, der in unserer Kultur in der Regel tabuisiert wird. Glaubt man Szeneninsidern, dann haben viele
Goths, durch ihre Beschäftigung damit, den Tod allerdings besser verarbeitet als Otto Normalverbraucher.
Sie hegen die Überzeugung, dass wenn der Tod wie in vorkirchlichen Zeiten erst einmal entdämonisiert
wurde, auch ein lockerer Umgang in der Gesellschaft damit erreicht werden kann. Kenner der Szenen sind
überzeugt, dass die Goths keine Subkultur sind, die zum Selbstmord anstiftet, sondern die um
Todesakzeptanz bemüht ist.
Dennoch: Sehnsucht und schwarze Romantik sind Schlüsselbegriffe. Düstere Theatralik herrscht vor, der
Weltuntergang ist ein wichtiges Thema, Endzeitstimmung ist immer wieder angesagt. So wie im Mittelalter
die Pest wütete, so wütet heute AIDS, ist eine der Stellungnahmen aus der Szene. Depressive
Verstimmungen, Melancholie, Todessehnsucht bei aller Todesakzeptanz, manchmal auch Nekrophilie sind
für die Gothszene (mit)prägend. Und ein Trend zu noch mehr Morbidität, Melancholie und Nekrophilie wird
von einigen Insidern prognostiziert; eine Reaktion, die die immer frustrierenden Lebensverhältnisse im
amtierenden Neoliberalismus spiegelt.
Die schwarze Musik ist „dunkle Poesie, die von Sehnsucht, Liebe und dem Tod erzählt“622. Die Depressionen
des menschlichen Lebens, die von der Szene als normal erachtet werden, sollen nicht versteckt oder
ausgegrenzt, sondern ganz natürlich miteinbezogen und gelebt werden, da sie nur hierdurch überwunden
werden können. Durch diesen etwas ungewöhnlichen Umgang mit bestimmten Problemen der Jugendzeit
ist die Gothic-Bewegung wohl zurecht als eine Szene bezeichnet worden, in der sich vor allem Außenseiter
versammeln. Und sie fühlen sich auch wohl dort. So kommt es, dass die Szene schwer zugänglich ist,
Neueinsteiger eher gemieden werden und auch untereinander der Kontakt oft nicht so eng ist. Eher ist man
gemeinsam einsam.
Die Bewegung des Gothic führte auch zu einer Renaissance eines verklärt dargestellten Bildes des
Mittelalters innerhalb der Szene. Minne und Innerlichkeit gewannen an Wert. Oft ist dieses Mittelalterbild
unter dem Einfluss des Neofolk heiter und lebensfroh, es ist die Welt der einfachen Leute und der Spelunken.
Meister Selbfried von der Musikgruppe Corvus Corax623 meint zur Musik des Mittelalters: „Diese Lieder
vermitteln die Realität zwischen ausgelassen-diesseitigem Tanz und Übersinnlichkeit. Es ist die Nähe von
622
623
Matzke/Seeliger, 2002, S. 77 (Zitat Thomas Rainer von „L’Âme Immortelle“, einer österreichischen Band).
Gegründet 1989, DDR, www.corvuscorax.de, 2011.
117
Leben und Tod, von Anfang und Ende, die der mittelalterliche Mensch jeden Tag aufs Neue erfuhr. Jeder
neue Tag konnte auch der letzte sein, Leben war ein Geschenk, das man sich täglich hart erarbeiten musste,
dessen man sich aber auch mit ganzer Kraft freuen durfte.“624
Dazu kommt aber immer wieder – gleichsam als Gegenpol – eine dunkle Mittelaltermystik der Goths, die
zwischen Spinnweben, Leichen, Geistern, dunklen Schlössern und flackerndem Kerzenschein mit langen,
tanzenden Schatten angesiedelt ist. Hier wird das Mittelalter zu einer Zeit, in der Mythen noch lebendig und
der Tod ein präsenter und integrierter Bestandteil der Gesellschaft waren, beschworen.
Gothic bedeutet auch eine beachtliche neuheidnische Renaissance, die ebenfalls mit dem Neofolk
verbunden ist. Keltische, germanische, nordische und antike Mythen und Riten, dazu Magie und
Runenglauben greifen immer mehr in der Szene um sich. Wie im Satanismus stehen umgedrehte Kreuze,
Totenköpfe sowie Pentagramme und andere religiöse Symbole hoch im Kurs. Es kommt zu einer
Vermischung von christlichen, heidnischen und satanistischen Zeichen. Die Goths sind in der Regel keine
Satanisten, auch wenn es zu Überlappungen an den Rändern kommen kann und von etlichen Goths gewisse
satanische Regeln praktiziert und Lehren studiert werden. So können auch die Werke von Aleister Crowley
oder Anton Szandor LaVey zur Lektüre der Goths zählen. Grabschändungen etc. bleiben aber den Satanisten
vorbehalten. Bei den Goths ist die Vermischung der verschiedenen Symbole eher aus dem Wunsch und der
Suche nach einer neuen Religiosität zu verstehen. Das Neuheidentum, das sich auf (vermeintliche) Wurzeln
der eigenen vorchristlichen Kultur beruft, kommt dem Wunsch der Goths am nächsten. In diesem Umfeld
ist es auch zu verstehen, weshalb das Interesse der Bewegung an sogenannten Zwischenwesen, wie
Vampiren etc. besonders groß ist.
„Wäre Dracula in unsere Zeit hineingeboren worden – als moderner Teenager von Heute – wäre er ganz
sicher ein Teil der Gothic-Szene. Und würde er sich auch noch für Metal interessieren, stünde er
wahrscheinlich als Sänger vor einer Gothic-Metal-Band. Er würde versuchen, mit Bands wie ‚Dimmu Borgir’,
‚Cradle of Filth’, ‚Lacrimosa’ und wie sie alle heißen, gleich zu ziehen.“625
Es lassen sich durch diese Sehnsucht nach den eigenen Wurzeln aber immer wieder auch rechte Tendenzen
in der Szene finden. Das Projekt Hagalaz`Runedance626 war mit der isländischen odingläubigen Organisation
Ásatrú627 und einigen einschlägigen, magischen Gemeinschaften verbunden. So werden auch verschiedene
Größen des Faschismus wieder als Lektüre herangezogen, wie Julius Evola oder Armin Mohler. Interessante
624
Matzke/Seeliger, 2002 S. 70f.
Matzke/Seeliger, 2002 S. 83 (Zitat Christofer Johnsson von „Therion“).
626
Gegründet
1996,
Norwegen,
keine
eigene
Website
auffindbar.
http://de.wikipedia.org/wiki/Hagalaz%E2%80%99_Runedance, 2011.
627
www.asatru.is, 2011, Ásatrú ist in Island eine anerkannte Religionsgemeinschaft.
625
118
Siehe
dazu
Aspekte liest man auch im Wikipedia-Artikel zu Andrea „Nebel“ Haugen628, der Urheberin des aktuellen
Projektes „Nebelhexe“ und „Hagalaz`Runedance“, das seit 2002 abgeschlossen ist.
Das Feindbild der neuheidnisch geprägten Goths war und ist immer die katholische Kirche im Speziellen und
das Christentum im Allgemeinen. Goths sind auf der Suche nach dem Göttlichen in bewusstem Gegensatz
zur Kirche bzw. den Kirchen, die als verlogen und altmodisch empfunden und beschimpft werden. Die
Sehnsucht nach Spiritualität, so meinen es junge Insider, ist einfach nicht auszurotten. Wie auch in der
Restbevölkerung ist der Wiedergeburtsglaube weit verbreitet. Sektiererische Ansätze und organisierte
magische Orden sind – bis jetzt – in der Szene Randerscheinungen.
Im Zuge der Crossover-Entwicklung wurde auch die „Freude am Leiden“, die durch verschiedene Elemente
des Sadomaso-Bereiches und der Fetisch-Szene Eingang in die Welt des Gothic gefunden hatte,
enttabuisiert. Die Verbindung Lust und Schmerz wird allerdings nicht im pervertierten Sinne gesehen,
sondern es geht um den „Schmerz, um das wirkliche Leben zu fühlen.“629 So wird das Leiden inszeniert. In
der dunklen Seite der verdrängten Triebe des Menschen sind nach Meinung der Anhänger dieser
Ausprägung noch kräftige Instinkte und Impulse verborgen, die dem Menschen wieder „Power“ geben. Dies
verbinden sie mit dem Neuheidentum, wo diese Kräfte angeblich rituell gesteuert und ausgelebt werden
konnten. Heute seien sie durch die sexualitätsfeindliche Christianisierung und eine verkommerzialisierte,
seichte Sexualität verdrängt. Durch solche Äußerungen werden intensive Positionen gegen ein konsum- und
werbedominiertes Sexualverhalten und die damit verbundenen seelischen Prägungen und Verhaltensweisen
deutlich. Ob die einzelnen Gruppen die von ihnen propagierten Meinungen allerdings nachhaltig und vor
allem auch deutlich zum Ausdruck bringen können, in dem sie in ihren Bühnenshows sadomasochistische
Spielereien miteinbeziehen, ist fragwürdig. Dies bedeutet wohl eher eine erneute Verkommerzialisierung
dieser Art der Sexualität.
Vor allem im Bereich der Industrial-Szene ist die Spielerei mit Fetisch und Sadomaso weit verbreitet, was
womöglich in Zusammenhang mit den dort beliebten Lack- und Leder- Klamotten steht. Dieses Outfit ist
allerdings heftig umstritten, da es oft an die Nazi-Ästhetik erinnert. Die Verbindung der Gothic- mit der
Sadomaso- und Fetisch-Szene zeigt Rituale, die durchaus den Charakter einer (Ersatz-)Religion haben.
Die Kultur der Goths ist besonders offen erotisch und sexuell aufgeladen. Die Formation Mother
Destruction630 verbindet in ihren Anschauungen ihre Sicht der Sexualität mit dem Neuheidentum. Auf ihrer
628
http://de.wikipedia.org/wiki/Andrea_Haugen, 2011.
Matzke/Seeliger, 2002, S. 130 (Zitat Mozart von „Umbra et Imago“).
630
Keine genauen Daten, siehe dazu: http://en.wikipedia.org/wiki/Mother_Destruction, 2011.
629
119
2003 noch abrufbaren Website631 huldigten sie außer der heiligen Sexualität auch dem Paganismus, den
nordischen Mysterien und Thelema, dem Orden, der durch A. Crowley vorwiegend geprägt wurde. Die
Gruppe arbeitet mit Kirlian Camera632, einer umstrittenen Band (s.u.), zusammen. Ihre Sängerin Amodali
bezeichnet sich selbst als Hexe und Angehörige der weiblichen Magie und sie schwärmt: „Unsere LiveDarbietungen sollen eine wilde Zelebration sexueller Kraft, der Lebenskraft der Runen und der Schlange sein.
Für mich sind Sexualität und Kreativität voneinander abhängig und als extrem heilige Kräfte zu begreifen.“633
Gothic ist, wie andere Jugendkulturen auch, vor allem Protest, die Ablehnung der etablierten Gesellschaft
und der Politik, sowohl in ihrer neoliberalen, als auch – vor dem Fall der Mauer – in ihrer realsozialistischen
Variante. Gothic schließt damit an Bewegungen wie die der Hippies an. Gothic ist gegen Leute „in grauen
Anzügen, die für uns denken“. Die verbreitete heidnische Spiritualität und die Suche nach einem relativ
einfachen Lebensstil werden zu einer Absage an eine durchpolitisierte Welt, die in alle Lebensbereiche
eindringt. Die Verweigerung der traditionellen Politik wird für viele Goths zu einer Form höherer Politik, die
sich mit spirituellen Inhalten und Überzeugungen verbindet. Es geht gegen die Reduzierung des Menschen
auf seine gesellschaftliche verordnete Funktionalität, gegen den allgegenwärtigen Produktionszwang,
gegen eine wuchernde „Überrationalität“, die Gefühle und Lebensqualität verdrängt. Es geht Goths oft – um
mit Erich Fromm zu sprechen – gegen das Haben, für das Sein.
Junge Menschen befinden sich wieder einmal auf der Suche nach dem „Natürlichen“, nach Sinn, Identität
und einer geistigen Heimat. Wieder einmal ist eine Jugendbewegung auf der Suche nach den Wurzeln – wie
schon so viele vor ihr. Diese werden verstärkt in der eigenen Geschichte gesucht: im Mittelalter, aber auch
bei den heidnischen Gesellschaften des frühen Europa. Neben dem Respekt vor der Natur im heidnischen
Sinn ist der Respekt vor dem geistigen Erbe des heidnischen und mittelalterlichen Europas angesagt. Für
seine Fans eröffnet der mit den Goths verbundene Neofolk daher archaische Gefühlswelten. Es lebt die
Sehnsucht nach Zauber und magischen Geheimnissen. Naturreligiöse, mythische und rituelle Ansätze
richten sich gegen Materialismus und Neoliberalismus. Die entsprechenden Gruppen sehen sich oft in der
Traditionen der Schamanen, Druiden und Runenmeister. Sie wollen meist „leise“ in den gesellschaftlichen
Freiräumen und Nischen spielen, als Undergroundkultur gegen die Sinnentleerung des modernen Menschen
wirken. Durch den berechtigten Rechtsextremismusvorwurf, der vielen Neofolk-Gruppen gemacht wurde,
wird diese Nischenmentalität aber oft in das grelle Scheinwerferlicht medialer Aufmerksamkeit gezogen.
631
www.motherdestruction.com, 2003.
www.kirliancamera.de, 2011.
633
www.motherdestruction.com/archieve/archivetop.html, 2003.
632
120
3.3 VORWÜRFE GEGEN DIE GOTHIC-BEWEGUNG
Die Jugendbewegung der Goths ist vielen Anklagepunkten ausgesetzt. Aufgrund des schwarzen Outfits und
der verwendeten Symbole werden die Jugendlichen immer wieder auch mit den Anhängern z. B. der Black
Metal-Szene verwechselt. So kommt es zu vielmals ungerechten Übertragungen von einer Gruppe auf die
andere. Dazu tragen die verschiedenen Symbole, die innerhalb beider Szenen vorkommen, bei, aber auch
der besonders tolerante Umgang der Gothic-Bewegung mit anderen Strömungen. Wenige Goths beziehen
klar Stellung. Die Szene grenzt sich nur wenig gegen satanistische oder rechte Strömungen ab.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass der Vorwurf des Satanismus an die Bewegung der Goths nicht verifizierbar
ist. Sie halten sich zwar wegen der Atmosphäre gerne auf Friedhöfen auf, haben aber generell mit
Grabschändungen und dergleichen nichts zu tun. Solche Vorfälle sind aus den Reihen der Goths nur am
Rand bekannt geworden. Anders verhält es sich mit dem Vorwurf des Faschismus, dem einige, vor allem
nicht dem Kern der Szene angehörige, Goths allein durch die von ihnen verwendeten Symbole und gehörte
Musik nahestehen, ohne es zu wissen oder sich aktiv damit auseinander zu setzen. In dieser völligen Distanz
zu jeder politischen Meinung unterscheidet sich die Bewegung der Goths allerdings kaum von anderen
Jugendgruppen.
Interessante Artikel zur Gothic-Bewegung sind auf der Online Plattform der „Austrian Gothic
Community“634, „Gothic-Info“635 und dem „Portal für Jugendszeneforschung“636 zu finden.
3.3.1 DER VORWURF DES SATANISMUS
Der Vorwurf des Satanismus, der von außen an die Szene herangetragen wird, ist sehr groß. Auf einer Gothic
Website637, die sich vor allem mit dem Thema Satanismus beschäftigt, werden einige Morde, bei denen die
Täter aus dem Umfeld der Gothic-Szene zu kommen scheinen, mit dem Satanismus in Verbindung gebracht,
allen voran der Mord des sogenannten „Satanspärchen“ Manuela und Daniel Ruda, die am 6. Juli 2001 einen
33-jährigen Bekannten mit exakt 66 Messerstichen, Hammerschlägen und Machetenhieben ermordeten.
Beide gaben an, ihren Auftrag von Satan erhalten zu haben. Der Ermordete war nach der Tat derartig
entstellt, dass ihn nur eine Genanalyse identifizieren konnte. Das Ehepaar Ruda gehörte nach ihrer Kleidung
und ihrem Benehmen der Gothic-Szene an und daher warf die Tat ein extrem schlechtes Licht auf die
gesamte Bewegung. Nach der öffentlichen Diskussion äußerten sich viele Goths zu den ungerechten
634
www.gothic.at/artikel, 2011.
www.gothicinfo.de, 2011.
636
www.jugendszenen.com, 2011.
637
www.satanshimmel.de, 2011.
635
121
Vorwürfen und distanzierten sich von dem begangenen Verbrechen der Rudas. Das Ehepaar Ruda wurde zu
13 bzw. 15 Jahren Haft verurteilt und bis zum Beginn der Haft in einer geschlossenen Klinik untergebracht.
Auf derselben Seite ist auch eine Äußerung des so genannten „Satansmörders von Sondershausen“, Hendrik
Möbus, zu lesen. Auch er distanziert sich von der Tat. Er selbst möchte sich nicht als Satanist bezeichnen
und auch seine damalige Tat hatte angeblich nichts mit Satanismus zu tun. Er kenne das Ehepaar Ruda
nicht und distanziere sich daher von deren Verbrechen, da er dies lediglich als Versuch sehe, das öffentliche
Interesse auf sich zu ziehen. So sei auch die Tat von Sondershausen im Laufe des Prozesses immer mehr
zum Medienspektakel verkommen und dabei seien Vorwürfe gegen den Täter Möbus aufgekommen, die
seiner Meinung nach nicht den Tatsachen entsprechen.
Weiterhin wird auch der sogenannte Amoklauf des Florian K. besprochen, der am 2. Juli 2003 in der Schule
auf seine Lehrerin schoss und sich anschließend selbst tötete. Auch Florian soll der Gothic-Szene angehört
und dem Satanismus nahegestanden haben.
Grundsätzlich hat die Gothic-Bewegung allerdings nichts mit dem Satanismus zu tun. Lediglich ein Spielen
mit bestimmten Symbolen wird dort praktiziert, die oft auch unreflektiert verwendet werden. Weiterhin
können Werke der Begründer des Satanismus, Aleister Crowley oder Anton S. LaVey zur Lektüre der
Jugendlichen zählen, tatsächlicher Satanismus wird allerdings selten praktiziert und auch die gehörten
Musikgruppen stehen diesem Thema ablehnend gegenüber. Es gibt in der Gothic-Bewegung kaum Musiker,
die sich, im Gegensatz zum Black Metal, offen zum Satanismus bekennen und womöglich noch Mitglieder
der Church of Satan sind.
3.3.2 DER RECHTE RAND
Etwas anders verhält es sich mit den teilweise durchaus berechtigten Rechtsextremismusvorwürfen an die
Bewegung. Viele Goths spielen in ihren Symbolen und ihren Texten mit rechter Symbolik, meist allerdings
ohne sich dessen bewusst zu sein. Da die Themen Tod, Zerfall, Treue, Liebe etc. sowieso eine Rolle in der
Szene spielen, passt sich dies gut dem faschistischen Stil an.
Die Band Death in June638 wurde ursprünglich als Punkprojekt gegründet und rutschte im Lauf der Zeit
immer weiter nach rechts ab. Der Bandname ist der Verehrung des 1934 ermordeten SA-Führers Ernst Röhm
gewidmet, der in faschistischen Kreisen immer als Linker und aufgrund seiner Homosexualität im
Nationalsozialismus Verfolgter gehandelt wird. Der Frontman der Band, Douglas Pearce639, gibt sich wie
638
639
Gegründet 1981, Großbritannien, www.deathinjune.net, 2011.
*1956 in Sheerwater, England, siehe dazu: http://en.wikipedia.org/wiki/Douglas_P., 2011.
122
angeblich Ernst Röhm homosexuell und führt dies immer dann als Gegenbeispiel an, wenn der Band der
Vorwurf des Faschismus gemacht wird. Tatsächlich verbirgt sich hinter der propagierten Homosexualität
Pearces ein handfester Frauenhass, verbunden mit den hoch stilisierten Männerbündnissen des
Faschismus. Heute produziert die Band Neofolk und hat sich der musikalischen Reinheit verschrieben. Ihre
Mitglieder favorisieren die Ästhetik des Faschismus und treten daher des Öfteren auch gerne in SSUniformen auf. Auf ihrer Website640 findet sich der SS-Totenkopf und eine Peitschenfaust, beides eindeutig
faschistische Symbole. Dazu trägt eine ihrer Platten den Namen Rose Clouds of Holocaust, eine andere
Brown Book und sie haben das Horst Wessel-Lied auf einer ihrer CDs aufgenommen, das als zweite Hymne
des Nationalsozialismus gilt. Weiterhin reiste die Band auch an die Front des Kroatienkrieges und spielte
dort für die serbischen neofaschistischen HOS-Milizen.
