a.gon münchen T h e a t e r a u s Le i d e n s c h a f t Siegfried Lenz Deutschstunde Programm Uraufführung Deutschstunde Foto: Ingrid von Kruse - Hoffmann und Campe Schauspiel nach dem Roman von Siegfried Lenz Bühnenfassung von Stefan Zimmermann Max Ludwig Nansen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Max Volkert Martens Siggi Jepsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Florian Stohr Jens Ole Jepsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Stefan Rehberg Ditte Nansen | Gudrun Jepsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Nicole Spiekermann Wolfgang Mackenroth | Hinnerk Timmsen . . . . . . . . . . . . .Benedikt Zimmermann Hilke Jepsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Stefanie Schuster Direktor Himpel | Okko Brodersen | General Tate . . . . . . .Michael Althauser Karl Joswig | Dr. Gripp | Landeskommissar . . . . . . . . . . . . .Georg Luibl Kurt Nickel | Klaas Jepsen | Mann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Fabian Stromberger Inszenierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Stefan Zimmermann Bühnenbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Peter Schultze Kostüme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Nikole Gerlach Licht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Jörg Poltersdorf Regieassistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Sabine von Maydell Hospitanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Lara von Zastrow Technik, Bühne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Jörg Poltersdorf Maske . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Belinda Heller Disposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Johannes Pfeifer Bau des Bühnenbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Christian Kern Tourneeleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Belinda Heller/Anne Gollasch Spieldauer etwa 140 Minuten inklusive einer Pause nach etwa 80 Minuten Siegfried Lenz (1926 – 2014) „In unserer Welt wird auch der Künstler zum Mitwisser.“ 2 Eine Produktion der a.gon Theater GmbH München Uraufführung am 4. November 2014 in Lahr/Schwarzwald Aufführungsrechte: Rowohlt Theaterverlag Reinbek 3 Deutschstunde Eine Besserungsanstalt für Jugendliche 1954: der 20-jährige Siggi Jepsen soll einen Aufsatz schreiben über „Die Freuden der Pflicht“. Zunächst bleibt das Papier leer, doch dann kann Siggi kein Ende finden – Heft um Heft füllt sich. Zu sehr beschäftigt ihn, was er als Kind und Jugendlicher während des Krieges erleben musste. Sein Vater, der Dorfpolizist Jens Ole Jepsen, hatte seinen Jugendfreund, den als „entartet“ gebrandmarkten und mit Berufsverbot belegten Maler Max Ludwig Nansen, im offiziellen Auftrag bespitzelt, überwacht und denunziert. Pflichterfüllung ging vor Menschlichkeit. Selbst nach dem Ende des NS-Regimes verfolgte Jepsen den Maler beharrlich weiter – seine Mission schien keinen Auftrag mehr zu brauchen. Siegfried Lenz wurde nicht nur zum genialen Denker über die deutsche Nazi-Diktatur, er wurde auch zum menschlichen Botschafter zwischen dunkler Vergangenheit und demokratischer Gegenwart – vor allem mit der Deutschstunde, in der er das Unvorstellbare vorstellbar machte, getreu seinem Motto: „Ich schreibe, um die Welt zu verstehen“. Vorlage für die Figur des Malers ist der berühmte Expressionist Emil Nolde, der in der Gegend lebte und mit Berufsverbot belegt war. 4 5 Bei den Proben im Oktober 2014 Fotos: a.gon Theater München 6 7 Das Ensemble Jepsen: „Ich muss dich darauf aufmerksam machen, dass du dich im Ton vergreifst. Es könnte eines Tages Folgen für dich persönlich haben.“ Max Volkert Martens Nansen: „Im Kopf jedenfalls kann man keine Haussuchung machen. Was da hängt, hängt sicher. Aus dem Kopf, da könnt ihr nichts konfiszieren. Sag mir Bescheid, wenn du was entdeckt hast. Wenn das Papier Farbe bekennt unter deinem Blick.“ Siggi Jepsen: „Hier wird uns doch etwas vorgemacht. Weil man sich selbst nicht verurteilen möchte, schickt man andere hierher: die Jungen. Das gibt Erleichterung. Das befreit.“ stammt aus Schleswig-Holstein und begann nach dem Schauspielstudium bei den Regisseuren Hans Neuenfels und Peter Palitzsch an den Städtischen Bühnen Heidelberg und dem Staatstheater Stuttgart. Spätere Engagements führten ihn nach Essen, ans Düsseldorfer Schauspielhaus, das Residenztheaer München, das Staatstheater Hannover, zu Pina Bausch in Wuppertal, ans Berliner Schillertheater und an die Freie Volksbühne (West). Nach vielen Klassiker-Rollen stellten zeitgenössische Autoren für ihn mehr und mehr die interessanteren Aufgaben. Seit Mitte der 1970er Jahre arbeitet er ebenso regelmäßig vor der Kamera. Durch Serien wie Tatort oder Ein Bayer auf Rügen oder auch Alarm für Cobra 11 wurde Martens sehr bekannt. Außerdem arbeitet er für den Hörfunk, hält Lesungen und nimmt Hörbücher auf. Für a.gon war er bereits in Ohne Gesicht mit Diana Körner auf Tournee. Direktor Himpel: Florian Stohr Nansen: „Willst du meine Bilder verhaften?