Diplomarbeit Seltene Komplikationen in der Schilddrüsenchirurgie eingereicht von Lamija Hasecic Mat.Nr.: 0313720 zur Erlangung des akademischen Grades Doktor(in) der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt an der Klinischen Abteilung für Allgemeinchirurgie unter der Anleitung von Univ.-Prof. Dr.med.univ. Gerhard Wolf Univ.-Ass. Dr.med.univ. Veronika Matzi Graz, Mai 2011 ………………………….. (Unterschrift) Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, am Unterschrift 1 Widmung und Danksagung Die vorliegende Arbeit ist meinen Eltern gewidmet, Sabiha und Suad Hasecic, die mir dieses Studium ermöglicht haben. Ich konnte mich immer auf sie verlassen und auf ihre Unterstützung bauen. Danke für euer großes Verständnis, Geduld und Fürsorge die ihr mir entgegen gebracht habt. Danke, dass ihr immer an mich glaubt. Ganz besonders möchte ich mich bei meinem Betreuer Univ. Prof. Dr. Gerhard Wolf bedanken, der mir diese Diplomarbeit ermöglicht hat. Danke, für die kompetente und wirklich ausgezeichnete Betreuung und die Zeit die Sie sich jede Woche, für Korrekturlesen und Ratschläge, genommen haben. Ein herzliches Dankeschön an Dr.med.univ. Veronika Matzi für die ebenfalls tatkräftige Unterstützung. Vielen Dank für die hilfreichen Hinweise und Tipps. Meinem Bruder Faris, danke ich für seine positive Art und Arbeitsweise, die mich immer wieder aufs Neue motiviert und inspiriert hat. Ebenfalls danke ich ihm und seinen Freunden Innen, die mir bei der Korrektur der Diplomarbeit hilfreich zur Seite standen. 2 Inhaltverzeichnis ABKÜRZUNGEN ......................................................................................................... 5 ABBILDUNGSVERZEICHNIS .................................................................................... 6 ZUSAMMENFASSUNG .............................................................................................. 7 ABSTRACT .................................................................................................................. 8 1. EINLEITUNG ........................................................................................................ 9 2. METHODEN ........................................................................................................... 11 2.1. TOPOGRAPHISCHE ANATOMIE DER SCHILDDRÜSE ................................................. 11 2.1.1. Morphologie ................................................................................................ 11 2.1.2. Arterielle und venöse Versorgung ................................................................ 12 2.1.3. Lymphabfluss............................................................................................... 14 2.1.3.1. Chirurgische Anatomie ..................................................................... 16 2.1.4 Innervation .................................................................................................. 16 2.2. OPERATIONSINDIKATIONEN ................................................................................. 18 2.3.1. Struma ......................................................................................................... 19 2.3.2 Hyperthyreose .............................................................................................. 20 2.3.3. Malignome der Schilddrüse ......................................................................... 21 2.3. OPERATIONSMETHODEN ...................................................................................... 23 2.4 KOMPLIKATIONEN ................................................................................................ 25 2.4.1.Häufige Komplikationen ............................................................................... 25 2.4.1.1. Die Recurrensparese........................................................................ 26 2.4.1.1.1. Intubationsbedingte Recurrensparese ..................................... 26 2.4.1.3. Hypokalzämie .................................................................................... 27 2.4.1.4 Nachblutung ....................................................................................... 28 2.4.1.5 Infektion .............................................................................................. 28 2.4.2 Seltene Komplikationen ................................................................................ 29 2.4.2.1. Chylusfistel und Chylothorax ........................................................... 29 3 2.4.2.2 Bilateraler Spannungspneumothorax............................................... 32 3. PATIENTEN ........................................................................................................... 35 3.1. FALL 1 ................................................................................................................ 35 3.2 FALL 2 ................................................................................................................ 38 4. DISKUSSION ......................................................................................................... 42 5. LITERATURVERZEICHNIS ................................................................................. 47 4 Abkürzungen PEEP Positive end-expiratory pressure NLR Nervus laryngeus recurrens TSH Thyroidea stimulierendes Hormon CT Computertomographie art. Arterielle bzw. Beziehungsweise 5 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Topographie des Halses ....................................................................... 13 Abb. 2: Lymphsystem des Halses [8] ................................................................ 15 Abb. 3: Lymphabfluss über den Ductus thoracicus und den Ductus lymphaticus dexter [8] ....................................................................................................................... 15 Abb. 4: Aufteilung der Halslymphknoten in 3 Kompartimente: 1 = zentrales, 2= laterales, 3= mediastinales Kompartiment (Goretzki) [38] .................................. 24 Abb. 5: Chylothorax ........................................................................................... 31 Abb. 6: Chylus ................................................................................................... 31 Abb. 7: Spannungspneumothorax a) Inspiration b) Expiration [7] ................. 33 Abb. 8: Chylothorax: Pleuraerguss links: unscharfe Zwerchfellkontur, homogene Verschattung des lateralen recessus ................................................................. 37 Abb. 9: Am Entlassungstag ............................................................................... 37 Abb. 10: Verlauf der drainierten Chylusmenge .................................................. 37 Abb. 11: Tc- Szintigraphiebefund: Vermindert speichernder Knoten rechts und unhomogen speichernde Knoten links ............................................................... 38 Abb. 12: Bilateraler Spannungs-pneumothorax: seitliche Aufnahme, Kollabierte Lungenflügel (Pfeil), Luft(↔)............................................................................... 40 Abb. 13: Kontroll-Thoraxröntgen, postoperativ .................................................. 40 Abb. 14: Am Entlassungstag ............................................................................. 