Auch Ian Read641, der in verschiedenen Bands spielte, die alle der rechten Szene nahezustehen scheinen, ist
heftig umstritten. Nachdem er zu Beginn Kopf der Band Current 93 war, spielte er bei Death in June, dann
bei Sol Invictus und schließlich bei Fire & Ice642. Das Label, das all diese Bands verlegt, ist World Serpent
Distribution643, das die Midgardschlange Jormungand zu ihrem Logo erhoben hat. Das Label hat sich auf
Neofolk spezialisiert und verlegt daher auch rechtsextreme Bands wie Ostara (ehemals Strength through
Joy), Coil und weitere.
Der Musiker Josef Maria Klumb (alias „Jay Kay“) machte mit rechtsextremen Sprüchen von sich reden.
Klump gilt als die treibende Kraft der Bands Forthcoming Fire644, Weissglut645 und Von Thronstahl646.
Forthcoming Fire wurde 1990 von ihm gegründet, nachdem Klumb in diversen Punkbands gespielt hatte.
Danach schloss er sich der Band Weissglut an, bis er diese im Jahre 1998 wegen seiner rechten Gesinnung
verlassen musste. Heute ist Klumb der Kopf der Formation Von Thronstahl und ist bei der Herausgabe
zweier CDs zu Ehren von L. Riefenstahl und des Nazi-Bildhauers J. Thorak beteiligt gewesen. Die Band Von
Thronstahl
inszenierte
bei
ihrem
Auftritt
beim
Wave-Gotik-Treffen
2000
in
Leipzig
eine
Reichsarbeitsdienstperformance, allerdings ohne ihren Sänger Klumb, dem war zuvor der Auftritt gerichtlich
untersagt worden.
640
www.deathinjune.net, 2011.
Geburtsjahr nicht bekannt, aufgewachsen in England, siehe dazu: http://en.wikipedia.org/wiki/Ian_Read_(musician)
642
Gegründet 1991, England, www.mackaos.com.au/ACT/Fice.html, 2011.
643
Die
Website
www.worldserpent.com
ist
nicht
mehr
abrufbar.
Siehe
dazu:
http://en.wikipedia.org/wiki/World_Serpent_Distribution
644
Gegründet 1990, Bingen am Rhein, Deutschland, www.forthcomingfire.com, 2011.
645
Gegründet 1996, Bingen am Rhein, Deutschland, www.weissglut.net, 2011.
646
Gegründet 1995, Deutschland, www.vonthronstahl.de, 2011.
641
123
Neben problematischen, deutschtümelnden Texten erklärte Klumb unter anderem seine Sympathie und
Unterstützung für Jörg Haider und dessen FPÖ647. Auch für den rechtsextremen Esoteriker Jan van Helsing,
mit dem er angeblich befreundet ist, macht er Werbung in seiner Musik und singt gegen die angebliche
Weltverschwörung der Illuminaten tapfer an.
So kooperiert er auch seit 1994648 mit dem rechtsextremen und kriegsverherrlichenden Verlag und
Vertriebsdienst Verlag und Agentur Werner Symanek (VAWS)649. Symanek650 verlegt vor allem
verschwörungstheoretische Literatur. Zudem vertreibt er Fahnen mit der Schwarzen Sonne, die Himmlers
Wewelsburg zierte und heute als wichtiges esoterisch-neonazistisches Symbol und Erkennungszeichen gilt.
Auf der Eingangsseite des Verlages wird eine Warnung ausgesprochen, nach der der Besucher durch die
verwendete Sprache mit Propaganda unterwandert werden könnte und der Verlag daher keine Haftung für
eventuelle Folgeschäden übernimmt. Die angebliche Unterwanderung ist natürlich aus Sicht des Verlages
ein Vorurteil gegenüber VAWS. Dennoch werden hier Bücher über Josef Thorak und diverse
Verschwörungsliteratur angeboten, unter anderem zu einer angeblich neuen Waffenproduktion in Israel, wo
eine Genwaffe, die schlimmste Waffe aller Zeiten, entwickelt werden soll651. Der Verlag ist weiterhin mit dem
ultrarechten Kampfblatt Unabhängige Nachrichten verbunden, welches dieselbe Adresse und
Bankverbindung wie der VAWS hat. Klumb ist weiterhin mit der Szenezeitschrift Sigill/Zinnober und der NPD
verbunden.
Die Gruppe Blood Axis652, begründet 1989 durch den Autor des vielzitierten Werkes „Lords of Chaos“ Michael
Moynihan, spielt in ihrem Namen auf die Achsenmächte Deutschland – Italien an (Etliche Bemerkungen zu
M. Moynihan wurden bereits im Kapitel über den Heavy Metal gemacht). Sie bedienen sich als Symbol des
Krückenkreuzes, das auch beim Ku-Klux-Klan Verwendung findet. Moynihan ist bekennender Heide und
gehört der Asatru Alliance653 und seit 1994 dem Tribe of the wulfings, einer Unterorganisation der Asatru
Alliance an. Er propagiert den Bruch mit dem angeblich schwachen Christentum. Wichtige Personen, auf die
er sich beruft sind: Jörg Lanz von Liebenfels, Ludwig Fahrenkrog, dem der Song Electricity gewidmet ist,
oder Karl Maria Wiligut (Weisthor). Moynihan ist Inhaber des Labels und Verlages Storm (zu finden auf der
Website von Blood Axis), in dem er das Buch Siege herausgab, das von James Mason geschrieben wurde
und von Charles Manson, der den satanistischen Mord an Sharon Tate in Auftrag gab, handelt.
647
Matzke/Seeliger, 2002, passim, u.a. S. 166
Heller/Maegele, 2001, S. 165 und Lemhöfer/Eimuth, 2001, S. 24.
649
www.vaws.de, 2011.
650
* 1965, Deutschland.
651
www.vaws.de/gen-waffe.htm, 2003. Diese Unterseite war 2011 nicht mehr abrufbar und der Begriff „Gen Waffe“ auf
der gesamten Seite nicht mehr auffindbar.
652
Gegründet 1989, USA, www.welcome.to/bloodaxis, 2011.
653
www.asatru.org, 2011.
648
124
Die Band Sol Invictus wurde 1987 von einem ehemaligen Death in June Mitglied, Tony Wakeford
gegründet654. Die Metapher der „unbesiegten Sonne“ ist Julius Evolas Buch „Revolte gegen die moderne
Welt“655 entnommen worden. Weiterhin bediente sich Sol Invictus auch für ihre Lieder einiger Texte des
italienischen Faschisten. So heißt das erste Album „Against the Modern World“ und erinnert wiederum an
besagtes Buch von Evola. Die Band propagiert das neue Heidentum, unter anderem den altrömischen
Mithraskult und die Rückkehr zu den echten Wurzeln der europäischen Kulturen und Völker. Gemeinsam mit
Blood Axis, Boyd Rice und Death in June haben Sol Invictus 1989 in Osaka/Japan eine Performance unter
dem Titel „Total War“ aufgeführt.
Die Band Ostara656 trug bis 1999 den Namen Strength Through Joy. Heute trägt die Band den Namen einer
im Jahre 1905 erschienenen Zeitschrift, die von Jörg Lanz von Liebenfels657 herausgegeben wurde. Die
Organisation Kraft durch Freude658 war von der nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterschaft ins Leben
gerufen worden und sollte angeblich den Erhalt der Arbeitskraft durch eine positive Freizeitgestaltung
gewährleisten. Tatsächlich diente die Organisation der Verbreitung von NS-Propaganda. Ihre letzte Platte
Ultima Thule wird vom rechtsextremen Label Eis & Licht659 herausgegeben. Für ihren Song Ways to Strength
and Beauty zitierten sie Martin Heidegger und ihre CD-Hülle zu Salute to Light ziert ein Bild aus Leni
Riefenstahls Filmen.
Auch die Band Kirlian Camera660 merkte an, die Naziästhetik zu favorisieren, gibt sich allerdings nicht
offensichtlich faschistisch. Ihr Frontman Angelo Bergamini hat ein weiteres Projekt mit dem Namen
Stalingrad, das sich 1998 an der CD zu Ehren J. Thoraks beteiligte. Weiterhin gab die Formation eine CD in
Andenken an die Gründung des faschistischen Kroatien 1941 heraus, als Kroatien sich durch das
Einmarschieren deutscher NS-Truppen unabhängig machte. Hier gab es von kroatischer Seite aus
Konzentrationslager, in denen Serben und Juden ermordet wurden.
Der Wiener Musiker Kadmon661 ist Aktivist bei rechtsextremen Vereinigungen und gibt die in einigen Wiener
Buchhandlungen aufliegenden kleinen Zeitschriften Ahnstern und Aorta heraus. Von einer Wiener
Postfachadresse aus versendet er überdies Materialien, die einen Bezug zu rechtsextremer Esoterik haben.
Zudem veröffentlichte er auf seinen CDs Texte von Jörg Lanz von Liebensfels, einem Begründer der
654
www.blackeaster.de, 2011.
Veröffentlicht 1934.
656
www.ostara.net, 2011.
657
*1874, Wien, Österreich. Siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Jörg_Lanz_von_Liebenfels, 2011.
658
Siehe: http://en.wikipedia.org/wiki/Kraft_durch_Freude, 2011.
659
www.eislicht.de, 2011.
660
www.kirliancamera.de, 2011.
661
Bürgerl. Gerhard Petak, Mitglied der österr. Band „Allerseelen“, www.myspace.com/allerseelen, 2011.
655
125
Ariosophie und von Karl Maria Wiligut, der als „Rasputin Himmlers“ traurige Berühmtheit erlangte. Er ist ein
politischer Unterstützer des Mörders Vikernes, der wegen seiner „Wikingerethik“ im Gefängnis sitze. Als
Emblem verwendet Kadmon u.a. die „schwarze Sonne“, das okkulte Symbol der SS, die in der Wewelsburg
Himmlers angebracht war.
Das Projekt Der Blutharsch662 von Albin Julius und seiner Freundin Marthynna spielt mit Nazisymbolen wie
der Sigrune. Die Band hatte sich 1997 aus der ehemals bestehenden Formation The Moon Lay Hidden
Beneath A Cloud663 gebildet. Diese Band ist eher der Industrial-Szene zuzuordnen, da sie nach Julius die
männliche Seite der Musik darstellen soll. So ist das ewige Thema der Band der Umgang mit dem Krieg, da
hier der Mann seine Männlichkeit beweisen kann. Die Bezeichnung Blutharsch meint die Vorkämpfer einer
Truppe, die als erste eine Stadt besetzten und siegreich waren oder auch getötet wurden. Ebenso ist es aber
auch eine Bezeichnung für getrocknetes Blut. Die Band setzt sich gegen eine Europäisierung und für eine
Bestrafung der Engländer ein. Ihr Wahlspruch lautet: Viele Feinde, viel Ruhm. Viele ihrer Lieder behandeln
die Heimat und das Vaterland.
Eine weitere wichtige Figur dieser Szene ist Boyd Rice, der unter dem Pseudonym NON664 experimentelle
Musik veröffentlicht. Dieser hat enge Verbindungen mit der US-Neonaziskinheadszene und der
neonazistischen White Aryan Resistance665 in Kalifornien. So hatte er Kontakte zum rechtsextremen
Skinheadführer Robert Heick und seiner American Front666 die Angriffe auf linke und alternative Buchläden
in San Francisco durchführte.
Rice gründete 1984 die Abraxas Foundation667. Der Gott Abraxas vereint in sich nach der Mythologie die
Kräfte des Lichts und der Dunkelheit. Ziel der Foundation ist eine Synthese aus Okkultismus, Faschismus
und Sozialdarwinismus. Heute ist Rice auch Mitglied der Church of Satan. Er propagiert einen offenen
Sozialdarwinismus und verherrlicht die Gewalt. Total War ist das bekannteste Lied der Band, zu dem er
gemeinsam mit anderen rechten Musikern eine Performance in Japan aufführte (siehe oben).
Rice besuchte Charles Manson des Öfteren im Gefängnis und startete Kampagnen zu dessen
Haftentlassung. Über Manson kam er auch in Kontakt mit James Mason, der wie erwähnt ein Buch über den
662
Gegründet 1997, Wien, Österreich, www.derblutharsch.com, 2011.
Gegründet
1993,
Wien,
Österreich,
keine
Website
http://en.wikipedia.org/wiki/The_Moon_Lay_Hidden_Beneath_a_Cloud, 2011.
664
Ab 1975. Zu Rice und NON siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Boyd_Rice, 2011.
665
www.resist.com, 2011.
666
www.americanfront.org, 2011.
667
http://www.boydrice.com/interviews/fifthpath.html, 2011.
663
126
auffindbar,
siehe:
Satansmörder verfasste. Es kam zur Gründung der Mason Work Group, die den Inhaftierten unterstützte, für
die sich auch Michael Moynihan begeistern konnte.
Weitere Bands, die als rechtsextrem gelten: Swirling Swastikas668 aus Italien, die Gruppe Waldteufel669, die
ihre Seite im Internet „Heimatseite“ statt Website nennt, und weiterhin die Gruppe Orplid670, die sich zum
Heidentum und Neofolk bekennt, Camerata Mediolanense671 und Scivias672 Obgenannte Bands können auf
diversen Samplern vereint gefunden werden, z. B. Im Blutfeuer673, Cavalcare la Tigre674, Riefenstahl,
Thorak675, etc. Die Sampler wurden zu speziellen Anlässen aufgenommen. „Cavalcare la Tigre“ wurde 1998
zum 100. Geburtstag von J. Evola veröffentlicht.
Auch etliche Zeitschriften stehen mit dem rechten Rand der Gothic-Szene in Verbindung. Etwa die Junge
Freiheit676, die Deutsche Stimme677, die Zeitung der NPD oder auch das Blatt Sigill aus Dresden, das sich in
Zinnober678 umbenannt hat. Obwohl Sigill und auch jetzt das Nachfolgemagazin Zinnober sich selbst als
nonkonform und musikalisch heterogen bezeichneten, spielt das Blatt bereits in seinem Namen auf Julius
Evola und dessen Autobiographie „Der Weg des Zinnober“ an. 1993 tauchte das Magazin Sigill auf und
konnte zunächst als wirklich neutrales, eher kleines Fanzine bezeichnet werden, ab 1995 mischten sich aber
mehr und mehr rechte Töne in die Schriften. Im Jahre 2001 wird Sigill in Zinnober umbenannt, angeblich um
den neuen Kurs deutlich zu machen, der eingeschlagen werden soll, sich aber offensichtlich nicht besonders
vom bisherigen unterscheidet. Die Szene, die mit all diesen Magazinen erreicht wird, ist eher intellektuell als
offensichtlich brutal. So war ein wesentlicher Autor des Zinnober Magazins, Peter Bossdorf, lange Zeit auch
Autor bei Zillo, einem neutralen Fanzine der Szene, bis er dieses 1997 verlassen musste.
Auch etliche Label verlegen fast ausschließlich rechte Bands: so z. B. Eis & Licht, die sich auf Neofolk
spezialisiert haben. Eis & Licht werden von Stephan Pockrand betrieben, der auch das Fanzine Zinnober
herausgibt. Im Jahre 2001 wurde er mit einem Stand auf dem Wave-Gotik-Treffen vertreten, auf dem er auch
die Hefte von Zinnober feilbot.
668
Keine Detailinformation, keine Website auffindbar.
Keine Detailinformation, www.waldteufel.net und www.myspace.com/waldteufel, 2011.
670
Gegründet 1996, Halle an der Saale, Deutschland, www.orplid.de, 2011.
671
Gegründet 1994, Italien, www.cameratamediolanense.it, 2011.
672
Kein Gründungsjahr bekannt, Ungarn, scivias.hu und www.myspace.com/sciviasofficial, 2011.
673
Siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Im_Blutfeuer, 2011.
674
Siehe www.musik-sammler.de/album/154249, 2011.
675
Keine Detailinformation, keine Website auffindbar.
676
www.jungefreiheit.de,
2011.
Siehe
dazu:
http://de.wikipedia.org/wiki/Junge-Freiheit-Urteil
http://de.wikipedia.org/wiki/Junge_Freiheit, 2011.
677
www.deutsche-stimme.de, 2011.
678
www.zinnober.net, 2011.
669
und
127
Schlussendlich stehen mit dem rechten Rand die Loki-Foundation679 und die Prophecy Productions680 in
Verbindung. Prophecy Productions übernahmen die Veröffentlichungen der Band Orplid und übersetzten
das Buch Lords of Chaos von Michael Moynihan ins Deutsche.
3.4 WIDERSTAND
Rechtsextreme Gruppen sind eine Randerscheinung in der Gothszene, die durch die linksliberale
Alternativbewegung der siebziger und achtziger Jahre mitgeprägt wurde. So konnte die extreme Rechte
kaum Anhänger in der Gothic-Szene gewinnen. Dennoch gibt es viele verschiedene Berührungspunkte
zwischen Goths und den Neuen Rechten, da in beiden Gruppen der Glaube an alte heidnische Religionen
verbreitet ist.
Anlass für heftige Kritik rechter Bands auch innerhalb der Gothic-Szene selbst bildete die Tatsache, dass
auf dem Wave-Gotik-Treffen in Leipzig in den letzten Jahren immer wieder auch rechte Bands gespielt
haben, wie etwa Von Thronstahl, Death in June, Waldteufel oder Allerseelen.
Neben autonomen Antifagruppen gibt es innerhalb der Szene eine breite Ablehnung gegenüber
rechtsextremem Gedankengut, etwa die rührigen Grufties gegen rechts681, die einige Male schon so
tatkräftig ans Werk gingen, dass verschiedene Tourneen rechtsextremer Bands abgesagt werden mussten.
Diese Gruppe hat eine 82-seitige Broschüre über den rechten Rand der Szene verfasst, die über das Internet
bestellt werden konnte. Mittlerweile ist allerdings auf der Website der Gruppierung zu lesen, dass sie ihre
politischen Aktivitäten am 9. November 2003 eingestellt haben. Begonnen hatte die Arbeit 1998 und die
Gruppe kann etliche Erfolge vorweisen. Sie wurde aber auch mehrfach von verschiedenen Seiten kritisiert
und angeklagt, mehrere der von ihnen dargestellten Bands fühlten sich beleidigt und zu Unrecht angegriffen.
Weiterhin existierte Darklife Austria682, eine Website der österreichischen Goths. Ein Link weist zum Wiener
Revolutionsbräuhof683 und der angeschlossenen Anarchistischen Buchhandlung – bekannte linksextreme
Vereinigungen. Im englischsprachigen Ausland bildeten sich die Goths against Hate684, um gegen die
Unterwanderungsversuche des rechten Randes vorzugehen.
Auch einige der Gothic-Bands bezogen im Lauf der Zeit eindeutig Stellung gegen rechts. So verfasste die
Formation Das Ich für das Dark-X-Mas Festival 1992 in Hamburg eine Resolution gegen Faschismus und
Neonazismus, die die ebenfalls auftretende Band Death in June damals als einzige angeblich aus
679
www.loki-found.de, 2011.
www.prophecyproductions.de, 2011.
681
www.gruftiesgegenrechts.de, 2011.
682
Bei der Überarbeitung 2011 war die Website allerdings nicht mehr auffindbar.
683
Eine der ältesten anarchistischen Gruppen in Österreich, keine Website auffindbar.
684
Keine Website auffindbar.
680
128
Provokation nicht unterschrieb. Die Band Goethes Erben verweigerte die Aufnahme ihrer CDs in den Katalog
des rechtsextremen VAWS (Verlag und Agentur Werner Symanek). Frankfurter Szenediskos verweigern in
zunehmendem Maß das Spielen rechtsextremer Gothic-Gruppen.
3.5 ZUSAMMENFASSUNG
Trotz dieser verschiedenen Aktivitäten scheinen viele Goths am rechten Auge blind zu sein. Da mag die
Aversion gegen eine lustlose, moralinsaure Political Correctness eine Rolle spielen. In dem Buch Gothic! von
Matzke/Seelinger dürfen rechte Goths publizieren, ohne dass die von ihnen Angegriffenen zu Wort kommen.
Selbst Michael Moynihan, bekannter internationaler rechtsextremer Agitator in den jugendlichsubkulturellen Musikszenen, wird häufig in Schutz genommen, so wie in der Metal-Szene sein Buch ohne
Kritik zitiert wird.