“ Jepsen: „Ich tu nur meine Pflicht, Max. Nur dass sie sehen, ich hab meine Pflicht getan.“ Nansen: „Es kotzt mich an, wenn ihr von Pflicht redet. Immer wenn ihr von Pflicht redet, müssen sich andere auf etwas gefasst machen.“ geboren in Halle an der Saale, studierte Schauspiel an der Otto-FalckenbergSchule München und am Konservatorium der Stadt Wien. Während des Studiums wirkte er in verschiedenen Produktionen am Theater in der Josefstadt, im Musikverein Wien, dem Theater in der Drachengasse und in der Garage X mit. Er ist zweimaliger Fidelio-Preisträger und arbeitete als Sprecher für OE1, Bayerischer Rundfunk, Cornelsen Verlag und DeutschlandRadioKultur. Gastengagements führten ihn ans Landestheater Linz, das Tiroler Landestheater Innsbruck, das Theater der Jugend Wien, das Volkstheater Wien, zu den Salzburger Festspielen und ins Ensemble des Salzburger Landestheaters. Foto: Severin Koller „Jetzt wirst du allgemein, Siggi.“ Gudrun: „Manchmal denke ich, Max soll sich freuen über das Da malt doch die Krankheit mit. Hilke: „Aber im Ausland ist er gefragt, da gilt er was.“ Mackenroth: „Max Ludwig Nansen wurde kurzzeitig verhaftet. Welche Rolle spielte dein Vater dabei?“ Siggi: Stefan Rehberg bewegt er sich seit über fünfzig Jahren auf Bühnen. Mit einer Maus im Gestiefelten Kater „debütierte“ er als Fünfjähriger. Kind zweier Schauspieler, wuchs er quasi im Theater auf. Nach kurzen Umwegen fand dann auch er sich spielend auf Bühnen wieder. Schwerin, Frankfurt/Oder, Oldenburg, Ulm, Bielefeld, Bochum, Hersfeld, Wuppertal, Düsseldorf und Wien sind einige Stationen seiner Laufbahn. Klaus Tews, Christoph Schroth, Andreas Kriegenburg, Helm Bindseil, K.D. Schmidt, Dieter Reible, C.H. Risse, Peter Lotschak, Ralf Ebeling, Amelie Niermeyer und Paulus Manker sind als ihm wichtige Regisseure und Arbeitspartner zu nennen. Bei a.gon ist er auch zu sehen in Zuviel Liebe und in König Ödipus. „Was ich weiß, das möchte ich auch gerne sagen...“ 8 9 Foto: M. Kell Verbot. Wenn man sich so ansieht, welche Leute er malt: die grünen Gesichter, diese verwachsenen Körper, all dieses Fremde. Michael Althauser Noch vor Beendigung der westfälischen Schauspielschule Bochum holte Hans Hollmann sie an das Düsseldorfer Schauspielhaus, wo sie über viele Jahre engagiert war. Sie spielte u. a. unter seiner Regie die Lucile in Dantons Tod und bei Karin Beier die deutsche Erstaufführung von Taboris 25. Stunde. Engagements an den Bühnen der Stadt Bonn und dem Schauspiel Frankfurt folgten; einer der Höhepunkte ihrer künstlerischen Arbeit ist bis heute die Maria in Die Frauenfalle mit dem unvergesslichen Peter Palitzsch. In Rolf Silbers Fernsehspiel Ein unmöglicher Lehrer spielte sie an der Seite von Sebastian Koch und im Zuge der Hauptrolle in der Fernsehserie Kriminaltango kam sie nach München, wo sie auch am Volkstheater die Laura in der Glasmenagerie spielte. Bei a.gon war sie erstmals zu sehen als beeindruckende Iokaste in König Ödipus, 2015 gefolgt von Antigone. ist Schauspieler und Sprecher. Zu seinen bisherigen Theaterstationen zählen Nürnberg, Erlangen, Hof, Heidelberg und natürlich München. Wichtige Regisseure waren Hansjörg Utzerath, Stefan Otteni, Hans Hirschmüller und Jörg Hube. Klassikfans ist er auch als langjährige Stimme beim Bayerischen Rundfunk bekannt. Bei a.gon war er erstmals in der Spielzeit 2012/13 als Bote und Priester in König Ödipus auf Tournee. Auch in Antigone und König der Herzen kann man ihn auf a.gon-Tournee erleben. Benedikt Zimmermann Georg Luibl hat 2012 sein Schauspielstudium an der Bayerischen Theaterakademie August Everding abgeschlossen. Mit seinem Jahrgang gewann er den Bayerischen Theaterpreis 2012 für das beste Ensemble; in der preisgekrönten Inszenierung von Büchners Woyzeck spielte er den Doktor. Das erste Engagement führte ihn an das Stadttheater Erlangen, wo er zwei Jahre als festes Mitglied des Ensembles in vielen Produktionen zu sehen war. Unter anderem war er auch als Pianist tätig, so z. B. in Der große Gatsby, in dem er den George Wilson spielte und zwischen Orchestergraben und Bühne wechselte. Das Stück wurde 2013 von der Stadt Erlangen ausgezeichnet. Neben seiner Theaterarbeit spielt Benedikt auch immer wieder Fernsehrollen, etwa in München 7 (Regie: Franz Xaver Bogner – ARD) oder in Die Gruberin (Regie Thomas Kronthaler – ZDF). ist Schauspieler und Regisseur. Zu seinen Stationen gehören u. a. das Residenztheater München, das Düsseldorfer Schauspielhaus, die Staatstheater Kassel und Wiesbaden, das Münchner Volkstheater und die Städtischen Bühnen Bielefeld. Als Gast spielte er u. a. in Bremerhaven, Freiburg, Dortmund, und zuletzt häufiger in Luxemburg und bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen. Mit a.gon war er in Volpone – Der Fuchs von Venedig, Liebesträume, König Ödipus auf Tournee. 