41 6 Zusammenfassung Hintergrund: Im Rahmen dieser Diplomarbeit werden anhand folgender zwei Fälle, seltene und spezifische Komplikationen in der Schilddrüsenchirurgie vorgestellt, ein bilateraler Spannungspneumothorax und eine Chylusfistel mit konsekutiven Chylothorax. Da diese Komplikationen eine Rarität in der Schilddrüsenchirurugie darstellen, ist ihre Präsentation zur Sensibilisierung der behandelnden Chirurgen und Anästhesisten von großer Bedeutung. In der Literatur finden sich in diesem Zusammenhang zwar ein paar Fallpräsentationen, jedoch kaum welche im deutschsprachigen Raum. Es werden die Umstände analysiert unter welchen es zu diesen Komplikationen gekommen ist und mit der vorhandenen Literatur verglichen. Methoden: Genaue Beschreibung der topographischen Anatomie der Schilddrüse, des Halses und der oberen Thoraxapertur sowie der Operationsindikationen und Methoden einer Schilddrüsenresektion mit all ihren Komplikationen. Der Schwerpunkt liegt auf der detaillierten Beschreibung des Spannungspneumothorax und des Chylothorax. Patienten: Berichtet wird über zwei Patientinnen, die nach Thyreoidektomie und Halslymphknotendissektion eine seltene Komplikation entwickelt haben. Bei einer Patientin trat ein bilateraler Spannungspneumothorax, bei der anderen eine Chylusfistel im linken lateralen Kompartment mit darauf folgendem Chylothorax auf. Diskussion: Im Fall des Chylothorax konnte intraoperativ keine direkte Verletzung des Ductus thoracicus festgestellt werden. Wir nehmen an, dass es zu einer Ligatur des Ductus thoracicus gekommen ist. Diese führte zu einer Druckerhöhung im Ductus thoracicus und darauffolgender, nichttraumatischer Extravasation des Chylus in den Pleuraspalt. Der bilaterale Pneumothorax ist auf die Überdruckbeatmung (PEEP Beatmung). während der Thyreoidektomie zurückzuführen. Da sich dieser erst postoperativ bemerkbar machte und zu einer Reintubation führte, kam es zur schweren Komplikation des bilateralen Spannungspneumothorax. 7 Abstract Background: In this thesis, on the basis of two cases, we present two rare and specific complications of thyroid surgery, a bilateral tension pneumothorax and a chyle fistula with consecutive chylethorax. Since these complications represent a rarity in the thyroid surgery, it is important that surgeons and anesthesiologists be aware of them. In the literature, there are a few cases found in this context, but hardly any in the German-speaking area. This work analyzes the circumstances under which these complications occur, and compares them with the existing literature. Methods: The detailed topographic anatomy of the thyroid, neck and upper thorax are described as well as the indications for surgery and methods of thyroid surgery with all its complications. The focus is on the detailed description of the tension pneumothorax and chylthorax. Patients: We present two patients, who have developed rare complications after thyroidectomy and lymph node dissection. One patient developed a bilateral tension pneumothorax. The other developed a chyle fistula in the left lateral compartment with subsequent chylethorax. Discussion: In this case, there was no direct violation of the ductus thoracicus detected during the operation, which could have led to chylethorax. We assume that the thoracic duct has been incidentally ligated. This led to an increase in pressure in the thoracic duct and subsequent to non-traumatic extravasation of chyle in the pleural space. During thyroidectomy the patient developed a bilateral pneumothorax due to a positive pressure ventilation (PEEP Ventilation). First symptoms appeared shortly after the surgery, resulting in reintubation. This intubation caused a bilateral tension pneumothorax in the patient. 8 1. Einleitung Wir berichten über zwei Fälle seltener Komplikationen in der Schilddrüsenchirurgie, einen bilateralen Spannungspneumothorax nach Strumaresektion und eine Chylusfistel im linken lateralen Kompartiment mit darauf folgendem Chylothorax nach totaler Thyreoidektomie und bilateraler Lymphadenektomie. In der Literatur finden sich nur wenige Berichte über einen Spannungspneumothorax im Zusammenhang einer postoperativen Komplikation bei Schilddrüsenoperationen. Uns sind sehr wenige publizierte Fallberichte eines bilateralen Spannungspneumothorax nach Strumaresektion bekannt. Üblicherweise ist diese Komplikation in den intensivmedzinischen Abteilungen, der präklinischen Traumatologie und Notfallmedizin anzutreffen [36]. Die Inzidenz in diesen Bereichen beträgt 7/100 000 [18]. Da es sich um einen akut lebensbedrohlichen Notfall handelt, der unbehandelt zum Tod führt, ist die Präsentation dieses Falles für das peri- und postoperative Management in der Schilddrüsenchirurgie einzigartig [36]. Als eigenspezifische Komplikation einer erforderlichen lateralen Halslymph- knotendissektion (bei allen T3/4 Tumoren und/oder bei klinischem Hinweis auf Lymphknotenmetastasen) ist die Verletzung des Ductus thoracicus mit nachfolgender Ausbildung einer Chylusfistel festzustellen [38]. Als Komplikation einer neck dissection kommt die Chylusfistel in 2% der Fälle und der Chylothorax noch seltener vor [39, 41]. Seit der Erstbeschreibung 1907 sind bis heute nur 21 ähnliche Fälle in der Literatur bekannt [39]. Die meisten dargestellten Fälle berichten über ein Chylusleck nach außen, aufgetreten während der Operation oder postoperativ. Wir stellen eine junge Thyreoidektomie, Patientin bilateraler mit linksseitigem Lymphadenektomie Chylothorax und nach totaler Thymusresektion bei multifokalem papillärem Schilddrüsenkarzinom vor. Wegen der Rarität des Chylothorax sind die meisten Chirurgen mit den ersten Zeichen, welche eine schnelle Diagnose und effektive Behandlung gewährleisten, 9 nicht vertraut [41]. Daher ist es wichtig diese Einzelfälle darzustellen um vorherzusehen wann diese Komplikationen auftreten könnten, und Maßnahmen zu ergreifen um diese zu verhindern [42]. Derartige Handlungen setzen gründliche Kenntnisse der Schilddrüsenanatomie, tadelloses Pathologieverständnis und übergenaue Operationstechnik voraus [42]. Die Schilddrüsenerkrankungen gehören zu den häufigsten endokrinologischen Erkrankungen Zentraleuropas, wobei Jodmangelgebiete wesentlich dazu beitragen [59]. Schilddrüsenmalignome sind die häufigsten endokrinen Neoplasien mit einer Inzidenz von 7/100.000 bei Frauen und einer Inzidenz von 3-4/100.000 bei Männern [5,6]. In der letzten Dekade hat sich die Zahl der malignen Neuerkrankungen pro Jahr fast verdoppelt, was auf die steigende Neuerkrankungsrate der Frauen zurückzuführen ist. Die Schilddrüsenresektion gehört zu den fünf häufigsten Operationseingriffen [61]. Indikation zur Operation besteht bei sehr großer Struma nodosa mit Schluckstörungen oder Atemnot, bei einer Hyperthyreose und bei Verdacht auf ein Karzinom. Aufgrund der Häufigkeit von Schilddrüsenoperationen sollten auch Operationsverfahren optimiert und die Komplikationsraten auf das Minimum gesenkt werden. Zu den häufigen operationsbedingten Komplikationen gehören: Die N. laryngeus recurrens Läsion, mit Heiserkeit bei einseitiger (1-10%) und schwerer Atemstörung mit Stridor bis hin zur Intubationsflicht bei beidseitiger Recurrensparese (0-2%); Parathyreoidektomie mit Tetanie bei Hypokalzämie [7]. Ziel dieser Arbeit ist es durch Vorstellung dieser zwei Fälle, seltene und spezielle Komplikationen detailliert zu erläutern. pneumothorax, Chylusfistel mit Chylothorax. 10 Zu diesen gehören: Spannungs- 2. Methoden Obwohl es sich um ein kleines spezialisiertes chirurgisches Gebiet handelt, gehören Schilddrüsenoperationen zu den häufigsten, besonders in Endemiegebieten, wie Österreich, Deutschland oder Schweiz. Mehr als 9000 Schilddrüsenoperationen werden pro Jahr in Österreich durchgeführt. Aufgrund der Häufigkeit der Eingriffe sollte man die Operationen mit besonders hoher Qualität anbieten[62]. Die klassischen Kriterien zur Bewertung der Qualität der Schilddrüsenchirurgie sind postoperative Komplikations- und Rezidivrate, wobei letzteres erst im Verlauf von vielen Jahren bedeutend wird [62]. Um den hohen Ansprüchen mit geringer Komplikationsquote gerecht zu werden, bedarf es großer chirurgischer Erfahrung und detailliertem Wissen über topographische Anatomie der Schilddrüse, des Halses und oberer Thoraxapertur. 