208 Mittelohr 11.1 Anatomie, Physiologie und Untersuchung des Mittelohrs Das Mittelohr mit seiner komplizierten Anatomie ist eine zentrale Stelle des Schläfenbeins. Die Schallübertragung über die Ossicula und die Belüftung des temporalen Zellsystems über die Tuba auditoria sind komplizierte Mechanismen, deren Störungen einen wesentlichen Teil der Pathologie des Mittelohrs ausmachen. Zum Verständnis dafür werden in diesem Kapitel die Anatomie und die Funktion des Mittelohrs zusätzlich zu Kapitel 7.1 vertieft dargestellt. Dieses Verständnis bildet auch die Grundlage für die Untersuchung des Mittelohrs. 11.1.1 Spezielle Anatomie und Physiologie des Mittelohrs Wie bereits ab S.144 aufgeführt, besteht das Mittelohr aus drei Teilen, dem Cavum tympani mit dem Trommelfell als laterale Begrenzung, dem pneumatischen Zellsystem des Schläfenbeins und der Tuba auditoria (Eustachii). Das Mittelohr gleicht bei der Übertragung von Schallwellen (wechselnde Luftdruckschwankungen) Impedanzunterschiede (Impedanz = akustischer Widerstand) zwischen Luft und Perilymphe aus. Statische Luftdruckunterschiede zwischen Mittelohr und äußerem Gehörgang werden über die Tuba auditoria ausgeglichen. Trommelfell Synonym: Membrana tympanica engl.: tympanic membrane Funktion: Das Trommelfell erfüllt zwei Aufgaben: es sammelt den Schall wie eine Mikrophonmembran (s. S. 145) und es schützt die Membran des runden Fensters vor direkter Schalleinwirkung (Schallschutzfunktion). Ein direktes Auftreffen der Schallwellen auf das runde Fenster kann der Perilymphbewegung, die vom Stapes hervorgerufen wird, entgegenwirken und damit die Empfindlichkeit der Kochlea vermindern. Anatomie: Die normale Anatomie des Trommelfells ist in Abb. 11.1 dargestellt. Es weist zwei Bezirke auf, die Pars tensa und die Pars flaccida. Die weitaus größere Pars tensa ist trichterförmig zwischen dem Hammerstiel und dem knöchernen Gehörgang aufgespannt. Sie weist drei Schichten auf (Abb. 11.2): I Zum Gehörgang ist die Pars tensa mit einem mehrschichtigen, an der Oberfläche glatten Plattenepithel (Stratum cutaneum) bedeckt, das normalerweise Licht reflektiert. I Gegen die Paukenhöhle findet sich ein einschichtiges Plattenepithel (Stratum mucosum). I Dazwischen liegen zwei bindegewebliche Faserschichten (Stratum fibrosum), die äußere mit radiärem Faserverlauf (Stratum radiatum), die innere mit zirkulärem (Stratum circulare). Die Fasern gehen am Trommelfellrand in den Anulus fibrocartilagineus über, der das Trommelfell im Sulcus tympanicus des knöchernen Gehörgangs verankert. Die Pars flaccida (Synonym: Shrapnell-Membran) liegt superior der Hammerfalten (Plicae malleares). Sie ist otoskopisch nicht immer klar erkennbar und kann in die obere Gehörgangswand übergehen. Mikroskopisch fehlt die Faserschicht. Dieser Teil des Trommelfells wird deshalb bei Unterdruck in der Paukenhöhle oft zuerst eingezogen und bildet dann eine Epitheltasche. Paukenhöhle Abb. 11.1 Normale Trommelfellanatomie. Otoskopischer Befund eines rechten Trommelfells. Die Achsen entlang des Hammergriffs und 90 Grad dazu ergeben die Quadranteneinteilung. Synonym: Cavum tympani engl.: middle-ear space, middle-ear cleft Die lufthaltige Paukenhöhle garantiert eine freie Beweglichkeit des Trommelfells, die für die Schallübertragung eine notwendige Voraussetzung ist. Die Luft gelangt zum größten Teil über die Tuba auditoria in die Paukenhöhle, teilweise diffundieren die Gase aber auch über die Gefäße der Schleimhaut direkt in die Paukenhöhle. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 11 Etagen der Paukenhöhle: Die Paukenhöhle (Abb. 11.2 und s. S.144) wird in drei Etagen eingeteilt, die sich auf die Trommelfellebene beziehen: I Die Etage des Trommelfells bildet das Mesotympanum. Als wichtigste Strukturen finden sich in ihr das runde Fenster, das ovale Fenster mit dem Stapes und das Promontorium (Vorsprung der basalen Kochleawindung). I Superior vom Trommelfell liegt das Epitympanum (Synonyme: Kuppelraum, Recessus epitympanicus, Attikus). Der tympanale Anteil des N. facialis bildet an der medialen Paukenwand die Grenze zwischen Epi- und Mesotympanum. Im Epitympanum liegen die Hauptmasse der Gehörknöchelchen mit ihren Bändern sowie einige Schleimhautfalten. Insgesamt ist das Epitympanum wenig lufthaltig und eng, es können sich hier Entzündungen abkapseln. Das Epitympanum steht an der Antrumschwelle über den Aditus ad antrum mit dem Antrum mastoideum und dem Zellsystem des Warzenfortsatzes in Verbindung. Im Antrum liegt die knöcherne Vorwölbung des lateralen Bogengangs, der bei Knochendestruktion häufig als erster Teil des Labyrinths angegriffen wird. Eine dünne Knochenschicht, das Tegmen tympani, bildet das Dach des Epitympanums und grenzt es gegen die mittlere Schädelgrube ab. I Inferior vom Trommelfell liegt das Hypotympanum (Synonym: Recessus hypotympanicus). Es grenzt an den Bulbus venae jugularis und weist Zellen auf (Cellulae tympanicae), die mit dem Zellsystem des Mastoids verbunden sind. Gehörknöchelchen (Ossicula auditoria): Die Ossicula weisen einige Besonderheiten auf. Sie sind die kleinsten Knochen des Menschen und frei aufgehängt. Nur ihr Periostüberzug stellt ihre Ernährung sicher. Sie sind außerdem über dünne Sehnen mit den kleinsten quer gestreiften Muskeln des Körpers verbunden (M. tensor tympani und M. stapedius). Der Hammer (Malleus) inseriert mit dem Hammerstiel (Manubrium mallei) am Trommelfell. In der Trommelfellmitte bildet er eine löffelförmige Verbreiterung, den Umbo, der eine wichtige Landmarke bei der Beurteilung des Trommelfells darstellt. Es folgt der Amboss (Incus), der gelenkig mit dem Hammerkopf verbunden ist. Der Hammerkopf und der Ambosskörper liegen im Epitympanum. Sie stellen die Hauptmasse der Gehörknöchelchen dar. Der lange Ambossfortsatz (Crus longum) ist gelenkig mit dem Steigbügel (Stapes) verbunden. Die Fußplatte des Stapes ist durch das elastische Ringband beweglich in das ovale Fenster eingefügt und stellt die Verbindung zum Perilymphraum her. Binnenohrmuskeln: Der M. stapedius setzt am Köpfchen des Stapes an und befindet sich in einem Knochenkanal parallel zum mastoidalen Teil des N. facialis, von dem er auch innerviert wird. Abb. 11.2 Mikroskopische Trommelfellstruktur. Die Form und Befestigung der Pars tensa wird durch die zwei gegenläufigen Faserschichten und den Anulus fibrocartilagineus (fibrosus) bestimmt. Abb. 11.3 Paukenhöhle. Die Paukenhöhle wird entsprechend der Trommelfellebene in drei Etagen eingeteilt. Beachte die Verbindung des Epitympanums zu den Mastoidzellen und des Hypotympanums zur Tube. Der M. tensor tympani liegt parallel zur Tuba auditoria und wird vom N. trigeminus innerviert. Er setzt am Hals des Hammers an. Reflektorische Kontraktionen der Binnenohrmuskeln (Stapediusreflex, s. S.169 „Objektive Gehöruntersuchungen“) dienen möglicherweise zur Pegelanpassung beim 209 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 11.1 Anatomie, Physiologie und Untersuchung des Mittelohrs 11 Mittelohr Kauen und Sprechen, der Stapediusreflex möglicherweise auch als Innenohr-Schutzmechanismus bei hohen Dauerpegeln. Topographische Beziehungen der Paukenhöhle: Die Paukenhöhle ist rundum von funktionell und klinisch wichtigen Strukturen umgeben: I Die laterale Wand wird vom Trommelfell und dem knöchernen Gehörgang gebildet, I die mediale Wand grenzt an die Kochlea, I die inferiore Wand grenzt an den Bulbus venae jugularis, I die superiore Wand grenzt an die Dura der mittleren Schädelgrube, I die anteriore Wand grenzt an die A. carotis interna, I die posteriore Wand grenzt an den mastoidalen Teil des N. facialis. Durch die Pauke läuft außerdem die Chorda tympani, die aus dem N. facialis hervorgeht und Geschmacksfasern für die vorderen zwei Drittel der Zunge enthält (s. S. 263 „Klinisch relevante Anatomie und Funktion des N. facialis“). Blutversorgung und Innervation: Die Paukenhöhle wird arteriell über verschiedene Gefäße der A. carotis externa versorgt (A. meningea media, A. pharyngea ascendens, A. maxillaris und A. stylomastoidea). Die sensible Innervation erfolgt hauptsächlich über den N. tympanicus, der aus dem N. glossopharyngeus entspringt (s. S. 284). Diese Verbindung erklärt die „Irradiationsotalgie“, wie sie bei Prozessen im Pharynx auftreten kann. Es bestehen außerdem Verbindungen zu parasympathischen Anteilen des N. glossopharyngeus, zu sympathischen des Plexus caroticus internus und zum N. trigeminus. Abb. 11.4 Die Tuba auditoria besteht aus einem knöchernen (laterales Drittel) und einem knorpeligen Anteil (mediale zwei Drittel). Am Übergang befindet sich die engste Stelle, der Isthmus. Zellsystem des Os temporale Die mit Schleimhaut bekleideten Zellen des Schläfenbeins stehen alle mit der Paukenhöhle in Verbindung und werden von dort her, und damit über die Tuba auditoria, belüftet. Die Pneumatisation des Mastoids und anderer Teile des Schläfenbeins bildet sich ähnlich wie die der Nasennebenhöhlen allmählich im Kindesalter aus (s. auch S. 4). Beim Säugling sind in der Regel das Antrum und einige angrenzende Zellen vorhanden. Der Grad der sich anschließend bildenden Pneumatisation ist unterschiedlich, er hängt teilweise von der Belüftung der Paukenhöhle, von der Funktion der Tube und von der Entzündungsgeschichte des Mittelohrs ab. Nach chronischen Entzündungen im Kindesalter bilden sich in der Regel wenige Zellen. Andererseits kann eine „normale“ Pneumatisation sehr unterschiedliche Ausmaße annehmen, wiederum ähnlich wie die der Nasennebenhöhlen. Ausgedehnte Pneumatisationen dehnen sich in den Jochbogen, die temporale Schuppe und bis in die Felsenbeinspitze aus. Die Funktion der Pneumatisation des Os temporale ist beim Menschen unbekannt. Möglicherweise kann ein größeres Luftvolumen Druckunterschiede besser ausgleichen und damit einen Schutzfaktor für das Mittelohr darstellen. Das Luftvolumen hinter dem Trommelfell spielt beim Menschen für die Schallübertragung keine Rolle, im Gegensatz z. B. bei kleinen Nagetieren, bei denen der Luftraum der Paukenhöhle wesentlich zu den physikalischen Eigenschaften des Mittelohrapparates beiträgt. Ohrtrompete Synonyme: Tuba auditoria, Eustachi-Röhre engl.: Eustachian tube Die Ohrtrompete stellt die Verbindung zwischen der Paukenhöhle und dem Nasopharynx her, wo sie trichterförmig hinter der Choane mündet (s. S. 4). Aufgaben: I Belüftung der Paukenhöhle und des pneumatischen Zellsystems, I Druckausgleich zwischen Paukenhöhle und Atmosphäre, I Drainage der Mittelohrräume, I Schutz gegen aufsteigende Keime. Die Ohrtrompete verläuft bei Säuglingen und Kleinkindern horizontaler als beim Erwachsenen, sie ist wesentlich kürzer und weiter, und mit weichem Knorpel versehen. Es wird angenommen, dass dadurch die Tubenfunktion weniger effektiv ist und es deshalb beim Kind häufiger zu einer Otitis media kommt. Mit etwa 7 – 10 Jahren gleichen sich Anatomie und Funktion der Tube den Verhältnissen beim Erwachsenen an. Anatomie (Abb. 11.4): Das Gerüst der Tube besteht im lateralen Drittel aus einem Knochenkanal, in dem die Tube zusammen mit dem M. tensor tympani verläuft. Medial davon wird sie aus einem offenen Knorpel gebildet, der an der Schädelbasis aufgehängt ist. Am Übergang Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 210 11.1 Anatomie, Physiologie und Untersuchung des Mittelohrs zwischen dem knöchernen und knorpeligen Teil weist die Tube ihren kleinsten Durchmesser auf (Isthmus). Hier können sich entzündliche Stenosen ausbilden. Die mediale Tube ist von Fettgewebe, Drüsen, Venen und Muskeln umgeben. Sie wird aktiv vom M. tensor veli palatini (s. S. 65) geöffnet. Die Tubenfunktion ist insgesamt abhängig von einem komplexen Gleichgewicht zwischen öffnenden Kräften wie Muskeltonus, Mittelohrdruck und Knorpelelastizität sowie von schließenden Kräften wie Gewebedruck, Oberflächenspannung der Schleimhaut und Unterdruck im Mittelohr. zeitig die Durchgängigkeit der Tube geprüft, die aktive Beweglichkeitsprüfung ist deshalb für die Untersuchung des Mittelohrs besonders wichtig. 