2015 wird sich die Antigone anschließen. Stefanie Schuster Fabian Stromberger geboren auf den östlichen Ausläufern der schwäbischen Alb in Aalen, studierte von 2008 bis 2012 an der Berliner Schule für Schauspiel. Während des Studiums spielte sie unter der Regie von Burkhard Seidemann in Don Quichotte u. a. bei einem Festival in Arezzo/Italien. Ihr Debüt gab sie als Res in Der arme Konrad am Theater Lindenhof. Im HAU 1 in Berlin war sie als Gast in einer Inszenierung von John Cages Europera 3 zu sehen. Neben Arbeiten als Synchronsprecherin (u.a. für Homeland und The Mentalist) steht sie 2014 zum ersten Mal für einen Tatort am Bodensee vor der Kamera. wurde 1986 in Darmstadt geboren und erhielt seine Schauspielausbildung an der Bayerischen Theaterakademie August Everding in München. Während des Studiums spielte er u. a. am Metropoltheater München in Jochen Schölchs Inszenierung des Woyzeck die Titelrolle, gastierte am Theater in der Josefstadt in Wien und trat in München mit seinem eigenen Chansonabend auf. Zahlreiche Lesungen hatte er mit C. Bernd Sucher, u. a. mit Senta Berger und Ingrid Resch. Nach dem Schauspielabschluss 2012 war er bis 2014 Ensemblemitglied des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden und dort u. a. als Maik in Tschick, als Lysander in Ein Sommernachtstraum, als Pjotr in Gorkis Die Letzten, als Merkur in Amphitryon, sowie als Josch K. in der Uraufführung von John von Düffels Weltkrieg für alle zu sehen. 10 11 Foto: Christian Hartmann Nicole Spiekermann Foto: Janine Guldener Das Ensemble Bühnenfassung und Inszenierung Stefan Zimmermann Die Schulzeit verbrachte Stefan Zimmermann in Trier, wo er 1979 die Hochschulreife erlangte. Als Jugendlicher trat er im Stadttheater Trier in ersten Rollen auf. Er erhielt Schauspielunterricht durch Herbert Steiniger, ein ehemaliges Ensemblemitglied am Kölner Schauspiel. Von 1992 bis 1999 studierte Zimmermann an der Fernuniversität Hagen Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Geschichte und Rechtswissenschaft und schloss das Studium mit dem Magister artium ab. Seine Magisterarbeit behandelt Das Verhältnis von Schauspielkunst und Drama in Lessings Dramaturgie und Dramatik (1999). 1981 wurde Stefan Zimmermann als Schauspieler an das Theater Aachen engagiert, wo er bis 1985 im festen Engagement blieb. 1986 wechselte er an die Wiener Kammeroper und assistierte dort Fritz Muliar und George Tabori. Er betreute als Dialogregisseur und Dramaturg Opernproduktionen, u. a. in Der Bajazzo. 1987 wechselte Zimmermann nach München, wo er zunächst als Schauspieler arbeitete. Das Residenztheater engagierte ihn für Heinrich oder die Schmerzen der Phantasie. Anschließend wurde er für Fernsehrollen besetzt und erhielt Stückverträge für verschiedene Rollen und Theater. Nach weiteren Regieassistenzen (u. a. bei August Everding und Ingmar Bergman) inszenierte er 1989 erstmals Loriots dramatische Werke am Fritz Rémond Theater in Frankfurt am Main. Weitere Loriot-Inszenierungen folgten zwischen 1991 und 2012, mehrmals auch in der Münchner Komödie im Bayerischen Hof, 1993 in Berlin, 2003 in Heilbronn, 2005 in Stuttgart, 2008 in Köln und 2008 nochmals in Berlin am dortigen Schillertheater, zum 85. Geburtstag des Autors Vicco von Bülow alias Loriot. Stefan Zimmermann arbeitete bis 2005 als freier Regisseur und Schauspieler. Seit 1991 inszenierte er Gebranntes Kind sucht das Feuer, Frau Warrens Gewerbe (George Bernard Shaw, Tournee), Fisch zu viert (Kriminalkomödie im Bayerischen Hof in München), Die doppelte Verführung (Pierre Charlet de Marivaux, Tournee), Der Kirschgarten (Anton Tschechow) mit dem damals 98-jährigen Johannes Heesters als Diener Firs im Münchner Metropoltheater; zugleich die Gründungsproduktion des a.gon Theaters 2002. 2003 inszenierte er mit Heiner Lauterbach und Uwe Ochsenknecht Ein seltsames Paar von Neil Simon in München (Komödie im Bayerischen Hof ), Berlin (Komödie am Kurfürstendamm) und Hamburg (Winterhuder Fährhaus). Weitere Inszenierungen folgten am Landestheater Schwaben (Süßer Vogel Jugend, Der Geizige, Der Widerspenstigen Zähmung), am Fritz-Rémond Theater Frankfurt (Pariser Hasenjagd, Freunde zum Essen), am Stadttheater Heilbronn und an den Schauspielbühnen Stuttgart. Bühnenbild Peter Schultze Seit 2006 arbeitet Peter Schultze als Bühnen- und Kostümbildner am Bayerischen Staatsschauspiel München. 