2.1. Topographische Anatomie der Schilddrüse 2.1.1. Morphologie Die schmetterlingsförmige Schilddrüse besteht aus Lobus dexter und sinister sowie einem verbindenden Isthmus, der an seiner Oberseite den Lobus pyramidalis tragen kann. Ihr Isthmus bedeckt den 2-4 Trachelknorpel und die beiden Seitenlappen legen sich der Cartilago cricoidea und Cartilago Thyroidea an. Beim gesunden Menschen wiegt die Schilddrüse 20 bis 30 g, besitzt ein Volumen von 15- 20 ml und ist nicht sichtbar. Bei Vergrößerungen der Schilddrüse, Struma, dehnt sich das Drüsenparenchym wegen der engen Faszienräume vorwiegend nach kaudal aus (retrosternale Struma) und kann die Trachea einengen. Ferner kann die Vergrößerung den N. laryngeus recurrens schädigen, so dass es zur Heiserkeit kommt [7,10,63]. Die Schilddrüse ist von einer Bindegewebskapsel umgeben, die aus einem inneren und äußeren Blatt besteht[11]. Die innere Organkapsel ist mit dem Drüsen- parenchym verschmolzen. Die eigentliche Kapsel der Schilddrüse ist die Capsula 11 externa, die einen Teil der Lamina pretrachealis der Halsfaszie darstellt [11]. Zwischen den Blättern liegt ein bindegewebiger Verschiebespalt der die größeren Blutgefäßäste und die vier Nebenschilddrüsen enthält. Die äußere Organkapsel wird auch als „chirurgische Kapsel― bezeichnet da sie bei Operationen eröffnet wird und die Gefahr birgt Gefäße zu verletzen und die Nebenschilddrüsen versehentlich mit zu entfernen [7,10,11,63]. 2.1.2. Arterielle und venöse Versorgung Arterielle Versorgung: Die Schilddrüse ist eines der meist durchbluteten Organe mit einem Blutfluss von ca. 4-6 ml pro Minute. Sie wird von zwei Aa. thyroideae superiores und zwei Aa. thyroideae inferiores versorgt. Die Versorgung erfolgt größtenteils aus den Aa. thyroideae superiores (dem 1. Ast der A. carotis externa), die von kranial-dorsal an die Drüse gelangen [11]. Dieses Gefäß hat am oberen Pol eine enge Lagebeziehung zum N. laryngeus superior insbesondere zu seinem motorischen Ramus externus (innerviert den M. Cricothyroideus). Zum unteren Pol zieht die A. thyroidea inferior (aus Truncus thyreocervicalis= 1. Ast der A. subclavia), wobei sie die A. carotis unterkreuzt (de- Quervain Punkt) und etwa in Höhe der Schilddrüsenmitte von lateral an diese heranzieht. Kurz vor Eintritt in das Parenchym verzweigt sie sich, wobei sie den N. laryngeus recurrens unterkreuzt (sehr variabler Verlauf, Verletzungsgefahr bei Operationen). Eine Variarität stellt die stellt die unpaare A. thyroidea ima, die aud aus dem Truncus brachiocephalicus oder Aortenbogen enspringt und zum Isthmus heranzieht. Diese Arterien bilden viele Anastomosen untereinander. Unterbindung der großen Arterien führt nur selten zur Nekrose des Organs, da Nebenäste zur Versorgung ausreichen [7,10,11,19]. Venöse Drainage: Die Schilddrüse besitzt einen gut entwickelten Venenplexus, den Plexus thyroideus impar. Zumeist drainiert sich dieser über die V. thyroidea inferior in die V. brachiocephalica sinister. Dies kann bei Schilddrüsenoperationen Blutungen hervorrufen, die gegebenenfalls zu Tracheo-tomie oder anderen Operationen im 12 suprasternalen Raum führen. Daneben drainieren die Vv. thyroideae superiores, welche die gleichnamige Arterie begleiten und in die V. jugularis interna münden. Vv. thyroideae mediae (ohne begleitende Arterien) verlaufen lateral, überkreuzen die A. carotis communis und fließen in Ringknorpelhöhe in die V. jugularis interna ab [10,11,15]. Abb. 1: Topographie des Halses 13 2.1.3. Lymphabfluss Die Lokalisation der Lymphknoten und Verlauf der Lymphbahnen, sowie ihre Beziehung zu den umgebenden Strukturen ist grundlegend für onkologische Schilddrüsenchirurgie und Pathogenese des Chylothorax [1]. Die Lymphe der Schilddrüse fließt unter der Capsula fibrosa durch ein weitverzweigtes Netz in die regionären Lymphknoten, die Nll. cervicales profundi superiores und inferiores und einige vor der Luftröhre abwärts zu den Nll. tracheales. Die Nll. cervicales profundi liegen längs der V. jugularis interna und in der Fossa supraclavikularis major. Lymphe dieser Lymphknoten sowie von Kopf und Hals sammelt sich jederseits im Truncus jugularis, der mit den großen Halsgefäßen abwärts zum Venenwinkel zwischen V. jugularis interna und V. subclavia zieht. Der Lymphabfluss mündet rechts in den Ductus lymphaticus dexter (rechter Venenwinkel), links in den Ductus thoracicus (linker Venenwinkel) (Abb. 2) [1.10]. Der Ductus lymphaticus dexter sammelt Lymphe aus dem rechtem oberen Körperquadrantenund führt sie in den rechten Venenwinkel. In den Ductus thoracicus (3845cm) fließt die Lymphe aus der gesamten unteren Körperhälfte, den Brustorganen und dem linken Arm hinein [10]. Im Bauchraum und größten Teil des Brustraums liegt er hinter der Aorta vor den Wirbelköpern, dann etwas rechts der Mittellinie zwischen Aorta thoracica und V. azygos bis zum 4. Brustwirbel. Er unterkreuzt den Aortenbogen und auf der linken Seite der Speiseröhre gelangt er zum Hals, wo er zwischen A. carotis communis sinistra und A. subclavia sinistra ventral über den linken Grenzstrang und den N. phrenicus sinister zieht und um dann in den linken Venenwinkel zu münden (Abb. 3) [1,10]. 14 Abb. 2: Lymphsystem des Halses [8] Abb. 3: Lymphabfluss über den Ductus thoracicus und den Ductus lymphaticus dexter [8] 15 2.1.3.1. Chirurgische Anatomie Für Operationen des Schilddrüsenkarzinoms oder bei Rezidiveingriffen sind die lateralen Strukturen des Halses von entscheidender Bedeutung zur Vermeidung von Komplikationen. Wie im Buch „Praxis der Chirurgie: Endokrine Chirurgie― beschrieben wird das Trigonum caroticum nach lateral vom M. sternocleido-mastoideus, nach kranial vom M. digastricus venterposterius und nach medial und inferior vom M. omohyoideus begrenzt. Die Leitstruktur ist die A. carotis, die lateral von der V. jugularis interna und dorsal vom N. vagus begleitet wird. Zwischen der A. carotis communis und V. jugularis externa liegt der N.vagus, der weiter einen Ast, den N. laryngeus superius, abgibt. Neben dem N. vagus befindet sich in der Tiefe eine weitere wichtige Struktur, der Grenzstrang des Sympathicus [10]. Der N. hypoglosseus überkreuzt die A. carotis externa und läuft zur Zunge. Die dorsale Wand bildet der M. scalenus anteroir mit dem auf ihm aufsitzenden N. phrenicus sowie der M. longus capitis und M. longus colli mit dem Nervengeflecht des Plexus brachialis. Unterhalb befinden sich die Nodi lymphatici cervicales profundi inferiores, die ventral dem M. scalenus anterior und den Plexusfasern aufsitzen [10]. 2.1.4 Innervation Die sympathische Innervation erreicht die Schilddüse im periarteriellen Nervengeflecht oder in Nn. Thyreoidii superiores, mediales und inferiores vom Ganglion cervicale superior, media oder inferior, die bei der normalen Präparation nicht sichtbar sind. Die parasympathischen Fasern entstammen vom N. vagus. Parallel zu den Nn. laryngei ziehen sie zur Drüse [1]. N. laryngeus recurrens und Schilddrüse: Der Verlauf des N. laryngeus recurrens hat große Bedeutung für die Schilddrüsenchirurgie, da die Schädigung des Nervs die häufigste Komplikation bei den Schilddrüsenoperationen darstellt. NLR ist außerordentlich wichtig für die Phonation, da er alle intrinsischen Muskeln des Kehlkopfes mit Ausnahme des M. cricothyroideus innerviert [10]. Beim Eintritt des 16 rechten NLR in den oberen Thoraxraum biegt der NLR um und umwickelt die A. subclavia nach dorsal, von wo er zur Schilddrüse zieht. Auf der linken Seite umschlingt er den Aortenbogen unterhalb des Lig. arteriosum Botalli. Bei zwei Drittel der Patienten liegt er in der tracheoösophagealen Falte, bei einem Viertel lateral der Trachea. Die Beziehung zur A. thyroidea inferior ist vielgestaltig und für den Operateur außerordentlich wichtig. Bei zwei Drittel der Patienten liegt der Nerv dorsal der Arterie, bei etwa einem Drittel ventral von ihr. Bedeutsam ist auch der Verlauf des Nervs im Lig. thyroideum laterale. Durch Traktion an der Schilddrüse kann Zug auf dieses Gewebsband ausgeübt und der Nerv so beschädigt werden [1,10]. 