11.1.2 I Anamnese Es gibt keine anamnestisch erfassbaren Beschwerden, die für eine Mittelohraffektion spezifisch sind. Ohrschmerzen, Ohrfluss (Otorrhö), Druckgefühl oder Schwerhörigkeit können auch bei Affektionen des äußeren oder inneren Ohrs auftreten. Chronische entzündliche Ohrerkrankungen in der Anamnese sind aber in der Regel Mittelohrentzündungen. Solche Entzündungen können zu Vernarbungen und zu einer verminderten Pneumatisation des Mittelohrs führen. Es soll zudem grundsätzlich vor einer Manipulation am Ohr nach einer Trommelfellperforation, einem früheren Trauma oder einer Operation im Bereich des Mittelohrs gefragt werden, die den Patienten in der Regel bekannt sind. I Beim Valsalva-Manöver wird der Patient aufgefordert, zuerst zu schlucken, anschließend die Nase zuzuhalten und gleichzeitig einen Überdruck im Pharynx zu erzeugen („pressen“). Mit dem Politzerballon wird durch eine Nasenseite Luft eingeblasen und durch Verschluss der anderen Nasenseite und des weichen Gaumens ein Überdruck im Nasopharynx erzeugt (Abb. 11.5). Beim Toynbee-Manöver wird ein Unterdruck im Nasopharynx erzeugt, indem der Patient mit zugehaltener Nase schluckt. Analog wird hierbei eine Einwärtsbewegung des Trommelfells beobachtet. diese Manöver sollen bei akuten Entzündungen des Mittel! Alle ohrs oder des Nasopharynx und bei Verdacht auf Labyrinthfistel nicht durchgeführt werden. Auswertung: Das Valsalva-Manöver ist negativ bei: I inkorrekt durchgeführtem Manöver, I nicht durchgängiger Tube, I verdicktem und vernarbtem Trommelfell, I Perforation des Trommelfells. Passive Beweglichkeitsprüfung: Der Gehörgang wird mit dem Trichter abgedichtet und es wird ein pneumatischer Überdruck im Gehörgang erzeugt, der zu einer Bewegung Otoskopie Otoskopie mit einer Beurteilung des Trommelfells ist die ! Die Grundlage und die wichtigste Untersuchung zur Abklärung von Mittelohraffektionen. Zunächst soll eine Inspektion des äußeren Ohrs und seiner Umgebung stattfinden, insbesondere des Mastoids. Die Durchführung der Otoskopie und der normale Trommelfellbefund sind auf S.154 und 191 näher beschrieben. Für den Otologen ist die Beurteilung des Trommelfells mit dem stereoskopischen Untersuchungsmikroskop für die Diagnostik der Mittelohrerkrankungen unerlässlich. Beurteilung: Bei der Otoskopie wird im Normalfall vom Mittelohr nur das Trommelfell als äußere Begrenzung der Paukenhöhle eingesehen und beurteilt. Ein normales Trommelfell ist differenziert, spiegelnd und beweglich (s. S.155). Die Beweglichkeit des Trommelfells erlaubt Rückschlüsse auf den Zustand und die Belüftung der Paukenhöhle. Funktionsprüfungen: Otoskopisch kann die Beweglichkeit aktiv oder passiv geprüft werden: Aktive Beweglichkeitsprüfung: Bei der aktiven Prüfung der Trommelfellbeweglichkeit wird ein Überdruck im Pharynx erzeugt, der durch die Tube ins Mittelohr fortgeleitet wird und eine Auswärtsbewegung des Trommelfells hervorruft. Diese ist meist im oberen hinteren Quadranten (s. Abb. 11.1) am besten zu sehen. Es wird also gleich- Abb. 11.5 Politzer-Manöver. Mit dem Ballon wird ein Überdruck im Nasopharynx aufgebaut, indem die andere Nasenseite zugehalten wird und die Patientin gleichzeitig „Kuckuck“ oder „Coca-Cola“ sagt (Verschluss des weichen Gaumens). Der Überdruck pflanzt sich durch die Tube ins Mittelohr weiter und der Patient hört ein Knacken. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Untersuchung I 211 11 Mittelohr des Trommelfells führt (pneumatische Otoskopie nach Siegle). Liegt eine kleine Trommelfellperforation vor, kann ein Durchblasegeräusch gehört werden. Bei Sekret im Gehörgang und beim Vorliegen einer Trommelfellperforation kann beim Valsalva-Manöver eine Blasenbildung beobachtet werden, die eine Mittelohrentzündung wahrscheinlich macht. Gehörprüfung Der typische klinische Befund bei Mittelohraffektionen ist eine Schallleitungsschwerhörigkeit, d. h. eine Lateralisation des Weber-Tests in das kranke Ohr und ein negativer Rinne-Test (s. S.156). Im Tonaudiogramm zeigt sich eine Differenz zwischen der Knochenleitung und der Luftleitung, eine Schallleitungskomponente oder ein „Air-Bone-Gap“ (s. S.164). Das Tympanogramm, das nur bei nicht perforiertem Trommelfell durchführbar ist, kann eine Abflachung oder eine Verschiebung der Spitze in den negativen Druckbereich zeigen (Typ B und C, s. S. 170). Bei normalem Tympanogramm kann die Funktion der Ossicula mit dem Stapediusreflex (s. S. 171) überprüft werden. Bei Mittelohraffektionen fehlen in der Regel die otoakustischen Emissionen (OAE, s. S.173), da sie retrograd nicht übertragen werden. Eine normale Mittelohrfunktion liegt deshalb bei folgenden Befunden vor: I normaler otoskopischer Trommelfellbefund, I positiver Rinne-Test, I normales Tympanogramm (Typ A) und auslösbarer Stapediusreflex, I nachweisbare OAE (Voraussetzung: normale kochleäre Funktion). Radiologische Untersuchung Da sich die Inspektion des Mittelohrs in der Regel auf den Trommelfellbefund beschränkt, ist die Bildgebung neben der Funktionsdiagnostik wichtig. Dabei stehen die radiologischen Verfahren im Vordergrund, da die knöchernen Strukturen überwiegen. Übersichtsaufnahmen des Schläfenbeins zeigen immer unvermeidliche Überlagerungen von zahlreichen Strukturen. Es wurden deshalb Spezialprojektionen des Schläfenbeins mit reduzierten Überlagerungen entwickelt. Die wichtigsten sind die Aufnahmen nach: I Schüller: Projektion entlang des Gehörgangs zur Abbildung der Pneumatisation des Mastoids, I Stenvers: Projektion 45 ° nach vorne gekippt zur Abbildung der Oberkante und Spitze des Felsenbeins. werden grundsätzlich beidseits als Ver! Übersichtsaufnahmen gleichsaufnahmen durchgeführt. Trotz der Spezialprojektionen sind immer noch zahlreiche Überlagerungen auf diesen Übersichtsaufnahmen vorhanden und die oft wesentlichen Feinheiten des Mittelohrs können nicht erkannt werden. Die Aufnahmen haben deshalb einen beschränkten Aussagewert, sie sind wenig sensitiv und unspezifisch, und sollen wenn überhaupt zurückhaltend eingesetzt werden. Sie sind sicher nicht notwendig, falls eine CT angefertigt wird. Computertomographie: Die wichtigste bildgebende Untersuchung im Bereich des Schläfenbeins ist die hochauflösende 3-dimensionale CT, die die Übersichtsaufnahmen und die 2-dimensionale CT (Abb. 11.6) wegen der spezifischen Darstellung der Knochenstrukturen bei entsprechenden Fragestellungen ersetzt hat. Schichtdicken von 0,5 – 1,5 mm sind üblich. Dabei sind die Knochenfenster zur Darstellung der feinen Knochenstrukturen und ihrer Grenzen wichtig. Eine Untersuchung mit Kontrastmittelgabe ist für die Diagnostik des Mittelohrs in der Regel nur bei Verdacht auf Komplikationen nötig. Andere bildgebende Verfahren: Das MRT ist als Bildgebung für Mittelohraffektionen seltener indiziert, da die Darstellung des Knochens ungenügend ist. Bei speziellen Indikationen wie z. B. Tumoren oder Knocheninfektionen kann sie aber hilfreich sein. Ähnliches gilt für die Angiographie, die bei Tumoren, Verdacht auf Gefäßveränderungen, z. B. bei pulssynchronem Tinnitus, eingesetzt wird. Diagnostische Tympanotomie Eine operative Exploration des Mittelohrs, die sog. Tympanotomie, ist ebenfalls als diagnostische Möglichkeit anzusehen. Die Paukenhöhle wird unter dem Operationsmikroskop durch den Gehörgang zur Inspektion eröffnet, indem die Gehörgangshaut vor dem Trommelfell inzidiert und mit diesem zusammen zur Seite geschoben wird. Je nach Pathologie muss zusätzlich die knöcherne Gehörgangswand abgetragen werden. In der Regel ist die diagnostische Tympanotomie mit einer gleichzeitigen operativen Korrektur von pathologischen Befunden verbunden, die aufgrund der Voruntersuchungen vermutet werden. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 212 Abb. 11.6 Normale Computertomographie des Schläfenbeins a Axiale CT durch ein normales Schläfenbein. Das Epitympanum mit dem Kopf des Hammers und dem Ambosskörper ist gut erkennbar. Die Ossicula formen das Bild eines „Ice-cone“. b Koronare Schichtung quer zum inneren und äußeren Gehörgang: das Mittel- und das Innenohr sind gut erkennbar. 11.2 11.2.1 Übersicht: Pathophysiologie und otoskopische Veränderungen bei Otitis media Dieses Kapitel stellt die Zusammenhänge zwischen der Entstehung von chronisch entzündlichen Mittelohrerkrankungen und den sich daraus ergebenden chronisch strukturellen Folgen („Narben“) dar, wie sie otoskopisch festgestellt werden können. Im Mittelpunkt der Pathophysiologie der Otitis media stehen die Belüftungsstörung und die Schleimhautentzündung der Paukenhöhle. Es ergeben sich daraus typische Veränderungen des Trommelfells, verschiedene klinische Formen der chronischen Otitis media und funktionelle Folgezustände. Es muss zwischen dem entzündlichen Krankheitsprozess selbst und seinen Folgen unterschieden werden, die oft auch nach Abheilen der Krankheit verbleiben. Die Krankheitsprozesse und die dazugehörenden klinischen Bilder der Otitis media werden ab S. 217 besprochen. Pathophysiologie der Otitis media Entzündungen sind die häufigsten Affektionen des Mittelohrs, sie werden Otitis media genannt. Unabhängig vom klinischen Erscheinungsbild der Otitis media sind grundlegende pathophysiologische Abläufe bei der Entstehung wichtig, die eine Reihe von typischen otoskopischen Veränderungen hervorrufen können (s. S. 215). Allgemeines Die Pathophysiologie der meisten chronischen Mittelohraffektionen ist hauptsächlich durch zwei Funktionsstörungen bedingt: eine Störung der Mittelohrbelüftung und eine Entzündung. Diese Mechanismen zeigen eine intensive Wechselwirkung und lassen sich im Einzelfall oft nicht voneinander trennen: Eine chronische Belüftungsstörung der Paukenhöhle führt zu einer Entzündung der Schleimhaut, die wiederum die Funktion der Tuba auditoria und die Belüftung der Paukenhöhle beeinträchtigt (Abb. 11.7). Dieser Circulus vitiosus bildet ein zentrales Element der meisten entzündlichen Mittelohraffektionen. 213 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 11.2 Übersicht: Pathophysiologie und otoskopische Veränderungen bei Otitis media 11 Mittelohr Abb. 11.7 Pathophysiologie der chronischen Otitis media Das zentrale pathophysiologische Geschehen ist die Wechselwirkung einer Tubenfunktionsstörung und einer chronischen Entzün- dung der Mittelohrschleimhaut (grün dargestellt). Verschiedene Ursachen (rot) führen zu diesem Kreislauf, der seinerseits verschiedene Folgen (blau) nach sich zieht. Ursachen der Belüftungsstörungen Die Ursache einer Belüftungsstörung des Mittelohrs ist praktisch immer eine Funktionsstörung der Tuba auditoria. Dabei ist eine verminderte Durchgängigkeit häufiger als eine zu durchlässige Tube. Die Belüftungsfunktion der Tube kann behindert werden durch: I Eine Stenose des Lumens durch eine entzündliche Schleimhautschwellung (z. B. bei viralen Infektionen der oberen Luftwege): die Luft in der Paukenhöhle wird resorbiert und es bildet sich ein negativer Druck, der zusätzlich die Tubenfunktion erschwert. I Ein Unterdruck kann sich auch in einem gesunden Mittelohr durch einen schnell steigenden Umgebungsluftdruck ausbilden, z. B. im Flugzeug beim Landen (s. S. 230 „Barotrauma“). Die Schleimhaut der Tube kollabiert. Der Unterdruck führt zudem seinerseits zu einer Schleimhautschwellung. I Eine Verlegung von außen, z. B. durch einen Tumor. I Eine ungenügende aktive Öffnung der Tube durch den M. tensor veli palatini. Die besonderen anatomischen Voraussetzungen der Tuba auditoria beim Kleinkind wur- I den bereits beschrieben (s. S. 210). Sie beeinträchtigen die Funktion des M. tensor veli palatini. Bei Fehlbildungen im Kiefer-Gaumen-Bereich ist die Funktion der tubenöffnenden Muskulatur zusätzlich behindert oder sogar aufgehoben und es tritt fast regelmäßig eine chronische Mittelohrentzündung auf. Eine angeborene oder erworbene knöcherne oder narbige Stenose. Auch eine zu leicht durchgängige Tube kann möglicherweise zu Unterdruck in gewissen Kompartimenten der Paukenhöhle führen. Der negative Druck beim Einatmen überträgt sich durch die offene Tube in die Paukenhöhle. Noch ausgeprägter tritt ein solcher negativer Druck beim Hochziehen der Luft durch die Nase auf, beim sog. „Sniffing“, das habituell vorhanden sein kann. Durch Schleimhautfalten des Mittelohrs kann dabei vor allem im Epitympanum ein chronischer Unterdruck entstehen, der zu einer Trommelfelleinziehung und zu einer chronischen Entzündung führen kann. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 214 11.2 Übersicht: Pathophysiologie und otoskopische Veränderungen bei Otitis media 215 Die zweite wesentliche Rolle bei der Entstehung der Otitis media spielen Infektionen und nichtinfektiöse Entzündungen. Adenoiditis: Beim Säugling und Kleinkind treten durch den ersten Kontakt mit Keimen und Umweltstoffen intensive immunologisch-entzündliche Veränderungen im Bereich des Waldeyer-Rachenrings auf. Die im Nasopharynx liegenden Adenoide (Rachenmandeln) sind für die Entstehung der Otitis media besonders wichtig. Dabei ist die Größe der Rachenmandel von eher untergeordneter Bedeutung, da eine direkte mechanische Blockade der Tube durch das Adenoid kaum auftritt. Es ist vielmehr die chronische Adenoiditis, die ein Reservoir einer pathogenen Keimflora darstellt und die eine Hyperplasie der Rachenmandeln induziert. Die Adenoiditis ihrerseits wird durch eine behinderte Nasenatmung und durch eine Rhinitis oder Rhinosinusitis begünstigt. Infektionen der Mittelohrschleimhaut: Virale und bakterielle Infekte der oberen Luftwege, wie sie gerade im Kleinkindesalter häufig sind, können auch die Mittelohrschleimhaut direkt betreffen. Sie steigen i. d. R. über die Tube ins Mittelohr auf (tubogener Infekt). Bei einer Perforation des Trommelfells können zusätzlich besonders gramnegative Bakterien über den Gehörgang in das Mittelohr gelangen und dort zu einer akuten Infektion führen oder eine chronische Entzündung unterhalten. Nichtinfektiöse Entzündungen: Allergisch oder toxisch bedingte Entzündungen des oberen Respirationstraktes tragen zur Adenoiditis und zur Behinderung der Nasenatmung bei oder sie dehnen sich (seltener) auf die Mittelohrschleimhaut aus. Reflux von Magensaft kann möglicherweise ebenfalls zu einer Entzündung beitragen, was gerade beim Säugling und Kleinkind mit einer kurzen und schlecht schützenden Tube wichtig sein kann. 11.2.2 Otoskopisch sichtbare Veränderungen bei Otitis media Die beschriebenen pathophysiologischen Vorgänge sind klinisch nur bedingt direkt erfassbar. Da sie aber zu typischen Folgen führen (s. Abb. 11.7), können sie inspektorisch mit der Otoskopie erfasst werden. Es handelt sich um eine deskriptive Einteilung, in der die Veränderungen nicht zwingend einem bestimmten Krankheitsbild zugeordnet werden können. Als erstes müssen Veränderungen des Gehörgangs von solchen des Mittelohrs abgegrenzt werden (s. S.190). Beide können ähnliche Trommelfellveränderungen hervorrufen und die Ursache ist nicht immer einfach zu erkennen. Die Anamnese und die übrigen Befunde erlauben aber in der Regel die Unterscheidung. Die otoskopischen Befunde des Mittelohrs werden in akut-entzündliche, chronisch-entzündliche und narbige Veränderungen eingeteilt, wobei das eine das andere nicht ausschließt. So kann eine narbige Veränderung gleichzeitig akut oder chronisch entzündet sein. Abb. 11.8 Akute Entzündung des Trommelfells. Otoskopischer Befund bei einer akuten Otitis media. Das linke Trommelfell ist vorgewölbt und stark gerötet. Im unteren hinteren Quadranten ist eine beginnende Perforation mit Sekretaustritt zu erkennen. Akut-entzündliche Veränderungen Eine akute Entzündung des Mittelohrs führt in der Regel auch zu akut-entzündlichen Veränderungen des Trommelfells. Es ist gerötet und verdickt, wodurch die Transparenz vermindert wird (Abb. 11.8). Transparenz des Trommelfells ist aber individuell auch in ! Die nichtentzündlichem Zustand unterschiedlich, sie ist deshalb kein zuverlässiges Zeichen. Die Schwellung und Verdickung des Trommelfells führt zu einer unregelmäßigen Oberfläche, die nicht mehr glatt und spiegelnd, sondern trüb ist. Der typische Lichtreflex ist entweder aufgehoben oder versprengt. Bei Sekretansammlung kann sich das Trommelfell vorwölben. Eine solche Vorwölbung ist oft zuerst in der Pars flaccida zu erkennen. Bei fortschreitender Entzündung und Sekretdruck kommt es zur Perforation des Trommelfells, die in der Regel auf einem kleinen Areal beginnt. Das Sekret gelangt in den Gehörgang. Bei einer offenen Verbindung zwischen der akut entzündeten Mittelohrschleimhaut und dem Sekret vor dem Trommelfell werden die Pulsationen der entzündeten Schleimhaut fortgeleitet. Pulsierendes Sekret im Gehörgang deutet deshalb auf eine akute Otitis media hin. Paukenerguss Eine Sekretansammlung in der Paukenhöhle bei nicht perforiertem Trommelfell ohne Zeichen einer akuten Entzündung bezeichnet man als Paukenerguss (Abb. 11.9). Teilweiser Paukenerguss: Luftblasen hinter dem Trommelfell oder ein Flüssigkeitsniveau deuten auf eine Luftzufuhr und damit auf eine zumindest teilweise vorhandene Belüftung durch die Tube. In der Regel deutet deshalb ein teilweiser Erguss auf eine subakute, seröse Entzündung mit guter Prognose. Solche Ergüsse finden sich typischerweise nach viralen Infektionen der oberen Luftwege. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Infektion und Entzündung 11 Mittelohr I I Abb. 11.9 Seröser Paukenerguss hinter nichtentzündlich verändertem Trommelfell, das leicht eingezogen ist. Die Luftblasen sind gut erkennbar. Vollständige Paukenergüsse ohne Lufteinschlüsse können durch ein unbewegliches Trommelfell otoskopisch indirekt oder mit dem Tympanogramm (Flachkurve, s. S.170) erkannt werden. Es handelt sich dabei häufiger um chronische Ergüsse, die zunehmend mukös werden, da die Schleimhaut vermehrt Becherzellen bildet. Die Farbe wechselt von bernsteinfarbig zu gräulich oder dunkel bis blau. Farbe des Ergusses ist jedoch ein unzuverlässiges Kriterium ! Die bezüglich der Dauer oder der Zusammensetzung eines Paukenergusses. Chronische Trommelfellperforation Befund: Eine Trommelfellperforation ohne akute entzündliche Veränderungen lässt sich otoskopisch meist leicht erkennen (s. Abb. 11.14). Grundsätzlich hat das Trommelfell eine hohe Selbstheilungstendenz, und auch große Perforationen können spontan zuheilen. Aufgrund von verschiedenen narbigen und atrophen Veränderungen des Mittelohrs kann es dennoch zu einer nicht heilenden Perforation als „Markenzeichen“ der chronischen Otitis media simplex kommen. Durch die Perforation ist die Paukenhöhle einsehbar. Das Resttrommelfell mit der Perforation und die Paukenhöhle können sich otoskopisch unterschiedlich zeigen: I narbige, nichtentzündliche Veränderung, I chronisch-entzündliche Veränderungen mit verdickter, hyperplastischer Schleimhaut und mukösem Sekret, I akut-entzündlich mit starker Rötung und eitriger Sekretion (s. Abb. 11.14). Folgen der Trommelfellperforation: Eine chronische Trommelfellperforation kann als Heilungsmöglichkeit einer chronischen Otitis media, aber auch als Gefahr betrachtet werden. Zu den negativen Folgen zählen: I Es können rezidivierende Infektionen des Mittelohrs über den Gehörgang mit rezidivierender Otorrhö auftreten. Solche Entzündungen haben wahrscheinlich auch negative Folgen auf die Innenohrfunktion (s. S. 239 „Seröse Labyrinthitis“). Das Ausmaß einer Schallleitungsschwerhörigkeit hängt von Größe und Lage der Perforation ab. Es kann sich durch Einwachsen von Plattenepithel in das Mittelohr ein Cholesteatom bilden. Cholesteatome entstehen meist aus atrophen Trommelfell-Epitheltaschen oder bei randständigen Perforationen, jedoch nur selten bei einer trockenen, zentralen Perforation, die den Anulus fibrocartilagineus nicht erreicht. Zu den positiven Folgen der chronischen Trommelfellperforation gehören: I Eine chronische Perforation kann zur Heilung der Schleimhautentzündung beitragen, da sie eine Belüftung der Paukenhöhle sicherstellt. I Der Sekretabfluss bei akuten Entzündungen ist gewährleistet, weshalb kaum Schmerzen auftreten. In den meisten Fällen überwiegen die negativen Folgen, und ein operativer Verschluss ist (besonders bei erhaltener Funktion der Tube) indiziert (Myringoplastik oder Tympanoplastik, s. S. 225). Atrophe Trommelfellnarben Insbesondere nach einer chronischen Entzündung des Trommelfells kann es zu einer unvollständigen, narbigen Heilung kommen, ohne dass eine Perforation zurückbleibt. Das Stratum fibrosum, das seine normale Struktur nicht mehr wiederherstellen kann, ist verdünnt oder fehlt. Die Festigkeit und Spannung des Trommelfells gehen verloren. Abhängig von der Größe der atrophen Narbe und von der Belüftung der Paukenhöhle können sich verschiedene Zustände ergeben, die sich otoskopisch verschieden darstellen: Umschriebene atrophe Trommelfellnarbe (Abb. 11.10): Es ist nur ein Teil des Trommelfells atroph, am häufigsten liegt er im hinteren oberen Quadranten. Bei normaler Paukenbelüftung und Tubenfunktion findet sich die Narbe in der Trommelfellebene. Der atrophe Bezirk ist bei der pneumatischen Otoskopie oder beim Valsalva-Manöver abnormal stark beweglich. Retraktionstasche: Eine umschriebene atrophe Trommelfellnarbe ist durch einen Unterdruck der Paukenhöhle eingezogen. Durch anhaltenden Unterdruck kommt es zur Ausdehnung der Tasche in der Paukenhöhle. Es können sich Winkel bilden, in denen das Epithel der Tasche nicht mehr nach außen wandern kann. In den gefangenen Epithelschuppen kann es zu einer Infektion kommen und es bildet sich daraus ein Cholesteatom (s. S. 222). Paukenatelektase: Das gesamte Trommelfell ist sehr dünn und stark eingezogen. Die Paukenhöhle ist nicht mehr lufthaltig und das feine Plattenepithel des Trommelfells kleidet das Mesotympanum aus. Gelegentlich ist die Unterscheidung zwischen einer vollständigen Trommelfellperforation und einer Paukenatelektase otoskopisch schwierig. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 216 11.3 Otitis media 217 Sklerose und Fibrose 11.3 Otitis media Die häufigsten Krankheiten des Mittelohrs sind Entzündungen. Infektionen spielen dabei eine wichtige Rolle. Wie im vorangehenden Abschnitt aufgezeigt, hängen Entzündung und Belüftungsstörung des Mittelohrs eng zusammen. An dieser Stelle werden nun die entzündlichen Krankheitsbilder und ihre direkten Folgen in Form von entzündlichen Komplikationen besprochen. Die chronisch-strukturellen Folgen („Narben“) wurden ebenfalls bereits aufgezeigt. 11.3.1 Abb. 11.10 Atrophe Trommelfellnarbe. Stark vernarbtes, aber intaktes rechtes Trommelfell. Es sind hauptsächlich atrophe Narben vorhanden. Einteilung und Terminologie Die Einteilung der Otitis media (Synonym: Mittelohrentzündung) ist nicht einheitlich, die Terminologie vielfältig und nicht immer logisch. Der vorhergehende Abschnitt zeigte die fließenden Grenzen zwischen den verschiedenen Formen der Otitis media auf. So besteht in der Regel nach einer akuten Otitis media anschließend für einige Wochen ein Paukenerguss, wie er bei einer serösen Otitis media oder einem Tubenmittelohrkatarrh auftritt. Der Tubenmittelohrkatarrh beginnt aber im Gegensatz zur akuten Otitis media nicht zwingend mit Schmerzen, und er kann seinerseits bei einer akuten Infektion in eine akute Otitis media übergehen. Es lassen sich dennoch klinisch und didaktisch verschiedene entzündliche Krankheitsbilder des Mittelohrs abgrenzen, die im Folgenden beschrieben werden. Die Terminologie orientiert sich an den international gebräuchlichen Vorschlägen. Abb. 11.11 Sklerotische Trommelfellnarbe. Linkes Trommelfell mit sklerotischer Narbe im posterioren und inferioren Bereich. Das Trommelfell weist auch atrophe Bezirke auf. 11.3.2 Myringitis Das Trommelfell als Grenzschicht zwischen dem äußeren und dem Mittelohr weist selten eine eigenständige Entzündung auf. Eine Entzündung des Trommelfells wird als Myringitis bezeichnet, die sich meist im Zusammenhang mit einer Otitis externa oder Otitis media findet (s. u.). Die wichtigsten Krankheiten, die mehr oder weniger isoliert zu einer Myringitis führen können, wie z. B. die Otitis bullosa, wurden bereits im Kapitel 10 besprochen (s. S. 204). 11.3.3 Otitis media acuta Synonym: akute Mittelohrentzündung engl.: acute otitis media (AOM) Epidemiologie: Die Otitis media acuta ist bei Säuglingen und Kleinkindern eine häufige Erkrankung, sie kann aber in jedem Alter auftreten. Mehr als 50 % der Säuglinge erleben im ersten Lebensjahr ein- oder mehrmals eine akute Otitis media, mit 3 Jahren sind es etwa 80 %. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Im Mittelohr können sich nicht nur atrophe, sondern auch fibröse oder sklerotische Narben bilden. Nach der Lokalisation und der Natur dieser Narben können otoskopisch unterschieden werden: Sklerotische Trommelfellnarbe: Das Stratum fibrosum des Trommelfells zeigt typische Kalkeinlagerungen, die als weiße Bezirke leicht erkannt werden können (Abb. 11.11). Bei normaler Stellung des Trommelfells und bei normaler Paukenbelüftung sind solche Narben ohne Folgen, das Gehör ist dadurch nicht beeinträchtigt. Tympanosklerose: Die Sklerose bildet sich nicht nur im Trommelfell, sondern hauptsächlich in der Paukenhöhle. Es kommt zu Kalkeinlagerungen in die Paukenschleimhaut, die zu einer Fixation der Ossicula und damit zu einer Beeinträchtigung der Schallübertragung führen kann. Die Tympanosklerose zeigt nach Operationen eine starke Rezidivneigung und postoperative Verbesserungen des Gehörs sind oft nur vorübergehend. Fibrose: Ausgedehnte Vernarbungen des Trommelfells oder häufiger der Paukenhöhle ohne Verkalkungen werden als Fibrose bezeichnet. Die Folgen und der otoskopische Befund sind ähnlich wie bei der Sklerose. 11 Mittelohr Pathogenese: Es handelt sich in der Regel um eine über die Tuba auditoria aufsteigende Infektion. In etwa 2⁄3 der Fälle sind Bakterien im Mittelohr nachweisbar. Die häufigsten Erreger sind Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und Branhamella catarrhalis. 