2007/2008 war er Gastdozent für CAD in der Bühnenbildklasse der Akademie der Bildenden Künste München. Peter Schultze arbeitet seit vielen Jahren kontinuierlich an der Münchner Staatsoper und dem Münchner Staatsschauspiel, wo er u. a. langjähriger Assistent des legendären Bühnenbildners Jürgen Rose war. Er hat gearbeitet mit Regisseuren wie: Thomas Langhoff, Dieter Dorn, Jörg Hube, Elmar Goerden, Stefan Hunstein, Urs Widmer u. v. a. In den letzten Jahren entstanden Ausstattungen für die Bayerischen Staatstheater u. a. : Ein Monat in Dachau, Himmel sehen, Offener Vollzug (Gerhard Polt), Gesellschaft (Beckett), Erdbeeren im Winter u. a. Für a.gon stattete er Der Seefahrer, König Ödipus und Zuviel Liebe aus, außerdem die Multimedia-Lesung Als bliebe ich am Leben. Kostüme Nikole Gerlach Die gelernte Schneiderin und Assistentin für Mode und Design hat sich durch variationsreiche Engagements bei Theater, Musical und Film erfolgreich entwickelt und sich immer wieder neuen Herausforderungen gestellt. Seit vielen Jahren ist sie tätig als Modedesignerin, Kostümschneiderin und Kostümbildnerin, unter anderem für das Theater des Ostens, die Hff-Konrad Wolf, die Bad Hersfelder Festspiele, die Berliner Kammeroper und unter anderem für das Musical Die Päpstin bei der Spotlight Musicalproduktion. Für a.gon war sie bereits tätig bei Mr. & Mrs. Nobel, beim Musical Drei Haselnüsse für Aschenbrödel, Zuviel Liebe und beim Musical Queen of Rock. Ab 2005 wendete sich Stefan Zimmermann ganz dem a.gon Theater zu, welches seit eben jenem Jahr als GmbH geführt wird. Er inszenierte von da an hauptsächlich für a.gon-Gastspiele in Deutschland, Österreich und der Schweiz: • Verzauberter April (DEA) • Schlussbilanz • Liebeslügen • Wege mit Dir • La Strada • Der kleine Lord (UA, Musical) • Mandela – Das Musical (UA) • Die verlorene Ehre der Katharina Blum • Zusammen ist man weniger allein (UA) • Volpone • Der Seefahrer • Ohne Gesicht • König Ödipus • Queen of Rock (UA, Musical) 2012 bearbeitete er den Roman Deutschstunde von Siegfried Lenz für die Bühne – Uraufführung am 4. November 2014 in Lahr. Die Theaterarbeit für kleine bis mittelgroße Städte, die aus ihrem Kulturetat fertige Produktionen einkaufen, beschäftigte Stefan Zimmermann auch verstärkt als eigenes kulturpolitisches Aufgabengebiet. Er war 2010 Gründungsmitglied des Vereins Die Theaterinitiative e. V., der unter anderem für den Erhalt des Gastspieltheaters auf öffentlich-rechtlicher Grundlage eintritt und dessen Vorsitzender er ist. Stefan Zimmermann lebt in München. 12 13 14 9 Nicole Spiekermann: „Das zweifellose spannende an dieser Doppelbesetzung – für mich als Schauspielerin ebenso, wie für den Zuschauer –, ist das gleichzeitige Erleben von der Täter- als auch der Opferposition; die Sichtbarwerdung der konkreten Auswirkung eines fehlgeleiteten Handelns für die in Mitleidenschaft Gezogenen. Ursache und Wirkung folgen offenkundig aufeinander; die Angst vor dem „Fremden“,und die Furcht vor dem damit verbundenen, noch tiefer in der Angst verankerten Kontrollverlust führen genau zu dem Entstehen, das es scheinbar zu verhindern gilt: die so benannte „Entartung“ „Entmenschlichung“, wie ich es bezeichnen möchte, ist die Folge dieser Angst und existiert heute, Jahrzehnte nach diesem Teil unserer deutschen Geschichte in ebenso immer noch erschreckendem Ausmaß. Unsere Furcht vor dem Fremden läßt die Unmenschlichkeit in unserer Gesellschaft einen geduldeten Platz einnehmen, der nicht länger hinnehmbar ist. „Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern der Triumph über sie.“ Nelson Mandela Michael Althauser: „Direktor Himpel ist eine Figur, die mir beim Lesen des Romans sehr sympathisch war: freundlich, mit seinen Chorkompositionen beschäftigt, fürsorglich in seinem Wunsch, den Jungs in der Anstalt eine Ausbildung angedeihen zu lassen. Während der Proben zeigte sich mehr und mehr, daß Himpel seine Schattenseiten hat: Schatten, die er gerne über der Vergangenheit ausbreiten will. Die soll möglichst ruhen und schon gar nicht möchte Himpel sie durch Siggi ans Licht gezerrt sehen. Wahrscheinlich findet sich der Chorkomponist Himpel auf der Mitgliederliste der NS-Reichsmusikkammer. Direktor Himpel entpuppt sich im Lauf unserer Geschichte immer deutlicher als Repräsentant der Adenauer-Ära, wo bohrende Frager, wie Siggi einer ist, nicht gerne gesehen sind. Der Postbote Brodersen war für mich in der Erarbeitung vor allem deshalb reizvoll, mir als Süddeutschem einen „norddeutschen Torfgeruch“ anzueignen: die Sprache, das (Wort-)Karge, ein in Florian Stohr: „»Warum sind sie so verstiegen in die Erfüllung einer übernommenen Aufgabe?« fragt sich Siggi zum Ende seines Aufenthalts in der Besserungsanstalt, in der er besessen seine Eindrücke und Erinnerungen niederschreibt – für die sich aber niemand interessiert. Ein allein gelassener Junge, der früh erwachsen wurde, die Welt reflektiert wie kaum ein anderer und seiner unsicheren Zukunft gegenübersteht. Es ist eine spannende Aufgabe und Herausforderung diese Rolle zu spielen und sich siebzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges mit dem Thema der Aufarbeitung des Nationalsozialismus zu befassen. Heilt die Zeit wirklich alle Wunden? 