17 2.2. Operationsindikationen Heutzutage sind die morphologischen und pathophysiologischen Indikatoren, nicht die einzigen Kriterien zur Schilddrüsenoperation. Es entspricht in erster Linie einem individuellen Therapieziel[43]. Das hohe Alter des Patienten stellt bei entsprechender Vorbereitung keine Problematik dar[43]. Patienten mit einer chronischen Bronchitis, Basedow-Krankheit oder Herz-Kreislaufproblemen erfordern eine längere und gründlichere Vorbereitung. Indikationen zur chirurgischen Therapie können in drei Gruppen eingeteilt werden [63]: Die Struma entspricht einer Organvergrößerung. Unterschieden wird eine diffuse Form oder der knotige Umbau mit häufig begleitenden mechanischen Irritationen Die Hyperthyreose als Manifestationen ungeregelter erhöhter Funktion mit zwei verschiedenen Varianten: - Immunogene Hyperthyreose Typ Basedow - Hyperthyreose bei thyreoidaler Autonomie Verschiedene Schilddrüsenmalignome mit unterschiedlicher Notwendigkeit zur Operation Umfangreiches Untersuchungsrepertoire, wie hormonelle Laborwerte, Serummarker, Sonographie, Szintigraphie, Feinnadelbiopsie, versichern eine verlässliche Diagnose. Auf dieser Basis können dann Operationsindikationen gestellt und gezielte Therapiepläne gemacht werden. 18 2.3.1. Struma Mehr als 90% aller Schilddrüsenerkrankungen sind euthyreote Strumen [5]. Wenn auch die diffuse Struma in Österreich kein Thema mehr ist, so weist doch nahezu jeder dritte Österreicher einen Knoten mit mehr als einem Zentimeter Durchmesser auf. Die endemische Struma geht in Österreich bei den unter 40jährigen stark zurück. Die Häufigkeit bei Schulkindern liegt Jodsalzprophylaxe in Österreich (10mg unter 5 %. Die 1963 eingeführte Kaliumjodid/kg Salz, seit 1990 20 mg/Kaliumjodid/kg Salz) ist dafür verantwortlich. Unter der älteren Bevölkerung leiden allerdings immer noch etwa 20% an Strumaerkrankungen [45]. Intrathyreoidaler Jodmangel ist der entscheidende Faktor bei der Pathogenese der endemischen Struma. Er verursacht eine Aktivierung intrathyreoidaler lokaler Wachstumsfaktoren, was zur Hyperplasie der Thyreozyten führt. Ebenfalls kann sich eine Struma auf Grund eines Schilddrüsenhormonmangels (Hypothalamus- Hypophysen-Schilddrüsen-Achse) entwickeln und zur Hypertrophie der Thyreozyten führen. Morphogenetisch entwickelt sich zunächst eine hyperplastische diffuse Struma, beim Bestehen eine Kolloidstruma und schließlich eine Knotenstruma [5]. Bei euthyreoter Struma ergibt sich die Operationsindikation meist aus der Größe der Struma, insbesondere nachdem Studien der letzten Jahre zeigten, dass der Verkleinerungseffekt durch Medikamente sehr klein ist [43]. Die Komplikationen die sich aus der Größe der Schilddrüse ergeben sind insbesondere Kompressionserscheinungen der Trachea mit Stridor bis hin zur Tracheomalazie und Einflussstauung der Hals- und Kopfgefäße. Abhängig vom Strumaalter, Größe und knotiger Umwandlung tendiert die Jodmangelstruma zur Entwicklung einer funktioneller Autonomie. Ältere Patienten mit großer Knotenstruma zeigen in mehr als 50 % eine funktionelle Autonomie. Hierbei kann eine latente Hyperthyreose vorliegen. Noduläre Schilddrüsenveränderungen können auch maligne entarten (Karzinomrisiko 4%) [5]. Diese malignom-verdächtige Struma stellt eine absolute Operationsindikation dar. 19 2.3.2 Hyperthyreose In Gebieten mit ausreichender Jodversorgung ist die Hyperthyreose überwiegend auf den Morbus Basedow zurückzuführen [1]. In Jodmangelgebieten hingegen beruhen etwa 50% der Hyperthyreosen auf einer unifokalen oder multifokalen Schilddrüsenautonomie. In Ländern mit ausreichender Jodversorgung wird die Prävalenz des Morbus Basedow, immunogene Hyperthyreose, bei Frauen auf etwa 2,7 % geschätzt, bei Männern auf 0,3%. Die jährliche Inzidenz beträgt etwa 1/1000 Einwohner [1]. Für die Autoimmunerkrankung der Schilddrüse ist bis jetzt eine genetische Disposition nachgewiesen welche durch ein unbekanntes Agens (Infektion, psychische Belastung?) getriggert wird. In 70-90% der Patienten tritt die Hyperthyreose zusammen mit einer diffusen Struma auf [5]. Beim M. Basedow sind in jedem Fall alle Komponenten der 3 konkurrierenden Verfahren – Operation, Radiojod, Medikamente – zu berücksichtigen. Eine Operation ist dann zu empfehlen wenn man eine schnelle und sichere Beseitigung der Hyperthyreose anstrebt [43]. Häufigste Ursachen der Schilddrüsenautonomie sind Jodmangelstrumen. Die Mehrzahl manifestiert sich im höheren Lebensalter. In Jodmangelgebieten kann die autonome Struma relativ groß werden und dass eine Euthyreose noch immer bestehen bleibt. Erst durch exogene Zufuhr (z.B. jodhaltige Röntgenkontrast-mittel oder Medikamente wie Amiodaron) wird eine Hyperthyreose ausgelöst [5]. Die konservativ nicht beherrschbare jodinduzierte Hyperthyreose stellt eine Operationsindikation. Normalerweise stellen autonome Schilddrüsenveränderungen mit und ohne Hyperthyreose eine klassische Indikation zur Radiojodtherapie dar. Nur bei isolierten autonomen Knoten ist die Operation gleichwertig. Eine Indikationsstellung zur Operation ergibt sich darüber hinaus, wenn neben dem Adenom auch eine deutliche Schilddrüsenvergrößerung vorliegt [43]. 20 2.3.3. Malignome der Schilddrüse Tumore der Schilddrüse treten meist in Form eines solitären, langsam wachsenden Knotens auf. Schilddrüsentumore sind nicht häufig. Sie machen, bezogen auf die Gesamtbevölkerung, nur etwa 3 Neuerkrankungen pro Jahr bezogen auf 100.000 Personen aus und entsprechen damit 1-2% aller Malignome [2]. Adenome sind die häufigsten Tumorknoten in der Schilddrüse (80-90%) und Karzinome kommen in 1020% vor[2]. In Strumen treten sie häufiger auf als in der nichtvergrößerten Schilddrüse. Das trifft auch auf eine unserer Patientinnen zu. Im Allgemeinen treten sie ab dem 50. Lebensjahr auf. Eine Ausnahme bildet das papilläre Karzinom, das bereits beim Kind und jungen Menschen vorkommt. Alle Schilddrüsenmalignome zusammen, verursachen nur rund 0,5 Sterbefälle pro Jahr bezogen auf 100.000 Personen. Trotz steigender Inzidenz des Schilddrüsenkarzinoms, in den letzten Jahren wird eine fallende Mortalität beobachtet [68]. Viele der ursächlichen Faktoren sind unbekannt. Gesichert ist der Einfluss radioaktiver Strahlung, besonders in jungen Jahren, was zu deutlich gesteigerter Inzidenz an papillären Schilddrüsenkarzinomen führt. In Jodmangelgebieten treten follikuläre Adenome und Karzinome häufiger auf als in jodreichen Regionen [2]. Die Malignome der Schilddrüse können grob in differenzierte (85% aller Schilddrüsenkarzinome), undifferenzierte (anaplastische, 5%) und das medulläre Karzinom (10%) unterteilt werden [2]. Zu den differenzierten zählen das an häufigsten vorkommende papilläre Karzinom und das follikuläre Karzinom. Follikuläre Karzinome treten in einer vorbestehenden Knotenstruma wesentlich häufiger auf. Das follikuläre Karzinom metastasiert vorwiegend hämatogen (Lunge und Knochen), während das papilläre hauptsächlich lymphogen. Regionale Lymphknotenmetastasen treten beim papillären Karzinom klinisch oft vor dem eigentlichen Primärtumor auf, der in vielen Fällen nur eine minimale Größe aufweist, aber dennoch multizentrisch vorhanden sein kann. Am häufigsten metastasiert er in die Lymphknoten des zentralen und lateralen Kompartiments [2]. Der Primärtumor und seine Metastasen lassen sich gut mit Radiojod behandeln, doch viele müssen trotzdem reseziert werden. Allgemein hat das papilläre Karzinom eine gute Prognose, 21 vor allem bei jüngeren Patienten, deren Lebenserwartung nahezu denjenigen einer Kontrollpopulation entspricht, sogar bei pT4 N1 M1 – Tumoren [2]. Bei älteren Patienten verläuft die Krankheit aggressiver. Das medulläre Karzinom tritt meistens sporadisch oder familiär gehäuft auf. Bei Hälfte der sporadischen Tumore liegen zur Zeit der Diagnose bereits regionäre Lymphknotenmetastasen vor. In Gegensatz zu allen anderen Schilddrüsenkarzinomen, ist das anaplastische Karzinom hochmaligne. Der Tumor wächst rasch und ist zum Zeitpunkt der Diagnose oft bereits in das umgebende Gewebe eingewachsen. Es hat eine ausgesprochen schlechte Prognose, nur 20% der Patienten überleben ein Jahr nach Diagnosestellung [2]. Therapie aller Karzinome ist eine kombinierte chirurgische, strahlentherapeutische und nuklearmedizinische Therapie. 