„Wenn auch von einer durchgängig rechten Unterwanderung der Szene keine Rede ist, so ist man sich in der
Gothic-Szene doch bewusst, dass [...] der rechte Rand wächst. Beängstigend ist, dass bei Konzerten diverser
Bands Teile des Publikums das Gehabe weder als Ironisierung noch als Provokation begreifen, sondern cool
oder mystisch finden. Oftmals fehlt die ernsthafte Auseinandersetzung mit heidnischen Riten, Symbolen
und dem Germanenkult überhaupt. Doch mittlerweile distanzieren sich auf jedem größeren Festival DJs,
Bands und Einzelkünstler von rechten Infiltrationsversuchen. Gerade Jüngere werden darauf hingewiesen,
dass die Szene ursprünglich linke Gesellschaftskritik beinhaltete.“685
Eine politische Verwirrung wird in der Gothic-Szene deutlich, die auch weitere Teile unserer
Gesamtgesellschaft erfasst hat. Diese Verwirrung ist erklärbar durch die geschickte ideologische Strategie
der Neuen Rechten, neofaschistische Inhalte als apolitisch oder konservativ zu präsentieren.
3.6 EXKURS: LAIBACH
Katharina Ganster
Die slowenische Gruppe Laibach686 um den Sänger Milan Fras wurde 1980 von dem mittlerweile
verstorbenen Sänger Tomaž Hostnik (Suizid 1982) gegründet und repräsentiert den musikalischen Teil der
Richtung Neue Slowenische Kunst, die sie selbst 1984 mitbegründet haben. Ihre Musik ist schwer zu
beschreiben, ein Mix aus klassischer Musik, Industrialeinflüssen und elektronischer Umsetzung; Wikipedia
nennt sie „Avantgarde“.
685
686
Rüttimann, 2001
www.laibach.nsk.si, 2011.
129
Seit ihrer Gründung und Namensgebung schaffen sie bewusst Provokationen gegen ihre Regierung und
weltweit gegen Organisationen bzw. Staaten (NATO, USA...). So ist der Bandname die deutsche Version der
Hauptstadt Ljubljana, im Tito-Jugoslawien eine unerwünschte Form. Schon in den ersten Jahren ihres
Bestehens gingen die Provokationen so weit, dass es Verbote und Skandale regnete. Projekte mussten
abgesagt oder aufgelöst werden, ein Plattenvertrag mit der staatlichen Plattenfirma ZKP RTV wurde von
deren Seite ohne Angabe von Gründen aufgehoben und nach einem Fernsehauftritt wurde jegliche
öffentliche Präsentation der Band oder ihres Namens verboten. Trotzdem gingen sie 1983 auf
Europatournee und wurden daraufhin von mehreren Theaterhäusern eingeladen, musikalisch etwas zu
laufenden Projekten beizusteuern. Samples und Covers von berühmten Liedern verschiedenster Stile (von
Wagner über Šostakovič, Beatles, Opus, Kraftwerk, Queen und Rolling Stones) wurden von Anfang an
exzessiv verwendet. Zusammenarbeit mit anderen Musikgruppen (Morbid Angel, slowenisches
Philharmonie-Orchester, Chöre) standen ebenso an der Tagesordnung.
Wichtig ist ihnen vor allem Kritik an Politik (Album NATO), Religion (Album Jesus Christ Superstars) und
Nationalismus (Album Volk). Künstlerisch differenziert verwenden sie jedoch teils kontroverse Stilmittel,
wofür ihnen von vielen Seiten Kritik zukommt. Sie scheinen mit totalitären Regimen zu kokettieren oder
diese zu parodieren, die Interpretation liegt dabei im Auge des Betrachters. Richard Wolfson etwa sagt über
sie: „Laibachs Methode ist extrem simpel, effizient und schrecklich anfällig für Fehlinterpretationen.“687 So
überzeichnet z. B. das Video zum Opus-Cover „Life is life“ Propaganda-Bilder und -Filme des Dritten Reiches,
und kann als faschistisch orientiert interpretiert werden. Auch die bombastisch-orchestralen Klänge ihrer
Stücke, meist begleitet von Marschmusik-Pauken, scheinen in diese Richtung zu schlagen. Fras'
Bassstimme trägt noch dazu bei, die vorgetragenen Lieder als politische bzw. religiöse Reden
wahrzunehmen, und Rammstein-Sänger Till Lindemann bediente sich später gerne seines „affektiert
maskulin-heroisch-germanischen Habitus“688. Für diese Überzeichnung bedienen sie sich der Versatzstücke
des Faschismus, des Kommunismus und der christlichen Ikonographie. Obwohl sie selten aus ihren
selbstgewählten Rollen der Verherrlicher von totalitären Regimen fallen, kann man mit ziemlicher Sicherheit
sagen, dass sie in ihrer künstlerisch-provokativen Überzeichnung der dargestellten Ideologien diese
parodieren und nicht gut heißen.
3.7 EMOTIONAL HARDCORE (EMO)
Veronika Strauß
Aufgrund der Tatsache, dass das öffentliche Interesse sich dem Begriff Emo in der letzten Zeit stark
zugewandt hat, sollen auch dazu einige Worte gesagt werden. Bei dem auch als EmoCore bekannten
687
688
„Warriors of weirdness“, The Daily Telegraph, 4. September 2003.
http://de.wikipedia.org/wiki/Laibach, 2011.
130
Musikstil handelt es sich um ein Subgenre des Hardcore Punk, womit nicht unbedingt eine Verbindung zur
Schwarzen Szene besteht. „Schon Anfang der achtziger Jahre suchten einige Musiker der Hardcore/PunkSzene nach Wegen, um auf die zunehmende Härte und den Machismo in Teilen der Hardcore-Szene zu
antworten – Umgangsformen, die nicht viel mit den Hardcore-Idealen zu tun haben. Stattdessen wollten sie
offen Emotionen und Gefühle zeigen und dies auch in ihren Songs verarbeiten. Dies war – trotz aller
fortschrittlicher Gedanken – in der damaligen rauen, eher pessimistisch denkenden Hardcore-Szene
verpönt.“689 Die Fans des Musikstils Emotical Hardcore kannten eigentlich keinen zwingenden einheitlichen,
szeneeigenen Dresscode. Die Musik stand bzw. steht im Vordergrund.
Abb. 4133: Billy Werner von der Band Hot Cross
Abb.42: Mode-Emo
Etwa seit dem Jahrtausendwechsel bezeichnet sich auch eine jugendliche Modeströmung, die sich durch
an asiatische Comics (Manga/Anime) angelehnte Haarschnitte und Kleidungselementen aus Gothic und
Post-Punk auszeichnet, als Emo. Weltverschlossenheit, Traurigkeit, Tiefgang und suizidale Tendenzen
werden gerne mit diesen Emos in Verbindung gebracht. Das Outfit steht deutlich im Vordergrund. Bestimmte
Bekleidungsmarken und Muster gehören zum Szenecode. Das Mischen von morbid anheimelnden und an
sich nach Massengeschmack als „nicht schön“ eingestuften Accessoires (Totenköpfe, Spinnen,
Nietenarmbändern, etc.) und „niedlichem“ Kitsch (Hello-Kitty, rosa Plüsch, etc.)690 gilt als typisch. Anleihen
nimmt das Outfit auch am Rockabilly691- und Psychobilly692 Style. Jedenfalls ist grundsätzlich zwischen der
tatsächlichen Musikszene und der (jugendlichen) Modeströmung zu unterscheiden!
Die vorangehende Unterteilung ist aus Sicht Vieler sicher ebenso mangelhaft wie unvollständig – einer
der besten Beweise dafür, dass die Szene lebt. Um Einmischung wird gebeten! Statements können
(nurmehr bis Ende 2017!) an [email protected] geschickt werden.
689
http://de.wikipedia.org/wiki/Emo, 2011.
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Emo, 2011.
691
http://de.wikipedia.org/wiki/Rockabilly, 2011.
692
http://de.wikipedia.org/wiki/Psychobilly, 2011.
690
131
132
4. LAVEYS SATANISMUS
Katharina Ganster
Satanismus unter Jugendlichen kann verschiedenste Formen annehmen, und mit dem Internet als
Bezugsquelle an „Informationen“ kann es sogar noch unkontrollierter vonstattengehen als früher, als man
sich einschlägige Bücher bestellen oder die „richtigen“ Freunde haben musste. Da Information und
Förderung der Kommunikationskultur zwischen Jugendlichen und Bezugspersonen einen wichtigen Schutz
gegen diese Gefahren darstellt, soll dieser Artikel vor allem die Hintergründe und Inhalte der wichtigsten
Strömungen erklären, um aufgeklärt mit betroffenen Jugendlichen diskutieren zu können.
GESCHICHTLICHER HINTERGRUND
Schon in der Antike gab es Menschen die glaubten, der Gott des Alten Testaments sei ein böser Gott
gewesen und Satan ein guter Engel, der gegen ihn gekämpft hatte. Darum kehrten einige dieser Gnostiker
alle Wertmaßstäbe der Bibel um. Da es bei ihnen nur den höchsten Wert der Erkenntnis (gr. „gnosis“) gab,
wurden alle moralischen Konventionen ignoriert, die diesem Erkenntnisstreben zuwiderlaufen könnten. Zwar
verehrten sie den Teufel nicht, aber christliche Schriftsteller unterstellten ihnen dies und so wurde ihre
Glaubensauffassung zur Basis von späteren Teufelskulten.693
Im Mittelalter gab es verschiedene, von der katholischen Kirche als Ketzer bezeichnete, christliche Sekten,
die teilweise viele Glaubensinhalte der Gnostiker übernahmen. Ob unter ihnen auch Teufelsanbeter waren,
kann man nicht mehr mit Sicherheit sagen.694 Im 13. Jahrhundert begegnet uns jedoch die Sekte der
Luziferianer, die den Teufel als Schöpfer der Welt betrachtet und alle christlichen Werte und
Verhaltensweisen umkehrte. Auch Templer und „Hexen“ wurden beschuldigt, den Teufel anzubeten695. Die
ersten „schwarzen Messen“ waren christliche Rituale, die aufgrund der übersinnlichen Magie, die sie
erzeugten, für „dunkle Zwecke“ missbraucht wurden (Verfluchung eines Feindes, Beschwörung von
Geistern). Richtige schwarze Messen mit Umkehrung von christlichen Symbolen, Roben, die mit nackten
Frauen und Schweinen bestickt waren, schwarzen Hostien oder Urin statt Messwein treten im 15. und 16.
Jahrhundert auf.696 Satanismus im Sinne einer Hinwendung zum „Bösen“ ist also kein modernes Phänomen
und kann in vielen historischen Phasen auch als Protestbewegung gegen vorherrschende Missstände
gedeutet werden. Oft waren es jedoch auch Zirkel von Adeligen, die aus Langeweile gegründet wurden. Die
Schriften dieser ersten Satanisten und viel älterer Schwarzmagier sind heute teilweise noch im Umlauf,
693
Vgl. Cavendish, 1980, S. 332-335.
Vgl. Cavendish, 1980, S. 337.
695
Ebda, S. 341.
696
Ebda, S. 367-376.
694
133
werden von esoterischen Verlagen nachgedruckt und über das Internet verkauft. Die berühmtesten Vorbilder
der heutigen Satanisten sind jedoch Aleister Crowley und Anton Szandor LaVey.
ALEISTER CROWLEY
Edward Alexander (1896 zu Aleister keltisiert) Crowley wurde 1875 in England geboren, gründete 1907 den
Orden Astrum Argentum (Silberner Stern) und 1920 das religiös-philosophische System von Thelema. Er
war Okkultist, Schriftsteller und Verleger und starb 1947 in England. Seine Kindheit war geprägt von streng
christlichen Regeln seiner Eltern, die beide Mitglied in einer fundamentalistisch-christlichen anglikanischen
Sekte waren. Seine Familie war reich und er erbte schon mit elf Jahren ein ansehnliches Vermögen, das ihm
lebenslang finanzielle Sorgen abnahm. Ab 1896 zeigte sich sein Interesse für Magie und er trat
verschiedenen Orden (Hermetic Order of the Golden Dawn, Ordo Templi Orientis) bei und beeinflusste viele
von ihnen relativ stark. Er war begeisterter Bergsteiger, bereiste Amerika, Asien, Afrika und Europa und
experimentierte Zeit seines Lebens mit den verschiedensten Drogen.
1920 gründete er auf Sizilien die magische Kommune Abtei von Thelema, die 1923 von italienischen
Behörden aufgrund von Skandalgeschichten über Rituale aufgelöst wurde. In diesen Ritualen sollen die
Teilnehmer Drogen konsumiert und das Blut geopferter Katzen getrunken haben. Er wurde 1925 auf einer
okkultistischen Konferenz zum Weltheiland ausgerufen. Sein Drogenkonsum stieg immer mehr an, bis er
1947 wegen Herzversagen und chronischer Bronchitis verstarb.
Sein skandalöses Auftreten bestand vor allem darin, sich offen zum (experimentellen) Drogenkonsum zu
bekennen und seine (damals) radikalen Ansichten über (homosexuellen) Geschlechtsverkehr zu äußern. Er
nannte sich „The Great Beast 666“ (gr. „to mega therion“) und verband in seinem magischen Denken östliche
und westliche, magische und religiöse Traditionen, erfand aber viel dazu. Ziel seiner Magie bestand in der
Weiterentwicklung des Individuums. Der zentrale Satz „Do what thou wilt shall be the whole of the law“ („Tu
was du willst soll das ganze Gesetz sein“) wurde und wird immer wieder zu oberflächlich interpretiert. In
seinen Schriften legt er Wert darauf, dass das Individuum erst erforschen müsse, worin dieser eigene Wille
überhaupt bestehe. Auch das Thelema-Konzept zielt auf die Verwirklichung des wahren spirituellen Willens
ab. Der Spruch bedeutet also weder „Tu, worauf immer du Lust hast“, noch ist es ein Freibrief für
Hedonismus und Egozentrik.
Eine Bewertung seiner magischen Schriften fällt schwer, da viele von ihnen auf Drogenräusche hindeuten,
oder zumindest so kryptisch formuliert sind, dass sie dem „Uneingeweihten“ nichts sagen und nur nach
Nonsens klingen. Ein Nachwirken Crowleys ist in mehreren Formen in den esoterischen Kreisen der HippieBewegung, in vielen Bands (Led Zeppelin, Black Sabbath, The Beatles, Iron Maiden etc.) und bei vielen
134
Schriftstellern festzustellen. Die meisten der Anspielungen und Zitate sind jedoch (mehr oder weniger
deutlich) satirisch oder provokant gemeint.
Charles Manson, der von Crowleys Ideen (und von Rassismus und Weltuntergangsideologien) fasziniert war,
bildet eine deutliche Ausnahme. Quellen berichten, er hielt sich für Satan und Jesus in einer Person, oder
als Reinkarnation von Crowley selbst. Seine Sekte, die Manson Familiy, beging 1969 mindestens neun
Morde, die er zwar angeordnet, aber nicht selbst mit durchgeführt hatte.
Crowley selbst sah sich nie als Satanist, und wird auch von der Church of Satan (CoS) nicht als solcher
eingestuft. Auch wird geleugnet, dass Crowley ein Vorläufer der CoS sei, obwohl man in den Schriften
LaVeys oft sehr deutliche Anspielungen (vor allem die Anlehnung an „Tu was du willst“) oder Inspirationen
durch Crowley findet.697
Unter http://hermetic.com/crowley kann man viele von Crowleys Schriften auf Englisch im Volltext lesen.
ANTON SZANDOR LAVEY
Biographie
1930 wurde Howard Stanton Levey als Sohn von russisch-, ukrainisch- und französischstämmigen
Amerikanern geboren. Seine Eltern unterstützten sein musikalisches Talent, und er brach die High School
mit etwa 15 ab um einem Zirkus – zuerst als Hilfsarbeiter, dann als Musiker – beizutreten. Später spielte er
in verschiedenen Burlesque-Clubs als Pianist. Seine Biographie weist viele Ungereimtheiten auf, die
vermutlich auf seine Erfahrungen im Showbusiness zurückzuführen sind. So scheint er gewisse Episoden
seiner Vergangenheit erfunden oder aufgebauscht zu haben um zu einer schillernden Persönlichkeit zu
werden (z. B. behauptet er, eine kurze Affäre mit der noch unbekannten Marilyn Monroe gehabt zu haben,
was sich mittlerweile als Lüge herausgestellt hat).
Später begann er, sich mit dem Okkulten zu beschäftigen und Vorlesungen in einem „magischen Zirkel“ zu
halten, in der Walpurgisnacht (30. April) 1966 gründete er dann schlussendlich die Church of Satan. Diese
war von Anfang an nie geheim, aber sehr mystisch aufgebaut. Schon 1967 wurde unter starker medialer
Präsenz die erste satanische Hochzeit zelebriert, und auch satanische Begräbnisse und Taufen (z. B. seiner
zweiten Tochter Zeena) wurden durchgeführt. Die Presse nannte ihn den „Black Pope“ („Schwarzen Papst“).
Durch verschiedene Bücher, Musikalben und Presseauftritte in Zeitung und Fernsehen erlangte er und seine
CoS relativ schnell große Berühmtheit.
697
Vgl: http://de.wikipedia.org/wiki/Aleister_Crowley, 2011.
135
Mit seinen drei Lebensgefährtinnen bekam er zwei Töchter (Karla, Zeena Galatea) und einen Sohn (Satan
Xerxes Carnacki). Er starb 1997 an einem Lungenödem, wurde eingeäschert und seine Asche wurde in einer
satanischen Bestattungszeremonie unter seinen Erben aufgeteilt.698
Interpretation
Bei LaVeys Schriften ist es wichtig, einen Unterschied zu machen zwischen Satanist und Teufelsanbeter.699
Der erstere ist für ihn ein verantwortungsvolles Wesen, das seinen eigenen Weg geht und sich nicht der
Masse anpassen will. Satan repräsentiert für ihn die symbolische Kraft, außerhalb der Gesellschaft stehen
zu können, deshalb führt er unter den „infernal names“700 auch die „bösen“ Götter von Indianern,
germanischen Stämmen, Indern etc. auf. Diese Namen sind für ihn auch Ausdruck von Kraft und Stärke, und
müssen in Ritualen dementsprechend rezitiert werden. In all seinen Schriften legt er großen Wert auf den
Klang und die Poetizität der verwendeten Worte, da er weiß, dass die Formulierung oft wichtiger ist als der
Inhalt. „Teufelsanbeterei“ ist für ihn eine Form des Jugendprotestes, der sich in simpler Umkehrung
christlicher (oder gesellschaftlicher) Werte – z. B. schwarze Messen – manifestiert und meist hirnlos ist. Er
verabscheut diese „Pseudo-Satanisten“701, die Tieropfer begehen und Friedhöfe schänden, weil es Spaß
macht oder „cool“ ist, ganz deutlich und verurteilt sie aufgrund des mangelnden philosophischen
Hintergrundes.702
Seine Schriften sind einfacher zu lesen als die von Crowley und zielen sehr auf die Psychologie seiner
Leserschaft ab. Man kann LaVey auf viele verschiedene Arten lesen. Wichtig dabei ist, sich immer daran zu
erinnern, in welchem Umfeld er geschrieben hat. In einem prüden Amerika der sechziger Jahre,
aufgewachsen im Zirkus unter „Freaks“ und den Ausgestoßenen der Gesellschaft, wollte er vielleicht genau
solchen Leuten eine Ideologie geben, die sagt: „es ist in Ordnung, so wie ihr seid“. Wenn man die Schriften
LaVeys auf diese philosophisch-psychologische Art liest, erkennt man, dass viele seiner Ansichten darauf
abzielen, den Menschen in seiner Eigenart zu stärken, ihn von der Masse abzuheben, ihn dazu aufzufordern,
selbst Verantwortung zu übernehmen und seinen eigenen Weg zu gehen. Alle „magischen“ Rituale, die er
beschreibt, sind einfache psychologische Methoden, um dieses Ziel zu erreichen. Auch verbietet er etwa,
Tiere oder Kinder zu opfern oder unschuldigen Menschen Leid anzutun.703 Die Quintessenz des Kapitels „On
the Choice of a Human Sacrifice“704 ist, dass man diejenigen, die man hasst, in einem Ritual symbolisch
698
Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Anton_LaVey, 2011.
Teilweise wird im deutschen Sprachraum auch ein Unterschied zwischen „satanisch“ und „satanistisch“ (imitierend,
teufelsanbeterisch) gemacht.
700
Vgl. LaVey, 1976, S. 58-60, 145.
701
Ebda, 1976, S. 104.
702
Vgl. LaVey, 1976, S. 52, 100, 104.
703
Ebda, S. 89.
704
Ebda, S. 87-90.
699
136
zerstören soll (psychologisch gesehen also nur für sich selbst), damit man sein Leben harmonischer
gestalten kann, ohne von ihnen belästigt zu werden. Er nennt die satanischen Rituale eine „Form von
Psychodrama“.705 Diese Psychodramen werden in der zweiten Hälfte des Buches706 wie in einem Drehbuch
detailliert beschrieben. Mit keinem einzigen Wort billigt er dabei jemals die aktive physische Zerstörung
eines Menschen- oder Tierlebens durch einen Satanisten.