16 der Landbevölkerung verwurzeltes Gefühl für Recht und Unrecht, Maß und Maßlosigkeit. Und die angenehme Eigenschaft, das direkt und schnörkellos zum Ausdruck zu bringen. Ich stelle mir vor, Brodersen hat seinen Arm im Ersten Weltkrieg verloren, und aus diesem Verlust die richtigen Lehren gezogen.“ gegenüber sah. Zusätzlich lassen sich für die Figur des Joswig viele Anregungen aus dem Roman holen, in dem er in seinen Haltungen, Stimmungen, Stärken und Schwächen sehr schön beschrieben ist. Eine lohnende Aufgabe, diese in kurzen Auftritten über das ganze Stück verteilt auf den Punkt zu bringen; dazwischen immer wieder als andere völlig unterschiedliche Personen wie dem alten Doktor oder dem mit englischem Akzent gesprochenen Landeskommissar aufzutreten.“ Benedikt Zimmermann: „Ich halte Mackenroth für einen aufstrebenden jungen Psychiater, der sich bei der Wahl seines Studiums, welches ja noch nicht abgeschlossen ist, sicherlich bewusst war, dass er nun in eine stark kriegstraumatisierte Gesellschaft Einblick erhalten wird. Außerdem sehe ich ihn als denjenigen an, der den größten Bezug zu Siggi hat und am ehesten versucht die Probleme des Jungen zu verstehen, wenn auch persönliche Interessen mit einhergehen, sich mit Siggi einen interessanten Fall für die Diplomarbeit ausgesucht zu haben. Timmsen ist wohl das Kommunikationszentrum im Ort. Durch seine Rolle als Wirt vom Wattblick hat er immer die Übersicht über das Geschehen. Er ist ein Mensch voller Visionen, der sich leicht für Dinge begeistern lässt und ein Faible für spektakuläre Geschichten hat.“ Stefanie Schuster: „Inwieweit besteht für eine heranwachsende junge Frau die Möglichkeit, sich in einem familiären Korsett zu entfalten? Wenn zusätzlich zu den kleinbürgerlichen Konventionen auch eine rechte politische Gesinnung und Fanatismus herrschen, wird es beinahe unmöglich zu atmen. Nicht für Hilke Jepsen. Ihre familiäre Rebellion ist oft still. Jedoch weiß sie genau, wie sie bekommt, was sie für sich braucht. Ihre Sehnsucht nach dem „echten“ Leben im einfachen Rugbüll bliebe unbefriedigt, wäre da nicht Max Nansen. Indem er sie malt, erfüllt sich für Hilke zum ersten Mal ein Gefühl von Freiheit und davon, Teil eines Größeren zu sein.“ Stefan Rehberg: „Was sagt/schreibt man zu einer Figur, der Pflicht alles ist, pflichtversessen also, und die man doch als Betrachter letztlich nur pflichtvergessen nennen kann? Pflichtvergessen, weil die eigene Pflicht – die innere Stimme, das Gewissen – schweigt. »Pflicht: wo man liebt, was man sich befiehlt.«* Ja, der geheime Rath Goethe wusste Bescheid. Aber selbst befohlen war bei dem Polizeimeister Jepsen doch eher nichts. Oder? »Die Freiheit besteht in erster Linie nicht aus Privilegien, sondern aus Pflichten.«** wusste anderthalb Jahrhunderte später der große Albert Camus. Hätte er das unterschrieben, der Jens Jepsen? Oder doch nur bestens missverstanden? Noch einmal Camus: »Der Mensch ist nichts an sich. Er ist nur eine grenzenlose Chance. Aber er ist der grenzenlos Verantwortliche für diese Chance.« *** Und dem ist nun, wie ich finde, kaum etwas hinzuzufügen...“ Fabian Stromberger: „Wie fühlt sich ein junger Soldat, der nicht nur dem Tod auf dem Schlachtfeld zu entrinnen versucht, sondern sich auch vor den eigenen Eltern verstekken muss, um zu überleben? Was hat ein junger Artist erlebt, um voller Hass zu sein auf seine Umwelt, vor allem auf diejenigen, die sein unrechtes Verhalten bestrafen wollen, und wie behandelt er sie? Es ist eine Freude, diese spannenden Figuren zu erforschen.“ Georg Luibl: „Es macht grundsätzlich großen Spaß, mehrere ganz unterschiedliche Rollen in einem Stück zu spielen. In meiner größten, durchgängigen Rolle des Wärters Karl Joswig verkörpere ich die Gegenseite meiner eigenen Schulzeit in einem klösterlichen Internat, in dem ich selber mich der dort praktizierten sogenannten schwarzen Pädagogik * Goethe: Maximen & Reflexionen ** A. Camus: Brot und Freiheit 1953 *** A. Camus: Tagebücher 1935-1951 (Eintrag vom November 1945) 17 Foto: Sebastian Foscher » Max Volkert Martens: „Was für ein mutiges Unterfangen, die Deutschstunde zu dramatisieren und sie auf die Bühne zu bringen! Als Stefan Zimmermann mir die Rolle des Malers Nansen anbot, zögerte ich mit meiner Zusage keinen Moment… War es für mich doch einer der wichtigsten Romane der Nachkriegszeit, der jungen BRD. Er spielt direkt in meiner engsten Heimat. Ich kenne die Menschen, die Siegfried Lenz beschreibt, jeden ihrer Zwischentöne, ich bin dort unter ihnen aufgewachsen, sie haben mich mit geprägt. Künstlerische Naturen wie Nansen leiden unter der Phantasielosigkeit ihrer provinziellen Umgebung, ohnehin immer und überall, nicht nur in Norddeutschland, aber unter dem Diktat eines totalitären