22 2.3. Operationsmethoden In den letzten Jahrzehnten hat sich das Verständnis über pathophysiologische Prozesse der Schilddrüsenerkrankungen erweitert. Parallel haben sich neue Operationstechniken entwickelt, dem entsprechend auch die Operationsmethoden geändert. Grundsätzlich ist das Operationsziel eine befundorientierte und möglichst funktionserhaltende und komplikationsarme Resektion [65]. Da es sich bei unseren zwei Patientinnen um ein papilläres Schilddrüsenkarzinom und Knotenstruma mit Malignitätsverdacht handelt werden auch die entsprechenden Operationsmethoden besprochen. Das Operationsziel bei Struma nodosa ist die komplette Entfernung aller nodulären Anteile unter Belassung Operationsmethoden reichen des gesunden von einer Schilddrüsengewebes. Knotenexzision beim Die nicht malignitätsverdächtigen Knoten über Hemithyroidektomie und Thyroidektomie bei ausgedehntem Gewebsbefall und Malignitätsverdacht [61]. Prinzipiell gelten eine Hemithyreoidektomie bei einseitiger Erkrankung und eine totale Schilddrüsenentfernung bei bilateralem Befall. Diese Radikalität soll das Rezidivrisiko senken bzw. vorbeugen. Um Komplikationen zu vermeiden sollten bestimmte Grundregeln befolgt werden [1]: Bluttrockenheit im Operationsgebiet bewahren Bedeutungsvolle anatomische Strukturen darstellen Auf den Verlauf des N. laryngeus recurrens (variabel) Acht geben (ggf. Neuromonitoring) Wurde präoperativ ein Malignitätsverdacht in der Struma nodosa geäußert so muss das Resektat vom Operateur makroskopisch untersucht und mikroskopisch (Schnellschnittdiagnostik) beurteilt werden. Je nach Befund erfolgt eine Hemithyreoidektomie oder totale Thyreoidektomie unter Mitresektion der zentralen Lymphknoten [1]. 23 Die Standardtherapie differenzierter Schilddrüsenkarzinome (papilläre und follikuläre) ohne präoperativ nachweisbaren Lymphknotenbefall besteht aus einer vollständigen Thyreoidektomie, Resektion Radiojodtherapie. Abgesehen zentraler davon Halslymphknoten haben sich und letztlich darauffolgender stadiumabhängige Vorgehensweisen verbreitet die weniger radikal sind aber nicht zu einer hören Rezidivrate führen. Bei großem Primärtumor (über 4 cm) und positivem Lymphknotenbefund (T3-/T4 Stadium) sind das zentrale und laterale Lymphknotenkompartiment dissektions bedürftig (Abb.4). Papilläre Schilddrüsenkarzinome metastasieren häufig in das ipsilaterale zervikolaterale Kompartiment (30–50%), selten nach kontralateral oder mediastinal (<10%) [3]. Abb. 4: Aufteilung der Halslymphknoten in 3 Kompartimente: 1 = zentrales, 2= laterales, 3= mediastinales Kompartiment (Goretzki) [38] 24 2.4 Komplikationen Alle Komplikationen in der Schilddrüsenchirurgie müssen einerseits auf die zu behandeln Pathologie bezogen werden und andererseits ins Verhältnis zu dem individuellen allgemeinen Risiko [38]. Die Erwartungshaltung der Patienten ist in den letzten Jahren für einen einwandfreien Behandlungsverlauf derartig gestiegen, dass bereits jegliches postoperatives Unwohlsein als eine Unregelmäßigkeit gewertet wird [38]. Daher ist eine gründliche Aufklärung über peri-und postoperative Komplikationen ausschlaggebend. 2.4.1.Häufige Komplikationen Die klassischen Komplikationen der Schilddrüsenchirurgie sind die N. laryngeus recurrens Parese (NLRP) und die Schädigung der Nebenschilddrüsen, die passager oder permanent auftreten kann. Der Fortschritt der Schilddrüsenchirurgie zeigt in den letzten Dekaden einen Rückgang dieser Komplikationen von weniger als 1% [38]. Gehäuft treten sie bei Patienten mit Rezidivstrumen, ausgedehnten Operationen wegen Morbus Basedow und bei Patienten mit malignen Schilddrüsenerkrankungen [38]. Die Häufigkeit der einzelnen Komplikationen ist abhängig von der Schilddrüsenpathologie, Radikalität der Operation und dem eigenen Risikoprofil [38]. Allgemeine Komplikationen involvieren das Herz-Kreislaufsystem und respiratorisches System sowie Wundheilungsstörungen und Infektion. In der Literatur wird die Letalität bei Schilddrüsenoperationen unter 1% angegeben und ist durch das individuelle Risikoprofil bedingt. 25 2.4.1.1. Die Recurrensparese Die postoperative Rate an Recurrensparesen wird zurzeit in der Literatur mit 1-2% angegeben und bei Rezidiveingriffen mit 2-8%. Bei Operationsindikation wegen Hyperthyreose stellt die NLRP keine größeren Probleme dar (unter 1 %). Patienten mit bösartigen Schilddrüsenerkrankungen haben das größte Risiko eine permanente Recurrensparese zu erleiden mit einer Häufigkeit von 2-5% [38]. Die Ursachen sind vielfältig. Nicht nur eine Kontinuitätsunterbrechung des Nervs führt zu Lähmungserscheinungen aber auch eine Zerrung durch Umlagerung der Schilddrüse. Quetschung und Druckschäden wegen postoperativer Blutung, wirken sich gleichermaßen aus [1]. Die früher umstrittene Darstellung des NLR ist heute verpflichtend. Eine Ausnahme stellen isthmusnahe Eingriffe dar und eingeschränkte Operationen der Schilddrüse [19]. Der komplikationsärmäre Outcome ist durch viele Studien belegt. Die postoperative unilaterale Läsion des Nervs, begleitet von Dysphonie, hat eine spontane Rückbildungstendenz bis zu 75% [1]. Allein die Manipulation zur Darstellung des Nervs kann zur vorübergehenden Heiserkeit postoperativ führen. Erst beim persistieren der Symptome, sechs Monate bis zu einem Jahr, nach der Operation und laryngoskopischer Bestätigung, kann man von einer permanenten Parese der Stimmbänder sprechen. Die beidseitige Stimmbandparese mit Stirdor und Belastungsdyspnoe wird nicht so oft beobachtet und ist meistens die Folge einer Restrumektomie oder totaler Thyreoidektomie bei Struma maligna. In einigen Fällen kann die beidseitige Parese auch intubationspflichtig werden [7]. 2.4.1.1.1. Intubationsbedingte Recurrensparese Nicht nur die Manipulation durch den Chirurgen kann den Nerv schädigen sondern auch die endotracheale Intubation. Laut einer deutschen Studie beträgt die intubationsbedingte Recurrenspareserate 1,4 % passager und 0,5 % permanent [40]. 26 Morphologische Veränderungen die dabei beobachtet werden sind ein Stimmbandödem- Hämatom- Rötung- und Granulom. Ebenfalls treten Bewegungsstörungen bei intakter anatomische Stimmbandstruktur auf. Ursachen sind vielfältig. Gleich beim Einführen des Tubus können Schäden entstehen, wie: Schleimhautläsionen, Verletzung der Stimmlippen, Luxation des Aryknorpels oder Hämatom. Jedoch sind Schädigungen durch die Tubusmanschette (Cuff) häufiger. Diese beziehen sich auf eine falsche Positionierung des Cuffs oder das diese mit zu hohem Druck gefüllt werden. 