Aargau Samstag, 1. März 2014 | Nordwestschweiz 25 In mehreren Etappen sollen bis 2018 total 11 Gebäude und ein Parkhaus erstellt werden, die erste Bauphase mit 7 Bauten dauert bis September 2015. Hier wird ein ökologisches Vorzeigequartier gebaut Lenzburg Das neue Quartier «Im Lenz» ist schweizweit das dritte Projekt mit der Zertifizierung als 2000-Watt-Areal VON RUTH STEINER UND FRITZ THUT (TEXT) UND EMANUEL FREUDIGER (FOTOS) Das Unternehmen meint es ernst: Für die schweizweit tätige Immobilienentwicklerin und Totalunternehmung Losinger Marazzi AG ist der Begriff Nachhaltigkeit kein Papiertiger. Die Bestätigung des Besichtigungstermins enthält die freundliche Empfehlung, die Anreise zur Baustelle «Im Lenz» (dem ehemaligen HeroAreal) doch mit dem öffentlichen Verkehrsmittel zu planen. Hier entsteht bis 2018 das schweizweit dritte Quartier, das die Anforderungen an die 2000-Watt-Gesellschaft erfüllen soll. «Ein ehrgeiziges Projekt», weiss René Bäbler, Spezialist für nachhaltiges Bauen bei Losinger Marazzi. In der Schweiz wurden Anfang der 1960er-Jahre letztmals ein Energieverbrauch von 2000 Watt pro Person und Jahr gemessen. Heute will man diesen wieder erreichen, ohne dabei auf den üblichen Komfort zu verzichten. Nach den Projekten GreenCity in Zürich und Erlenmatt West in Basel erhielt mit «Im Lenz» am Donnerstag das dritte Quartier das Label für nachhaltige Stadtplanung und verantwortungsbewusstes Bauen gemäss klar definierten strengen Qualitätszielen. Gewissenhaftes Vorgehen und ein nachhaltiger Umgang mit den Ressourcen fängt jedoch nicht erst beim Quartierbezug an. Standards, die den vorgegebenen fünf Qualitätskriterien an derartige Bauten tatsächlich entsprechen, beginnen viel früher und ziehen sich auf dem Rundgang wie ein roter Faden durch das Geschehen auf der Baustelle. Sicherheitskonform mit Schutzausrüstung ausgerüstet streifen die Besucher in Begleitung von Gesamtprojektleiter Ausführung Nicolas Courtois und Umweltingenieur René In der im Rohbau fertigen Heizzentrale werden in den kommenden Monaten die Heizungen montiert. Bäbler durch das Quartier, in welchem früher Konfitüre gekocht und Ravioli hergestellt, Erbsen und Rüebli in Büchsen abgefüllt wurden. Wir werden Zeuge, wie das über einhundert Jahre alte und sechs Hektar gros- «Es gehört zur Philosophie des nachhaltigen Bauens, dem Quartier seine Identität zu bewahren.» Nicolas Courtois, Gesamtprojektleiter se Industrieareal verschwindet und sich langsam zu einem neuen Stadtquartier wandelt. Energiezentrale im Rohbau fertig Seit rund einem halben Jahr sind die Bauarbeiten im Gang. Beim Rückbau der Gebäude werden die verschiedenen Materialien sortiert und reglementkonform entsorgt. Lärmin- tensive Maschinen haben hier selbstverständlich nichts zu suchen, richtlinienkonforme hydraulische Zangenfahrzeuge fressen sich in das alte Mauerwerk und zerschlagen es in verschiedene Teile. Aus den Fundamenten entstehen die ersten Neubauten. Zu ihnen gehört das Wohn- und Pflegezentrum Seniocare. Mit drei weiteren Neubauten, einer Gebäudeaufstockung der Energiezentrale und einem Parkhaus soll die erste Etappe bis im Herbst 2015 bezugsbereit sein. Symbolisch für die nachhaltige Ausrichtung des neuen Quartiers ist die neue Energiezentrale als erstes Element heute im Rohbau schon fertig gebaut und bereit, mit der notwendigen Infrastruktur bestückt zu werden. Die Grundeigentümerin, die Genossenschaft Elektra Birseck (EBM), wird hier bis im Herbst die Heizung installieren. Betrieben wird sie mit Holzschnitzeln und Biogas – also zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien. Während beim zweiten Energieträger die Lenzburger Die Grundstrukturen der ehemaligen Hero-Verwaltung sind noch erkennbar. VISUALISIERUNG ZVG «Im Lenz» in Zahlen Die Fläche des Areals beträgt 614 Aren. Geplant sind 11 Gebäude mit gut 500 Wohnungen und Gewerbe- und Büroflächen für 800 Arbeitsplätze. SWL Energie AG als Lieferant gewählt ist, ist dieser beim Holz noch offen: «Wir haben hier ebenfalls eine Offerte eingereicht», so SWL-Direktor Markus Blättler zur az. Kurz nach Baubeginn ist die alte Hero bereits Geschichte – bis auf einige markante Details. Unter anderem zwei Gebäudehüllen: Das Verwaltungsgebäude und das Fabrikationsgebäude neben der alten Spenglerei werden saniert und in Wohn- und Geschäftshäuser umgebaut. «Es gehört zur Philosophie des nachhaltigen Bauens, dem Quartier seine Identität zu bewahren», sagt Gesamtprojektleiter Nicolas Courtois. Tatsächlich: Die Geschichte der Hero lebt «Im Lenz» weiter. Blick von der öffentlichen Aussichtsplattform auf das Baufeld für das private Wohn- und Pflegezentrum Seniocare. Die fünf Eckpfeiler des Qualitätsprofils zur Erreichung der 2000-Watt-Areal-Zertifizierung im Lenzburger Quartier «Im Lenz» Management-System Kommunikation Bau und Betrieb Ver- und Entsorgung Mobilität Die Organisation liegt bei der Arealträgerschaft, die vorgängig ein Leitbild mit Zielfestlegung erstellen muss. Es braucht Konzepte für Energie, Klimaschutz und Nachhaltigkeit, wozu auch die Mobilitätsplanung gehört. Um die Verbindlichkeit der Zieleinhaltung sicherzustellen, braucht es ein Messkonzept und Monitoring. Mit verschiedenen Massnahmen soll die Vorbildwirkung breit verankert werden. Von der Besucherplattform an der Sägestrasse können Interessierte den Baufortschritt mitverfolgen. Ein Newsletter orientiert Nachbarn und Stadtbewohner über die Meilensteine und Hintergründe des 2000-Watt-Quartiers. Baumaterialien und Ressourcen werden so ausgewählt, dass möglichst wenig Graue Energie anfällt. Gerade bei den Materialien schaut man schon jetzt auf den Lebenszyklus: Sortenreinheit erleichtert dereinst das Recyclieren. Bei Wärme und Elektrizität wird auf höchste Effizienz geachtet. Die Abwärme soll durch Anergie-Netze ideal genutzt werden: Wärme und Kälte werden wie die Elektrizität von sogenannt erneuerbaren Quellen gespeist. Die Wasser- und Abfallbewirtschaftung erfolgt nachhaltig: Die Biomasse wird genutzt. Ganz generell ist man in diesen Bereichen offen für innovative Lösungen. Auf dem Areal wird eine Verkehrsreduktion angestrebt: Dies wird durch attraktive öffentliche Räume erreicht. Der Langsamverkehr (Fussgänger und Velofahrer) bekommt ein optimales Netz (wenige Stufen). Beim öffentlichen Verkehr wird Wert auf ein hochwertiges Angebot gelegt. Die Nähe zum Bahnhof ist ein Plus.