1⁄3 der Fälle ist wahrscheinlich durch respiratorische Viren bedingt. Auch nicht vergrößerte Adenoide sind beim Kind oft Ausgangspunkt der Infektion. Risiko- und Schutzfaktoren: Neben kraniofazialen Fehlbildungen sind für Kinder einige Risikofaktoren bekannt. Eine bereits durchgemachte akute Otitis media oder das Vorliegen einer chronisch serösen Otitis media erhöhen das Risiko, erneut an einer akuten Otitis media zu erkranken. Das Rauchen der Eltern ist ein belegter Risikofaktor, ebenso die Unterbringung von Kleinkindern und Säuglingen in Tagesheimen. Die Kinder werden dort möglicherweise einer speziell schädlichen mikrobiologischen Flora ausgesetzt. Andererseits ist das Stillen von Säuglingen über längere Zeit ein erwiesener Schutzfaktor. Symptome: Oft geht ein viraler Infekt der oberen Luftwege voraus. Es treten heftige Ohrschmerzen auf, die sich bei Kleinkindern durch Reiben am Ohr oder durch unspezifische Krankheitszeichen bemerkbar machen. In den ersten 24 Stunden ist meist Fieber vorhanden. Beim Säugling können unspezifische Symptome wie Reizbarkeit, Erbrechen oder Durchfall im Vordergrund stehen. Otorrhö tritt auf, wenn das Trommelfell perforiert, was mit einem Rückgang oder Verschwinden der Schmerzen verbunden ist. Kindern durch Zerumen und unruhiges Verhalten schwierig sein. Es sind außerdem die Befunde einer Schallleitungsschwerhörigkeit vorhanden. Eine bakteriologische Untersuchung wird bei intaktem Trommelfell im Allgemeinen nicht durchgeführt, sollte aber bei spontaner Perforation oder Parazentese immer stattfinden. Eine Parazentese für eine bakteriologische Untersuchung ist angezeigt bei nicht immunkompetenten Patienten, bei fehlendem Ansprechen auf die Therapie und beim Auftreten von Komplikationen. Differenzialdiagnose: Die akute Otitis media muss von anderen Formen der Otitis unterschieden werden. Insbesondere nach einer Perforation mit Sekretaustritt in den Gehörgang muss sie von einer Otitis externa und einem akuten Schub einer Otitis media chronica abgegrenzt werden. Verlauf: Es kann zu einer Spontanperforation des Trommelfells kommen. Nach Abklingen der akuten Entzündungsphase lässt sich für mehrere Wochen ein entzündlicher Resterguss in der Paukenhöhle mit einer entsprechenden Schallleitungsschwerhörigkeit nachweisen. Komplikationen: Komplikationen sind insgesamt selten. Die häufigste Komplikation ist die akute Mastoiditis, es können aber sämtliche weiter unten beschriebenen otogenen Komplikationen auftreten (s. S. 226). Therapie: Die Behandlung besteht symptomatisch in einer Schmerztherapie, z. B. mit nichtsteroidalen Antirheumatika oder Paracetamol. Abschwellende Nasentropfen oder Nasenspülungen stellen ggf. eine freie Nasenatmung sicher. Diagnostik: Bei der klinischen Untersuchung ist das Mastoid gelegentlich mäßig druckempfindlich, es weist aber keine Schwellung auf. Die Otoskopie zeigt ein getrübtes, gerötetes und verdicktes Trommelfell, das vorgewölbt sein kann (Abb. 11.12 und s. Abb. 11.8). Die Beweglichkeit bei der pneumatischen Otoskopie ist aufgehoben, auf das ValsalvaManöver soll verzichtet werden. Die Otoskopie kann bei freie Nasenatmung führt zu einer verbesserten Drainage! Eine funktion der Tube. Abb. 11.12 Akute Otitis media: vorgewölbtes, verdicktes und entdifferenziertes linkes Trommelfell. Prophylaxe: Risikofaktoren sollen soweit wie möglich vermieden und Säuglinge so lang wie möglich gestillt werden. Bei kleinen Kindern, klinisch ausgeprägtem Krankheitsbild und bei perforiertem Trommelfell ist eine sofortige Antibiotikatherapie angezeigt. Ansonsten kann eine spontane Besserung 1 – 2 Tage abgewartet werden. Dabei können Antibiotika verschrieben werden mit der genauen Anweisung, das Rezept erst nach fehlender Besserung in 1 – 2 Tagen einzulösen. Das Antibiotikum soll während 7 – 10 Tagen verabreicht werden und gegen die oben erwähnten Hauptkeime aktiv sein. Bei fehlendem Ansprechen oder Verschlechterung des Zustandes nach 48 Stunden müssen eine ärztliche Kontrolle und ein Antibiotikawechsel vorgenommen werden. Falls die Besserung ungenügend bleibt, muss eine Komplikation ausgeschlossen und eine Parazentese mit bakteriologischer Untersuchung des Sekrets durchgeführt werden. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 218 11.3 Otitis media Rezidivierende Otitis media acuta engl.: recurrent acute otitis media Definition: Das Auftreten von 5 oder mehr akuten Mittelohrentzündungen in einem Jahr oder 3 in sechs Monaten wird als rezidivierende Otitis media bezeichnet. Zwischen den Episoden heilt das Mittelohr ab, und es ist kein Erguss in der Paukenhöhle vorhanden. Epidemiologie: Die rezidivierende Otitis media acuta betrifft vor allem Säuglinge und Kleinkinder. Sie tritt bei etwa 10 % der Kinder nach einer akuten Otitis media auf. Ätiopathogenese: Die Entstehung der einzelnen Episoden entspricht weitgehend derjenigen der akuten Otitis media (s. S. 213), wobei häufiger Risikofaktoren vorhanden sind. Symptome, Diagnostik und Verlauf: Die einzelnen Episoden verlaufen wie die nicht rezidivierende akute Otitis media. Eine Allergie soll bei entsprechendem anamnestischem Verdacht ausgeschlossen werden. Der Verlauf und die Komplikationen der Episoden entsprechen ebenfalls weitgehend dem oben Beschriebenen. Differenzialdiagnose: Die Abgrenzung der rezidivierenden akuten Otitis media gegen wiederholte akute Infektionen auf dem Boden einer chronisch sekretorischen Otitis media ist schwierig. Sie lässt sich nur durch den Nachweis einer normal belüfteten Paukenhöhle nach der jeweiligen akuten Episode machen. Der Ausschluss eines erworbenen oder kongenitalen Cholesteatoms ist in diesen Fällen besonders wichtig und häufig ebenfalls nicht einfach. Auch eine chronische Otitis media mit Perforation und rezidivierenden Schüben kann klinisch ein ähnliches Bild zeigen. Therapie: Die Episoden werden wie eine akute Otitis media behandelt. Zusätzlich gibt es mehrere Möglichkeiten zur Vermeidung von erneuten Rezidiven: I Eine Antibiotikaprophylaxe ist wirksam, wegen möglicher Resistenzbildung aber umstritten. I Impfungen gegen Pneumokokken können einen Beitrag zur Verhütung neuer Schübe leisten. Otitis media wird durch andere Hämophiluskeime hervor! Die gerufen als die Meningitis, so dass die Hämophilusimpfung nicht wirksam ist. I Eine Adenotomie kann die pathogenen Bakterien im Nasopharynx verringern sowie die Tubenfunktion verbessern. Eine Paukendrainage kann die Paukenbelüftung verbessern. 11.3.5 Sekretorische Otitis media Synonyme: Tubenmittelohrkatarrh (TMO-Katarrh), akut: seröse Otitis media, Serotympanum, akuter Tubenverschluss, Paukenerguss; chronisch: Seromukotympanum, chronisch seromuköse Otitis media, chronischer Tubenverschluss, Otitis media mit Erguss engl.: secretory otitis media, otitis media with effusion (OME), catarrh, serous otitis media, mucoid otitis media, glue ear Definition: Die sekretorische Otitis media bezeichnet einen entzündlichen Erguss hinter intaktem Trommelfell ohne akute Ohrsymptome und ohne Allgemeinsymptome. Bei einer Dauer des Ergusses bis zu drei Wochen wird der TMO-Katarrh als akut bezeichnet, bis zu drei Monate als subakut und bei mehr als drei Monaten als chronisch. Beim Kind Epidemiologie: Die sekretorische Otitis media ist bei Kindern im Vorschulalter die häufigste Ohrerkrankung und eine der häufigsten Erkrankungen überhaupt. Etwa 3 – 4 % der Kinder leiden unter der chronischen Form. In der Regel sind beide Ohren betroffen. Ätiopathogenese: s. S. 213 „Pathophysiologie“ Symptome: Beim Kind fehlen meist Symptome der akuten Entzündung. Das Hauptsymptom ist der Hörverlust, der aber vom Kind selbst selten erwähnt wird. Bei Beidseitigkeit kann der Spracherwerb verzögert und die Wahrnehmung behindert sein. Diagnostik: Die Diagnose wird otoskopisch gestellt. Das Trommelfell ist oft matt, verdickt und gelegentlich eingezogen. Je nach Erguss kann die Farbe blass, rötlich, gelblich oder bläulich sein. Mit der pneumatischen Otoskopie wird eine eingeschränkte oder aufgehobene Beweglichkeit nachgewiesen. Das Tympanogramm zeichnet die Trommelfellbeweglichkeit auf. Es zeigt sich eine Flachkurve (Typ B), in akuten und leichten Fällen gelegentlich nur ein Unterdruck (Typ C, s. S. 170). Die Aufzeichnung des Tympanogramms ist für die Verlaufskontrolle wichtig. Differenzialdiagnose: Beim Kind sind andere Diagnosen selten, es sollte aber bei ungewöhnlichem Aspekt oder Verlauf an ein Cholesteatom hinter intaktem Trommelfell gedacht werden. Komplikationen: Die häufigste Komplikation ist die Otitis media acuta, aus der sich weitere otogene Komplikationen ergeben können. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 11.3.4 219 11 Mittelohr Abb. 11.13 Paukenröhrchen. Es wird im vorderen unteren Quadranten eingelegt und dient der Sicherstellung einer Belüftung der Paukenhöhle über den Gehörgang. Therapie: Bei der akuten oder subakuten Form wird konservativ vorgegangen: Es wird versucht, die Nasenatmung und die Tubenfunktion zu verbessern. Dazu können kurzzeitig abschwellende Nasentropfen, befeuchtende und pflegende Maßnahmen oder gelegentlich topische Steroide von Nutzen sein. Der Wert einer Antibiotikatherapie ist umstritten. Eine verbesserte Mittelohrbelüftung kann man auch durch das Aufblasen von Ballons mit der Nase erreichen. Risikofaktoren für eine Otitis media sollten soweit wie möglich aufgehoben oder eingeschränkt werden. Bei der chronischen Form sind chirurgische Maßnahmen notwendig, um ein gutes Gehör wiederherzustellen: Die Parazentese (Synonym: Trommelfellschnitt) bei der sekretorischen Otitis media erlaubt das Absaugen des Ergusses, was sofort zu einem normalen Gehör führt. Der Trommelfellschnitt verschließt sich im Normalfall in 1 – 2 Wochen und es kann sich wieder ein Erguss bilden. Um dies zu verhindern, kann ein Paukendrain oder Paukenröhrchen (Abb. 11.13) eingelegt werden, das zu einer „chronischen“ Perforation und zur Belüftung der Paukenhöhle vom Gehörgang her führt. Das Gehör ist durch ein Paukenröhrchen im Trommelfell nicht beeinträchtigt. Es besteht aber die Gefahr einer Infektion des Mittelohrs vom Gehörgang her. Häufig wird mit der Parazentese zusammen eine Adenotomie durchgeführt. Es werden verschiedene Strategien mit unterschiedlichen Kombinationen dieser Maßnahmen verfolgt. Prognose: Eine einseitige sekretorische Otitis media hat eine gute Prognose und es kann mit einer Ausheilung der Krankheit innerhalb von 3 Monaten gerechnet werden. Da zumindest das Sprachgehör nicht beeinträchtigt ist, kann in diesen Fällen oft konservativ verfahren werden. Der Nachweis von Lufteinschluss im Mittelohr (Blasen, Niveau) kann ebenfalls als gutes prognostisches Zeichen gewertet werden, da er eine Teilfunktion der Tube belegt (s. auch S. 215). Bei stark verdicktem Trommelfell und einer Krankheitsdauer von mehr als 3 Monaten muss mit einer längeren Dauer gerechnet werden, eine schnelle Heilung der Krankheit ist eher unwahrscheinlich, und es müssen in der Regel chirurgische Maßnahmen ergriffen werden. Beim Erwachsenen Ätiopathogenese: (s. S. 213) Die sekretorische Otitis media des Erwachsenen ist grundsätzlich die gleiche Erkrankung wie beim Kind. Beim Erwachsenen sind jedoch gewisse Ursachen einer gestörten Tubenfunktion zu berücksichtigen, die beim Kind keine Rolle spielen, wie z. B. das SchlafApnoe-Syndrom und Tumoren des Nasopharynx. Umgekehrt sind die Adenoidhyperplasie und die chronische Adenoiditis beim Erwachsenen kaum von Bedeutung. Symptome: Die Patienten klagen über ein Druck- und Taubheitsgefühl im betroffenen Ohr. Schmerzen sind selten vorhanden. Es kann ein Knacken oder Plätschern auftreten. Im Gegensatz zum Kleinkind sind Erwachsene durch die Hörstörung und das Druckgefühl meist stark irritiert. Diagnostik: Oft geht den Beschwerden anamnestisch eine Erkältung voran. Die Diagnose wird otoskopisch gestellt (s. S. 215). Es zeigt sich ein mattes Trommelfell mit deutlich eingeschränkter Beweglichkeit. Beim Valsalva-Manöver kann keine Luft in die Paukenhöhle gebracht werden oder nur mit Schwierigkeiten. Der Erguss in der Paukenhöhle ist bei Lufteinschlüssen (Blasen, Niveau) leicht, bei vollständigem Paukenerguss hingegen oft nur schwer zu erkennen. Die Hörprüfung ergibt eine Schallleitungsschwerhörigkeit. Im Weber-Versuch wird bei einseitigem Befall der Schall in das betroffene Ohr lateralisiert. Der Rinne-Versuch ist negativ. Im Tympanogramm zeigt sich eine Flachkurve, im Tonaudiogramm eine Schallleitungskomponente, und es fehlen die otoakustischen Emissionen. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 220 Bei Persistenz einer sekretorischen Otitis media für mehr als ! drei Wochen muss zum Ausschluss eines Tumors eine endoskopische Untersuchung der Nase und des Nasopharynx durchgeführt werden. Differenzialdiagnose: Als spezielle Ursache eines Paukenergusses soll die Grippeotitis in Betracht gezogen werden. Die Differenzialdiagnose schließt auch andere Ursachen einer Schallleitungsschwerhörigkeit bei intaktem Trommelfell ein, wie Otosklerose oder eine Unterbrechung der Schallleitungskette. Ergüsse können sich auch nach Barotraumen, durch eine Liquorrhö der lateralen Schädelbasis oder durch Tumoren des Schläfenbeins bilden. Eine Perilymphfistel führt im Allgemeinen zu Innenohrsymptomen. Das Syndrom der offenen Tube kann ähnliche Beschwerden hervorrufen, wobei eine Schallleitungsschwerhörigkeit fehlt und das Trommelfell beweglich ist. Komplikationen: Es kann sich eine bakterielle, im Allgemeinen aufsteigende Infektion der sekretorischen Otitis media und daraus eine akute Otitis media und deren Komplikationen entwickeln. Über das runde oder ovale Fenster kann eine seröse Labyrinthitis auftreten. Therapie: Die akute und subakute seröse Otitis media wird konservativ behandelt. Es muss auf eine freie Nasenatmung geachtet werden und Entzündungen der Nase und Nasennebenhöhlen müssen behandelt werden. Der Patient kann zu regelmäßigen Valsalva-Manövern angeleitet werden. Bei einer Persistenz von mehr als drei Monaten und deutlich verdicktem Trommelfell ist ein baldiges Ausheilen der serösen Otitis media wenig wahrscheinlich. Chirurgische Maßnahmen sind zu empfehlen, es wird bei nachgewiesener Schallleitungsschwerhörigkeit eine Paukendrainage durchgeführt. Prognose: Die Prognose ist im Allgemeinen und bei unspezifischen Ursachen gut. Einseitige Paukenergüsse mit Lufteinschluss (Blasen, Niveau) haben fast immer eine gute Prognose, die Otitis media heilt meist innerhalb von drei Monaten aus. 11.3.6 Chronische Otitis media perforata simplex Synonyme: Otitis media chronica, chronische Schleimhautentzündung, chronische Schleimhauteiterung, chronische mesotympanale Otitis media engl.: chronic suppurative otitis media Definition und Allgemeines: Eine Trommelfellperforation heilt in der Regel innerhalb von Wochen spontan zu. Ist dies nicht der Fall, muss die bleibende Perforation als Folge einer chronischen Entzündung gewertet werden. Beim Vorliegen einer chronischen Trommelfellperfora- tion wird deshalb die Diagnose einer chronischen Otitis media gestellt, selbst wenn keine aktiven Entzündungszeichen der Schleimhaut vorhanden sind. Können spezifische Infektionen oder ein Cholesteatom ausgeschlossen werden, liegt eine chronische Otitis media perforata simplex vor. Diese kann trocken sein, d. h. ohne aktive Entzündungszeichen wie Schmerzen, Sekretion und Schwellung der Schleimhaut. Ist eine Sekretion vorhanden, spricht man von einer feuchten oder nässenden Form. In der Regel liegt dann eine bakterielle Infektion des Mittelohrs vor, die durch die Perforation zustande kommt. Solche Infektionen können akut auftreten, und auch rasch wieder abheilen, oder sie können chronisch (chronische Schleimhauteiterung) vorhanden sein. Die chronische Otitis media perforata simplex ändert daher ihre klinische Symptomatik und ihr otoskopisches Erscheinungsbild im Verlauf. Ätiopathogenese: (s. S. 213): Die Pathogenese ist in der Regel multifaktoriell. Folgende Faktoren spielen eine Rolle: I chronische Entzündung aufgrund einer gestörten Tubenfunktion, I genetisch-konstitutionelle Faktoren, die die Heilungstendenz und die Resistenz der Schleimhaut beeinflussen, I anatomische Besonderheiten der Mittelohrräume wie Pneumatisation und Größenverhältnisse, I Art, Pathogenität, Virulenz und Resistenz der infektiösen Erreger. Symptome: Die chronische Otitis media perforata macht sich zuerst mit einer chronischen Otorrhö bemerkbar. Diese ist in der Regel schleimig-eitrig. Nach Abheilung des Infektes bestehen außer einer unterschiedlich ausgeprägten Schallleitungsschwerhörigkeit wenig oder keine Symptome. Bei Wiederauftreten einer Infektion kann es zu Schmerzen kommen, was aber nicht obligat ist. Es tritt wieder Ohrfluss auf, der bei akuten Infektionen rahmig-eitrig oder schleimig-eitrig ist. Ein chronischer Ohrfluss ist entweder schleimig-fadenziehend und geruchlos, er kann aber bei einer chronischen Infektion mit Pseudomonas oder Anaerobiern auch fötide sein. Diagnostik: Die Diagnose wird anamnestisch und otoskopisch gestellt (Abb. 11.14). Es findet sich eine zentrale Trommelfellperforation, d. h. der Anulus fibrosus cartilagineus ist erhalten, was sich oft nur im trockenen Zustand beurteilen lässt. Das Ausmaß der Perforation kann sehr unterschiedlich sein. Trommelfell und Mittelohr können zusätzliche Veränderungen der chronischen Entzündung wie Verkalkungen, Atrophien, Retraktionen oder zerstörte Gehörknöchelchen aufweisen. Tubendurchgängigkeit sollte immer geprüft und festge! Die halten werden (Valsalva-Manöver). 221 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 11.3 Otitis media 11 Mittelohr Abb. 11.14 Chronische Otitis media perforata simplex. Trommelfell mit chronischer Perforation und entzündlichem Sekret. Im nässenden Zustand enthält der Gehörgang Sekret, er kann begleitend entzündet und geschwollen sein. Die Perforation ist gelegentlich bei Sekret oder allgemein entzündlichen Veränderungen des Gehörgangs und des Mittelohrs schwierig auszumachen. Beim Valsalva-Manöver können sich Luftblasen im Sekret zeigen. Es soll ein Abstrich des Sekrets zur bakteriellen Untersuchung entnommen werden. Die Schallleitungsschwerhörigkeit ist im nässenden Stadium ausgeprägter. Differenzialdiagnose: Bei einer akuten Infektion mit starken entzündlichen Veränderungen lässt sich die Differenzierung einer chronischen Otitis media simplex gegenüber einem Cholesteatom oft nicht sicher durchführen. Dabei helfen auch bildgebende Untersuchungen wie das CT nicht. Sie sind in diesem Stadium nicht indiziert und nur bei Komplikationen oder präoperativ nötig. Die Differenzierung kann nach Behandlung und Abklingen der akuten Phase vom Fachmann otoskopisch durchgeführt werden. Andere Differenzialdiagnosen sind eine Otitis externa, spezifische Infektionen, z. B. mit Mykobakterien, entzündliche Ursachen wie Wegener-Granulomatose sowie Tumoren des Mittelohrs. Verlauf: Eine Trommelfellperforation kann über Jahre trocken sein und kaum Beschwerden verursachen. Es kann anderseits häufig rezidivierender oder persistierender Ohrfluss auftreten. Die Disziplin beim Ohrschutz und die Hygiene des Patienten spielen dabei eine Rolle. Komplikationen: Das Auftreten von entzündlichen Komplikationen wie Mastoiditis oder Abszesse ist bei der chronischen Otitis media perforata simplex selten und atypisch. Bei chronischem Verlauf entwickelt sich in der Regel neben der Schallleitungsschwerhörigkeit auch eine kochleäre Schwerhörigkeit, die wahrscheinlich durch eine serös-toxische Labyrinthitis bedingt ist. Therapie: Akut-eitrige Schübe müssen beim Vorliegen von Allgemeinsymptomen gelegentlich, aber nicht regelmä- ßig mit systemischen Antibiotika behandelt werden. Die Auswahl des Antibiotikums sollte dabei grundsätzlich nach der Resistenzprüfung erfolgen. Ansonsten kann die nässende Otitis media perforata mit lokalen Maßnahmen behandelt werden: I Wiederholte sorgfältige Reinigungen und Trocknungen sind eine Grundvoraussetzung. I Ohrtropfen mit ototoxischen Substanzen (Aminoglykosidantibiotika) sollten, wenn überhaupt, nur bei akuten Schwellungszuständen und sehr kurzzeitig (höchstens 3 Tage) eingesetzt werden. I Wichtig ist ein konsequenter Ohrschutz, z. B. beim Duschen und Baden, so dass weder Wasser noch Seife ins Ohr gelangen kann. Dies kann mit vaselinegetränkter Watte oder kommerziellen Ohrstöpseln erreicht werden. Sonst soll der Gehörgang aber offen bleiben und nicht mit Watte verstopft werden. Ohrschutz ist auch im trockenen Stadium zur Vermeidung ! Der von Reinfektionen wichtig. Nach einer trockenen Periode von etwa drei Monaten kann ein operativer Trommelfellverschluss durchgeführt werden (Tympanoplastik, s. S. 226). Bei chronischer, therapieresistenter Eiterung ist eine sanierende Operation des Mittelohrs im Sinne einer Mastoidektomie oder modifizierten Radikaloperation notwendig. 11.3.7 Chronische Otitis media mit Cholesteatom Definition des Cholesteatoms Synonyme: chronische Knocheneiterung, Otitis media cholesteatomatosa, Otitis media chronica epitympanalis, Perlgeschwulst engl.: cholesteatoma Allgemeine Definition: Das Cholesteatom weist zwei charakteristische Merkmale auf: I Es findet sich ortsfremdes, verhorntes Plattenepithel in Knochenräumen. I Es zerstört den Knochen aufgrund eines osteoklastischentzündlichen Prozesses. Bei der chronischen Otitis media mit Cholesteatom handelt es sich somit um eine osteoklastische Entzündung der Schleimhauträume des Mittelohrs. Häufig ist gleichzeitig eine Infektion vorhanden, vorwiegend mit gramnegativen und anaeroben Bakterien, was zu fötidem Ohrfluss führt. Die Infektion ist aber nicht obligat. Formen des Cholesteatoms: Das Cholesteatom kann entweder kongenital oder erworben sein. Das kongenitale oder genuine Cholesteatom (Synonyme: echtes Cholesteatom, Epidermoid; engl.: congenital cholesteatoma) ist sehr selten und findet sich meist hinter einem intakten Trommel- Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 222 11.3 Otitis media c Flaccidacholesteatom eines rechten Ohres mit Infektion und Sekretion (feucht). Die Einziehung im Epitympanum ist mit Detritus und Epithelresten gefüllt. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 11.15 Flaccidacholesteatom a Die Pars flaccida wird durch Unterdruck in das Epitympanum eingezogen (Pfeil). b Epithelschuppen bilden den Boden für eine Infektion und Entzündung, was zum eigentlichen Cholesteatom führt. fell. Es kann überall im Schläfenbein auftreten und wird hier nicht weiter besprochen. Das erworbene Cholesteatom entsteht im Zusammenhang von Entzündungen und Belüftungsstörungen der Mittelohrräume. Es wird weiter in zwei Formen aufgeteilt: I Das sog. primär erworbene Cholesteatom, das besser als Flaccidacholesteatom bezeichnet wird (Abb. 11.15), geht aus einer Epitheltasche der Pars flaccida hervor und breitet sich zuerst im Epitympanum aus, wo es in der Regel zur Zerstörung der lateralen Wand des Epitympanums führt. Unglücklicherweise wird auch diese Form des Cholesteatoms gelegentlich als „genuin“ bezeichnet. Andere Synonyma sind: epitympanales Cholesteatom, Kuppelraumcholesteatom, Attikcholesteatom (engl.: primary acquired cholesteatoma, attic retraction cholesteatoma). I Das sog. sekundär erworbene Cholesteatom, das besser als Tensacholesteatom bezeichnet wird (engl.: secondary acquired cholesteatoma), geht entweder aus einer Perforation der Pars tensa mit Zerstörung des Anulus fibrocartilagineus (randständige Perforation) oder aus einer Retraktionstasche der Pars tensa hervor, die meist im oberen hinteren Quadranten liegt (Abb. 11.16). Dieses Cholesteatom entwickelt sich zuerst im Mesotympanum, es wächst aber recht häufig von dort aus ebenfalls in das Epitympanum vor. Klinik des Cholesteatoms Epidemiologie: Ein Cholesteatom kann in jeder Altersgruppe auftreten, es ist bei Kleinkindern selten. Pathogenese: Die primäre Ursache für ein erworbenes Cholesteatom ist wahrscheinlich eine Belüftungsstörung der Paukenhöhle (s. auch S. 213). Eine gestörte Tubenfunktion führt zu einem Mittelohrunterdruck, der entweder dauernd (bei ungenügender Tubenöffnung) oder kurzzeitig-rezidivierend (bei ungenügendem Tubenverschluss und Unterdruck im Nasopharynx, z. B. beim „Sniffing“) 223 Abb. 11.16 Entstehung eines Tensacholesteatoms Aus einer Retraktionstasche der Pars tensa (meist im oberen hinteren Quadranten) bildet sich ein Cholesteatom. Oben: Otoskopische Sicht auf das Trommelfell zusammen mit der nicht sichtbaren, schematisch dargestellten Ausdehnung im Epitympanum. Unten: Koronarer Querschnitt durch den Gehörgang und das Epitympanum auf Höhe der Retraktionstasche und des Cholesteatoms. Gelb: N. facialis. 11 Mittelohr besteht. Es bildet sich eine Retraktionstasche des Trommelfells. Die Tasche enthält Plattenepithel, das auf dem Trommelfell und im Gehörgang eine aktive Migrationstendenz zeigt und im Mittelohr eine Entzündung und Knochenresorption hervorruft. Eine sekundäre Infektion der sich ansammelnden Epithelschuppen kann diese zusätzlich verstärken. Symptome: Das erworbene Cholesteatom präsentiert sich in den meisten Fällen als chronische Otitis media (s. S. 219), seltener primär mit Komplikationen wie Labyrinthitis, Fazialisparese oder endokraniellen Infektionen. Ein Cholesteatom ohne Infektion (trockene Form) verursacht weder Schmerzen noch Ohrfluss. Es macht sich durch funktionelle Ausfälle bemerkbar. Häufig fällt als erstes ein Ohrdruck als Zeichen einer gestörten Paukenbelüftung auf. Es folgen Hörverlust und im späteren Verlauf u. U. schwerwiegende Symptome, die eine sofortige Behandlung erfordern. Solche Alarmsymptome sind eine Fazialisparese und Zeichen einer vestibulären Störung wie systematischer Schwindel und Gleichgewichtsstörungen. Häufiger liegt jedoch ein nässendes Cholesteatom vor, das infiziert ist. Es präsentiert sich als eine chronische Otitis media mit Ohrfluss, der in der Regel fötide ist, sowie einer Schwerhörigkeit. Bei akuter Exazerbation können Schmerzen dazukommen, die aber eher selten sind. Auch hier können im späteren Verlauf funktionelle Ausfälle wie Fazialisparese oder vestibuläre Störungen auftreten. Zudem sind Abszessbildungen und das Auftreten einer Meningitis möglich. Diagnostik: Diagnosesicherung: Die Diagnose wird otoskopisch gestellt (Abb. 11.15 – Abb. 11.17). Bei typischem Befund können weiße Epithelschuppen in einer Retraktionstasche epitympanal oder im Bereich des hinteren oberen Trommelfellquadranten erkannt werden. Gelegentlich kann auch eine Knochenarrosion der hinteren und oberen Gehörgangswand in Trommelfellnähe sichtbar sein. Ein trockenes Cholesteatom zeigt meist schwärzlich-braune Abb. 11.17 Trockenes Tensacholesteatom im vorderen