Seine Religion will die Philosophie und Ideologie einer neuen Zeit sein. Er verabscheut jegliche Religionen,
die – wie das Christentum – die menschliche Natur und dessen fleischliche Gelüste verleugnen wollen und
ruft dazu auf, genau diese Werte zu Tugenden zu erheben. Seine Nine Satanic Statements707 sprechen
davon, den modernen Menschen zu fördern und zu bestätigen: Genuss, vitale Existenz, reines Wissen, Liebe
und Verantwortung übernehmen nur für diejenigen, die sie verdienen, Rache statt Ertragen von Leid708 und
alle sogenannten „Sünden“ – die für ihn alle zu psychischer, mentaler oder emotionaler Befriedigung führen
– werden für ihn durch Satan repräsentiert.
Kritik
Das alles mag harmlos und rein philosophisch klingen, aber es gibt für den gebildeten, und noch mehr für
den jugendlichen Leser, Gefahren zu beachten. Durch sein rhetorisches Talent versteckt er viele Ideologien
und Prämissen in einer Umgebung von allgemeiner Information und Fakten. Oft liest man über diese Stellen,
ohne viel nachzudenken und nimmt sie so ins Unterbewusstsein auf. Die Gefahr dabei ist, dass seine
Religion eben nicht nur das Individuum als solches stärkt, sondern auch das Potential hat, die Gesellschaft
zu verändern. Viele seiner philosophischen Ansichten fördern ein faschistoides Menschenbild, scheinen oft
sogar nationalsozialistische Ideologien gutzuheißen (jedoch ohne Rassismus, da jedes Individuum selbst
elitär werden muss, was für einen Satanisten nicht vererbbar ist709). LaVey werden Sympathien mit Alfred
Rosenberg (ein führender Ideologe im Nationalsozialismus) und Adolf Hitler nachgesagt, Einflüsse von
Nietzsche, Crowley und radikalen sozialdarwinistischen Schriften sind spürbar. Die Zerstörung von Feinden
wird zwar nur symbolisch propagiert, gewisse Stellen lassen dies jedoch zweideutig erscheinen (z. B. Punkt
11 der „Satanischen Regeln der Erde“: „If someone bothers you, ask them to stop. If they don’t stop, destroy
them.“ – „Wenn dich jemand belästigt, fordere ihn dazu auf, dies zu unterlassen. Wenn er nicht damit aufhört,
vernichte ihn.“).
705
Ebda, S. 100.
Ebda, S. 107.
707
Ebda, S. 25.
708
Hier als ideologischer Hintergrund gemeint, als Umkehrung des christlichen „die-andere-Backe-bieten“. Was genau
er oder seine Jünger unter Rache verstehen, wird nirgends direkt angesprochen. Selbstjustiz ist jedoch verpönt, und
die gesamte CoS macht sich stark für ein striktes Befolgen aller Gesetze der Gesellschaft, in der ein Satanist lebt.
709
http://www.churchofsatan.com/Pages/Feared.html, 2011.
706
137
Eine Gesellschaft von LaVey-Satanisten würde zwar aus klugen Menschen bestehen, die jedoch, um ihre
Ziele zu erreichen, vermutlich auch über Leichen gehen würden. Alle christlich-humanitären Werte, die das
soziale Zusammenleben erleichtern und angenehmer gestalten sollten, wären dabei wertlos. Altruismus und
Selbstaufopferung wären die neuen Sünden, Demokratie würde zu einem Fremdwort werden. Es würde nicht
mehr um gesellschaftliche Harmonie, sondern um persönlichen Erfolg gehen.
Angesichts des heute vorherrschenden Neoliberalismus und Turbokapitalismus ist das natürlich
hauptsächlich eine Religion für die (Erfolg-)Reichen und Starken, oder diejenigen, die es um jeden Preis
werden wollen. In gewissem Sinne leben wir also schon unter der Herrschaft von Menschen mit einer
solchen Ideologie, auch wenn sie sich nicht als Satanisten bezeichnen würden. Die CoS heißt auch eine
Stratifizierung der Gesellschaft gut (eine Einteilung in Stände, Klassen, Intelligenzniveaus o.ä.), auch wenn
das bedeutet, dass es Reichenghettos und Armenviertel gibt. Sie ist gegen jegliche egalitäre
gesellschaftliche Theorie und betont die Verschiedenheit der Menschen.710
Die weitere Entwicklung der Church of Satan nach dem Tod von LaVey geht einen noch kompromissloseren
Weg. Besonders die Schriften von Peter Howard Gilmore (seit 2001 Hohepriester der CoS) sprechen eine
deutliche Sprache: Eugenik wird befürwortet (die Auswahl von elitären Individuen vor der Geburt, auch
Genmanipulation ist für ihn etwas Positives; die Vernichtung von behinderten Kindern im Mutterleib wird
nicht angesprochen aber scheint implizit mitgemeint zu sein) und Satanisten seien die höchste Stufe der
menschlichen Entwicklung, sozusagen eine Art Herrenrasse. Sie stehen über der Gesellschaft (nicht
außerhalb wie bei LaVey!) und haben das Recht (oder die Pflicht), alle anderen Menschen für ihre Zwecke
zu instrumentalisieren. Der Wohlfahrtsstaat und Antidiskriminierungskampagnen (wie etwa die
Frauenquote) sollen abgeschafft, weltweite Hilfs- und Spendenaktionen gestoppt werden. Außerdem führt
er LaVeys „Lex Talionis“ (Gesetz der Vergeltung, Auge um Auge) weiter und scheint auch Selbstjustiz
gutzuheißen.711
Einige ehemalige Mitglieder der CoS haben sich auch deswegen abgespalten, so wurde 1975 der Temple of
Set aufgrund von administrativen und philosophischen Meinungsunterschieden gegründet, und 1997
gründete LaVeys Tochter Karla die First Satanic Church, die sie im Geist ihres Vaters weiterführen will.712
710
LaVey, 2000, S. 95 und http://www.churchofsatan.com/Pages/Feared.html, 2011.
Vgl http://en.wikipedia.org/wiki/Peter_H._Gilmore, www.thesatanicscriptures.com,
www.churchofsatan.com/Pages/Feared.html, 2011.
712
Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Temple_of_Set, http://en.wikipedia.org/wiki/First_Satanic_Church, 2011.
138
Persönliches Fazit
Die Autorin dieses Artikels hat sich selbst ab dem Alter von 14 Jahren (bis heute in unterschiedlicher
Intensität) mit Aleister Crowley und später mit LaVey und der CoS intensiv beschäftigt (war jedoch niemals
Mitglied dieser Organisation). Aufgrund der Tatsache, dass dieses Interesse weder bleibende geistige oder
körperliche Schäden nach sich gezogen hat, noch sie zu einem gewaltverherrlichenden oder
menschenverachtenden Wesen gemacht hat, mag es sein, dass dieser Abriss über Satanismus ein wenig
zu positiv ausfällt. Die Autorin ist jedoch der festen Überzeugung, dass Jugendliche, die sich für eine
ähnliche Thematik interessieren, nicht in erster Linie gefährdet oder mental instabil, sondern eben
interessiert sind. Als Historiker und Atheist ist sie der Überzeugung, dass die großen Weltreligionen viel
mehr geistigen und körperlichen Schaden anrichten können (Verleugnung der eigenen Triebe und Vorlieben,
Verbot von Homosexualität und der Verwendung von Kondomen etc.), vor allem bei Jugendlichen.
Die sogenannte Teufelsanbeterei – mit „Tische rücken“, Geisterbeschwörung, Zelebrieren von schwarzen
Messen usw. – stellt ein größeres Risiko dar (Realitätsverlust, Angstzustände, Selbstmordgefährdung), darf
jedoch nicht mit den Praktiken der CoS in Verbindung gebracht werden. Oft sind das kleinere Gruppen von
meist gleichaltrigen Jugendlichen, die gegen die Gesellschaft rebellieren wollen, sich für Okkultes
interessieren, geheimnisvoll erscheinen wollen und in Wirklichkeit keine Ahnung haben, was sie eigentlich
tun. Wie auch bei größeren Sekten ist hier die Gefahr vor allem bei einem charismatischen Anführer zu
suchen, der die anderen dazu zwingt, Dinge zu tun, die sie eigentlich nicht tun wollen, und psychische
Kontrolle über sie ausübt. Gefährlich wird es vor allem dann, wenn diese Gruppen anfangen, zu
„missionieren“, das heißt Leute für ihre Gruppierung zu rekrutieren, „Mutproben“ fordern etc.713
Ein extremer Fall von Jugendstrafdelikt in diesem Umfeld stellt der sogenannte „Satansmord von
Sondershausen“ aus dem Jahr 1993 dar, der kein eigentlicher satanistischer Akt war, von der Presse jedoch
als solcher betitelt wurde, da sich die Beteiligten „mit satanistischem Gedankengut und mit
Tötungsdarstellungen in Filmen“ beschäftigt hatten. Der wahre Hintergrund ist umstritten, es scheint jedoch,
dass der Hauptverantwortliche Hendrik Möbus vor allem aus rechtsradikalen Motiven heraus gehandelt
hatte.714
Das Wichtigste bei der Kontaktaufnahme mit Jugendlichen, die vielleicht in dieser Szene sein könnten, ist
immer das Gespräch zu suchen, Motive und Hintergründe herauszufinden, und immer auch argumentieren
zu können. Viele Jugendliche interessieren sich für Rechtsradikalismus, Satanismus und dergleichen aus
einer gewissen Orientierungslosigkeit heraus, kommen vielleicht aus zerrütteten Verhältnissen oder aus
713
714
Gugenberger, 1999, S. 13.
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Mordfall_von_Sondershausen, 2011.
139
einem lieblosen Umfeld und suchen in Gruppierungen der Jugendsubkultur eine Ersatzfamilie. Einige
interessieren sich vielleicht nur aus Neugierde dafür, kommen dann aber eventuell in einen Sog, aus dem
sie von alleine nicht mehr herauskommen. Wenn man diesen Menschen mit Interesse an und Verständnis
für ihre Situation begegnet, und mit ihnen ernsthaft kommuniziert, ist ihnen mehr geholfen als jegliche
Verurteilung oder Tabuisierung. Satanismus soll dabei weder verniedlicht noch verdammt werden, es ist im
Gegensatz wichtig, sowohl Positives als auch Negatives zu (er)kennen und herauszustreichen. Der beste
Schutz für Jugendliche ist immer Information und Förderung der eigenen Selbstverantwortung.
140
5. EXKURS: VAMPIRISMUS
Roman Schweidlenka
Die meisten „Vampire“ sind Mitglieder der schwarzen Szene und betreiben den Vampirismus als Mode,
Gesellschaftsspiel,
künstlerische
Gestaltung
oder
Zeitvertreib,
meist
verbunden
mit
einer
Mittelaltersehnsucht, einer Ablehnung der modernen Gesellschaft und magischen Übungen. Beliebt sind
Vampir-Rollenspiele (unter anderem White Wolf, Requiem, Dracula Ressurrection, etc.), bei denen die Spieler
in die Rolle der dämonischen Fabelwesen schlüpfen. Die Vampir-Spiele sind meist in der modernen Welt
angesiedelt, in der aber neben den Menschen allerlei Spukwesen der Dunkelheit leben.
Eine Minderheit sieht sich jedoch als „echte“ Vampire, nicht als Menschen. Sie schreiben sich im Gegensatz
zu den Vampiren „Vampyre“. In dieser Szene ist Menschenblut-Trinken, verbunden mit kriminellen
Handlungen (bis hin zum Ritualmord als extreme Randerscheinung), eine beliebte Praxis. Während es in
Deutschland damit bereits Probleme gibt, beschränkt sich in der Steiermark nach vorliegender
Erkenntnislage das Interesse auf Anfragen, intellektueller Beschäftigung und dem Wunsch nach Aufklärung.
Höchst bedenklich ist „Das Buch Noctemeron. Vom Wesen des Vampirismus“ des Frater Mordor, erschienen
im satanistischen deutschen Bohmeier Verlag. In diesem Buch werden zahlreiche Tötungsarten erklärt,
verschiedene Formen des Blut-Trinkens (auch tödliche) und okkulte Ritualmorde beschrieben und die
Bildung geheimer schwarzmagischer Okkultzirkeln empfohlen, die an Sekten erinnern. „Verrätern“ droht der
Tod. Feindbilder sind die moderne Gesellschaft und staatliche und kirchliche Stellen. Während in
Deutschland der Verkauf des Buchs an Jugendliche unter 18 Jahren verboten ist, ist es in Österreich in den
Buchhandlungen frei zugängig.
IM DUNKLEN BLUTREICH DES FRATER MORDOR
Eine Analyse vampiristischer Blutergüsse in Buchform
Seit Oktober 2005 ist der Verkauf des Buches (1. Band) an Jugendliche unter 18 Jahren in Deutschland
verboten. Das Buch darf in den Buchhandlungen auch nicht sichtbar aufgelegt werden. In Österreich gibt es
eine derartige Bestimmung nicht. Beiträge mancher Autoren sind darin anonym. Das Buch wird als
„voodooistisch, vampiristisch, grausam, nekrophil, kannibalistisch, sexistisch, blutig“ beworben. Als
mögliche Nebenwirkungen werden angegeben: Alpträume, Phobien, Gerichtsprozesse, Kontrollverlust,
141
psychische und physische Störungen, Krankheiten, Verwirrungen.715 Die Praktiken werden durchaus richtig
als „gefährlich“ bezeichnet.716 Wahnsinn ist nicht ausgeschlossen.717
Das Buch wurde von einem angeblichen echten Vampyr geschrieben. Elitär ist die Vampyrgesellschaft: Die
„Erhabenheit unserer Rasse“ wird beschworen.718 „Wir sind die Höllenengel“.719 Wahre Vampyre sind
angehalten, treue Knechte um sich zu scharen.720 Keine staatlichen und moralischen Gesetze gelten für den
Vampyr, er ist Weltenherrscher und Despot.721 Dazu hat er die ewige Jugend.722 Gegner sind dezidiert
staatliche und kirchliche Stellen, die nicht wissen, „wie nahe ihre Vernichtung ist.“723
Da die Bücher von einem „echten“ Vampyr geschrieben sind, gibt es vielfältige Polemiken und Abwertungen
der Goths, der „Pseudo-Vampir-Szene“ und der Vampir-Spiele-Fans.724
Die Bücher versuchen in der Esoterik-, Hexen-, Magier-, Goths-Szene, unter anderem in den entsprechenden
Chat-Räumen des Internets.725, zu werben: „Sucht doch den wahren Vampyrismus! Strebt doch nach mehr!“
Esoteriker werden vor allem im zweiten Band726 angesprochen, wo eine durchaus missbräuchliche
Einführung in die europäische und östliche Esoterik, unter anderem in den Taoismus, erfolgt (z. B. Tao als
„schwarze Pilgerfahrt“727). Eine neue Zeit, ein neues Jahrtausend wird beschworen.728 Auch der Bezug zu
gängigen, in Teilen der Eso-Szene beliebten Weltverschwörungstheorien ist gegeben.729
Morde werden bejaht, ja gefordert: Weit weniger Menschen können von Vampyren getötet werden als
weltweit verhungern:730 – Mord an Menschen als ökologisch notwendige Tat:
715
Mordor 2007, S. 4.
Ebda, S. 11.
717
Ebda, S. 14.
718
Ebda, S. 105.
719
Ebda, S. 123.
720
Ebda, S. 108.
721
Ebda, S. 22 und S. 182.
722
Mordor 2005, S. 210.
723
Mordor 2007, S. 239.
724
Vgl. Mordor 2007, S. 24f, S. 176f; Mordor 2005, S. 207.
725
Mordor 2007, S. 25.
726
Mordor 2005, passim.
727
Mordor 2005, S. 172.
728
Ebda, S. 19.
729
Mordor 2005, S. 201, S. 204.
730
Mordor 2007, S. 20.
716
142
„Wir töten und vernichten, weil wir es wollen.“731
„Wir sind die Jäger der Menschen und hielten ursprünglich das Gleichgewicht seiner Entwicklung … Ein
lebensfähiges Gleichgewicht kann nur hergestellt werden, wenn die menschliche Population um 20%
reduziert wird. Wir sind die Jäger …“732
„Wir sind die Hüter der Welt!
Wir sind die Jäger der Menschen!“733
Das Naturbild ist geprägt von „Fressen und Gefressenwerden“734. „Das Leben ist ein Kampf und letztlich
überleben nur die Fähigsten.“ Extremer Sozialdarwinismus, eine wichtige ideologische Basis aller
rechtsextremen Weltanschauungen, wird deutlich: „In einem Kampf selbst gibt es keine Moral oder
Fairness.“735 Der Mensch ist ein Werwolf. „Es sind die Zähne eines Raubtieres, die wir hinter unseren
leumündigen Lippen tragen. Es sind keine Werkzeuge, um einen romantischen Adlerlass zu gewährleisten,
keine Spielzeuge, um sacht ein Gefäß zu punktieren und tröpfchenweise das Blut zu vergießen – wir haben
die Fänge der Jäger und sie dienen zum Reißen der Beute. Sie verursachen klaffende Wunden und
sprudelndes Blut – und den Tod.“736 Und: „Dein Weinen und Flehen wird dich nicht schützen.“737
Säuglinge und bedeutende Persönlichkeiten sollen nur bei absoluter Notwendigkeit gejagt werden.
„Außer den Geschützten können alle Menschen vogelfrei genannt werden. Ihr Blut ist das Recht aller
Schatten.“738
„Du hast das Recht, jene zu vernichten, die dir (deine) Rechte verweigern.“739
Meditationssätze wie „Ich verschlinge die Nahrung lebendig: ich esse lebendige Menschen.“, finden sich im
Buch.740 Satanisch-schwarzmagische Rituale zur Vernichtung von Feinden unter Anrufung Lucifers werden
vorgestellt.741 Auch Blutrituale zur Einweihung von Kindern.742
731
Ebda, S. 20.
Ebda, S. 28.
733
Ebda, S. 28.
734
Ebda, S. 28.
735
Mordor 2005, S. 23.
736
Mordor 2007, S. 104.
737
Ebda, S. 105.
738
Ebda, S. 115.
739
Ebda, S. 128.
740
Ebda, S. 154.
741
Ebda, S. 261-263.
742
Ebda, S. 270f.
732
143
Die Bildung geheimer schwarzmagischer, satanischer Ordenszirkel wird angeordnet, die sich gegenüber der
Gesellschaft absolut tarnen müssen. Das bedeutet: auch keine auffällige Kleidung. Menschenblut-Trinken
muss im Geheimen erfolgen. Die Orden sind autoritär-hierarchisch aufgebaut. Verräter werden von den
„Ältesten“ „mit allen Konsequenzen aus(ge)merz(t).“743 Das Todesurteil wird von silbernen Rittern mit engen
Sehschlitzen durchgeführt, die sich gegenseitig nicht kennen dürfen. Der Abtrünnige wird von Schwerthieben
zerteilt.744 Diese Orden haben einen extremen Sektencharakter.
Blutgewinnung, Blut-Trinken wird in allen Varianten, auch den tödlichen, genau beschrieben.745 „Der Vampir
… definiert sich durch die Aufnahme der Lebensenergie anderer Wesen, um seine eigene Macht zu
potenzieren. Diese Absorption geschieht vorwiegend über das Medium Blut.“746 Auch genaue ausführliche
Anleitungen zum effektiven Töten und Morden werden gegeben.747 Auch Anweisungen, wie man
Kopftrophäen getöteter Gegner mumifiziert, finden sich.748
Dazu gibt es das „Gebet“ an den „Geist der Finsternis“:
„Mache mich zum Männerfresser.
Mache mich zum Frauenfresser.
Mache mich zum Kinderfresser.
Mache mich zum Werwolf.“749
743
Mordor 2007, S. 112, S. 128, S. 282f.
Ebda, S. 159f.
745
Ebda, S. 183-189.
746
Mordor 2005, S. 205.
747
Mordor 2007, S. 189-191.
748
Ebda, S. 194.
749
Ebda, S. 237.
744
144
„TWILIGHT“ – DIE NEUE „MORMONEN-BIBEL“?
Alexandra Koch
Abseits der von Schweidlenka beschriebenen „Vampyrgesellschaft“ rund um Frater Mordor entstand ein
über die Mitglieder der schwarzen Szene hinaus bekannter Hype zum Thema „Vampire“. Die Anhänger des
neuen Vampir-Trends sind aber nicht einer der ausdifferenzierten Unterkategorien aus der „Szene der
Vampire“ beizuordnen. Es sind „einfach nur“ Fans der vielen neuen Vampir-TV-Serien, -Filme und natürlich
der dazugehörigen Stars bzw. Starletts. Die wenigsten gehören dabei zu den oben erwähnten „VampirKategorien“ – dem Lifestyle-Vampir, dem geistigen oder alternativen Vampir, oder dem Realvampir, auch
Vampyr genannt.750 Dennis Sand meint dazu, dass „der Vampir […] den Sprung in die Lebenswelt geschafft
[hat], [und] er […] Teil der Populärkultur [geworden ist]“.751 Denn der Vampir-Interessierte beschäftigt sich
nicht (nur) des Blut-Trinkens oder Pfahl-Tötens wegen damit, vielmehr geht es um die Fragen der eigenen
Identität. Jeder Jugendliche ist heutzutage geprägt von dem Wunsch der von der Gesellschaft geforderten
Individualität, und gleichzeitig dazu doch angepasst bzw. akzeptiert zu sein: Individualität durch
Gruppenzugehörigkeit. Dabei begleiten uns – nicht nur im Jugendalter – immer ähnliche Fragen: Wer bin
ich? Wohin gehöre ich? Und welchen Platz nehme ich in der Gesellschaft ein? Vielleicht weniger
offensichtlich fragt man sich in Zeiten der Reizüberflutung auch, ob man denn integriert genug in die
bekannte Leitkultur ist bzw. wie man sich sonst seinen Platz in alternativen Lebensformen finden könnte?