Regimes verschlimmert sich alles, nichts geht mehr …und das Drama beginnt. Nansen ist keine namentlich konkrete, historische Figur der deutschen Kunstgeschichte. Nansen ist ganz allgemein zu verstehen als der kreative Mensch, der seinen Empfindungen und Eingebungen folgen möchte, der persönliche Schaffensprozesse nicht von äußerlichen Moral- und Pflichtvorstellungen drangsalieren lassen will. Er gehört zum glücklicherweise immer wieder vorhandenen menschlichen Freiheitspotential, das gegen jede Art von Unterdrückung Mut hat, aufzubegehren. Eine zutiefst humanistische Figur. Ein Spiel der Erinnerung Siegfried Lenz Stefan Zimmermann über das Stück und seine Inszenierung Ich werde oft gefragt, warum ich die Deutschstunde auf die Bühne bringen wollte. Als ich das Buch vor ungefähr drei Jahren aus meinem Bücherschrank nahm, wollte ich nur einen Roman wiederentdecken, den ich als junger Mann gelesen hatte. Tatsächlich entdeckte ich ihn völlig neu. Ich hatte den Eindruck, dass dieser große Roman des 20. Jahrhunderts nicht nur nicht alt, sondern sogar ein Roman des 21. Jahrhunderts geworden ist. Für eine Theaterbearbeitung eignete er sich bestens. Das Theater kann Literatur verdichten, einzelne Passagen unter ein Brennglas legen und bestimmte Zusammenhänge in den Mittelpunkt rücken. Den Realismus des Films benötigt die Bühne nicht. Die Theaterinszenierung erlaubt eine Schnitt- und Montagetechnik, die einzelne Handlungsstränge betonen kann. Eigentlich handelt es sich also um ein Stück Deutschstunde, welches zum Stück wird. Es wurde ein Spiel der Erinnerung: Siggi Jepsen erinnert sich in seiner Einzelzelle an das Geschehen während des Krieges. Seine Vergangenheit wird lebendig. Er möchte sich an alles erinnern, alles niederschreiben, aber er findet kein Ende. Der Anstaltsdirektor drängt, seine Erinnerung zu beenden. Doch die Erinnerung an seinen Vater Jens Ole Jepsen läßt ihn nicht mehr los. Jepsen senior führte pflichtschuldig aus, was das Regime von ihm verlangte und er fand selbst dann kein Ende mehr, als die Diktatur schon untergegangen war. Siggi will alles erinnern, um alles verstehen zu können – auch sein eigenes Handeln. Nicht zufällig läßt Lenz den Anstaltsdirektor sagen: „Die Erinnerung ist für dich zur Falle geworden. Die zumutbare Grenze ist erreicht“ – die zumutbare Grenze der Erinnerung! Erinnerung als Falle? Der Maler Nansen, von Jens Ole Jepsen verfolgt und bespitzelt, brüllt ihn an: „Jetzt erinnere dich gefälligst mal!“. Die „Stunde Null“ gab es auf dem Papier. Schon während meiner Jugend hörte ich den Satz: „Ach schon wieder das Thema Nazizeit – man kann es ja nicht mehr hören“. Doch viel hatten wir damals noch nicht gehört. Ältere schwiegen. Wichtige Führungsstellen waren in Deutschland mit Menschen besetzt, die einst aktive Nationalsozialisten waren. Hatten wirklich alle ihre Gesinnung geändert? Oft hörte ich, die Erinnerung an dieses Kapitel deutscher Geschichte sei nicht zumutbar. Siggi Jepsen soll einen Aufsatz schreiben über „Die Freuden der Pflicht“. Kein Autor hätte es genialer denken, besser setzen können, als Lenz es tat. In vollem Ernst verlangt in seinem Roman ein Lehrer einer Besserungsanstalt in der eben erst gegründeten Bundesrepublik Deutschland von den Schülern einen Aufsatz über die Freuden der Pflicht. Welcher Art diese verirrten Freuden waren oder sind, darüber weiß Siggi Jepsen viel zu schreiben, so viel, dass er kein Ende finden kann. Nichts kann durch Verdrängen verstanden und verbessert werden, auch nicht das eigene Land. Der Weg zum Verstehen beginnt mit der Erinnerung. Auf eine bestimmte Weise empfinde ich auch Dankbarkeit für diese Art der „Deutschstunde“. Danke, Siegfried Lenz, für dieses wichtige und unsterbliche Werk. Dank auch dem wunderbaren Ensemble der Uraufführung, mit dem ich diese Inszenierung erarbeiten durfte. Siegfried Lenz wird am 17. März 1926 als Sohn eines Beamten geboren in Lyck in Masuren/Ostpreußen. Nach dem frühen Tod des Vaters zieht die Mutter mit Lenz’ Schwester aus Lyck weg und lässt den gerade schulpflichtig gewordenen Siegfried bei der Großmutter zurück. 1943 Notabitur mit 17, Einberufung zur Kriegsmarine. Das Schiff, auf dem er Dienst tut, wird in der Ostsee versenkt. Lenz überlebt, desertiert und gerät in britische Kriegsgefangenschaft. Den Neuanfang macht er in Hamburg. Er studiert Philosophie, Anglistik und Literaturgeschichte, bricht das Studiums aber ab und arbeitet als Volontär und 1950-51 als Redakteur bei der Tageszeitung „Die Welt“. 1949 heiratet Lenz Lieselotte, die er bei der „Welt“ kennengelernt hat. Sie wird später als Zeichnerin und Malerin bekannt. 1951 erscheint sein erster Roman „Es waren Habichte in der Luft“. Lenz lebt von nun an als freier Schriftsteller in Hamburg und auf der Insel Alsen (Dänemark). 1952 findet er Anschluss an die Gruppe 47. 