oberen Quadranten. Die Hornmassen lassen sich gut erkennen. Die Lokalisation ist etwas ungewöhnlich (häufiger ist der obere hintere Quadrant betroffen). Krusten im Bereich der oberen Gehörgangswand. Bei akut entzündlichen Veränderungen kann die sichere Beurteilung des otoskopischen Befundes erschwert oder unmöglich sein. Es muss dann zuerst eine Behandlung wie bei der chronischen Otitis media erfolgen (s. S. 220). Schleimhautpolypen im Gehörgang weisen auf ein Cholesteatom hin. Suche nach Komplikationen: Die Hörprüfung ergibt in der Regel eine Schallleitungsschwerhörigkeit. Eine Schallempfindungsschwerhörigkeit kann auf eine bereits eingetretene Komplikation hindeuten. Bei Verdacht auf ein Cholesteatom sollte die Fazialisfunktion geprüft werden (s. S. 263). Eine Labyrinthfistel lässt sich durch das sog. Fistelsymptom nachweisen: Es wird mit einem Politzerballon Unterund Überdruck im Gehörgang erzeugt. Gleichzeitig werden die Augen mit einer Frenzelbrille beobachtet. Beim Vorliegen einer Labyrinthfistel löst der Druck Drehschwindel und Nystagmen aus. Bildgebende Diagnostik: Sie ist nicht für die Diagnosestellung geeignet. Die hochauflösende CT des Schläfenbeins kann aber das Ausmaß der Knochendestruktion und Komplikationen, wie z. B. intrakranielle Prozesse darstellen. Dazu muss ein CT mit Kontrastmittelgabe durchgeführt werden. Labyrinthfisteln lassen sich vermuten. Präoperativ gibt diese Untersuchung zudem Auskunft über den Pneumatisationsgrad des Schläfenbeins. Differenzialdiagnose: Ein trockenes Cholesteatom wird nicht selten mit gewöhnlichem Zerumen verwechselt. Ein nässendes Cholesteatom muss hauptsächlich gegen eine Otitis media chronica simplex abgegrenzt werden. Es bestehen fließende Übergänge von chronischen Verände! rungen des Trommelfells zu Entzündungen (z. B. Retraktionstaschen) und dem eigentlichen, erworbenen Cholesteatom. Verlauf und Komplikationen: Ohne Behandlung muss mit einem Fortschreiten der Knochendestruktion und mit Komplikationen wie Labyrinthfistel, Fazialisparese oder intrakraniellen Prozessen gerechnet werden. Therapie: Aufgrund der Knochendestruktion ist die Therapie des Cholesteatoms operativ. Das Ziel der Operation ist in erster Linie die Sanierung des entzündlich-destruktiven Prozesses in Mastoid und Paukenhöhle (sog. Radikaloperation, s. Exkurs). Erst in zweiter Linie wird eine Verbesserung des Gehörs angestrebt. Diese kann mit einer Tympanoplastik erreicht werden, die entweder gleichzeitig mit der sanierenden Operation durchgeführt wird oder später als Zweitoperation. Akute entzündliche Veränderungen werden wie bei einer chronischen Otitis media simplex mit lokalen Maßnahmen und beim Vorliegen von Allgemeinsymptomen mit systemischen Antibiotika behandelt. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 224 11.3 Otitis media 225 vorhandenen Schäden. Verschluss eines Trommelfelldefektes: Myringoplastik Prinzip (Abb. 11.19 a): Das Trommelfell wird mit einem freien Transplantat rekonstruiert, das in der Regel aus der Ohrgegend bei der Operation gewonnen wird. Am häufigsten werden Temporalisfaszie, Periochondrium vom Ohrknorpel (Tragus oder Concha) oder dünne Knorpelscheibchen verwendet. Das Gewebe haftet durch die Oberflächenspannung oder es wird mit Gewebekleber (Fibrinkleber) fixiert. Indikation: Die Myringoplastik ist bei den meisten rekonstruktiven Eingriffen nach Otitis media notwendig und muss oft mit einer Rekonstruktion der Schallleitungskette kombiniert werden. Ergebnis: Da die Myringoplastik mit einem avaskulären Transplantat durchgeführt wird, hängt die postoperative Einheilung von verschiedenen lokalen Faktoren ab. Je nach Ausgangslage kann mit einer Einheilung des Transplantats und einem dauernden Verschluss des Trommelfells nach etwa 80 % der Operationen gerechnet werden. Rekonstruktion der Schallleitungskette: Ossikuloplastik Prinzip: Die Rekonstruktion der Schallleitungskette will eine Schalldrucktransformation zwischen dem Trommelfell und dem ovalen Fenster herstellen. Die Art der Rekonstruktion und auch der Erfolg werden durch das Ausmaß der Zerstörung der Schallleitungskette mitbestimmt. Dabei ist der Zustand des Stapes besonders wichtig. Man unterscheidet: – Der Stapes ist intakt. Die Rekonstruktion stellt eine Verbindung zwischen dem Trommelfell (oder ggf. dem Hammergriff) und dem Stapesköpfchen her. Eine künstliche Prothese, die diese Verbindung herstellt, wird als PORP (= partial ossicular replacement prosthesis) bezeichnet (Abb. 11.19 b). – Die Stapesschenkel fehlen, es ist aber eine mobile Fußplatte vorhanden. Die Rekonstruktion stellt eine Verbindung zwischen dem Trommelfell und der Fußplatte her. In diesem Fall wird eine künstliche Prothese als TORP (= total ossicular replacement prosthesis) bezeichnet (Abb. 11.19 c). Die beiden oben genannten Situationen entsprechen Typ III nach Wullstein. – Die Fußplatte fehlt oder sie ist fixiert. Es wird ein neues Fenster rekonstruiert (Abb. 11.19 d, s. auch Abb. 11.22 und unten zu Typ V). Materialien: Die Rekonstruktion der Gehörknöchelchen kann mit körpereigenem Material, mit körperfremdem biologischem Material oder mit künstlichen Prothesen aus verschiedenen Materialien wie Titan oder Kunststoff erfolgen. Wenn möglich werden Reste der eigenen Ossicula verwendet. Ergebnis: Die Funktion der Ossikuloplastik (Schallübertragung) ist bei intaktem Stapes im Allgemeinen am besten, sie erreicht bei der Bildung eines neuen Fensters nie normale Werte. Postoperative Abb. 11.18 Sanierende Mittelohroperationen. Diese Operationen sanieren in der Regel eine chronisch-entzündliche Erkrankung. a Mastoidektomie: Eröffnung der Luftzellen des Warzenfortsatzes, b Radikaloperation: Eröffnung des Mastoids und der Paukenhöhle, c subtotale Petrosektomie: Obliteration der Operationshöhle. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Exkurs: Operative Behandlung der chronischen Otitis media: sanierende und rekonstruierende Mittelohroperation Sanierende Mittelohroperation Bei einer aktiven Entzündung, z. B. beim Vorliegen eines Cholesteatoms, muss vor einer Rekonstruktion das Mittelohr operativ saniert werden. Dabei werden die pneumatisierten Teile des Schläfenbeins in unterschiedlichem Ausmaß eröffnet und die entzündlichen Veränderungen entfernt. Mastoidektomie Prinzip (Abb. 11.18 a): Die Zellen des Mastoids und des Antrums werden von einem retroaurikulären Schnitt her ausgebohrt. Der epitympanale Raum der Paukenhöhle wird breit mit dem Mastoid verbunden. Indikation: hauptsächlich bei der Mastoiditis. Radikaloperation Prinzip (Abb. 11.18 b): Bei der Radikaloperation wird neben den Zellen des Mastoids auch das Epi- und Mesotympanum eröffnet. Man spricht von einer geschlossenen Technik, wenn die hintere, knöcherne Gehörgangswand verbleibt und von einer offenen Technik, wenn sie entfernt wird. Dabei entsteht eine breite Verbindung zwischen Mastoid, Paukenhöhle und Gehörgangslumen, die sog. Radikalhöhle. Die Radikaloperation wird heute fast immer mit einer Tympanoplastik und der Bildung einer neuen Paukenhöhle verbunden. Indikation: Beim Cholesteatom ist in der Regel eine Radikaloperation notwendig. Subtotale Petrosektomie Prinzip (Abb. 11.18 c): Bei der subtotalen Petrosektomie wird eine Radikalhöhle gebildet, und es werden zusätzliche Teile des Schläfenbeins entfernt. Die Operationshöhle wird mit Fettgewebe aus der Bauchdecke verödet, die Tube wird verschlossen und der Gehörgang permanent zugenäht. Indikation: Diese Operation wird bei entzündlichen Veränderungen nur selten durchgeführt, sie ist hauptsächlich bei Tumoren oder nach einem Trauma indiziert (s. S. 273 und S. 277). Sie führt zu einer vollständigen Unterbrechung der Schallleitung. Rekonstruierende Operationen Die bleibenden Folgen einer Otitis media können mikrochirurgisch rekonstruiert werden. Dabei will man einen Verschluss der Paukenhöhle gegen den Gehörgang und eine möglichst physiologische Schallübertragung erreichen. Eine solche Operation wird ganz allgemein Tympanoplastik genannt. Sie besteht in den meisten Fällen in der Rekonstruktion des Trommelfells (Myringoplastik) und der Schallleitungskette (Ossikuloplastik), gelegentlich muss aber auch nur die eine oder andere Operation durchgeführt werden. Je nach Situation wird man die sanierende Operation mit einer Tympanoplastik verbinden, oder die Rekonstruktion teilweise oder ganz zu einem späteren Zeitpunkt in einer zweiten Operation vornehmen. Ausmaß und Art der Rekonstruktion richten sich nach den 11 Mittelohr Vernarbungen und weitere Entzündungen tragen zu sehr unterschiedlichen Hörresultaten bei. Einteilung der Tympanoplastik nach Wullstein Die heute in vielen Gebieten angewandte mikrochirurgische Technik wurde um 1950 für die rekonstruktiven Operationen des Mittelohrs entwickelt. Zu den Pionieren gehörten deutsche Otologen wie Zöllner und Wullstein. Wullstein gab 1952 eine Einteilung der verschiedenen Rekonstruktionsmöglichkeiten des Mittelohrs (= Tympanoplastiken) an, die auch heute noch teilweise angewandt wird. Sie beruht auf der Rekonstruktion von verschiedenen funktionellen Teilen, nämlich: – des Trommelfells (Typ I = Myringoplastik, Abb. 11.19 a), – der Hebelwirkung der Schallleitungskette (Typ II, Abb. 11.19 e), – der Schallübertragung ohne Hebelwirkung (Typ III = Rekonstruktion der Schallleitungskette, Abb. 11.19 b, c), – der Schallprotektion des runden Fensters (Typ IV = Bildung einer kleinen Paukenhöhle ohne Rekonstruktion der Schallübertragung zum ovalen Fenster, Abb. 11.19 f) und – der Bildung eines neuen Innenohrfensters (Typ V, Abb. 11.19 g). Da heute der Hebelwirkung der Gehörknöchelchen wenig Bedeutung bei der Schallübertragung beigemessen wird und Operationen wie eine Fensterung des Bogengangs nicht mehr durchgeführt werden, wird die Einteilung der Tympanoplastik in die fünf „klassischen“ Typen heute oft ungenau und missverständlich gebraucht. Von praktisch-klinischer Bedeutung sind lediglich die Typen I und III. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 226 Abb. 11.19 Rekonstruierende Operationen. Die Rekonstruktion richtet sich nach dem vorliegenden Defekt. Die einzelnen Operationen sind im Text beschrieben. 11.3.8 Otogene Komplikationen der Otitis Otogene Komplikationen können grundsätzlich vom äußeren Ohr oder vom Mittelohr ausgehen. Falls der Ausgangspunkt der Gehörgang oder die Ohrmuschel ist, kommt es fast immer zu einer vorhergehenden oder gleichzeitigen Infektion der Mittelohrräume. ihrer Seltenheit und der gleichzeitigen Gefährlichkeit ! Wegen muss besser zu früh als zu spät an otogene Komplikationen gedacht werden (Aufrechterhaltung eines hohen „Vermutungsindexes“). Otogene Komplikationen sind otologische Notfälle, die sofort fachärztlich abgeklärt und behandelt werden müssen. Es muss eine baldmöglichste Untersuchung mit Audiometrie und CT mit Kontrastmittelgabe erfolgen und oft ist anschließend eine Operation notwendig. 11.3 Otitis media auftretende akute Komplikationen sind ein Alarmzeichen, ! Lokal und es ist eine sofortige, in der Regel operative Behandlung notwendig. Je früher eingegriffen wird, desto wahrscheinlicher kann eine Erholung erreicht oder zumindest eine weitere Verschlechterung der Funktion aufgehalten werden. Eine chronisch infizierte Otitis media kann aber auch (selten) akute systemische Komplikationen wie z. B. eine Endokarditis bei Klappendefekten, eine Sepsis oder eine schwere Lokalinfektion bei allgemeiner Immunschwäche hervorrufen. Mastoiditis Definition: Eine Entzündung des Zellsystems des Warzenfortsatzes wird als Mastoiditis bezeichnet. Eine Beteiligung der Schleimhaut in diesem Zellsystem tritt bei einer akuten Otitis media regelmäßig auf. Man spricht dann von einer Begleitmastoiditis. Eine Mastoiditis im engeren Sinn ist vorhanden, wenn sich der Entzündungsprozess auf Schleimhaut und Knochenstrukturen des Mastoids konzentriert. Bei guter Pneumatisation kann sich die Entzündung auch in den Zellen des Felsenbeins (Petrositis) oder des Jochbogens (Zygomatizitis) manifestieren. Ätiopathogenese: Der Ausgangspunkt der Mastoiditis ist meist eine Infektion des Mittelohrs. Die Mastoiditis ist die häufigste Komplikation einer Otitis media, insgesamt tritt sie aber selten auf. Wichtige Faktoren bei der Entstehung sind der Pneumatisationsgrad, die Virulenz der Erreger, die Abwehrlage des Patienten und die Therapie der Otitis media. Eine ungenügende antibiotische Behandlung kann das Auftreten einer Mastoiditis begünstigen. Als Ursache der Mastoiditis muss neben der Infektion und Abszessbildung auch selten eine entzündliche Einschmelzung wie z. B. beim Morbus Wegener in Betracht gezogen werden. Diagnostik: Der klassische Befund ist die Trias aus I abstehender Ohrmuschel mit retroaurikulärer Schwellung, I Druckschmerz über dem Mastoid und I Otorrhö. Dieser klassische Befund ist aber eher selten. Bei fehlender Besserung einer akuten Otitis media nach 2 – 3 Wochen oder bei einer erneuten