Hinzu kommt der neue Umgang mit der Frage nach Gut und Böse der Postmoderne, welche die
Unterhaltungsindustrie nur zu gerne aufgreift und in Büchern und Filmen abhandelt. In Fantasy-Blockbustern
werden die Protagonisten dabei bewusst in ein Spannungsfeld von traditionellen Wertevorstellungen und
der jetzigen, scheinbar unbegrenzten Liberalität gesetzt, mit welchem sich die jugendlichen Suchenden nur
allzu gern beschäftigen/identifizieren.752
Und genaue diese Suche nach Identität nutzen unter anderem auch religiöse Gemeinschaften, um ihre
Ansichten und „Lösungsvorschläge“ – teils versteckt, teils offensichtlich – unter Jugendliche zu streuen,
750
Lifestylevampir: von literarischen Vorlagen inspirierter Vampirfan, der sich hauptsächlich mit der Vergänglichkeit
auseinandersetzt und „nur“ als Modeerscheinung in der Szene gilt. Alternativer Vampir: geht davon aus, eine
vampirische Seele in seinem Körper zu haben. Er ernährt sich nicht von Blut, sondern von der Lebensenergie anderer
Personen. Realvampir/Vampyr: ist in seiner Selbstwahrnehmung Vampir, der sich durch sogenannte „Spender“ und
ohne Gewaltanwendung von Blut ernähren muss.
(Vgl.: Sand, Dennis: Der wahre Vampir trinkt nur Blutkonserven. In: Welt-Online, 15.07.2010, in:
http://www.welt.de/kultur/article8480440/Der-wahre-Vampir-trinkt-nur-Blutkonserven.html)
751
Zitiert nach ebda.
752
Vgl.: Heimerl, Theresia, Was, wenn der Böse der Gute ist? Theologische und kulturtheoretische Anmerkungen zur
Twilight-Saga, in: Münsteraner Forum für Theologie und Kirche 11/2009, in: http://www.theologie-undkirche.de/twilight.pdf.
145
denn wer weiß schon, dass „Edward und Bella“ Erfindungen einer gläubigen und praktizierenden
Mormonin753 sind?
Die von der amerikanischen Autorin Stephenie Meyer verfasste „Bis(s)-Tetralogie“ – meist als die „TwilightRomane“ bekannt, war Auslöser für den neu entstandenen Rummel rund um die blassgesichtigen
Geschöpfe. Mit Erscheinen des ersten verfilmten Teils von „Twilight“, „Twilight – Bis(s) zum
Morgengrauen“754, entstand auch im europäischem Raum eine regelrechte Hysterie rund um einen recht
neuen Typus von Vampirgeschichte.
Unter Kinokritikern gerne und oft als seichter und langweiliger Teenager-Vampirfilm abgetan, werden die
fünf Verfilmungen (der letzte der vier Teile wird in zwei Filme aufgesplittet) aber hinsichtlich des bereits
erzielten und zukünftig wohl noch größeren Erfolgs gerne als Nachfolger der „Harry Potter“-Filme gehandelt.
Der Inhalt der innerhalb von vier Jahren geschriebenen Romanvorlage lässt angesichts der Tatsache, dass
sich „weiblicher Teenie in jugendlich-gutaussehenden Vampir verliebt“, kaum bis gar nicht auf einen
mormonischen Zusammenhang schließen. Schon oft behandelte Teenageremotionen wie Liebe,
Freundschaft, Vertrauen, wie auch Hass, Tod und Eifersucht sind Grundpfeiler der Erzählungen Meyers –
mit dem Unterschied, dass sie in eine Liebesgeschichte zwischen einem „normalen“ 17-jährigen Mädchen
und einem schon über hundert Jahre alten 17-jährig-gutaussehenden Vampir eingebettet sind – auch keine
gänzlich neue Geschichte, aber in ihrer Ausführung und Intensität soweit verändert, dass neben der
Hauptzielgruppe der 12-bis-18-jährigen Mädchen, diesmal auch besonders deren Müttergeneration
angesprochen wird. Schmerz und Sehnsucht sind dabei wohl die treibenden Kräfte.755
In welcher Beziehung steht „Twilight“ aber nun zu den Mormonen? Bei aufmerksamer Lektüre verschiedener
Interviews mit der Autorin, der Dankesworte in ihren Büchern oder gar ihrer Homepage, eröffnet sich den
Interessierten die Tatsache, dass Meyer Zeit ihres Lebens gläubige, praktizierende Mormonin (LDS) ist.
Dabei betont sie vorbehaltlos, wie intensiv die Inhalte ihrer Romane mit den Lehren ihrer Kirche verbunden
sind. Zurückhaltender ist sie allerdings bei einer detaillierteren Darstellung dieser Verbindungen zwischen
einer nach außen hin so erzkonservativen, wie wirtschaftlich fortgeschrittenen, Glaubensgemeinschaft und
753
In den meisten Fällen wird der Begriff „Mormone“ mit dem eines Mitgliedes der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der
Letzten Tage“ – im Deutschen abgekürzt mit HLT, im Englischen mit LDS für „Latter Day Saints“ – gleichgesetzt. Der
Ausdruck „Mormone“ leitet sich vom Propheten Mormon ab, welcher als einer der Redakteure des „Buches Mormon“
gilt. Da das „Buch Mormon“ – neben der Bibel – für alle von der Hauptkirche LDS abgespaltenen Glaubensgemeinden
als Heilige Schrift gilt, sollte der Begriff „Mormone“ richtigerweise als Überbegriff für „alle auf mormonischer
Glaubensbasis existierenden Gemeinden“ verwendet werden. Um Missverständnisse zu vermeiden, wird in den
folgenden Ausführungen auf die herkömmliche Handhabung – der Begriff „Mormone“ als Synonym für „ein Mitglied
der LDS“ – zurückgegriffen. Falls anders gehandhabt, wird im Einzelnen darauf verwiesen.
754
Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen, engl: Thwilight (Catherine Hardwicke USA, 2008).
755
Mehr über die Hintergründe der Meyer Romane in: Bardola, 2009 und Gresh, 2009.
146
ihrer Liebesgeschichte zwischen einem „normalen“ Teenagermädchen und einem Vampir. Die Frage, was
ein Vampir mit den Lehren und/oder der Lebenswelt von Mormonen zu tun hat, stellt sich also unweigerlich.
Bevor aber eine Analyse der Romane Meyers hinsichtlich mormonischer Einflüsse angestellt wird, soll
zunächst ein kurzer Einblick in den Inhalt der vier Teile der Romanserie gegeben werden. Weibliche
Hauptprotagonistin ist Isabella Swan, die in einen kleinen, tristen Ort namens Forks zieht, um bei ihrem Vater
zu leben. In der Schule lernt sie Edward Cullen kennen, der mit seinen „Geschwistern“ ein abgeschiedenes
Teenagerleben führt. Grund dafür ist, dass die Cullens allesamt Vampire von einem neuartigen – von Meyer
kreiertem – Schlag sind, sie sind nämlich „Vegetarier“. Damit ist gemeint, dass sie sich nicht, wie üblich, von
Menschenblut ernähren, sondern eine so hohe Selbstbeherrschung aufbauen, dass sie sich von Tierblut
ernähren können. Diese Beherrschung gelingt nur im engen Zusammenleben und Zusammenhalt der
Familie, was der typischen Lebensweise eines Vampirs entschieden widerspricht. Ein weiterer Grund für
Edwards Entscheidung für diese ungewöhnliche Lebensweise ist der Wunsch, dass er nicht als Monster
wahrgenommen werden will. Bella, für ein 17-jähriges Mädchen ebenfalls auffällig zurückgezogen, befasst
sich alsbald mit dem überaus attraktiven wie auch scheuen und undurchschaubaren Edward. Intensiviert
wird ihr Interesse an ihm, als er ihr auf spektakuläre Art und Weise das Leben rettet. Kurz darauf kann sie
das Geheimnis Edwards und seiner Familie lüften und einer Liebesromanze und (schwierigen) Eingliederung
in die Familie steht nichts mehr im Wege. Probleme mit „nicht-vegetarischen“ Vampiren, eine Trennung auf
Zeit von Bella und Edward, das Erstarken von Bellas Freund Jacob – einerseits als Werwolf, und andererseits
in Bezug auf seine Zuneigung zu Bella – die zunächst unüberwindbar scheinende Kluft zwischen Vampiren
und Werwölfen und die endgültige Vereinigung von Bella und Edward sowie deren Folgen, sind die
beherrschenden Themen in den folgenden drei Romanen.
Die Inhalte geben im ersten Moment wenig über den möglichen Einfluss mormonischer Vorstellungen preis.
Am Beispiel von Glaubensgrundsätzen, Werten und Moralvorstellungen des Mormonentums soll nun
versucht werden, die nicht immer sofort zu erkennenden Verbindungen zur „Twilight-Saga“ sichtbar zu
machen.756 Die Religionsgemeinschaft/en der Mormonen wird/werden in den Büchern an keiner Stelle
namentlich erwähnt, auch direkte Verweise auf bekannte mormonische Riten werden vermieden. Wenn auch
nicht offensichtlich vorhanden und von Meyer möglicherweise auch gar nicht beabsichtigt, so ist bei
genauerer Betrachtung eine Vielzahl an mormonischen Merkmalen, Symbolen, Handlungsweisen und/oder
Ritualen in allen vier Teilen erkennbar.
756
Die in diesem Abschnitt angeführten Verbindungen sind nur ausgesuchte Beispiele. Eine komplette Analyse findet
man in jenem von der Autorin verfassten Werk: ‚Weltabgeschieden, erzkonservativ, strohtrocken?“ Mormonische
Lebenswelten im Spannungsfeld zwischen Selbstwahrnehmung und medialer Darstellung, Graz, Leykam Verlag, 2010.
S. 84-103.
147
Zur besseren Übersicht und Orientierung bei den zu vergleichenden Beispielen wird eine entsprechende
Auswahl aus der von der LDS erstellten Themenübersicht „Glaube und Lehre“757 und weiteren von der
Gemeinschaft angegebenen Kernthemen als Grundgerüst verwendet.
EHE UND FAMILIE/SIEGELUNG/PRÄGUNG
Die deutlichsten Parallelen zur mormonischen Lebenswelt weisen die Moralvorstellungen und die
Familienstruktur der Cullens im Roman auf. Schlagworte wie Enthaltsamkeit, Heirat, die Zeugung von
Kindern, penible Hierarchievorstellung von Mann und Frau, oder die strikte Ablehnung von Sex vor der Ehe,
Abtreibung und Ehebruch sind Hauptelemente der funktionierenden fiktiven Vampirfamilie wie auch einer
gläubigen Mormonenfamilie bzw. überhaupt einer nach christlichen Wertevorstellungen lebenden Familie.
Enthaltsamkeit bezieht sich dabei nicht nur auf die Sexualität, in Hinsicht auf das Wort der Weisheit wird
damit auch der Verzicht auf Alkohol, etc. angesprochen, was aber nicht Thema dieses Abschnitts ist.
Jugendliche der LDS werden sehr früh auf „Sexuelle Reinheit“758 getrimmt:
„Unterhaltet vor der Ehe keine sexuellen Beziehungen und seid dann später eurem Ehepartner absolut
treu. Der Satan könnte euch versuchen, auf den Gedanken zu kommen, dass sexuelle Intimität vor der
Ehe in Ordnung sei, wenn man verliebt ist. Das stimmt nicht.“759
Bei Nichteinhaltung dieses Verbots hat man allerdings die Möglichkeit der inneren Umkehr und kann dabei
auf die Vergebung des Herrn hoffen.
Meyer setzt, getreu ihrer religiösen Überzeugung, auf die in den USA allgemein sehr populäre Praktik der
Enthaltsamkeit bis zur Eheschließung. Kein Verbot hindert die Hauptprotagonisten an einer sexuellen
Vereinigung, die physische Natur Edwards – die Unberechenbarkeit seiner Kräfte, die bei extremen
Gefühlsausbrüchen nicht mehr kontrollierbar sind – lässt die beiden Jungverliebten zunächst in
Enthaltsamkeit miteinander leben. Wie bereits Thöne erkennt, wird Geschlechtsverkehr gleichgesetzt mit
Kontrollverlust.760 Kontrollverlust wird in der mormonischen Gemeinschaft als Schwäche und Sünde
empfunden. Je stärker man an Gott und an seine Gebote glaubt, desto weniger muss man davor Angst
haben, auf den falschen Weg abzugleiten. Der Verlust der Kontrolle über sich, über seine Gefühle, etc. zeugt
von zu wenig Glauben bzw. von einer falschen Entscheidung, die man für sich getroffen hat. Der
eindringliche Hinweis im Film wie im Buch, auf Sex vor der Ehe zu verzichten, hat breite Kritik nach sich
gezogen:
757
Siehe u. a. „Glaube und Lehre“, in: http://hlt.at/ueber-die-kirche/glauben-und-lehre.html.
Überschrift aus der Broschüre „Für eine starke Jugend“, LDS.
759
Ebda. S. 26.
760
Vgl. Thöne, 2009, S. 50.
758
148
„Das spießige Weltbild ihrer Glaubensgemeinschaft spiegelt sich eins zu eins in den Romanen. Als
Mormonin propagiert sie [Stephenie Meyer] Enthaltsamkeit vor der Ehe. Kein Sex vor der Hochzeit ist
für [...] Meyer religiöse Pflicht. [...] Stephenie Meyers Romane passen perfekt in eine reaktionäre
Weltanschauung, die in den USA weit verbreitet ist und sogar staatlich gefördert wird. Die Botschaft:
Sex vor der Ehe ist gefährlich“761,
oder:
„Führe ein keusches und tugendhaftes Leben, fordert der Ehrenkodex der BYU [Brigham Young
University762], und irgendwie bringt Meyer das Kunststück fertig, aus der alten, doch immer erotisch
aufgeladenen Vampirgeschichte ein Keuschheitstraktat zu formen.“763
Dabei ist die Geschichte Meyers durchwachsen von erotischen und sexuell aufgeladenen Szenen und
Gedanken, oder wie Freund es ausdrückt: „Meyers Prosa wird von Hormonen nachgerade geschwemmt.“764
In einer Zeit, in der Sex einerseits als Massenware gehandhabt wird und der kategorische Imperativ „man
muss Sex haben“ unübersehbare Bedeutung besitzt, wächst andererseits eine Front gegen die
fortschreitende Banalisierung von Sex. Die (jugendliche) Anhängerschaft der Enthaltsamkeit vor der Ehe
nimmt in den USA stetig zu, und auch in Europa ist ein solcher Trend inzwischen bemerkbar. Das Schlagwort
„Heirat“ führt damit zum nächsten Punkt der Gegenüberstellung „Vampir-Mormonen“.
Wie es die Kirche lehrt, strebt Edward zuerst eine Vermählung mit Bella an, bevor er sich auf sexuellen
Kontakt mit ihr einlässt. Der Grund aber, weshalb Edward auf das Eheversprechen besteht, hat nichts mit
religiösen Hintergründen zu tun. Edwards Gründe könnten nach mormonischem Glauben als eher
zweifelhaft angesehen werden. Nicht das Credo, dass „[…] körperliche Intimität […] ein heiliger Bestandteil
der ehelichen Beziehung [ist]“, und „dadurch […] Kinder in die Familie [kommen], und die Bindung zwischen
den Ehepartnern […] im Laufe ihres Lebens immer fester wird“765, ist treibende Kraft für Edwards Verhalten,
sondern ein Versprechen, das er Bella abgerungen hat. Dieses besagt, dass sie erst dann in einen Vampir
verwandelt wird, wenn sie ihn heiratet und ein Studium abschließt. Beides widerstrebt ihr, da sie die
Vorstellung einer Hochzeit als veraltet ansieht und einem Studium nicht jenen Wert beimisst, wie es die
Cullens tun. Das weiß Edward und nutzt es zu seinen Gunsten aus. Zwar lässt sich vordergründig sexuelle
761
Stamer,
Dunja/Riek,
Anna:
Sehnsucht
nach
Keuschheit.
23.01.2009,
http://www.aspekte.zdf.de/ZDFde/inhalt/15/0,1872,7507695,00.html.
762
Universität der LDS
763
Freund,
Wieland:
Stephenie
Meyer.
Mit
Vamprien
gegen
Potter.
12.06.2008,
http://www.welt.de/kultur/article2092236/Stephenie_Meyer_Mit_Vampiren_gegen_Potter.html.
764
Ebda.
765
Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Hg.): „Lass Tugend deine Gedanken zieren“, 2006. S. 1.
in:
in:
149
Enthaltsamkeit als Ideal nach geradezu mormonischen Grundsätzen erkennen, doch sind die Beweggründe
im gegebenen Fall andere.
Erst im letzten Teil der Tetralogie kommt es zur Hochzeit zwischen den Hauptfiguren. Dabei sind die Motive,
eine Ehe einzugehen, nicht nur in Bezug zu oben genannten Punkten im Buch/Film eine komplett konträre.
Die „Proklamation an die Welt“ vom ehemaligen Präsidenten der Gemeinschaft, Gordon B. Hinckley, über die
Familie besagt nämlich unter anderem:
„Das erste Gebot, das Gott Adam und Eva gab, bezog sich darauf, dass sie als Ehemann und Ehefrau Eltern
werden konnten. Wir verkünden, dass Gottes Gebot für seine Kinder, sich zu vermehren und die Erde zu
bevölkern, noch immer in Kraft ist. Weiterhin verkünden wir, dass Gott geboten hat, dass die heilige
Fortpflanzungskraft nur zwischen einem Mann und einer Frau angewandt werden darf, die rechtmäßig
miteinander verheiratet sind.“766
Zusammengefasst hieße das, dass es zum Hauptauftrag eines Menschen gehört, ein Kind zu zeugen, und
das geht nach mormonischem Glauben erst nach der Vermählung. Bella und Edward haben hingegen kaum
mit dem Gedanken an ein Kind gespielt, noch weniger, eine Ehe aus dem einzigen Grund der Zeugung von
Nachwuchs angestrebt. Dazu kommt noch, dass nach dem Roman die Geburt eines Vampirs, gezeugt von
einem Vampir und einem Menschen, so gut wie unmöglich ist. Und trotzdem findet Meyer einen Weg, dieses
Gebot einzulösen. Bella wird nach der Hochzeitsnacht, ganz dem Klischee einer (der vielen) konservativreligiösen Ansicht(en) nach, schwanger. Abgesehen von den Schwierigkeiten und Turbulenzen, die diese –
alles andere als normale – Schwangerschaft mit sich bringt, hat sich die mormonische Grundidee einer
(Gründung der) Familie wie ein roter Faden durch die Vampirgeschichte gezogen.
Doch nicht nur die Verbindung Bellas mit Edward weist in vielen Gesichtspunkten Hinweise zu
mormonischen Werten und Glaubensinhalten auf. Die Werwölfe, bzw. Wölfe – das Pendant zu den Vampiren
– heiraten nicht im herkömmlichen Sinne, sie werden „geprägt“. Diese Prägung wird nicht allen Werwölfen
zuteil. Diejenigen, die sie empfangen, können sich nicht dafür oder dagegen entscheiden, ebenso wenig
können sie darauf Einfluss nehmen, an welchen Menschen sie geprägt werden. Prägungen sind in Meyers
Romanen zwischen unterschiedlichen Geschlechtern, jedoch unabhängig vom Alter der Partner möglich. 767
Die Prägung sei mächtiger als die Liebe auf den ersten Blick und am ehesten als Finden eines
766
Hinckley, Gordon B.: Die Familie. Eine Proklamation an die Welt. 23.09.1995, in:
http://hlt.at/kirchenliteratur/familienproklamation.html?0=.
767
Jacob erfährt die „Prägung“ auf die Tochter von Bella und Edward zum Zeitpunkt ihrer Geburt. Es hat also weniger
etwas mit sexueller als mit seelischer Verbindung zu tun.