2.4.1.3. Hypokalzämie Laut einer großen Multicenter- Studie beträgt die Inzidenz des passageren Hypoparathyreoidismus 7,3 -8,3%, die des permanenten Hypoparathyreoidismus 1,51,7% [46]. Eine gesteigerte Häufigkeit permanenter Hypokalzämien wird bei Schilddrüsenmalignomen, bis zu 4%, beobachtet und bis zu 2% bei Patienten mit Morbus Basedow [38]. Die verantwortlichen Risikofaktoren sind: die unbeabsichtigte Resektion einer oder mehrerer Nebenschilddrüsen und die Durchblutungsstörungen durch Verletzung der versorgenden Gefäße. Aufgrund der variablen Lage der Epithelköperchen ist große Vorsicht bei der Schilddrüsenresektion geboten. Die Epithelköperchen werden vorwiegend über die A. thyroidea inferior versorgt. Deshalb sollte die Unterbindung dieses Gefäßes unbedingt schilddrüsennahe erfolgen. Das Risiko der Devaskularisation ist erhöht bei erweiterter Resektion, wie bei großer Struma oder Lymphknotenresektion. Die Folge eines Hypoparathyreoidismus ist Hypokalzämie mit einem Serumkalziumwert unter 2,2 mmol/l. Die Symptomatik reicht von Kribbelparästhesien an den Fingern, Zehen und perioral bis hin zu Tetanie. Typisches Erscheinungsbild ist die „Pfötchenstellung― der Hand -und Fußmuskulatur, obwohl die Krämpfe auch manchmal die Atemmuskulatur und Bronchien befallen und zu akuter Atemnot führen 27 können [46[. Langandauernde Hypokalzämie verursacht Organverkalkungen. Wichtig zu erwähnen ist die Nephrokalzinose durch Hyperkalzurie und Kalkablagerungen im Gehirn [46]. 2.4.1.4 Nachblutung Obwohl die Nachblutungsgefahr heutzutage selten ist, erfordert sie jedoch aufgrund möglicher fataler Komplikationen volle Aufmerksamkeit. Die meisten Blutungen geschehen im Anschluss an die Extubation oder eventuell danach in den ersten 1224 Stunden nach Beendigung der Operation [3]. Die Häufigkeit der Nachblutung beträgt 0,3- 5% [1]. Das Blutungsausmaß ist variabel, reicht von Sugillationen in der Haut, Hämatomen unter dem Platisma bis hin zu lebensbedrohlichen Blutungen mit Asphyxie. Wegen intrathorakaler Drucksteigerung ist die Aufwachphase, die empfindlichste Zeitspanne für Nachblutungen [38]. Bei massiver Schwellung der Operationswunde und vor allem bei Atemnot ist eine sofortige Revision indiziert. Wichtig zu erwähnen ist, dass eine liegende Redon- Drainage eine Nachblutung nicht verhindern kann und auch nicht hilfreich ist diese frühzeitig zu erkennen [1]. 2.4.1.5 Infektion Durch gutes Wundmanagement bereiten Infektionen keine größeren Schwierigkeiten. Die Infektionsrate wird mit 0,2-1,4% angegeben [47]. Wundinfektionen treten meistens als sekundär infiziertes Hämatom auf. (Abszesse und Fistelbildungen kommen auch vor, wobei man allerdings an zurückgebliebenes Fremdmaterial denken sollte. Signifikante und seltene Infektion bei Schilddrüsenoperationen ist die Mediastinitis, die sich bei einer transsternalen Tumorexirpation entwickeln kann [38]. Selten kommt es zur hämatogenen Streuung der Keime und einem septischen Verlauf. 28 2.4.2 Seltene Komplikationen Diese sind in der Schilddrüsenchirurgie meistens eingriffsspezifisch und vom Operationsgeschick des Chirurgen abhängig. Eingriffsspezifische Komplikationen bei einer lateralen neck dissection sind: Verletzung des N. accesorius (1,3%), des N. phrenicus (1,9%), und des Ductus thoracicus (3,1%) mit Ausbildung einer Chylusfistel und sehr selten eines Chylothorax [38]. Ein bilateraler Spannungspneumothorax nach einer Schilddrüsenoperation ist äußerst selten und kaum in der Literatur auffindbar. Da diese Komplikationen in der Schilddrüsenchirurgie ohnehin schon Raritäten darstellen, ist ihre Dokumentation und Präsentation umso wichtiger, um Chirurgen darauf aufmerksam zu machen, und um in weiterer Folge eventuell Methoden zu entwickeln, diese vorzubeugen. Bevor die Fälle vorgestellt werden, erfolgt die Beschreibung des klinischpathologischen Hintergrundes. 2.4.2.1. Chylusfistel und Chylothorax Ein Lymphleck ist ein Verlust von Lymphflüssigkeit aus geschädigten Lymphbahnen. Entsteht eine röhrennetzartige Verbindung zwischen einem Hohlorgan oder Körperoberfläche und dem Lymphleck kann man von einer Chylusfistel sprechen. In der Literatur wird die Häufigkeit einer Chylusfistel bei neck dissection mit 2,5 % angegeben [37]. Der Chylus kann zur Hautoberfläche abfließen (äußerer Chylusleck) oder sich in einem Hohlorgan, wie der Thoraxhöhle, ansammeln (innerer Chylusleck) und einen Chylothorax bilden. Dieser wird viel öfter auf der linken Seite beobachtet, in 25% der Fälle auf der rechten und in sehr seltenen Fällen bilateral [34]. Im Jahre 1875 findet man die ersten Literaturbeschreibungen einer Chylusfistel nach Verletzung des Ductus thoracicus bei einer Halsoperation vor und im Jahr 1907 die erste Publikation von Stuart über einen bilateralen Chylothorax [34]. 29 Die laterale Halslymphknotendissektion wird üblicherweise bei lymphogen metastasierten Schilddrüsenkarzinomen durchgeführt, so wie auch im Fall unserer Patientin [34]. Der pathophysiologische Mechanismus des Chylothorax ist noch nicht einheitlich geklärt und es werden zwei grundsätzlich verschiedene Prozesse diskutiert [34,35]: Die erste Hypothese geht von einem direktem Chylusleck aus, durch Schädigung des Ductus thoracicus. Die Lymphe passiert vom Halsboden ins Mediastinum, durchbricht die Pleura infolge eines gesteigerten hydrostatischen Druckes und führt sekundär zu Entzündungsreaktion mit Mazeration dieser Strukturen. Die zweite Hypothese geht von einer intraluminalen Druckerhöhung im Ductus thoracicus nach Ligatur desselben aus. Die Drucksteigerung und das Lymphvolumen übersteigen die maximale Kapazität des Ductus thoracicus oder der kollateralen Gefäße und der negative intrapleurale Druck, der während der Inspiration herrscht, verursacht eine Extravasation der Lymphe ins Mediastinum und nicht in den Hals. Ein Chylusleck wird im Normalfall intraoperativ bemerkt und gleich versorgt. Dennoch, auch bei guter Versorgung im Operationsraum kann es zu einem postoperativen Chylusleck kommen [44]. Erfolgreiche Therapie des Chylothorax setzt ein schnelles Erkennen und Handeln voraus. Patienten beschweren sich hauptsächlich über Dyspnoe und Unwohlsein im Brustbereich. Im Röntgenbild und CT ist ein bilateraler Pleuraerguss in basalen Abschnitten sichtbar. Die milchig trübe Punktionsflüssigkeit nach Thorakozentese bestätigen die Diagnose, sowie der Triglycerid-Anteil in dieser Flüssigkeit über 110 mg/dl (Abb.5 und 6) [35]. 30 Abb. 6: Chylus[60] Abb. 5: Chylothorax [60] Die Behandlung sollte primär konservativ erfolgen. Normalerweise kommt es unter entsprechender Diät spontan zum sistieren der Chylusfistel. Sind die Produktion und die abzuführende Chylusmenge zu groß, ist eine therapeutische Thorakozentese mit Pleuradrainage durchzuführen. Dadurch kann restlicher Chylus suffizient abgeleitet werden. Durch die liegende Drainage hat man ein Monitoring über die täglich produzierte Chylusmenge bis zum Persistieren der Fistel. In seltenen Fällen kann dies erst durch eine chirurgische Intervention erreicht werden. Das Chylusleck verursacht eine metabolische Störung, essentielle Proteine, Immunglobuline, Fettsäuren, Vitamine, Elektrolyte und Wasser gehen dabei verloren. Entsprechend ist die konservative Therapie mit Elektrolyt- und Flüssigkeitsersatz und fettarmer Diät mit mittelkettigen Triglyceriden (MCT-Diät) wesentlich für die Behandlung. In der Literatur wird von verschiedenen Substanzen (Fibrin, Somatostatin, Tetracyclin und anderen) berichtet, welche zum Prozess der Chylusfistelabdichtung beitragen können. Die chirurgische Versorgung eines Chylothorax wird kontrovers diskutiert. Allgemein findet man einige Indikationen zur Revision: Persistierender Chylothorax länger als 2 Wochen, Chylusverlust von mehr als 1 L pro Tag und länger als 5 Tage und Metabolische Entgleisungen 31 Tatsache ist das Neck dissections bei Schilddrüsenkarzinomen häufig durchgeführt werden und der Chylothorax eine eher seltene Komplikation ist, es besteht trotzdem auch die Möglichkeit für den Chirurgen diese zu übersehen[34,35]. 