1953 erscheint der düstere Roman „Duell mit dem Schatten“, 1955 veröffentlicht er die humoristische Kurzgeschichtensammlung „So zärtlich war Suleyken“. 1957 erscheint der Roman „Der Mann im Strom“, 1959 „Brot und Spiele“. Wie auch im Roman „Stadtgespräch“ von 1963 thematisiert der Autor die Vereinsamung des modernen Menschen inmitten einer scheinbar sorglosen Konsum- und Vergnügungswelt. 1961 etabliert er sich mit dem Hörspiel „Zeit der Schuldlosen – Zeit der Schuldigen“ auch als renommierter Hörspielautor. 1968 veröffentlicht Siegfried Lenz das Buch, das sein größter Erfolg werden soll, die „Deutschstunde“. Er befasst sich mit dem Dritten Reich und dem Weiterleben des Geistes der Vergangenheit in der Gegenwart. Das Echo ist national wie international enorm. Lenz gilt als eine der wichtigsten literarischen Stimmen, wenn es um Verständnis für das Wesen der Deutschen geht. 1968/69 reist Lenz in die USA und nach Australien. Er hat eine Gastprofessur an der University of Houston. 1970 begleitet er Willy Brandt zur Unterzeichnung des Warschauer Vertrages nach Polen. Veröffentlichungen schließen sich an, die mit der Deutschstunde durch Figuren, Motive und Stimmungen locker verbunden sind und eine Art Romanzyklus bilden: 1973 „Das Vorbild“, 1978 „Heimatmuseum“, 1985 „Exerzierplatz“. Siegfried Lenz zeigt sich auf dem Höhepunkt seines literarischen Könnens. Schuld, Vergangenheit, Identität und Heimat sind die zentralen Begriffe in seinem Werk. Die Stilmittel handhabt er virtuos, das zeigen besonders seine Kurzgeschichten und Erzählungen, (z. B. „Ein Kriegsende“ von 1984), in denen er eifrig mit Sprache und Stil experimentiert. Zeitlebens setzt sich Lenz, dessen Werk im Spannungsfeld zwischen Gestern und Heute zahlreiche Bewunderer, aber auch Kritiker, fand, gegen anbiedernde Avancen aus Politik und Gesellschaft zur Wehr. 1996, im Jahr seines 70. Geburtstages, veröffentlichte er den Erzählband „Ludmilla“, 1998 folgte der Essayband „Über den Schmerz“, 1999 der Roman „Arnes Nachlass“. Der Band „Mutmaßungen über die Zukunft der Literatur“ von 2001 vereinigt drei Essays über die Wirkmöglichkeiten von Literatur. 2004 erscheint die Reiseerzählung „Zaungast“ und die Novelle „Schweigeminute“, die von der fatalen Liebe eines Gymnasiasten zu seiner Lehrerin erzählt. 2006 stirbt seine Ehefrau Lieselotte. 2009 erscheint der Roman „Landesbühne“. 2010 heiratet Siegfried Lenz ein zweites Mal. Bis zu seinem Tode am 7. Oktober 2014 lebt Siegfried Lenz in Hamburg. Zu den zahlreichen Auszeichnungen, die Siegfried Lenz verliehen wurden, zählen der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, der Thomas-MannPreis, der Gerhart-Hauptmann-Preis, der JeanPaul-Preis, der Goethe-Preis der Stadt Frankfurt, der Lessing-Preis der Hansestadt Hamburg, der Lew-Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte, die Heinrich-Heine-Professur der Universität Düsseldorf, die Ehrendoktorwürde der Universität Erlangen-Nürnberg u. v. a. m. In den 1970er-Jahren lehnt er die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes ab – weil auch viele ehemalige Nationalsozialisten den Orden bekommen haben. 19 18 19 Ungemalte Bilder Ungesühnte Greuel Stefan Zimmermann über den Maler Emil Nolde (1867 – 1956) Seilschaften von Altnazis behinderten ab 1945 die juristische Aufarbeitung der Taten Noldes Bilder hingen 1937 in der NaziAusstellung „Entartete Kunst“, die von München aus auf Reisen durch deutsche und österreichische Städte ging. Foto: Bundesarchiv_Bild_183-H02648 Genau 29 Gemälde von Nolde waren dabei, weitere Aquarelle und Graphiken. 1.052 Werke waren von den Nazis aus Museen beschlagnahmt worden. Was nicht ausgestellt wurde, lagerte im Propagandaministerium zusammen mit ca. 16.000 Arbeiten sogenannter „entarteter“ Maler. Werke, die nicht durch Verkauf ins Ausland zu Deviseneinnahmen führten, wurden am 20. März 1939 in einem Autodafé im Hof der Feuerwache Berlin verbrannt. Nolde war für die Machthaber zum Problem geworden: als Mitglied der dänischen Sektion der NSDAP zählte er zu den frühen Anhängern der „Bewegung“. Seine Kunst hingegen galt der Partei als Schmiererei und „Kunstzersetzung“. Dass seine Bilder in der sogenannten „Schandausstellung“ der Nazis hingen, konnte und wollte Nolde nicht hinnehmen. Nolde ging daher in die Offensive und legte sich mit der Parteileitung an. Nicht nur das Malen wurde ihm verboten, auch das Verkaufen von Bildern. Ein Teil seines Werkes fiel 1944 in Berlin Bombenangriffen zum Opfer. Bilder waren für Nolde seine „geistigen Kinder“. Er malte 1938 bis 1945 in seinem Haus in Seebüll heimlich weiter, meist extrem kleine Aquarelle. Nolde nannte die vielen Hundert Werke seine „ungemalten Bilder“. Es gab Kontrollen durch die Gestapo. Aus diesem Grund malte er nicht mit Ölfarbe, deren Geruch ihn verraten hätte. Nach 1945 übertrug Nolde einen Teil der