150
Seelenverwandten zu verstehen, wird dem Leser vermittelt. Diese unlösbare Bindung ist vergleichbar mit
der „Siegelung“, das Sakrament der Eheschließung unter Mormonen. Nach der LDS heißt es:
„Die Krönung heiliger Handlungen liegt in dem Sakrament der Eheschließung, auch Siegelung genannt. Ein
besonders bevollmächtigter Geistlicher stiftet diese, über den Tod hinausreichende, ewige Verbindung, die
dem Ziel dient, die Familie für immer zu vereinen. Voraussetzung für die Eheleute, um mit all ihren
Angehörigen – Vorfahren und Nachfahren – in Ewigkeit vereint zu sein, ist die Beachtung von Regeln und
Geboten und ein christlicher, gottgefälliger Lebenswandel, den der Ortsbischof mit einer schriftlichen
Empfehlung zum Betreten des Tempels, Tempelschein genannt, attestiert.“768
Somit werden ein gemeinsames Weiterleben (mit den Kindern) nach dem Tod und die Auferstehung
ermöglicht. Paare, die sich nur standesamtlich trauen lassen, erlangen zwar die Erlösung, haben aber
keinerlei Möglichkeit, jemals die Stufe eines Gottes zu erreichen. Das heißt, die Weiterexistenz der Ehe im
Jenseits bedeutet nicht nur „ewige Liebe“, sondern ist auch Grundvoraussetzung eines weiteren Fortschritts
in Richtung Gottwerdung. Die über den Tod hinaus gehende Ehe wird in Meyers Roman durch die
Unsterblichkeit der Vampire symbolisiert. Zunächst nur an den Familienmitgliedern der Cullens ausmachbar
(jeder hat seinen Partner bereits gefunden, außer Edward), wird durch die Verwandlung Bellas in einen
Vampir (nach der Hochzeit) – gebissen von Edward – auch ihre Verbindung „lebenslänglich“. Diese
unlösbaren und ewigen Zusammenschlüsse unter Vampiren und Werwölfen fungieren somit als Vorbild
menschlichen (mormonischen) Zusammenlebens.
Im Buch und Film kurz angeschnitten wird auch die Art des Zusammenlebens der Familie Cullens. Die
Großfamilie Cullens ist in den Augen der nichtsahnenden Mitmenschen ein seltsames Konglomerat von
Adoptivkindern, die untereinander wiederum Paare bilden. Dabei fallen Parallelen zu Großfamilien, wenn
nicht sogar polygam lebenden Familien, auf. Die wichtige soziale und wirtschaftliche Funktion und
Absicherung, die einer Großfamilie zugeschrieben wird, kann auch der Familie Cullens beigemessen werden.
Als nicht nur unter Menschen ungewöhnlich wirkende Familie, sind die Cullens auch für andere, „normal Blut
trinkende“ und meist alleinstehende, Vampire alles andere als herkömmlich und sind dadurch immer
Anfeindungen ausgesetzt. Der Zusammenschluss zu einer großen Gruppe ermöglicht ihnen, sich gegen
Angreifer zu verteidigen, um ihr auserwähltes Leben nach ihren Maßstäben leben zu können. Klingt vertraut,
oder?
768
„Tempel“, in: http://hlt.at/familie-und-tempel/tempel.html?0=.
151
OFFENBARUNGEN
Nicht gerade typische Charakteristika eines Vampirs sind die verschiedenen übernatürlichen Kräfte, die
jeder einzelne im Buch vorkommende Vampir, auch jene, die nicht der Cullens-Familie angehören, aufweisen
kann. Besonders die Fähigkeit des „Sehens“ erinnert sehr stark an die Offenbarungen des Religionsgründers
Joseph Smith jun. Insbesondere die Gabe der Figur Alice, einer „Schwester“ Edwards, in die Zukunft schauen
zu können, ähnelt jener Smiths und seiner Nachfolger bezüglich seiner/ihrer Prophezeiungen. Dabei wäre
zu beachten, dass die Zukunftsvisionen nicht immer haltbar gemacht werden können, da sie abhängig von
den Entscheidungen der Umwelt sind. Dennoch nimmt Alice in der Geschichte die Stellung einer so
genannten „Offenbarungsempfängerin“ ein, wie es die Propheten und Präsidenten, aber auch jeder Gläubige
(natürlich nur im privaten Ausmaß), sind und sein können. An den Reaktionen und Entscheidungen, die auf
die fiktiven wie auf die „realen“ (natürlich in keiner Weise nachweisbaren) Offenbarungen erfolg(t)en, ist eine
absolute Hörigkeit oder, abgeschwächt formuliert, ein absolutes Vertrauen auszumachen. Dabei ist ein
schon immer behandelter Diskussionspunkt jener der Glaubhaftigkeit der Offenbarungen. Denn nur allzu oft
hatten Präsidenten „Eingebungen“ zur rechten Zeit – beispielsweise, wenn Smith die offenbarten Worte, die
zusammengefasst als „Wort der Weisheit“ bekannt wurden, und deren Inhalt zum Verbot von Tabak (z. B.)
führten, gerade zu dem Zeitpunkt erhielt, als sich seine Frau Emma über den übermäßigen Konsum von
Pfeifen und Zigaretten in ihrem Haus beschwerte. Ebenso verdächtig erscheint die Offenbarung, die Wilford
Woodruff gerade im Jahre 1890 ereilte, als die Gemeinschaft der Mormonen enorm unter dem Druck der
amerikanischen Regierung stand, die Praktizierung der Vielehe aufzugeben, um ein anerkannter
Bundesstaat – Utah – der USA werden zu können. Diese besagte angeblich, dass Gott den Gläubigen
aufgrund der veränderten Umstände nun doch vorschrieb, von der Lehre der Polygamie abzulassen und den
von der amerikanischen Regierung verlangten Verzicht zu unterschreiben. Die Offenbarung war aber
eigentlich „nur“ ein Manifest, welches eine unter Druck getroffene Entscheidung beinhaltete. Zudem
handelte es sich ja um einen Betrug, da dieses neue „Gesetz“ von den wenigsten umgesetzt oder eingehalten
und die Mehrehe weiterhin praktiziert wurde. Interessant ist die Tatsache, dass Woodruff kurz vor dieser
Offenbarung immer wieder lehrte und auch offenbarte, dass man in keiner Weise von dieser von Gott
gegebenen Lehre absehen sollte und dem Rest der USA sogar mit Zerstörung drohte, sollte dieser seine
Haltung in Bezug auf die Polygamie nicht ändern.769
Diese willkürlich anmutende Verwendung angeblicher Offenbarungen zur Steuerung von Vorgängen ist in
ähnlicher, nur nicht negativ dargestellter, Form bei Alices „Prophezeiungen“ erkennbar. Sie verlässt im
letzten Teil der Buchreihe ihre Familie sogar für kurze Zeit, um sie in ihren Entscheidungen nicht zu
769
Vgl. u. a.: Rudolph, Holger, Mormonen
online.de/index.php?inc=body_polygamie.htm.
152
und
Polygamie,
in:
http://www.mormonismus-
beeinflussen, damit die Dinge ihren erhofften richtigen Lauf nehmen können. Steckt hinter dieser
Beschreibung des Umgangs mit übernatürlichen Kräften ein leiser Vorwurf Meyers an die Autoritäten der
Kirche, ihre Offenbarungen zu sehr zu ihren Gunsten und nicht zum Nutzen der Gemeinde einzusetzen?
Jedenfalls wird auch bei diesem Punkt wieder sehr deutlich, welcher Einfluss „Entscheidungen“ auf
zukünftige Geschehnisse in den Vorstellungen der LDS beigemessen wird.
FAZIT
Die Werte und Moralvorstellungen, welche die LDS predigt und lebt, sind in Bezug auf „Enthaltsamkeit“,
„Heirat“ und „Familiengründung“ als gängige und tradierte Muster der Gesellschaft natürlich auch NichtMormonen bekannt. Nicht nur die Entstehungsgeschichte weist darauf hin, dass die LDS eine von vielen
amerikanischen Neu-Christenformierungen des 19. Jahrhunderts ist; insbesondere die Selbstzuschreibung,
die einzigen wahren Christen zu sein, zeugt vom unmittelbaren Einfluss christlich-moralischer Grundsätze,
Lehre und Werte. Die Miteinbeziehung der Bibel (des Alten Testaments) in die „mormonischen Heiligen
Schriften“ hat natürlich zur Folge, dass viele Grundsätze, welche in der Analyse der „Twilight“-Bücher bzw.
Filme als mormonisch gewertet wurden, auch als rein christliche gesehen werden können. Dem ist ohne
Weiteres zuzustimmen, doch ist – wie gezeigt – zu beachten, dass zudem spezifisch mormonische Lehren
und Vorstellungen, neben den oberflächlich „nur“ christlich anmutenden Argumenten, in den Büchern wie
auch im Film herausgefiltert werden können.770
Zu hinterfragen wäre der Missionsgehalt und die Intensität des Einflusses auf die Jugendkultur, der einer so
weltbekannten Buchreihe innewohnt. Ob Meyer die Gedankenmuster ihrer Kirche nun bewusst oder
unbewusst in ihre Erzählungen eingebracht hat, kann – auch wenn sie selbst es nicht ausschließt, aus
Intuition gewisse Punkte miteinbezogen zu haben – nicht mit Gewissheit herausgefunden werden, wäre in
der Geschichte der Literatur aber auch kein absolutes Novum. Da die LDS aber die Mission als einen
zentralen Lebensinhalt jedes Gläubigen ansieht und männlichen Mormonen ab 19 Jahren sowie neuerdings
auch Frauen ab 21 Jahren nahegelegt wird, in die Welt zu gehen und die Lehren ihrer Kirche hinauszutragen,
ist man geneigt, einen Missionshintergrund erkennen zu wollen – besonders in Hinsicht auf die jugendliche
Zielgruppe. Wesentlich einfacher, schneller und kostengünstiger ist es natürlich, wenn ein Buch (oder
mehrere Bücher) die Aufgabe der Missionare zusätzlich unterstützt. Es wäre natürlich unbedacht, zu
glauben, dass Leser von Meyers Büchern nun ohne weiteres zur LDS konvertieren würden; doch allein die
Begeisterung der noch sehr jungen und leicht beeinflussbaren Teenager (und der älteren weiblichen
Generation, die in diesem Thema möglicherweise tief vergrabene Träume wiederzufinden glauben) über die
770
Zu einer „rein“ christlichen (katholischen) Untersuchung des Films Twilight siehe: Heimerl: Was, wenn der Böse der
Gute ist? 2009, in: http://www.theologie-und-kirche.de/twilight.pdf.
153
anzustrebende Enthaltsamkeit in Verbindung mit der wahren Liebe zeigt, wie leicht sich aktuell anmutende
Verhaltensweisen (liberale Einstellung zu Sex und Beziehung) durch neue ersetzen lassen. Wenn es der LDS
(und anderen konservativen Gruppierungen) gelingt, konservativen und als veraltet angesehenen
Lebensweisheiten zu neuer Popularität zu verhelfen und sich einige Menschen anschicken, jenen zu folgen,
dann ist ein wichtiger Schritt in Richtung Mission bereits getan. Entsprechen nämlich bereits wesentliche
Einstellungen und Überzeugungen jener, die Missionare einer religiösen Gruppierung vertreten und
transportieren, verringert sich damit automatisch die Distanz, und die Empfänglichkeit für neues
Gedankengut ist wesentlich höher.
Gastkommentar Schweidlenka:
„Mit diesen Büchern wird subtil und unterschwellig der geistige Nährboden für eine erzkonservative
Lebenseinstellung und Moral bereitet.“
Mit einem Zitat über die Twilight-Romane, Vampire und heutiger Jugendkultur von Bruno Amatruda aus
dem Artikel „Vampire im Schulzimmer“ schließt dieser Exkurs:
„Die Botschaft der Twilightbücher ist wohl an die (real existierende oder intendierte?) postmoderne
Jugend gerichtet, die irgendwann merkt, dass ewig jung, schön und ungebunden zu sein, das Leben
nicht sinnvoll macht. Der Zweifel, den die „guten“ Vampire in diesen Lebensentwurf einbrechen lassen,
ist genährt von traditionellen Familienwerten und der Idee ewiger Liebe.
Damit scheint allerdings der ursprüngliche Vampirmythos am Ende gelangt zu sein. Ein derart
verbürgerlichter, ja „christianisierter“ Vampir ist eine Umkehrung dessen, was der Vampirmythos zu
allen Zeiten darstellen wollte. Allein, der Mythos selbst ist ewig, nur seine Form verändert sich. Daher
sind ihm auch in Zukunft neue Variationen der Vampirlegende zuzutrauen.“771
771
Zitiert nach Amatruda, Bruno: Vampire im Schulzimmer. Religiöse und psychologische Aspekte des Vampirmythos,
in: Tá katoptrizómena, Das Magazin für Kunst, Kultur, Theologie, Ästhetik, Heft 69, in:
http://www.theomag.de/69/bram2.htm.
154
6. DIE SZENE SIND WIR – DAS JUGENDKULTURZENTRUM EXPLOSIV
Alex Mikusch
Das Grazer Jugendkulturzentrum Explosiv ist einer jener Orte, an denen jugendliche Metal-, Punk-, Pop-,
Hip-Hop- und Rock-Bands sowie diverse DJ-Richtungen die Chance erhalten, erstmals unter professionellen
Bedingungen und öffentlich vor Publikum zu spielen. Hier finden aber auch etliche Konzerte bekannter
Bands statt, die gut besucht sind.
Ursprünglich gegründet, um sich mit den Anliegen und Problemen einer immer stärker werdenden jungen
Musikszene in Graz zu beschäftigen, ist das „Explo“ heute aus dem steirischen Jugend- und Kulturleben
nicht mehr wegzudenken. Der Trend Jugendlicher, einer bestimmten Musikszene anzugehören, ist nach wie
vor präsent – mit dem Zusatz, dass junge Menschen heutzutage Trends selbst auf die Beine stellen, aktiv
in die Tasten hauen und Bands gründen.
Seit Jahren leistet der 1988 gegründete Verein bereits anerkannte Kulturarbeit für Jugendliche. Nachdem
das alte Explosiv Ende 2006 geschlossen werden musste, wurde das neue Explosiv 2010 an einem anderen
Standort eröffnet und strahlt seitdem in hellem Glanz. Durch die Verlegung in den Industriekomplex der alten
Zuckerlfabrik Engelhofer am Bahnhofgürtel 55a wurde das Explosiv unter der Leitung von Geschäftsführer
René Molnar zum größten Jugendkulturzentrum der Steiermark.
In den neuen Räumlichkeiten wurde das ursprüngliche Konzept um einiges erweitert und ausgebaut. Auf
insgesamt 1400 Quadratmetern finden Jugendpartizipation und Präventionsarbeit genügend Platz zur
Verwirklichung.
Unter Beteiligung von insgesamt rund 80 Jugendlichen wurde hier 3 Jahre lang umgebaut. Die Lage ist ideal
– es liegt in der Industriezone, es gibt Grünflächen und Parkplätze, außerdem ist es wesentlich größer als
vorher. Das Angebot ist riesig: regelmäßige Veranstaltungen, offener Jugendkulturbetrieb, verschiedene
Projekte, ein eigener Mädchenraum, 9 Proberäume und ein Tonstudio. Das Herzstück bilden eine große
Konzerthalle für etwa 400 Besucher, sowie eine Chill-out-Zone im Barbereich, wo auch Konzerte in kleinerem
Rahmen stattfinden können.
Darüber hinaus finden im Explo auch Informationsveranstaltungen und Workshops zu den Themen
Jugendkultur, Rechtsextremismus und Musik statt.
Jugendkulturzentrum eXplOsiV
Bahnhofgürtel 55a, 8020 Graz
Tel: 0676 | 3478028
[email protected], www.explosiv.at
155
7. FÜR EINE OFFENE DISKUSSION
Veronika Strauß, 2004
Das Einfließen von rechten Ideologien in die Metalszene ist kein Märchen, das die bösen Medien erfunden
haben, sondern Tatsache. Ich selbst gehöre erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit (etwa 5 Jahren) in den
engeren „Dunstkreis“ des Metal, das heißt ich würde mich nicht als dem „eingeschworenen Kern“ der Szene
zugehörig bezeichnen. Um meinen Blickwinkel etwas klarer darzulegen: Ich gehöre zum in erster Linie
konsumierenden Teil, das heißt ich besuche regelmäßig einschlägige Konzerte und Festivals, trage BandWear, lese Szene-Magazine, habe viele Bekannte/Freunde „in der Szene“ etc.
Die (größtenteils) unkritische Einbindung von Gedankengut (vor allem Symbolen und Parolen)
verschiedenster Kulturkreise und ideologischer Strömungen ist in der gesamten „Dark Scene“ nichts
Ungewöhnliches. Meines Erachtens ist vor allem durch das verstärkte Bedürfnis der Menschen nach
Spiritualität und Identitätsfindung in „hehren Kulturen“ (Keltentum, Germanen, indianische Kulturen, etc.) ein
neues, altes Gefahrenpotential (wieder) aufgetaucht. Natürlich, auch die wissenschaftliche Beschäftigung
mit diesen Themen hat sich dadurch verstärkt. Es ist aber nicht zu erwarten, dass sich jeder zuerst
Gedanken über die Absicherung des Wahrheitsgehaltes und die meist mehrfachen Bedeutungen der
verwendeten Begriffe macht. Die Neigung zu Okkultem („Verborgenem“; dieser Begriff wird leider häufig nur
in seiner negativen Bedeutung verwendet) ist, so denke ich, beinah jedem Menschen eigen und hat in erster
Linie mit Neugier zu tun! Das Lernen von Runenreihen, das Zeichnen von „bedeutungsschwangeren“
Symbolen und rezitieren von „magischen“ Formeln übt einen spielerischen Reiz auf viele aus. Sogar im
„Bravo“ bekommen die Leser Anleitung zu Liebeszaubertränken und ähnlich „Magischem“.
Gefährlich wird es aber an dem Punkt, an dem sich jemand diese Neugier zu Nutzen macht und nicht mehr
die Interessen des Individuums, das sich mit solchen Dingen beschäftigt, im Vordergrund stehen, sondern
die Interessen einer Einzelperson oder Gruppe, die ein bestimmtes Ziel verfolgt. Manipulation. Der
wirksamste Schutz dagegen ist die kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Lebensbereichen. Ich
habe festgestellt, dass auf gezieltes Nachfragen nach möglicherweise rechtsradikalen Hintergründen von
Bands gehäuft drei Arten von Reaktionen auftreten:
•
die Verharmlosung des Angesprochenen; regelrechtes „Herunterspielen“ auch immer wieder mit einer
Anspielung auf die (angebliche) Engstirnigkeit des Fragenden und das „Diktat der Gesellschaft“.
•
Gleichgültigkeit, meist verbunden mit Aussagen wie „I hör net auf die Texte!“, „Mich interessiert nur die
Musik, was die Typen sonst machen is mir wurscht!“ (Interessanter Weise kommen Aussagen dieser
Art in erster Linie beim jüngeren Publikum (ca. 13-21 Jahre) vor)
•
156
Der Befragte sieht sich und die Szene angegriffen und reagiert verbal aggressiv. („Immer auf uns!“)
Es stellt sich die Frage, aus welchem Grund solche Reaktionen auftreten. Unwissenheit oder
bewusste/unbewusste „Verdrängung“ um die Szene zu schützen spielen sicherlich eine große Rolle.
Eine interessante Dynamik hat auch die Vereinnahmung von Randkulturspezifischem durch die
Massenkultur in die Metal-Szene gebracht. Szenetypische „Accessoires“ sind auf einmal „hip“ und werden
bei großen Modemärkten en masse verkauft, Song-Klassiker werden ausgegraben, quasi entweiht, und im
Fernsehen von „trendigen“ Moderatoren angepriesen. Ist es da nicht verständlich, dass eine Szene, die sich
zu einem guten Teil bewusst am Rand positioniert hat, weil man nicht so sein möchte wie die anderen, immer
radikalere Mittel und Wege suchen muss um in der ach so toleranten Gesellschaft noch eine Identität zu
finden? Ich habe mir oft überlegt, ob ich nicht mit den Bemühungen, die Szene von Vorwürfen des
Satanismus und Rechtsradikalismus freizuschaufeln, auch die Seele der Bewegung mit Füßen trete.
Vielleicht ist ein gewisser Abstand, eine Mystifizierung und auch Angst notwendig um die „Dark Scene“ vor
dem Ausverkauf zu bewahren?
Nichtsdestotrotz: Das Gefahrenpotential, das durch die Unterwanderung der Szene entsteht, ist zu groß, um
es unter dem Aspekt der Individualität unter den Tisch zu kehren. Es liegt nun an den Menschen, die sich
dieser Szene zugehörig fühlen, einen Schritt nach vorne zu machen und auf der einen Seite die Toleranz
gegenüber Andersartigem zu demonstrieren um selbst nicht unter die Räder zu kommen, andererseits aber
auch dem „Rest der Welt“ zu zeigen, dass es sich sehr wohl um eine eigenständige, wichtige kulturelle
Strömung handelt, die dieselbe Existenzberechtigung hat wie andere.