2.4.2.2 Bilateraler Spannungspneumothorax Ein bilateraler Spannungspneumothorax ist in der Schilddrüsenchirurgie überaus außergewöhnlich. Der bilaterale Spannungspneumothorax stellt einen lebensbedrohlichen Notfall dar und bedarf einer akuten Behandlung. Der Pneumothorax hat verschiedene Ursachen [4]: Traumatisch: direktes Thoraxtrauma mit Pleuraverletzung; stumpfe Verletzung des Brustkorbes, Barotrauma durch Fliegen oder Tauchen Iatrogen: Verschiedene Punktionen (der Lunge, Pleura, Gefäße für zentrale Zugänge), transbronchiale Biopsie, Mediastinoskopie, Überdruckbeatmung, Reanimation, verschiedene Operationen Angeborene Lungenerkrankungen und erworbene Lungenerkrankungen wie Lungenfibrose, Sarkoidose, Ruptur einer Emphysemblase und maligne Lungen- und Pleuratumore (Metastasen, Bronchialkarzinom) Meistens sind die Ursachen traumatischer oder iatrogener Genese. Für unsere Patientin am relevantesten ist die zu hohe Druckbeatmung. Individuelle Faktoren die das Risiko eines sekundären Pneumothorax (zu welchen der Spannungspneumothorax gehört) erhöhen sind: Rauchen, COPD, Mukoviszidose, Lungentuberkulose, Lungenfibrose, Lungentumore und das MarfanSyndrom. In manchen Familien kommt der Pneumothorax gehäuft vor (genetische Komponente) [67]. Der Spannungspneumothorax ist eine Spezialform des Pneumothorax, deswegen ist das pathophysiologische Verständnis eines Pneumothorax wichtig: Durch Eindringen von Luft zwischen den zwei Pleurablättern wird der vorhandene Unterdruck aufgehoben und die Lunge kann nunmehr den elastischen Retraktionskräften folgen 32 und in Richtung Hilus kollabieren [4]. Die Besonderheit beim Spannungspneu beruht auf einem Ventilmechanismus. Als Ventil fungiert ein Gewebsteil, der sich während der Einatmung öffnet, Luft strömt ein und beim Ausatmen kommt es zum Verschluss desselben (Abb.6). Die Luft geht nur in eine Richtung, in den Plauraraum hinein und nicht wieder hinaus [67]. Die eingeschlossene Luft erhöht den Druck in der verletzten Seite und verdrängt das Mediastinum und seine Strukturen auf die gesunde Seite. Beim bilateralen Pneumothorax werden die mediastinalen Strukturen von beiden Seiten komprimiert. Die Folge ist nicht nur ein akutes respiratorisches Versagen, aber auch Kreislauf- und Herzversagen. Natürlich hängt das Ausmaß des Schocks von der Größe des Pneumothorax ab. Abb. 7: Spannungspneumothorax a) Inspiration b) Expiration [7] Den pathologischen Veränderungen entsprechend sind auch die Symptome. Der Spannungspneumothorax ist eine klinische Diagnose. Die respiratorischen Störungen treten früher auf, beginnend mit Kurzatmigkeit, Dyspnoe bis zur Zyanose. Mit steigendem Druck treten auch die ersten Zeichen der Einflussstauung, charakterisiert durch Blässe, Tachypnoe, Pulsus paradoxus, Hypotension, gestaute Halsvenen, Verwirrtheit und letztendlich Schock, auf [12]. Typisch sind auch 33 fehlende Atemgeräusche bei der Auskultation und hypersonorer Klopfschall bei der Perkussion der betroffenen Seite. Von den apparativen Untersuchungsmethoden zielführend ist eine Blutgasanalyse (Hypoxie) und Röntgen mit typischen Veränderungen [4]: Verlagerung der Mediastinalstrukturen oder eingeengtes Mediastinum bei bilateralem Spannungspneu Kaudalverlagerung des Zwerchfells Verbreitung und Abflachung des Recessus phrenicocostalis Homogene Verschattung Von der Thoraxwand abgehobene Pleura viszeralis, sichtbar als scharfe Linie zwischen Lunge und lufthaltigem Pleuraraum Bei unklaren röntgenologischen Befunden muss gegebenenfalls ein CT angefertigt werden. Die wichtigste therapeutische Maßnahme ist die Druckentlastung des Pleuraraumes durch Punktion oder Drainage. Bei der Punktion beweisend für den Spannungspneumothorax, sind das hörbare Entweichen von zischender Luft und die rasche Normalisierung des Kreislaufs. Im Anschluss sollte über eine Thoraxdrainage ein Dauersog von ca. 12 cm Wassersäule angelegt werden, damit es wieder zur vollkommenen Entfaltung der Lunge kommen kann [13]. 34 3. Patienten 3.1. Fall 1 Die Patientin wird durch palpable Knoten im Schilddrüsenbereich auffällig. In der Sonographie zeigt sich auf der linken Seite ein unscharfer, echoarmer, solider Knoten im rechten Lappen ein unscharf begrenzter echoarmer Bezirk. Die darauffolgend durchgeführte Szintigraphie bestätigt jeweils einen wenig speichernden, kalten Knoten in beiden Schilddrüsenlappen. Sonographisch kontrolliert wird auf der rechten Seite, im suspekten Bereich, eine Feinnadelaspirationsbiopsie durchgeführt. Die zytologische Untersuchung ergibt ein papilläres Schilddrüsenkarzinom. Es folgt eine totale Thyreoidektomie, bizentrale und bilaterale jugulare Lymphadenektomie und Thymusresektion (bilateral modifizierte radikale neck dissection). Die Operation und Anlage der Drains wird standardgemäß durchgeführt. Im Schnellschnitt kann die Diagnose eines papillären Schildrüsenkarzinoms bestätigt werden, allerdings in beiden Lappen. Der intraoperative Verlauf ist komplikationslos ohne sichtbare Verletzung des Ductus thoracicus. Histopathologischer Befund Auf der rechten Seite ist ein 1,9 cm und auf der linken 1,3 cm in Durchmesser sichtbarer Knoten Schilddrüsenkarzinoms. bestehend Beidseits aus wird Formationen eine eines perithyreoidale papillären Infiltration des Weichteilgewebes beobachtet. Das perithyreoidale Weichgewebe rechts enthält ferner 6 Lymphknoten, von denen 5 zystische Metastasen beinhalten. Die mitresezierte Skelettmuskulatur der rechten Seite und der Thymusanteil zeigen keine verdächtigen Tumorzellen. Die jugulare Lymphadenektomie zählt rechts 22 und links 12 mikroskopisch verifizierte kleine Lymphknoten, von denen nur 1 auf der rechten Seite metastatische Karzinomverbände aufweist. Der Tumorklassifikation nach entspricht das einem Staging von pT-3b (2), N 1b. Postoperativer Verlauf 35 Am 3. postoperativen Tag beschwert sich die Patientin über Atemnot und Unwohlsein im Brustbereich. Aufgrund des Alters der Patientin und der plötzlichen Symptomatik wird der Verdacht einer Lungenembolie gestellt. Das zur Abklärung durchgeführte Thorax-CT ergibt einen ausgeprägten linksseitigen Pleuraerguss und eine pulmonale Verdichtung wie bei Minderbelüftung im rechten Unterlappen. Die suspizierte Lungenembolie kann mittels Nativ-CT nicht ausgeschlossen werden. Auffallend im Labor sind die erhöhten D- Dimere (1 079µg/L). Ergänzend wird noch eine Perfusions-und Inhalationsszintigraphie der Lunge durchgeführt, welche eine Lungenembolie nun ausschließen kann (kein Mißmatch- Befund). Der große linksseitige Pleuraerguss wird durch Anlage einer Thorax- Drainage mittels Minithorakotomie behandelt. Beim Einbringen der Drainage entleeren sich 1200 ml vanille- färbiger Chylus. Unmittelbar nach der Operation wird ein Kontroll-Röntgen durchgeführt (Abb.7). Thoraxröntgenkontrollen Der weitere überwacht. Verlauf Standardgemäß wird wird mit bei regelmäßigen der Patientin unmittelbar nach Diagnose des Chylothorax die konservative Therapie mit MCT- Diät eingeleitet. Im Verlauf kommt es zum Sistieren des Chyluslecks und ab den 14. postoperativen Tag findet sich nur noch seröse Flüssigkeit in der Sekretflasche. Die weiteren Thoraxröntgenkontrollen ergeben keinen Anhalt für einen Rezidiverguss, sodass die Patientin am 25. postoperativen Tag mit weitgehend unauffälligen Thoraxröntgenbefund in häusliche Pflege entlassen werden kann. (Abb.8) Eine chirurgische Behandlung des Chylothorax wurde nicht in Betracht gezogen. Bis zur Entlassung drainierten sich insgesamt 5,2 L Chylus und seröse Flüssigkeit (Abb.9). Entsprechend dem Therapieplan eines papillären Schilddrüsenkarzinoms mit Lymphknotenmetastasen wird eine adjuvante Radiojodtherapie eingeleitet und engmaschige endochirurgische Verlaufskontrollen vereinbart. 