Verschlechterung des Befindens muss an eine Mastoiditis gedacht werden. Es finden sich otoskopisch die Zeichen einer akuten oder subakuten Otitis media mit oder ohne Trommelfellperforation. Die hintere Gehörgangswand kann besonders gerötet sein und eine Schwellung aufweisen („Absenkung der hinteren Gehörgangswand“). Die Diagnose wird am sichersten mit der CT gestellt, die auch weitere Komplikationen zu erfassen vermag. Neben der Verschattung des Zellsystems und der Mittelohrräume findet sich eine Arrosion der mastoidalen Knochenstruktur. Die Entzündungsparameter Leukozytenzahl, CRP und BSG sind deutlich erhöht. Differenzialdiagnose: Eine Otitis externa mit einer Abszessbildung hinter dem Ohr kann eine Mastoiditis vortäuschen (Pseudomastoiditis). Druckdolenz und Schwellung wie bei einer Mastoiditis können auch durch Entzündungen von retroaurikulären Lymphknoten auf dem Mastoid vorhanden sein. Tumoren des Schläfenbeins wie das eosinophile Granulom, Sarkom, Metastasen (Mammakarzinom, Bronchialkarzinom, Nierentumoren) oder Lymphome können das Bild einer Mastoiditis vortäuschen. Komplikationen: Die übrigen otogenen Komplikationen (s. u.) können von einer Mastoiditis ausgehen, so dass die Gefahr für zusätzliche Komplikationen erhöht ist. Eine Übersicht über die von einer Mastoiditis ausgehenden Komplikationen gibt Abb. 11.20. Therapie: Die Therapie besteht in der Regel in der Mastoidektomie (s. S. 225), die immer mit einer intravenösen, resistenzgerechten Antibiotikagabe kombiniert wird. Oft ist auch eine Paukendrainage zur Druckentlastung des Mittelohrs notwendig. Nur beim Vorliegen eines Frühstadiums einer Mastoiditis kann ohne Operation antibiotisch behandelt werden, wobei intravenöse Verabreichung und eine stationäre Überwachung notwendig sind. Endokranielle Komplikationen Symptome: Es bestehen Fieber und lokale Schmerzen. Bei Säuglingen kann sich eine Mastoiditis oder Antritis durch reduziertes Allgemeinbefinden, Bauchschmerzen und Appetitlosigkeit manifestieren (okkulte Mastoiditis oder Antritis). Meningitis: Ätiologie: Eine otogene Meningitis kann als Folge einer klinisch apparenten Otitis media, insbesondere eines Cholesteatoms, auftreten. Sie kann aber auch bei okkulten Prozessen im Bereich der Laterobasis vorkommen, die otoskopisch unter Umständen nicht oder nur schwierig zu erkennen sind. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Neben den akuten Komplikationen kann die Otitis auch zu chronischen Folgen führen, die aber schwieriger zu fassen sind. Am wichtigsten ist eine Innenohrschwerhörigkeit aufgrund einer serösen Begleitlabyrinthitis. Im Folgenden wird auf die typischen akut-lokalen Komplikationen der Otitis media eingegangen. Diese treten am häufigsten beim Cholesteatom auf, sie können aber auch im Rahmen einer akuten oder einer chronischen Otitis media auftreten. 227 11 Mittelohr Man unterscheidet folgende Formen: Der Epiduralabszess (zwischen dem Knochen des Schläfenbeins und der Dura) steht nicht mit dem Liquorraum in Verbindung, so dass er deshalb oft symptomarm ist. Die Zeichen der zugrunde liegenden Otitis media stehen im Vordergrund. Oft genügt eine otochirurgische Sanierung. I Der Subduralabszess ist im Arachnoidalraum gelegen und steht damit mit dem Liquor in Verbindung. Die Übergänge zu einem subduralen Empyem und zur Meningitis sind fließend. I Der intrazerebrale Abszess führt zu Allgemeinsymptomen wie Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, die Ausdruck eines gesteigerten Hirndrucks sein können. Fokale neurologische Zeichen hängen von der Lokalisation des Abszesses ab: bei temporaler Lokalisation kommt es zu Sprachstörungen, epileptischen Erscheinungen und Hirnnervenlähmungen (I – VIII). Der Kleinhirnabszess führt neben einem möglichen erhöhten Hirndruck und den Hirnnervenausfällen hauptsächlich zu Gleichgewichtsstörungen und Ataxie. I Abb. 11.20 Komplikationen der Mastoiditis Abszesse können sich unter der Haut (Subperiostalabszess), in der Muskulatur (Bezold-Abszess im M. sternocleidomastoideus) oder intrakraniell bilden. Die Infektion kann auch zu einer Meningitis oder zu einer septischen Thrombose des Sinus sigmoideus führen. einer Meningitis mit unklarem Ausgangspunkt, vor allem ! Bei wenn es sich um eine Infektion mit Streptococcus pneumoniae handelt, muss an das Mittelohr und die Laterobasis als Ausgangspunkt gedacht und eine entsprechende Abklärung mit CT durchgeführt werden. Ausbreitungswege: Eine Meningitis kann sich von den Mittelohrräumen aus über präformierte Verbindungen (Blutgefäße, Diploevenen), über das Labyrinth (tympanogene Labyrinthitis), über Knochenlücken nach laterobasalen Frakturen oder über fortgeleitete Infektionen bei Ostitis oder Cholesteatom ausbilden. Symptomatik: Die Meningitis zeigt sich innerhalb von Stunden mit starken Kopfschmerzen, Fieber, Bewusstseinstrübungen und Nackensteife. Die sofortige Diagnostik schließt eine CT des Schläfenbeins und des Schädels mit Kontrastmittel sowie eine Lumbalpunktion ein. Die Therapie mit Antibiotika und Corticosteroiden muss sofort eingeleitet werden. Bei Vorliegen von Prozessen im Bereich des Mittelohrs oder der Laterobasis muss nach Stabilisierung des Allgemeinzustandes operativ eingegriffen werden, einerseits diagnostisch zur Klärung der Ursachen, andererseits therapeutisch zur Sanierung des Infektionsherdes und des Ausbreitungswegs. Verlauf: Bei der otogenen Meningitis kann es zu Innenohrstörungen oder sogar zu einer beidseitigen Ertaubung kommen. Endokranielle Abszesse: Diese bilden sich über die gleichen Wege wie die Meningitis (s. o.). Otogene Abszesse sind in der Regel temporal oder in der hinteren Schädelgrube (Kleinhirnabszess) lokalisiert. Subdurale und intrazerebrale Hirnabszesse müssen kombiniert otochirurgisch und neurochirurgisch behandelt werden. In der Regel sind eine operative Sanierung der Mittelohrräume und eine intrakranielle Ausräumung des Abszesses notwendig. Komplikationen: Alle Abszesse können auch zu einer Meningitis führen, was besonders häufig beim Subduralabszess der Fall ist. Entzündliche Sinusthrombose und otogene Sepsis: Eine Mastoiditis kann zu einer entzündlichen Thrombosierung im Bereich des Sinus sigmoideus oder des Bulbus venae jugularis führen. Bei infiziertem Thrombus führen eine Streuung und eine Ausdehnung der Thrombose zu einer otogenen Sepsis. Der Thrombus kann auch eine venöse intrakranielle Abflussbehinderung mit erhöhtem Hirndruck hervorrufen (vor allem bei einseitiger Hypoplasie des Sinus sigmoideus). septischen Erscheinungen im Zusammenhang mit einer ! Bei Otitis muss immer an die Sinusthrombophlebitis gedacht werden. Die Diagnose wird mit der CT oder MRT gestellt. Zur Therapie ist in der Regel eine Mastoidektomie mit operativer Entfernung des Thrombus notwendig. Labyrinthitis Die tympanogene Labyrinthitis wird ab S. 239 näher besprochen. einer Otitis media ist das Auftreten von vestibulären Symp! Bei tomen (Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Nystagmus) ein Alarmzeichen, das auf eine Labyrinthitis hinweist. Es muss eine sofortige otologische Abklärung erfolgen, gegebenenfalls eine entsprechende Therapie. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 228 11.4 Verletzungen und nichtentzündliche Erkrankungen des Mittelohrs N. facialis: Die periphere Fazialisparese (s. S. 265) ist die häufigste Hirnnervenkomplikation einer Otitis media. Der Ausfall kommt durch eine direkte entzündliche Beteiligung des peripheren Nervs zustande. Das tympanale Segment ist am häufigsten betroffen. I Beim Kind kann auch eine „gewöhnliche“ Otitis media zu einer Fazialisparese führen. Eine Therapie mit Antibiotika, u. U. kombiniert mit Corticosteroiden, kann genügen. Beim Vorliegen einer gleichzeitigen Mastoiditis muss meist eine Mastoidektomie und eine Drainage der Mittelohrräume durchgeführt werden. I Beim Erwachsenen ist das Cholesteatom die häufigste Ursache für eine otogene Fazialisparese. Hier muss immer nach einer entsprechenden audiologischen und bildgebenden Abklärung möglichst bald operiert werden. Ätiologie: Eine Verletzung des Trommelfells durch den Gehörgang kann direkt, z. B. durch eine Stichverletzung, oder indirekt durch Luftdruckänderung zustande kommen. Indirekte Verletzungen sind häufiger als direkte. Typische Vorkommnisse sind Ohrfeigen oder Sportverletzungen wie ein Sprung ins Wasser. Typische direkte Verletzungen entstehen durch Zweige, Selbstmanipulationen (Wattestäbchen) im Gehörgang oder durch glühende Perlen, wie sie beim Schweißen wegfliegen. Sie können durch den Gehörgang und das Trommelfell in das Mittelohr gelangen. Bei größerer Gewalteinwirkung können auch Mittelund Innenohr betroffen sein. Dies ist naturgemäß bei direkten Verletzungen häufiger der Fall, kann aber auch bei Explosionen vorkommen. Pathogenese: Die Zerreißung des Trommelfells bei Luftdruckanstieg oder Unterdruck hängt wesentlich von der Geschwindigkeit der Druckänderung ab. Atrophe Narben im Trommelfell sind Prädilektionsstellen und können bei geringeren Druckänderungen leichter perforieren als ein normales Trommelfell. Eine Verletzung des Mittelohrs betrifft neben dem Trommelfell meist die Ossicula in Form von Luxationen oder Frakturen. Bei einer Beteiligung des Stapes ist häufig das Innenohr mit betroffen. Es kann auch ein direktes Trauma des N. facialis entstehen. Pyramidenspitzen-Syndrom: Das Auftreten von Trigeminussymptomen und Abduzensparese zusammen mit Ohrsymptomen wird als Pyramidenspitzen- oder GradenigoSyndrom bezeichnet. Prozesse der Pyramidenspitze, meist entzündlicher Natur, gelegentlich aber auch Tumorinfiltrationen, führen zu einer Reizung der Trigeminuswurzel mit Trigeminusneuralgie oder Hypästhesie des N. trigeminus sowie zu einer Reizung des N. abducens mit dem Auftreten von Doppelbildern. Oft sind zusätzliche Ausfälle des VII. und VIII. Hirnnervs vorhanden. Andere Hirnnervenausfälle: Im Rahmen eines otogenen, intrakraniellen Abszesses können fast alle Hirnnerven einzeln oder in verschiedenen Kombinationen betroffen sein. Am häufigsten sind es der N. abducens, der N. trochlearis und der N. trigeminus. Symptome: Eine traumatische Trommelfellperforation führt zu kurz dauerndem Schmerz. Es kann anschließend ein Taubheitsgefühl und eine leichte Blutung aus dem Gehörgang auftreten. Die Patienten können Luftaustritt beim Valsalva-Manöver oder Schneuzen bemerken. 11.4 Auftreten von vestibulären Symptomen (Schwindel, ! Das Gleichgewichtsstörungen, Übelkeit) oder einer Fazialisparese Verletzungen und nichtentzündliche Erkrankungen des Mittelohrs Dieses Kapitel bespricht nichtentzündliche Veränderungen, die sich auf das Mittelohr beschränken. Es kann sich um Verletzungen, Belüftungsstörungen oder um Knochenerkrankungen handeln. Diese Veränderungen können auch die Funktion des Innenohrs beeinträchtigen und sich oft im Bereich der ganzen lateralen Schädelbasis bemerkbar machen. Es bestehen deshalb Überschneidungen zum Kapitel 15 (s. S. 269), in dem die weniger beschränkten Veränderungen der lateralen Schädelbasis besprochen werden. 11.4.1 Verletzungen Verletzung von Trommelfell und Mittelohr Synonym: traumatische Trommelfellperforation, Trommelfellruptur engl.: middle ear trauma, traumatic perforation of the tympanic membrane ist mit einem Trauma verbunden, das nicht auf das Trommelfell beschränkt ist. Diagnostik: Die Trommelfellperforation kann otoskopisch festgestellt werden. Es findet sich eine schlitz- oder dreiecksförmige Perforation mit gezackten Rändern, am häufigsten in den unteren Quadranten (Abb. 11.21). Es muss immer eine Hörprüfung durchgeführt werden. Bei Verletzungen, die auf das Trommelfell beschränkt sind, findet sich nur eine leichte Schallleitungsschwerhörigkeit (Weber ins kranke Ohr lateralisiert, Rinne schwach negativ oder u. U. sogar positiv). Bei einer Beteiligung der Ossicula ist die Schallleitungsschwerhörigkeit ausgeprägter. Schallempfindungsschwerhörigkeit, ein Nystagmus oder ! Eine eine Fazialisparese sind Zeichen eines schweren Mittelohrtraumas mit Innenohrbeteiligung. Es muss möglichst bald eine operative Exploration des Mittelohrs erfolgen. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Hirnnervenausfälle 229 11 Mittelohr erschweren zusätzlich die Tubenöffnung. Bei weiterer Zunahme der Kompression nimmt auch der Unterdruck in der Paukenhöhle weiter zu, das Trommelfell wird eingezogen und das runde Fenster wölbt sich ins Mittelohr vor. So kann es zur Perforation des Trommelfells oder der runden Fenstermembran kommen. Als Ursache für die primär ungenügende Tubenöffnung kommen grundsätzlich alle Tubenobstruktionen infrage, am häufigsten ist eine banale Rhinitis die auslösende Ursache. Abb. 11.21 Traumatische Trommelfellruptur Frische Trommelfellruptur rechts. Es zeigt sich eine dreieckige Perforation mit blutigen Rändern. Eine Innenohrbeteiligung kann auch in Form eines akuten Lärmtraumas vorliegen (s. S. 237). Therapie: Das Trommelfell zeigt eine gute Selbstheilungstendenz und die meisten Perforationen heilen von selbst. Sie können mit verschiedenen Materialien wie Kunststofffolien oder Zigarettenpapier abgedeckt werden und eingerollte Perforationsränder sollten aufgerichtet werden. Das Ohr muss vor Wasser, Shampoo oder Seife geschützt werden. Isolierte Trommelfellperforationen heilen in der Regel folgenlos aus, bei Mittelohrtraumen persistiert aber oft eine Schallleitungsschwerhörigkeit. In diesen Fällen sind eine spätere operative Exploration des Mittelohrs und eine Wiederherstellung der Schallübertragung indiziert. Barotrauma des Mittelohrs Synonym: Barootitis, Aerootitis engl.: barotrauma of the middle ear Definition: Eine rasche Veränderung des Luftdrucks führt infolge von Unterdruck in der Paukenhöhle zu akuttraumatischen Folgen an Trommelfells und Mittelohr (s. S. 213). Nach Teed wird das Barotrauma otoskopisch in 4 Grade eingeteilt: I 1: Retraktion und Rötung der Pars flaccida und/oder des Hammergriffs I 2: Retraktion und Rötung des ganzen Trommelfells I 3: wie 2, zusätzlich Paukenerguss oder Hämatotympanum I 4: Ruptur des Trommelfells. Ätiopathogenese: Es sind hauptsächlich Kompressionsvorgänge im Flugzeug (Landung) und beim Tauchen (Abtauchen), die zum Barotrauma führen. Bei Erhöhung des Umgebungsdrucks und ungenügendem Druckausgleich über die Tuba auditoria herrscht im Mittelohr gegenüber der Umgebung ein Unterdruck, der zu einer Schleimhautschwellung und zu Schleimhautblutungen führen kann. Diese Veränderungen und ein Kollaps der Tubenwände Symptome: Es kommt zu heftigen Ohrschmerzen, die durch Valsalva und ähnliche Manöver nicht behoben werden können. Eine Schallleitungsschwerhörigkeit wird meist wegen der Schmerzen kaum bemerkt. Im Einzelfall können Schwindel und Nystagmus auftreten. Diagnostik: Die Diagnose wird mit Hilfe der typischen Anamnese und der Otoskopie gestellt. Je nach Stadium zeigen sich Veränderungen des Trommelfells, ein Paukenerguss oder eine Ruptur des Trommelfells. Differenzialdiagnose: Der otoskopische Befund kann bei Schläfenbeinfraktur, akuter Otitis media, chronisch sekretorischer Otitis media und Grippeotitis ähnlich sein. Eine Perilymphfistel ohne eigentliches Barotrauma und damit eine operative Exploration der Paukenhöhle müssen in Betracht gezogen werden. Bei Tauchunfällen muss ein Barotrauma von der Dekompressionskrankheit unterschieden werden, die vorwiegend vestibuläre Symptome hervorruft. Komplikationen: Entsteht eine Trommelfellperforation, ist dies hauptsächlich beim Tauchen gefährlich. Es dringt kaltes Wasser ins Mittelohr und löst eine kalorische Reizung des Vestibularorgans mit entsprechendem Schwindel, Orientierungsschwierigkeiten und evtl. Erbrechen aus. Außerdem kann es zu einer bakteriellen Infektion des Mittelohrs über eine Trommelfellperforation von außen oder tubogen aufgrund der Schleimhautschwellung und der Sekretion kommen. Eine Beteiligung des Innenohrs über das ovale oder runde Fenster und die Entstehung einer Perilymphfistel können zu bleibenden kochleovestibulären Störungen führen. Therapie: Die sofort wirksame Therapie besteht in der Parazentese. Bei weniger ausgeprägtem Krankheitsbild wird versucht, die Tubenöffnung durch abschwellende Medikamente wie nichtsteroidale Antirheumatika oder Steroide und durch eine Optimierung der Nasenatmung in Gang zu bringen. Die Schmerzen werden am besten mit nichtsteroidalen Antirheumatika bekämpft. Der Verdacht auf Innenohrstörung aufgrund einer Ruptur der runden Fenstermembran muss zu einer Entlastung des Unterdrucks (Parazentese) und zur Ruhigstellung (Bettruhe) führen. Ggf. ist eine operative Exploration der Paukenhöhle notwendig. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 230 11.4 Verletzungen und nichtentzündliche Erkrankungen des Mittelohrs 11.4.2 Knochenerkrankungen Otosklerose Synonym: Otospongiose engl.: otosclerosis Definition: Es handelt sich um eine Erkrankung der knöchernen Labyrinthkapsel mit Knochenumbauprozessen, die sich klinisch am häufigsten mit einer Fixation des Stapes und einer daraus resultierenden Schallleitungsschwerhörigkeit bemerkbar machen. Epidemiologie: Die Krankheit tritt am häufigsten zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr in Erscheinung. Sie ist bei Frauen etwa doppelt so häufig wie bei Männern und bei Weißen etwa zehnmal häufiger als bei Schwarzen oder Asiaten. Histologisch finden sich die unten beschriebenen Umbauprozesse relativ häufig (in bis zu 10 % der Autopsien), ohne dass sie zu klinischen Symptomen führen. Pathogenese: Die Ursache des Knochenumbaus ist nicht bekannt. Eine genetische Disposition kann aufgrund einer positiven Familienanamnese in etwa der Hälfte der Patienten vermutet werden. Zudem können hormonelle Umstellungen bei Frauen (Schwangerschaft) zu einer Krankheitsaktivierung führen. Als auslösender Faktor wird auch eine lokale Persistenz von Masernviren vermutet. Die Beschränkung der Knochen-Stoffwechselstörung auf die Labyrinthkapsel hat wahrscheinlich mit deren besonderem Aufbau zu tun. Die Labyrinthkapsel weist keine Blutgefäße und einen äußerst eingeschränkten bis fehlenden Umbau auf. Die Labyrinthkapsel zeigt bei der Otosklerose zu Beginn eine lokalisierte Resorption und einen Umbau der Knochenstruktur, später eine Sklerosierung an diesen Stellen. Der vordere Bereich der ovalen Fensternische ist eine Prädilektionsstelle, an der die Stapesfußplatte und der vordere Schenkel miteinbezogen werden können. Es kommt dadurch zur Stapesfixation. Symptome: Die Patienten bemerken eine langsam progressive Schwerhörigkeit, die ein- oder beidseitig auftreten kann. Bei beidseitigem Befall ist meist ein Ohr stärker betroffen. Tinnitus kann vorhanden sein, vestibuläre Funktionsstörungen aufgrund einer Otosklerose sind selten. Die Krankheit kann aber auch die Funktion der Kochlea beeinträchtigen (kochleäre Form). Diagnostik: Es finden sich die Zeichen einer typischen Schallleitungsschwerhörigkeit bei normalem otoskopischem Befund, d. h. der Weber-Versuch ist ins schwerhörige Ohr lateralisiert, der Rinne-Versuch ist negativ, das Tonaudiogramm zeigt eine deutlich erhöhte Luftleitungsschwelle im Vergleich zur Knochenleitungsschwelle. Die Knochenleitungschwelle selbst kann aber im Tonaudiogramm auch erhöht sein, vor allem im Bereich von 2 kHz (Carhart-Senke). Gelegentlich lassen sich in der hochauflösenden CT die otosklerotischen Herde in der Labyrinthkapsel nachweisen, allerdings nicht als Sklerose, sondern als umschriebene Entkalkung. Die CT ist aber, außer bei der seltenen kochleären Form, zur Diagnosesicherung der Otosklerose nicht indiziert. Differenzialdiagnose: Die Differenzialdiagnose einer Schallleitungsschwerhörigkeit bei intaktem Trommelfell schließt ein I Mittelohrfehlbildungen; I Unterbrechungen der Schallleitungskette durch: – entzündliche Veränderungen wie eine aseptische Nekrose des langen Ambossfortsatzes oder eine Tympanosklerose: meist zeigt das Trommelfell in diesen Fällen ebenfalls Residuen einer chronischen Entzündung; – traumatische Luxation der Schallleitungskette: in der Regel kann diese anamnestisch eruiert werden; auch hier zeigen sich typische Veränderungen des otoskopischen Befunds; I generalisierte Knochenstoffwechselstörungen (s. u.). Komplikationen: Beim Auftreten von otosklerotischen Krankheitsherden an anderen Stellen der Labyrinthkapsel (sog. Kapselsklerose) kann sich eine kochleäre Schwerhörigkeit bilden, die bis zur Ertaubung führen kann. Möglicherweise sind toxische Stoffe des Umbauprozesses dafür verantwortlich, die in die Innenohrräume gelangen. Auch bei Stapesfixationen kann im weiteren Verlauf eine kochleäre Schwerhörigkeit auftreten. Therapie: Eine eigentliche Therapie des Knochenumbaus ist nicht bekannt. Bei kochleärer Beteiligung und anderen besonderen Umständen kann eine Beeinflussung mit oraler Gabe von Natriumfluorid über mehrere Monate versucht werden. Die Rehabilitation der Schallleitungsschwerhörigkeit kann entweder operativ oder mittels Hörapparat erfolgen. Die Operation besteht im Ersatz des fixierten Stapes durch eine Prothese, die eine Übertragung der akustischen Schwingungen auf das Innenohr übernimmt. Dazu muss eine Verbindung zum Innenohr hergestellt werden, wozu eine Perforation der Fußplatte durchgeführt wird (Stapedotomie, Abb. 11.22). Die notwendige Eröffnung des Perilymphraumes stellt das prinzipielle, wenn auch kleine Risiko der Operation dar. Es kann dadurch peri- oder postoperativ zu kochleärer Schwerhörigkeit und vestibu- Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Prophylaxe: Bei Rhinitis, Sinusitis oder Otitis media ist Tauchen zu verbieten. Für Flugzeugreisen muss bei entsprechender Disposition eine gute Nasenatmung mit abschwellenden Mitteln und eine genügende Feuchtigkeit der Schleimhaut, z. B. mit Salzwasserspray, aufrechterhalten werden. Die Patienten sollen zudem häufig einen Druckausgleich vornehmen, um die Ausbildung eines stärkeren Unterdrucks zu vermeiden. 231 11 Mittelohr anatomische Veränderung des Knorpels, der Muskeln oder der Schädelbasis. Solche Veränderungen können z. B. postpartal, bei Kachexie oder Anorexie, nach Strahlentherapie oder bei Akromegalie auftreten. Symptome: Die Anamnese ist charakteristisch. Frauen sind häufiger betroffen, sie klagen über Ohrdruck, unbestimmte Hörbeschwerden ohne eigentliche Schwerhörigkeit und gelegentlich über rauschenden Tinnitus. Oft wird auf Befragen eine Autophonie angegeben, d. h. eine ungewöhnliche Wahrnehmung der eigenen Stimme „im Kopf“ mit Widerhall. Die Symptome vermindern sich oder verschwinden im Liegen oder bei Kopftieflage aufgrund des erhöhten venösen Drucks und verstärken sich bei körperlichen oder geistigen Anstrengungen. Gelegentlich ist anamnestisch eine Gewichtsreduktion zu eruieren. Abb. 11.22 Stapedotomie a Stapedotomie bei einem Otoskleroseherd im Bereich des vorderen Stapesschenkels. b Es wird eine Perforation der Fußplatte von 0,5 – 0,8 mm angelegt und c eine Prothese befestigt. d Schwingungen des Incus übertragen sich wieder auf die Perilymphe. Diagnostik: Die Otoskopie und die Hörprüfung sind normal. Es kann sich eine atemsynchrone Bewegung des Trommelfells entweder bei der Otoskopie oder bei der Impedanzaudiometrie zeigen. Eine endoskopische Untersuchung des Nasopharynx und des Tubenostiums ist zum Ausschluss von Veränderungen notwendig (s. S.15). lären Symptomen kommen. Ein solcher Schaden tritt in geübten Händen sehr selten auf, er kann aber nie vollständig ausgeschlossen werden. Insgesamt ist die Stapesersatz-Operation sehr erfolgreich und für den Patienten hilfreich. Therapie: Die Ursachen sollten, sofern möglich, behandelt werden. Meist ist die Störung aber harmlos und oft genügt eine Erklärung der Ursache zur Beruhigung des Patienten. Eine regelmäßige und genügende Flüssigkeitszufuhr kann hilfreich sein. Bei subjektiv äußerst unangenehmen und anhaltenden Symptomen kann eine submuköse Injektion von Kollagen am Tubeneingang im Nasopharynx in Erwägung gezogen werden. Dabei besteht aber die Gefahr einer anschließend verminderten Mittelohrbelüftung mit der Ausbildung einer sekretorischen Otitis media. Andere Knochenerkrankungen Systemische Knochenerkrankungen wie Osteogenesis imperfecta, Morbus Paget oder eine Akromegalie können ebenfalls zu einer Fixation des Steigbügels führen. Bei der Osteogenesis imperfecta tritt oft zusätzlich eine kochleäre Schwerhörigkeit auf. Neben der Fixation des Steigbügels kann auch der Kopf des Hammers an den knöchernen Wänden des epitympanalen Raums fixiert werden (Hammerkopffixation). Dies kann idiopathisch, postoperativ, im Rahmen einer Tympanosklerose oder bei Fehlbildungen vorkommen. Die Therapie besteht in der operativen Wiederherstellung der Schallübertragung (s. o. und S. 225). 11.4.3 Andere Erkrankungen des Mittelohrs Syndrom der klaffenden Tube engl.: patulous Eustachian tube Ätiopathogenese: Normalerweise öffnet sich die Tuba auditoria nur bei Aktivierung des M. tensor veli palatini. Bei Abnahme des peritubaren Fett- und Bindegewebsdrucks kann es zu einer dauernd offenen Verbindung zwischen dem Nasenrachenraum und der Paukenhöhle kommen. Ursachen dafür sind eine Gewichtsreduktion (Abnahme des Fettgewebes), ein reduzierter Venendruck oder eine Tumoren Tumoren des Mittelohrs sind selten. Der häufigste ist das Paragangliom (Synonym: Glomustumor), der sich entweder mit einem typischen otoskopischen Befund oder mit Funktionsstörungen der basalen Hirnnervengruppe präsentiert (s. S. 277). Andere Tumoren wie eosinophile Granulome, Karzinome, Karzinoide, Plasmozytome, Riesenzelltumoren, Sarkome, Lymphome oder Metastasen zeigen sich meist durch unspezifische, entzündliche Symptome. des Mittelohrs werden oft für längere Zeit als Otitis ! Tumoren media verkannt und behandelt. Da die Behandlung der Tumoren oft die ganze laterale Schädelbasis betrifft, werden sie ab S. 277 näher besprochen. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 232