Die offene Diskussion und Förderung der eigenen Kritikfähigkeit ist meiner Meinung nach einer der besten
Wege, um einerseits den „Geist der Szene“ zu bewahren und gleichzeitig jene zu bremsen, die versuchen,
„gefährliches“ Gedankengut einzuschleusen.
ZUR ÜBERARBEITETEN AUFLAGE
Veronika Strauß, 2011
Die Neubearbeitung dieser Fachbroschüre hat mich erneut darauf aufmerksam gemacht, wie aktiv und
lebendig die Metal Szene ist – ob noch immer oder schon wieder sei dahingestellt. Der permanente Diskurs
erscheint mir nach wie vor wesentlich, sowohl für das Selbstverständnis der sich innerhalb dieser
Kulturszene Bewegenden, als auch für das Verständnis der Außenstehenden.
Gerade die gegenwärtigen politischen Umwälzungen zeigen sehr deutlich, dass eine fruchtbare Diskussion
nur zwischen Menschen stattfinden kann, welche solide informiert sind und die Grundbereitschaft zu einer
zivilisierten Auseinandersetzung mitbringen. Politischer wie religiöser Fundamentalismus und
Dogmatismus können dafür keinen fruchtbaren Boden bieten und so möchte ich mich, wie auch schon vor
157
sieben Jahren, erneut für die Förderung der Kritikfähigkeit und den Mut zur offenen Diskussion hinsichtlich
aller Belange unserer Gesellschaft aussprechen.
Durch die intensive Recherche, Analyse und Schreibarbeit, die mir vor allem das Kapitel „Headbanger
schocken das System“ (Seite 14) beschert hat, konnte ich meinen Einblick in die Historie des metallischen
Szenegeschehens um ein Vielfaches erweitern. Es scheint, als habe sich seit der wissenschaftlichen
Aufbruchsstimmung, zu der „Frau Dr. Death Metal“ Bettina Roccor mit ihren Arbeiten zum Thema „Metal“
sicher wesentlich, wie schon innerhalb des Textes angemerkt, beigetragen hat, zwar einiges in Bewegung
gesetzt, sieht man sich die Arbeiten aber im Detail an, erwächst die Vermutung, dass es immer noch zu
wenige sind, die neue Erkenntnisse zur Szene publizieren. Einige Werke werden fast überall – und wie ich
eingestehen muss auch in dieser Broschüre – wiedergekäut. Besonders an der Neuauflage der „Schwarzen
Szene“ sind vor allem die vielfältigen und vielfärbigen Einschätzungen der Experten aus unterschiedlichsten
wissenschaftlichen und szeneinternen Kreisen, denen ich vielmals für ihre Unterstützung danken möchte.
Erst ihre Beiträge und auch ihre moralische Unterstützung während des Schreibprozesses geben dem
vorliegenden Werk den besonderen Anstrich, der es hoffentlich sowohl für wissenschaftliche als auch für
private Zwecke zu einem interessanten und nicht undiskutierten Informationsmedium macht.
158
8. QUELLENVERZEICHNIS
Aufgrund mangelnder Quellennachweise in der ersten Auflage konnten einige Belege nicht mehr
nachvollzogen werden. Im Falle von Weblinks kann dies auch bedeuten, dass nicht mehr aufrufbare Seiten
angeführt sind. Diese sind durch eine Jahreszahl vor 2011 erkennbar.
DRUCKWERKE
Altrogge, Michael: Tönende Bilder. Interdisziplinäre Studie zur Musik und Bildern in Videoclips und ihre
Bedeutung für Jugendliche. Band 2: Das Material: Die Musikvideos, Vistas, Berlin, 2001.
Anastasiadis, Maria: Popped in – sold out. Das Zusammenspiel zwischen Jugendkulturen und der
Kulturindustrie am Beispiel musikorientierter Szenen. Diplomarbeit, Institut für Erziehungs- und
Bildungswissenschaften, Abteilung für Sozialpädagogik, Graz, 2000.
Becker, Markus: Der Tod und die Gesellschaft: Texte in der Hardrock- und Heavy-Metal-Musik, GRIN Verlag,
Bochum, 1998.
Billerbeck v., Liane/Nordhausen, Frank: Satanskinder: der Mordfall von Sondershausen und die rechte Szene,
Links Verlag, Berlin, 2001.
BORG Hasnerplatz: Projektbericht Jugend und Musik, o. A.
Bubmann, Peter/Tischer, Rolf (Hrsg.): Pop & Religion. Auf dem Weg zu einer neuen Volksfrömmigkeit?,
Verlag der Evangelischen Gesellschaft, Stuttgart, 1992.
Cavendish, Richard: Die Schwarze Magie, Schikowski Verlag, Berlin, 1980.
Christe, Ian: Höllenlärm. Die komplette, schonungslose, einzigartige Geschichte des Heavy Metal, Hannibal
Verlag, St. Andrä-Wördern, 2004.
Coogan, Kevin: Dreamer of the day, Autonomedia, New York, 1999.
Coogan, Kevin: How Black is Black Metal? Hit List Vol.1, Nr.1, 1999.
Dornbusch, Christian (Hrsg.): Rechtsrock - Bestandsaufnahme und Gegenstrategien, unrast, Münster, 2002.
Dornbusch, Christian/Killguss, Hans-Peter: Unheilige Allianzen. Black Metal zwischen Satanismus,
Heidentum und Neonazismus, Unrast Verlag, Münster, 2005.
Dworak, Josef: Satanismus. Schwarze Rituale, Teufelswahn und Exorzismus. Geschichte und Gegenwart,
Heyne, München, 1996.
Ehrhardt, Heiko: Schwarz-Braun ist der Kunstgenuss. In: Lutz Lemhöfer, Kurt-Helmuth Eimuth (Hrsg.):
Braune Flecken in der Esoterik. Der Antisemitismus der Alternativen, Gep Buch, Frankfurt/Main, 2001.
Elflein, Dietmar: Schwermetallanalysen. Die musikalische Sprache des Heavy Metal, Transcript, Bielefeld,
2010.
159
Erlewine, Stephen Thomas: Kiss. In: Erlewine, Michael (Hrsg.), All Music Guide To Rock, Miller-Freeman, San
Francisco, 1995.
Graf, Christian: Nu Metal & Crossover Lexikon, Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin, 2001.
Farin, Klaus: generation kick.de. Jugendsubkulturen heute, Beck Verlag, München, 2001.
Farin, Klaus/Neubauer, Hendrik u.a.: Artificial Tribes. Jugendliche Stammeskulturen in Deutschland, Verlag
Tilsner, Bad Tölz, 2001.
Fermor, Gotthard: Satanismus in der Rockmusik, Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen,
Orientierungen und Berichte Nr.22, Stuttgart/Berlin, 1995.
Feser Oliver/Hillebrand, Diana/Macke, Christian/Schlobinski, Andrej: Musik- und Sprachstile. HipHop, Heavy
Metal und Hard Rock. In: Peter Schlobinski, Niels-Christian Heins (Hrsg.): Jugendliche und „ihre“ Sprache.
Sprachregister, Jugendkulturen und Wertesysteme. Empirische Studien, Westdeutscher Verlag,
OpladenIWiesbaden, 1998.
Fiebag, Marco: Interview mit Uwe Marx, „Black“-Musikmagazin, Nr. 45/06, S. 80, 2006.
Finkl, Sebastian: Populäre Musik in der Schule, Bachelor Thesis, Institut für Musik der Universität Oldenburg,
2009.
Gardell, Mattias. Gods of the Blood: The Pagan Revival and White Separatism, Duke University Press,
Durham and London, 2003
Grandt, Guido und Michael: Satanismus. Die unterschätzte Gefahr, Patmos, Düsseldorf, 2000.
Grandt, Guido und Michael: Schwarzbuch Satanismus, Innenansicht eines religiösen Wahnsystems,
Pattloch, Augsburg, 1995.
Großegger, Beate/Heinzlmaier, Bernhard: Jugendkultur Guide, Verlag öbv&hpt, Wien, 2002, S. 55-66.
Grumke, Thomas: Rechtsextremismus in den USA, Leske + Budrich Verlag, Opladen, 2001.
Gugenberger, Eduard/Schweidlenka, Roman: Aktuelle Trends der Esoterik in ihrer gesamtgesellschaftlichen
Bedeutung, Endbericht des Forschungsprojekts des FWF (Projektleitung Erika Weinzierl), Wien, 1998.
Gugenberger, Eduard: Boten der Apokalypse. Visionäre und Vollstrecker des Dritten Reichs, Ueberreuter
Verlag, Wien, 2002.
Gugenberger, Eduard/Schweidlenka, Roman: Die Fäden der Nornen. Zur Macht der Mythen in politischen
Bewegungen, Verlag für Gesellschaftskritik, Wien, 1993.
Gugenberger, Eduard/Petri, Franko/Badler, Andreas: Ein besserer Mensch durch Esoterik? Esoterik &
Rechtsextremismus, Broschüre, Wien o. J.
Gugenberger, Eduard/Schweidlenka, Roman/Strimitzer, Birgit/Wassermann, Heinz P.: Esoterik, Okkultismus
und Satanismus in den Lebenswelten steirischer Jugendlicher. Eine Pilotstudie, Landesjugendreferat
Steiermark, Graz, 1999.
160
Gugenberger, Eduard: Hitlers Visionäre. Die okkulten Wegbereiter des Dritten Reichs, Ueberreuter, Wien,
2001.
Gugenberger, Eduard/Schweidlenka, Roman: Mutter Erde, Magie und Politik. Zwischen Faschismus und
neuer Gesellschaft, Verlag für Gesellschaftskritik, Wien, 1989.
Gugenberger, Eduard/Petri, Franko/Schweidlenka, Roman: Weltverschwörungstheorien. Die neue Gefahr
von rechts, Deuticke, Wien/München, 1998.
Gugenberger, Eduard: Unveröffentlichte Kurzstudien und Handouts für Fortbildungsseminare.
Hall, John (Hg.): Etruscan Italy: Etruscan Influences on the Civilizations of Italy from Antiquity to the Modern
Era, Indiana University Press, 1997.
Heller, Friedrich Paul/Maegerle, Anton: Die Sprache des Hasses. Rechtsextremismus und völkische Esoterik,
Schmetterling, Stuttgart, 2001.
Heller, Friedrich Paul/Maegerle, Anton: Wer ist Jan van Helsing? In: Lutz Lemhöfer, Kurt-Helmuth Eimuth
(Hrsg.): Braune Flecken in der Esoterik. Der Antisemitismus der Alternativen, Gep Buch, Frankfurt/Main,
2001.
Helsper, Werner: Das „Echte“, das „Extreme“ und die Symbolik des Bösen. Zur Heavy-Metal-Kultur. In:
Kemper, Peter, Langhoff, Thomas, Sonnenschein, Ulrich (Hrsg.): „but I like it“. Jugendkultur und Popmusik.
Stuttgart, 1998.
Hit List, Vol. 2, Nr. 5, 2001.
Horaczek, Nina/Reiterer, Claudia: HC Strache. Sein Aufstieg. Seine Hintermänner. Seine Feinde, Ueberreuter,
Wien, 2009, S. 81f.
Kadmon: Ahnstern II, Lucifer Rising II, Wien, o. J.
Kahn-Harris, Keith: Extreme Metal. Music and Culture on the Edge, Berg Publishers, Oxford/New York, 2007.
Kemmelmeyer, Karl Jürgen/Nykrin, Rudolf/Haun, Anke/Martin, Kai (Hrsg.): Spielpläne 2, Ernst Klett
Schulbuchverlag, Leipzig, 2006.
Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Hrsg.): „Lass Tugend deine Gedanken zieren“, 2006.
Koch, Alexandra: ‚Weltabgeschieden, erzkonservativ, strohtrocken?’ Mormonische Lebenswelten im
Spannungsfeld zwischen Selbstwahrnehmung und medialer Darstellung, Graz, Leykam Verlag, 2010.
Kreye, Andrian: Märtyrer im rechten Glanz, In: Süddeutsche Zeitung, 2001.
Landeskriminalamt
Brandenburg
(Hrsg.):
Okkultismus/Satanismus, Basdorf, 2000.
Polizeilicher
Jugendschutz,
Themenheft
1,
LaVey, Anton Szandor: Die Satanische Bibel, SECOND SIGHT BOOKS, Berlin, 1999.
LaVey, Anton Szandor: The Satanic Bible, Avon, New York, 1976.
LaVey, Anton Szandor: Die satanischen Rituale, SECOND SIGHT BOOKS, Berlin, 1999.
161
LaVey, Anton Szandor: The Devil’s Notebook, Feral House, Venice, 2000.
LeVine, Mark: Headbanging against repressive regimes. Censorship of heavy metal in the Middle East, North
Africa, Southeast Asia and China. Freemuse, Copenhagen, 2010.
Matzke, Peter/Seeliger, Tobias: Gothic! Die Szene in Deutschland aus der Sicht ihrer Macher, 2. ergänzte
Auflage, Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin, 2000.
Molnar, René: Hitlers Headbanger? Rechte Orientierung bei Jugendlichen der Grazer Metalszene,
Abschlussarbeit, Pädagogische Hochschule Steiermark, Graz, 2011.
Mordor, Frater: Das Buch Noctemeron. Vom Wesen des Vampirismus, Bohmeier Verlag, Leipzig, 2007.
Mordor, Frater: Die dunklen Künste. Der Weg der Erwachten, Bohmeier Verlag, Leipzig, 2005.
Moynihan, Michael/Søderlind, D.: Lords of Chaos: The Bloody Rise of the Satanic Metal Underground, Feral
House, U.S., Venice, 1998.
Mühlmann, Wolf-Rüdiger: Der rechte Rand im Black Metal. In: Rock Hard. Nr. 241, Juni, 2007.
Nelson, Cletus: Interview mit Michael Moynihan: From Abraxas to Nietzsche, in: Eye, Sept./Oct. 1999, S. 2735.
o.A., Infernus und Opferblut, In: Der Spiegel, Heft 41, 1994, S. 91f.
Österreichisches Bildungsforum für fördernde und präventive Jugendarbeit (Hrsg.): praev. doc Ausgabe
2/02. Handelsware Gott? Jugendliche Spiritualität zwischen Erlebnishunger und dem Markt der
Möglichkeiten, 2002.
Pickert, Bernd: „Satansmörder“ und Nazi-Musik-Verleger, in Taz, 2001.
Pöhlmann, Matthias (Hrsg.): Sehnsucht nach Verzauberung. Religiöse Aspekte in Jugendkulturen, EZW
Texte 170, Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Berlin, 2003.
Roccor, Bettina: Heavy Metal. Die Bands. Die Fans. Die Gegner, C.H. Beck, München, 1998.
Ruppert, Hans-Jürgen: Satanismus. Zwischen Religion und Kriminalität, EZW-Texte 140, Evangelische
Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Berlin, 1998.
Rüttimann, Vera: Der Tod ist schick, In: Berlin Online, Textarchiv der Berliner Zeitung, 02.06.2001.
Schäfer, Frank: Heavy Metal. Geschichten, Bands und Platten, Reclam, Leipzig, 2002.
Schmidt, Joachim: Satanismus. Mythos und Wirklichkeit, diagonal, Marburg, 1992.
Schröder, Burkhard: Nazis sind Pop, Espresso Verlag, Berlin, 2001.
Schweidlenka, Roman (Hrsg.): Sekten, Satanismus, Esoterik, Retzhof Schriften Nr. 30/2000, Leibnitz, 2000.
Schweidlenka, Roman: Interview mit René Molnar, Geschäftsführer des Jugendkulturzentrums Explosiv,
Graz, 2011.
Schweidlenka, Roman: Satanismus, 5. Auflage, LOGO jugendmanagement, Graz, 2010.
162
Speit, Andreas: Ästhetische Mobilmachung. Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter
Ideologien, Unrast, Hamburg/Münster, 2002.
Stamm, Hugo: Vandalen – inspiriert von dunklen Mächten, In: Tages-Anzeiger, 27.07.2001.
Sterneck, Wolfgang: Der Kampf um die Träume. Musik, Gesellschaft und Veränderung, Komista, Hanau,
1995.
Sünner, Rüdiger: Schwarze Sonne. Entfesselung und Missbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und
rechter Esoterik, Verlag Herder, Breisgau, 1999.
Tandecki, Daniela, Nachtsaiten der Musik, Grauzonen und Braunzonen in der schwarzen Musikszene,
Konrad-Adenauer-Stiftung, Osnabrück, 2000.
Thielke, Thilo: Töten für Wotan, in Der Spiegel, Nr. 38, 2000.
Thornton, Sarah: Club Cultures. Music, Media, and Subcultural Capital. Weslyan University Press, 1996.
Thöne, Leonie Viola: Die Figur Edward Cullen. Moderner Mormonen-Missionar oder Vampir-Romantiker?
Dresden, Entercom Saurus Records KG, 2009.
Walser, Robert: Running with the Devil. Power, Gender, and Madness in Heavy Metal Music, Wesleyan,
Middletown, 1993.
Wahl, Klaus: Aggression und Gewalt. Ein biologischer, psychologischer und sozialwissenschaftlicher
Überblick, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 2009.
Ward, Eric K./Lunsford, John/Massa, Justin: Sounds of Violence; Artikel, SPLC: Intelligence Report, Fall
1999.
Wehrli, Reto: Verteufelter Heavy Metal. Forderungen nach Musikzensur zwischen christlichem
Fundamentalismus und staatlichem Jugendschutz, Telos Verlag Dr. Roland Seim M.A, Münster, 2001.
(Dieses Buch enthält eine weiterführende Bibliographie, die jedem zu empfehlen ist, der intensive Studien
zu dieser Thematik betreiben möchte.)
FILME
Aites, Aaron/Ewell, Audrey : Until The Light Takes Us, Variance Films, 2009.
www.blackmetalmovie.com/moviepage.html
Alvi, Suroosh/Moretti, Eddy: Heavy Metal in Baghdad, Vice Films, 2007.
www.heavymetalinbaghdad.com
Dunn, Sam/McFayden, Scott: Metal. A Headbanger’s Journey, Constantine Film, 2005.
www.metalhistory.com
Dunn, Sam/McFayden, Scott: Global Metal Journey, 2008.
www.globalmetalfilm.com
163
WEBSITES UND ONLINE LITERATUR
Wenn nicht anders angegeben, Stand der Links 2011. „Tote“ Links können teilweise über
www.waybackmachine.org aufgerufen werden.
Infos über Sekten, Kulte und den Psychomarkt, AGPF - Aktion für Geistige und Psychische Freiheit.
Bundesverband Sekten- und Psychomarktberatung e.V: Friedhofsschändung in der Schweiz:
www.agpf.de/Satanismus.htm
Coogan, Kevin, "How Black Is Black Metal?", Hitlist, http://oraclesyndicate.twoday.net/stories/605560/
Nefandus-Interview
www.angelfire.com/ak/tiagoblackmetal/nefandus.html
Heavy Metal and Gender. Köln, 8.-10.10.2009. Bericht von Dietmar Elflein. Herausgegeben im Rahmen von:
SAMPLES: Online-Publikationen des Arbeitskreis Studium Populärer Musik e.V. (ASPM) Hrsg. v. Ralf von
Appen, André Doehring, Dietrich Helms u. Thomas Phleps.
http://aspm.ni.lo-net2.de/samples-archiv/Samples8/tagelflein.pdf
Arbeitskreis Studium Populärer Musik e.V.
www.aspm-online.org
Jens Balzer: Gehirngulasch, Berliner Zeitung.
www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2002/1230/feuilleton/0005/index.html
Breatkout Magazin: Glam/Sleaze-Rock Special, Teil 3
www.breakoutmagazin.de/archiv/aglam3.html
Arthur
Brühlmeier:
Sprachzerstörung
aus
www.bruehlmeier.info/sprachfeminismus.htm
Konzilianz
-
Eine
Umkehr
ist
fällig.
