3. Platz - Laudatio Deutschstunde

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LAUDATIO
INTHEGA-Preis „DIE NEUBERIN“ 2015
3. Platz
a.gon Theater GmbH München
Deutschstunde
Was wiegt schwerer - Pflichterfüllung oder Menschlichkeit? 1968, inmitten der
Studentenunruhen, erschien der Roman „Deutschstunde“ von Siegfried Lenz, der
sich mit der pervertierten Moral der Vätergeneration befasste und die fatalen Folgen
eines unkritischen Pflichtbewusstseins in der NS-Zeit beleuchtete. Der Roman
machte Siegfried Lenz weltberühmt. Für viele Generationen von Schülern wurde er
zur Pflichtlektüre, bis heute ist das Thema aktuell.
Stefan Zimmermann hat das Potenzial dieses Stoffes für die Bühne erkannt. In seiner
Inszenierung verdichtet er die beiden Zeitebenen und Handlungsstränge, zeigt auf
der einen Seite die Gegenwart des Siggi Jepsen, der einen Aufsatz über die Freuden
der Pflicht schreiben soll, auf der anderen Seite die ihn belastende Vergangenheit
des Vaters, der als Dorfpolizist pflichtbewusst selbst seinen Freund und Lebensretter
verraten hat.
Auf der zweigeteilten Bühne entwickelt Zimmermann in sieben Bildern die
kammerspielartigen Szenen mit dramatischen Lichteffekten, immer wieder eingeleitet
durch symbolkräftige Schattenbilder, akustisch untermalt von Möwengeschrei und
Schiffshupen. Der Regisseur orientiert sich dabei eng an Sprache und Dramaturgie
der Vorlage und schafft es, die Thematik des Romans beindruckend direkt und
unverfälscht auf die Bühne zu bringen.
So nimmt es nicht Wunder, dass Siegfried Lenz die Theaterfassung von Stefan
Zimmermann als erste und sogar ohne Änderungen autorisierte. Lenz verstarb
tragischerweise genau vier Wochen vor der Uraufführung, so dass er die gelungene
Bühnenumsetzung seines Romans nicht mehr erleben konnte.
Zum großen Erfolg der Inszenierung des a.gon Theaters trägt in hohem Maße das
hervorragend und homogen agierende neunköpfige Ensemble bei, allen voran Max
Volkert Martens als Nansen, Stefan Rehberg als Jens Ole Jepsen und Florian Stohr
als Siggi.
Die Deutschstunde ist ein eindrücklicher Theaterabend, der seine Wirkung auch bei
Jugendlichen nicht verfehlt. Mucksmäuschenstille Schüler, die gebannt bekennen,
dass sie wieder und auch ohne Klasse ins Theater gehen wollen, sind ein sicherer
Indikator für die gelungene Vermittlung eines schwierigen Stoffes. Auch die Kritiken
überschlagen sich, sprechen von „Theater im besten Sinn“, einem „starken und
sehenswerten Stück“, einer „Weltpremiere ersten Ranges“. Ein INTHEGA-Mitglied
hat das einhellige Lob bei der Stimmvergabe sehr schön auf den Punkt gebracht:
„Eine perfekt ausgelotete Adaption. Einfach grandios.“
Die Mitglieder der INTHEGA zeichnen diese außergewöhnliche Leistung der
a.gon Theater GmbH München mit dem 3. INTHEGA-Preis „Die Neuberin“ aus.
Sabine Haas
INTHEGA-Vizepräsidentin
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