Aquarelle in großformatige Ölbilder. Die Ähnlichkeiten mit der Figur des Malers Nansen in der „Deutschstunde“ sind auffallend. Und doch ist der Roman und seine Theaterbearbeitung kein Werk über Emil Nolde. Der Maler wird zum Symbol, das Malverbot und das heimliche Malen werden zum Bild: Die Kunstfreiheit siegt als hohes Gut über Verfolgung und Willkür der Diktatur. Siegfried Lenz hat diesen Konflikt thematisiert, als Widerstand eines Künstlers gegen Dummheit und Unterdrückung. Dabei behandelt die Geschichte nicht nur das Leben des Künstlers unter den Nazis, sondern auch während der frühen Nachkriegszeit. Den Hassausbrüchen des NS-Staates gegen alle Formen individueller Freiheit folgte nach 1945 zunächst ein Klima der Verdrängung und des Leugnens von Schuld. Will man ein zerstörtes Land nach einem Krieg wieder aufbauen, braucht man Fachleute. Viele Fachleute, Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen. In der Bundesrepublik sollten das nach 1945 idealerweise unbelastete Experten sein. Gute Leute ohne Parteikarriere, und nicht ausgerechnet jene, die das Land seit 1933 mit in die Katastrophe gelenkt hatten. Ein uneinlösbarer Anspruch, wie sich sehr rasch zeigte. So kam es, dass mit wenigen Ausnahmen nur den exponiertesten Figuren des Nazireichs der Prozess gemacht wurde – soweit sie sich nicht durch Flucht oder Selbstmord entzogen hatten. Die strafrechtliche Verfolgung der vielen kleineren Rädchen des Tausendjährigen Reiches verlief mit beschämend wenig Eifer und Sorgfalt. Ursache dafür waren nicht zuletzt die längst wieder in hohe und höchste Positionen aufgestiegenen Fachleute. Erneut an den Hebeln der Macht, nutzen sie ihre Apparate und alte Seilschaften. Mehrfach wurde zwar die drohende Verjährung der Mordtaten durch Gesetzesänderungen verhindert, letztlich sogar Mord ganz von der Verjährung ausgenommen. Die meisten Greueltaten kamen jedoch nie vor Gericht und blieben ungeahndet. Z.B. genügte die Tätigkeit eines Staatsdieners innerhalb der Tötungsmaschinerie der Vernichtungslager nicht für dessen Verurteilung. Die Opfer mussten die individuelle Schuld des einzelnen Täters beweisen können – etwas, das in den meisten Fällen nicht möglich war. Wie geräuschlos sich diese Repräsentanten des neuen Staates ihrer Altlasten zu entledigen verstanden, ist erschreckend. Wir zitieren die Juristenseite www.rav.de: Das tollste Stück spielte sich jedoch 1968 ab [just das Jahr, in dem Siegfried Lenz’ „Deutschstunde“ erschien]. Rechtzeitig bevor die zweite große Diskussion um die Verjährung von Nazi-Verbrechen begann – sie war vorauszusehen, denn ohne abermalige Gesetzesänderung, wären nach dem 31. Dezember 1969 sämtliche Morde des Dritten Reichs ungesühnt geblieben –, führte ein „Irrtum“ des Gesetzgebers zur vorzeitigen Verjährung fast all dieser Morde. Als das Einführungsgesetz zum Ordnungswidrigkeitengesetz (E-GOWiG) am 1. Oktober 1968 in Kraft trat, enthielt dessen Artikel 6 Nr. 1 eine Tretmine. Mit dem unscheinbaren Gesetz, das der Bundestag ohne Debatte einstimmig verabschiedete, wurde ein neuer § 50 Abs. 2 ins Strafgesetzbuch eingefügt: „Fehlen besondere Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer, so ist dessen Strafe nach den Vorschriften über die Bestrafung des Versuchs zu mildern“. Bis zu diesem Gesetz war nach § 49 Abs. 2 StGB die Strafe des Tatgehilfen „nach demjenigen Gesetz festzusetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich Hilfe geleistet hat“. Die Strafe konnte ermäßigt werden, musste aber nicht, sie blieb prinzipiell dieselbe wie für die Haupttat – bei Mord lebenslänglich –, daher verjährte die Tat nach damals geltendem Recht in zwanzig Jahren. Das Neue am § 50 Abs. 2 StGB bestand darin, dass die Strafe eines Mordgehilfen dem persönlich keine niederen Motive nachzuweisen waren, nun gemildert werden musste, von lebenslänglicher auf höchstens 15jährige Freiheitsstrafe. Da man aber Taten mit einer Höchststrafe von 15 Jahren am 8. Mai 1960 hatte verjähren lassen, waren die Verbrechen sämtlicher Nazi-Mordgehilfen – und Gehilfen waren nach ständiger Rechtsprechung außer Hitler, Himmler und Heydrich nahezu alle – auf einen Schlag rückwirkend seit dem 8. Mai 1960 verjährt. Ehemalige Erfüllungsgehilfen der Nazi-Barbaren erhielten allzu leicht und völlig ungesühnt ihren Platz in der noch jungen Demokratie. Teils an exponierter Stelle. Auch von dieser Zeit handelt die „Deutschstunde“. Impressum © 2014 a.gon Theater GmbH, Plinganserstraße 42c, 81369 München Gesamtleitung: Stefan Zimmermann und Iris von Zastrow Gestaltung: Christof Wessling, München · Textredaktion: Daniel v. Zastrow, Utting am Ammersee Druck: Lanzinger, Oberbergkirchen 22 23 Siegfried Lenz DeutschStunde stunde a.gon münchen T h e a t e r a u s Le i d e n s c h a f t © 2014 a.gon Theater GmbH, Plinganserstraße 42c, 81369 München [email protected]