Rainer Fromm: Genese der Black Metal-Subkultur und des Neosatanismus in der Rockmusik, 2003.
www.bundespruefstelle.de/bpjm/redaktion/PDF-Anlagen/bpjm-aktuell-genese-der-black-metal-subkulturund-neosatanismus-in-der-rockmusik-aus-04-03,property=pdf,bereich=bpjm,sprache=de,rwb=true.pdf
Roland Ludwig: Haarus lonugs satanas? – Teil 10 … Die Reihen immer noch fest geschlossen…
www.crossover-agm.de/thema_haarus10.htm
Creem Magazin, Review zu Kingdom Come
www.creemmagazine.com/_site/BeatGoesOn/SirLordBaltimore/KingdomCome001.html
Agentur für soziale Perspektiven e.v. (Hrsg.): Das Versteckspiel.
www.dasversteckspiel.de/Broschuere.html
Doom Metal
www.doom-metal.com/whatisdoom.html
Esoterische Loge „Dragon Rouge”
www.dragonrouge.net
Diskussion im Forum des JUZ Explosiv (2003).
www.explosiv.at/phpBB/viewtopic.php?/topic=354&forum=2&16
164
Broschüre: Grufties gegen Rechts (2003).
www.geister-bremen.de
Burzum:
http://www.burzum.org/
Dagbladet: Varg Vikernes ut på prøve:
http://www.dagbladet.no/2009/03/10/nyheter/innenriks/fengsel/5216306
Deicide-Interview (2003)
www.geocities.com/SunsetStrip/Stadium/6078/deicideint.html
Metalheads gegen Faschismus (2001)
http://home.globalserve.de/-fr2048
Igelmetal, Kutten-Gallerie
www.igelmetal.de/uploads/oldschool/kutten/kutten.htm
Infoladen Wels: Artikel über rechtsextremen Black Metal
www.infoladen-wels.at/print/aktuelles/mehr.php?no=19
Florian Heesch: „Metal for Nordic Men? Amon Amarth’s Representations of Vikings”. In: Niall W.R. Scott und
Imke von Helden (Hrsg.), The Metal Void: First Gatherings. E-Book. Oxford 2010 (Critical Issues).
www.inter-disciplinary.net/publishing/id-press/ebooks/the-metal-void
Katholischer Nachrichtendienst: Kirchenschändungen in Dessau: Waren es Anhänger der Black-MetalSzene?
www.kath.net/detail.php?id=276
Musik Magazin Kerrang!
www.kerrang.com
Folk Metal (Genre)
www.laut.de/Folk-Metal-(Genre),
Slayer: Mord-Anklage gegen die „Totschläger“ fallen gelassen.
www.laut.de/vorlaut/news/2001/01/24/01404
Wordmal of metal. Interactive overview of Metal history and the influential bands.
www.mapofmetal.com
Metalheads against brown insanity (2002)
http://members.tripod.de/tomb/fuckfascism
Encyclopaedia Metallum
www.metal-archives.com/
Official Website for Metal Rules the Globe, a collection of academic essays on heavy metal around the world
edited by Jeremy Wallach, Harris M. Berger, and Paul D. Greene forthcoming on Duke University Press.
www.metalrulestheglobe.com
165
Mother Destruction (2003)
www.motherdestruction.com/archive/archivetop.html
National Socialist Black Metal
www.nsbm.com
Tellurian Battleground Productions und Breath of Night Records Infos:
www.nsbm.org/media/splc_report.html
Radical Music zu Hard Rock
www.radical-music.com/genres_de/rock/hard_rock.html
Totenkopf-Grotto
www.rafa.at/16links2.htm
Medieval Folk Metal (Rate Your Music)
http://rateyourmusic.com/genre/Medieval+Folk+Metal
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www.ref.ch/rna/meldungen/5568.html
Georg Schmid: Satanismus, Evangelische Informationsstelle, 1994.
www.relinfo.ch
Stephen Flowers Infos, 2003.
www.relinfo.ch/tos/info.html
Rusmetal: Interview mit Tremnozor
www.rusmetal.ru/vae_solis/Temnozor.htm
Hendrik Moebus
www.satanskinder.com
Satansmorde
www.satanshimmel.de
Satorius-Interview (2003)
www.schwarzeorden.ch/interview_nlz.htm
Sonja Pohlmann: Frau Doktor Death Metal
www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,608101-2,00.html
Roermond wil onderzoek Russische 'Nazi-Band' (2010)
www.telegraaf.nl/binnenland/5695444/__Onderzoek_naar__nazi-band___.html
Roland Seim: Musik & Zensur, Löhrbach, 2000.
www.telos-verlag.de/seiten/musikzensur.pdf
Dominik Irtenkauf: Metal research. Eine Einführung, o.A.
www.textem.de/2050.0.html
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Dominic Hampshire: Siege Mentality
http://thescorp.multics.org/18siege.html
Lohmann, Johannes: Unheilige Allianzen - Rechter Black Metal in NRW
www.turnitdown.de/526.html
Laibach:
http://www.laibach.nsk.si/
A global organisation of heavy metal advocates
http://worldmetalalliance.com/forum/
Volker Schmidt: Schreiende Frauen stoßen auf Widerstand (2009)
www.zeit.de/kultur/musik/2009-10/metal-gender-kongress
Vaws-Nachrichten: Genwaffe (2003)
www.vaws.de/gen-waffe
Abigor (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Abigor_(Band)
Black Metal (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Black_Metal
Christlicher Metal (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Christlicher_Metal
Crowd surfing (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Crowd_surfing
Death Metal (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Melodic_Death_Metal
Emo (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Emo,
Extreme Metal (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Extreme_Metal
Folk Metal (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Folk_Metal
Hatecore (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Hatecore
Hendrik Möbus (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Hendrik_Möbus
Iron Maiden (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Iron_Maiden
167
Josef Klumb (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Maria_Klumb
Klassische Musik (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Klassische_Musik
Kiss (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Kiss_(Band),
Laibach (Wikipedia)
http://sl.wikipedia.org/wiki/Laibach
http://en.wikipedia.org/wiki/Laibach_(band)
http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Laibach_(Band)
http://de.wikipedia.org/wiki/Laibach_(Band)
Lords of Chaos (Wikipedia)
http://en.wikipedia.org/wiki/Lords_of_Chaos_%28book%29
Marilyn Manson (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Marilyn_Manson
Menegroth (Wikipedia)
http://en.wikipedia.org/wiki/Menegroth_(band)
Metal (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Metal
Metalcore (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Metalcore
Michael Moynihan (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Moynihan
Mjölnir (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Mjölnir
Moshen (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Moshen
National Socialist Black Metal (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/National_Socialist_Black_Metal
Neo Medieval Music (Wikipedia)
http://en.wikipedia.org/wiki/Neo-Medieval_music,
Progressive Metal (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Progressive_Metal
Psychobilly (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Psychobilly,
168
Rockabilly (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Rockabilly
Samael (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Samael_(Band)
Schulmassaker von Littleton (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Schulmassaker_von_Littleton
Schwarze Szene (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Szene
Sleaze Rock (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Sleaze_Rock
Speed Metal (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Speed_Metal
The Electric Hellfire Club (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/The_Electric_Hellfire_Club
Thrash Metal (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Thrash_Metal
Varg Vikernes (Wikipedia)
http://en.wikipedia.org/wiki/Varg_Vikernes
http://ru.wikipedia.org/wiki/Викернес, Варг
Venom (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Venom_(Band)
White Power (Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/White_Power
169
9. WEITERFÜHRENDE MEDIEN
BÜCHER UND ONLINE-LITERATUR
Bardola, Nicola: Bestseller mit Biss. Liebe, Freundschaft und Vampire – alles über die Autorin Stephenie
Meyer, München, 2009.
Chaker, Sarah: „This means war”. Krieg: Zentrales Inhaltsmoment im Black und Death Metal“, in: Annemarie
Firme und Ramona Hocker (Hrsg..): Von Schlachtenhymnen und Protestsongs. Zur Kulturgeschichte des
Verhältnisses von Musik und Krieg, GRIN Verlag, Bielefeld, 2006.
Chaker, Sarah: Black und Death Metal – Eine empirische Untersuchung zu Gewalt, Religion und politischer
Orientierung. Magisterarbeit, 2004.
Cusick, Suzanne G.: „On Musical Performances of Gender and Sex”. In: Elaine Barkin und Lydia Hamessley
(Hrsg.), Audible Traces. Gender, Identity, and Music, Zürich, 1999.
Frith, Simon: Performing Rites. On the Value of Popular Music, Cambridge, Massachusetts, 1996.
Gresh, Lois H.: Alles über Bella und Edward, München, Piper Verlag, 2009.
Herrmann, Britta/Erhart, Walter: „XY ungelöst: Männlichkeit als Performance“, in: Therese Steffen (Hrsg..),
Masculinities – Maskulinitäten. Mythos – Realität – Repräsentation – Rollendruck, Stuttgart, Weimar, 2002
(M&P Schriftenreihe für Wissenschaft und Forschung).
Klosterman, Chuck: Fargo Rock City. Eine Heavy-Metal-Odysee in Nörth Daköta, ROCKBUCH Verlag
Buhmann & Haeseler GmbH, Schlüchtern, 2007.
Koch, Alexandra: Mormonische Vampire? Die Twilight-Saga im Spiegel mormonischer Lehren und
Glaubensgrundsätze. In: Heimerl, Theresia/Feichtinger Christian (Hrsg..): Dunkle Helden. Vampire als
Spiegel religiöser Diskurse in Film und TV, Schüren Presseverlag, Graz, 2010.
Puri, Samir: „Machine Guns and Machine Gun Drums: Heavy Metal’s Portrayal of War“, in: Rosemary Hill und
Karl Spracklen (Hrsg..), Heavy Fundametalisms: Music, Metal and Politics, E-Book. Oxford, 2010 (Critical
Issues). www.inter-disciplinary.net/publishing/id-press/ebooks/heavy-fundametalisms
Walser, Robert: Running with the Devil. Power, Gender, and Madness in Heavy Metal Music. Middletown,
1993 (Music/Culture).
Wahl, Klaus: Aggression und Gewalt. Ein biologischer, psychologischer und sozialwissenschaftlicher
Überblick, Heidelberg, 2009.
Weinstein, Deena: “The Empowering Masculinity of British Heavy Metal”. In: Gerd Bayer (Hrsg.), HeavyMetal
Music in Britain. Surrey, Burlington 2009 (Ashgate popular and folk music series).
(Die Sammlung „Metal Rules the Globe“ (www.metalrulestheglobe.com) wird voraussichtlich Jänner 2012
in Buchform erscheinen.)
170
FILM-DOKUMENTATIONEN:
Aites, Aaron/Ewell, Audrey: Until The Light Takes Us, Variance Films, 2009.
www.blackmetalmovie.com/moviepage.html
AC/DC: AC/DC Back in Black A Classic Album Under Review, Chrome Dreams, 2009.
Alvi, Suroosh/Moretti, Eddy: Heavy Metal in Baghdad, Vice Film, 2007.
www.heavymetalinbaghdad.com
Barker, Emma: Dancing with the Devil, TVF, o. A.
www.factualtv.com/documentary/Dancing-with-the-Devil
Bendjelloul, Malik: The History of Heavy Metal ((Hårdrockens historia), Barracuda Film & Tv, 2001.
Berlinger, Joe/Sinofsky, Bruce: Metallica: Some Kind of Monster, Radical Media, 2004.
www.imdb.com/title/tt0387412/
Bishop, Michael/Jacoby, Scott: Rage - 20 Years of Punk Rock, West Coast Style, o.A., 2001.
www.imdb.com/title/tt0287644/
Carruthers, Dick: Heavy Metal - Louder Than Life, First Look Pictures, 2005.
Sung-hyung, Cho: Full Metal Village, Zorro Film GmbH, 2006.
www.zorrofilm.de/de/profile.php?id=197
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WEBSITES
Arbeitskreis Studium Populärer Musik e.V.
www.aspm-online.org/
Second black metal theory symposium
http://blackmetaltheory.blogspot.com/2010/06/black-metal-theory-symposium-ii.html
A black metal interview project
www.blackmetalrevolution.com/
Der „Metalfilm“ im Überblick
www.filmmusik.uni-kiel.de/KB5/KB5.1-Metalfilm.pdf
Death Metal and the Indian Identity
www.guernicamag.com/features/525/death_metal_and_the_indian_ide_1/
Home of Metal digital archive, a collection of fans memorabilia & stories celebrating music from
Birmingham, UK and The Black Country
www.homeofmetal.com/
A on the Jordanian metal scene
www.jordantimes.com/?news=31240
Forthcoming mega-compilation containing 26 songs by metal bands from South Asia, the Middle East, and
Southeast Asia www.jorzine.com/default.aspx?page=MidEastNews&id=645 &
Informationen zu Jugendszenen
www.jugendszenen.com
Madagascar metal scene (in French)
http://madaloud.com/
The ultimate metal subgenre guide
www.mapofmetal.com
Transcix’s Metal Archive
http://metalarchives.transcix.com/
Metal matters – Heavy Metal als Kultur und Welt
http://metal-matters-conference.blogspot.com/
Official Website for Metal Rules the Globe, a collection of academic essays on heavy metal around the world
edited by Jeremy Wallach, Harris M. Berger, and Paul D. Greene forthcoming on Duke University Press.
www.metalrulestheglobe.com/
Documentary about Aboriginal metal gangs of Australia
www.metalsucks.net/2009/12/23/the-heavy-metal-gangs-of-wadeye/
Website for Heavy Metal Islam/Flowers in the Desert www.meaning.org/hmi_index.html
Diplomarbeit, die Einblick in Entstehung und Werte der Gothic-Szene
www.nonpop.de/nonpop/uploads/5_downloads/schriften/diplomarbeit_schwarze_szene.php
173
Mike
Hill’s
Massive
“The
History
www.thehistoryofmetal.com/images.html#map
of
Metal”
Visualization
Project:
Plattform zur weltweiten Vernetzung von Metal-Fans
http://worldmetalalliance.com/forum/
Soziosemiontik im heavy metal
http://wupperhead.wordpress.com/ABBILDUNGEN
GANZSEITIGE ABBILDUNGEN
Foto S. 1: Veronika Strauß
Fotos S. 4–5: Politische Büros
Grafik S. 10: Veronika Strauß mittels „wordle“ www.wordle.net.
Foto S. 13: Veronika Strauß
Grafik S. 106–107 Eric Lestrade, www.metaluniverse.net
Grafik S. 108: Xtra-Undergroundfashion Katalog „Gothic Dreams“, 10 Jahre Jubiläumsausgabe, 2001,
bearbeitet von Veronika Strauß.
Foto S. 180: Veronika Strauß
FORTLAUFEND NUMMERIERTE ABBILDUNGEN
Abb. 1: http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Szene
Abb. 2: www.evilwalks.com
Abb. 3–4: www.ironmaidencommentary.com
Abb. 5–6: www.officialabyssrecords.com
Abb. 7: www.flickr.com, feinsteinphotos
Abb. 8 http://cceviyxec.blogspot.com
Abb. 9: http://soulmusicmetal.blogspot.com
Abb. 10: http://backstage2.fr
Abb. 11: http://vanrockout.com/?p=1653
Abb. 12: http://jpc.de
Abb. 13-16: http://de.wikipedia.org/wiki/Church_of_Satan und Grafik V.Strauß
Abb. 17: Nordisk familjebok (1904–1926)
Abb. 18: Foto Veronika Strauß
Abb. 19: http://pointersviewpoint.wordpress.com/2010/08/09/top-10-common-hand-symbols/
Abb. 20: Foto Edi Herič; Hair Model: Robert Fuchs
Abb. 21: Foto Veronika Strauß
Abb. 22: www.metaltravelguide.com
174
Abb. 23–24: http://last.fm
Abb. 25–26: http://moviestore.nl
Abb. 27–29: www.nsbm.org/
Abb. 30: www.thepaganfront.com
Abb. 31: www.amazon.com
Abb. 32: Molnar, 2011, S. 35.
Abb. 33: www.thepaganfront.com/bbh
Abb. 34: www.party-san.net
Abb. 35–36: www.metalheadsagainstracism.org
Abb. 37: www.lastfm.jp/user/Cadderly13
Abb. 38: www.netz-gegen-nazis.de/artikel/unklare-distanzierungen-black-metal
Abb. 39: www.metropolis-radio.de
Abb. 40: http://alraaz.blogspot.co.at/2011_04_01_archive.html
Abb. 41: http://en.wikipedia.org/wiki/Billy_Werner
Abb. 42: www.pinterest.at/pin/539165386610079408/
175
10. AUTORENBIOGRAPHIEN
DR. ROMAN SCHWEIDLENKA
geboren 1952 in Wien.
Historiker, zahlreiche Bücher und Artikel, Mitarbeiter an wissenschaftlichen Forschungsprojekten
(gemeinsam mit E. Guggenberger), intensive Referententätigkeit, seit 1996 Leiter der LOGO ESO.INFO.
MAG.A VERONIKA STRAUß
geboren1980 in Graz.
Studium der Volkskunde und Kulturanthropologie in Graz. Förderpreis für wissenschaftliche Arbeiten der AK
Steiermark, Mitarbeit an Forschungspublikationen. Seit 2000 Mitarbeiterin von LOGO in den Bereichen
Jugendinformation & Beratung und Esoterik, Sekten, Okkultismus. Hobbymusikerin. Seit ca. 1999 als aktiver
„Fan“ in der Metalszene. Mitbegründerin und Organisatorin des W:O:A-Forum-Camps. Weitere Infos auf
xing.com.
SIMONE PHILIPP, MA (CO-AUTORIN DER 1. AUFLAGE)
geboren 1976 in Deutschland.
Studium der Klassischen Archäologie, Religionswissenschaft und Kunstgeschichte an den Universitäten
Tübingen und Heidelberg. Abschluss im Herbst 2002 mit dem Titel Magistra Atrium, Thema der
Magisterarbeit: Der Hekate-Kult in der Antike und seine Rezeption im Internet. Mitarbeit an einigen
wissenschaftlichen Lexika und Ausstellungskatalogen.
Durch Textbeiträge waren an der Überarbeitung der 2. Auflage beteiligt:
KATHARINA GANSTER, BA
geboren 1982 in Graz.
Maturathema im Fach Religion: Church of Satan; Studium: Volkskunde, Geschichte und Russisch in Graz.
Seit 1993 Heavy-Metal Fan (Iron Maiden, Manowar, etc.), seit 1996 auch der härteren Gangart (Death Metal,
Black Metal), Interesse für Satanismus und involviert in die Grazer/steirische „Szene“.
MAG. ROLAND FILZWIESER, BA
geboren 1982.
Studierte Geschichte und Skandinavistik in Wien. Diplomarbeit über Gesellschaft und Mythologie des
mittelalterlichen Skandinavien. Seit frühen 90ern großes Interesse an Black-, Viking-, Pagan-, Power- und
Melodic-Death-Metal.
UNIV. DOZ. MAG. DR. BENJAMIN M. GRILJ
geboren 1981 in Graz.
Philosoph, Historiker, seit 2008 im Auftrag der Österreich Kooperation/des OeAD als Dozent für
Kulturwissenschaft an der Universität Czernowitz, Ukraine. Gründer von perspectiv.east, Mitbegründer vom
east center, (teilweise aktives) Mitglied bei unterschiedlichen NGOs, Vorträge und Publikationen im In- und
Ausland zu Themen wie Grenze, Judentum, österreichische Geschichte, Identität und Sprache.
176
ALEX MIKUSCH
geboren 1975.
Diplomsozialpädagoge, Spielpädagoge, Erlebnispädagoge und Outdoortrainer, kurz: Jugendarbeiter. Seit
1994 in verschiedenen Bereichen der offenen Jugendarbeit tätig. Seit 2006 bei Jugendstreetwork Graz. Seit
2003 Obmann Jugendkulturzentrum Explosiv. Mitglied der Plattform gegen antidemokratische Strömungen.
Referententätigkeiten zum Thema Jugendkulturen und Rechtsextremismus.
RENÉ MOLNAR
geboren 1963 in Graz.
Akademischer Jugend- und Soziokulturpädagoge, Geschäftsführer des Jugendkulturzentrums Explosiv.
Fachliche Schwerpunkte: Musik, Gewalt, Unterwanderung der Jugendkulturszene durch rechtsextreme
Kreise. Thema der Abschlussarbeit: Metalszene. Referent für die steirische ARGE Jugend gegen Gewalt in
Schulen und Jugendzentren, Multiplikatorenausbildner.
MAG.A ALEXANDRA KOCH, M. PHIL.
geboren 1980 in Graz.
Studium der Geschichte und Religionswissenschaft an der Universität Graz; Forschungen zur
Österreichischen Geschichte des17.–19. Jahrhunderts und zur medialen Repräsentanz der Kirche Jesu
Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen), sowie zu Fragen des interreligiösen Dialogs.
Projektleiterin (u.a.) bei LOGO jugendmanagement gmbh.
177
DANKSAGUNG
Folgenden Personen möchten wir besonders für die zur Verfügungstellung ihrer Zeit, Geduld und ihres
Fachwissens danken:
Frank Kumnig für das musikgeschichtliche Fachwissen und das sorgfältige Ausdiskutieren von GenreZuordnungen und musikgeschichtlichen Detailfragen.
MMag.a Susanne Sackl für das genaue Lesen und Tipps zu Fachliteratur.
Reaktionen auf diese Fachbroschüre, auch Korrekturen und Ergänzungen, nehmen wir gerne entgegen und
sind bereit, diese bei einer eventuellen weiteren Auflage zu berücksichtigen.
Die Szene ist im Wandel. Für aktuelle Informationen und Mitteilungen sind wir dankbar
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