36 Abb. 8: Chylothorax: Pleuraerguss links: unscharfe Zwerchfellkontur, homogene Verschattung des lateralen Recessus Abb. 9: Am Entlassungstag Drainierte Chylusmenge Chylusmenge (ml) 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 OP 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 Postoperativer Tag Abb. 10: Verlauf der drainierten Chylusmenge 37 16 17 19 20 3.2 Fall 2 Eine sonst gesunde Patientin wird von ihrem Hausarzt zur weiteren Abklärung eines verdächtigen Schilddrüsenbefundes zum Facharzt für Schilddrüsendiagnostik und Nuklearmedizin zugewiesen. Im Labor sind die erhöhten Autoimmunantikörper (TAK= 15,41 U/ml und TPOAK= 407,48 U/ml) auffällig, woraus man auf eine bestehende Hashimoto Thyreoiditis schließen kann. In der Sonographie zeigen sich gemischt echogene Knoten beidseits mit einem Gesamtvolumen von 26 ml. Diese können auch szintigraphisch bestätigt werden: ein vermindert speichernder Knoten rechts kaudal und inhomogen speichernde Knoten links (Abb.10). Nach der malignom-verdächtigen Feinnadelaspirationsbiopsie (atypische, pseudopapilläre Thyreozytenverbände, wie bei papillärem Karzinom) wird der Patientin zur umgehenden Strumaresektion empfohlen. Infolgedessen werden weitere präoperative Untersuchungen eingeleitet. Abb. 11: Tc- Szintigraphiebefund: Vermindert speichernder Knoten rechts und unhomogen speichernde Knoten links In der Anamnese auffallend ist der seit Monaten andauernde Reizhusten, rezidivierende Lippenzyanose, ausgeprägtes Schnarchen mit möglichen Atempausen. Bei der Durchleuchtung, im Rahmen der Tauglichkeitsuntersuchung, zeigen sich keine 38 pathologischen Veränderungen (Emphysemblasen) die kausal mit dem später aufgetretenen bilateralen Spannungspneumothorax in Verbindung gebracht werden können. Die Blutgasanalyse sowie Spirometrie sind ebenfalls unauffällig womit aus respiratorischer Sicht die OP- Tauglichkeit gegeben ist. Standardgemäß erfolgt zuerst in typischer Art und Weise malignitätsadäquate Resektion mit Hemithyreoidektomie rechts eine primär mit zentraler Lymphknotendissektion rechts und nach Schnellschnittuntersuchung, eine Restthyreoidektomie links. Die mikroskopische Untersuchung des Schnellschnitts ergibt eine regressive nodöse Schilddrüsenhyperplasie ohne Malignität und lymphozytäre Thyreoiditis Hashimoto. Die Restschilddrüse links bestätigt die Diagnose des rechten Schilddrüsenlappens, regressive nodöse Schilddrüsen-hyperplasie ohne Malignität. Die postoperative Untersuchung der Stimmbänder zeigt keine funktionelle Schädigung. Noch im Aufwachraum erleidet die Patientin einen Bronchospasmus (wahrscheinlich ein Asthmaanfall) mit inspiratorischem und exspiratorischem Stridor, Pulsus paradoxus und einer arteriellen Sauerstoffsättigung von 92 %. Nach erfolgreicher, aber schwieriger Reintubation steigt die Sauerstoffsättigung vorübergehend wieder an und die Patientin wird auf die Intensivstation verlegt. Im Verlauf des Tages, obwohl intubiert und beatmet, kommt es zu Verschlechterung der Blutgaswerte (Sauerstoffsättigung 93% und Blutdruck 80/40). Das durchgeführte Thoraxröntgen zeigt folgende typische Veränderungen: kollabierte Lungenflügel und fehlende Gefäßzeichnung zwischen der Haarlinie und der Thoraxwand. (Abb.11) Schließlich wird eine Thoraxsaugdrainage rechts und links mittels Minithorakotomie angelegt. Es entweichen, sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite hörbar zischend Luft aus der Thorakozenteseöffnung im Sinne eines beidseitig bestehenden Spannungspneumothorax. Prompt bessert sich auch die Sauerstoffsättigung (98%) und der Blutdruck (100/70). Nach anschließendem Kontroll-Thoraxröntgen (Abb.12) wird die Patientin zur Überwachung auf die Intensivstation verlegt. Bereits am nächsten Tag kann die Patientin extubiert, und am 3. postoperativen Tag auf eine normale Station verlegt werden. Unter entsprechender Therapie bessert sich der Zustand der Patientin zunehmend, sodass die 39 Thoraxsaugdrainagen am 6. postoperativen Tag, nach einem Klemmversuch über 24h, entfernt werden können. Am darauffolgenden Tag, nach einem unauffälligen Kontrollröntgen (Abb.13), kann die Patientin entlassen werden. Abb. 12: Bilateraler Spannungspneumothorax: verrotierte Aufnahme im Liegen, Kollabierte Lungenflügel (Pfeil), Luft(↔) Abb. 13: Kontroll-Thoraxröntgen, postoperativ mit beidseits liegenden Drainagen 40 Abb. 14: Am Entlassungstag Nach der zweiten schwierigen Intubation, ist es auch zu einer beidseitigen Recurrenslähmung gekommen. Es ist anzumerken, dass postoperativ vor der zweiten Intubation, die funktionelle Kehlkopfuntersuchung entsprechend normal war. Die Patientin wird einer logopädischen Behandlung unterzogen und regelmäßige phoniatrische und röntgenologische Verlaufskontrollen vereinbart. Einen Monat später wird die Patientin wieder in unserem Haus wegen eines Verkehrsunfalls vorstellig. Wegen ihrer Vorgeschichte und jetzigen Beschwerden (Thoraxprellung, Brustbeinbruch, prä-und retrosternales Hämatom, Contusio cordis) wird sie mit dem Hubschrauberprimärtransport eingeflogen. Ein Rezidivpneumothorax ist nicht vorliegend und ihr Zustand stabilisiert und verbessert sich rasch, so dass die Patientin 6 Tage nach dem Verkehrsunfall mit mäßigen Beschwerden wieder entlassen werden kann. 41 4. Diskussion Fall 1 Obwohl die laterale Lymphknotendissektion ein gewöhnlicher Eingriff bei lymphogen metastasierten papillären Schilddrüsenkarzinomen ist, so sind die unerwarteten seltenen Komplikationen umso überraschender für den Chirurgen. Chylusfistel und Chylothorax werden zwar in der Literatur der Schilddrüsenchirurgie beschrieben, dennoch treten sie in diesem Zusammenhang selten auf, so dass man bei alltäglichen Operationen diese nicht in Betracht zieht [41]. Während unserer Literaturrecherche konnten wir eine Publikation im deutschsprachigen Raum finden [37]. Das ist sicherlich auch eines der Gründe, dass diese Komplikation nicht in der endokrinologischen Chirurgie verbreitet ist und immer wieder für Überraschung sorgt. Wichtige Risikofaktoren zur Entwicklung einer Chylusfistel sind eine Lymphknotenadenektomie, besonders im lateralen Halskompartiment, wie bei unserer Patientin und onkologische Bestrahlung des Halses [37]. Die häufigsten Schilddrüsenerkrankungen bei denen sich eine Chylusfistel entwickeln kann, sind die maligne und benigne rezidivierende Struma und das Schilddrüsenkarzinom. Es gibt Eingriffe bei denen man mit einer Chylusfistel und Chylothorax rechnen kann. Zu diesen Eingriffen gehören Operationen am Ösophagus, Aortenisthmus, Herz, Mediastinum, der Lunge, und die radikale Halslymphknotendissektion. In unserem Fall war der postoperative Verlauf entsprechend normal bis zum 3. postoperativen Tag, wo die ersten Symptome aufgetreten sind. In der Literatur ist auch diese latente Phase von 2-10 Tagen beschrieben [48,60]. In diesem Intervall akkumuliert sich der Chylus unterhalb der Pleura um schlussendlich in den Pleuraraum einzudringen [48]. Kollegen aus Süd-Korea berichten über zwei Fälle eines Chylothorax nach Thyreoidektomie und lateraler neck dissection, wobei die Symptome bei einer Patientin am 7. und bei der anderen am 3. postoperativen Tag aufgetreten sind [35]. 42 Die zwei postulierten Mechanismen der Pathogenese des Chylothorax sind im theoretischen Teil dieser Arbeit beschrieben. In unserem Fall konnte keine Verletzung des Ductus thoracicus oder größerer Lymphgefäße identifiziert werden. Deshalb ist anzunehmen, dass der Chylothorax nicht durch direkte Schädigung entstanden ist. Unserer Ansicht nach ist die zweite Option eher wahrscheinlich. Wir glauben, dass es während der jugulären Lymphknotendissektion der linken Seite oder der Thymusresektion zu akzidentellen Ligatur des Ductus thoracicus gekommen ist. Der durch die Chylusmenge ausgeübte Druck in den vorgeschalteten Lymphgefäßen oder im Ductus selbst, überschreitet deren Kapazität und es kommt zu einer nichttraumatischen extravasation des Chylus in die Pleurahöhle. In der Literatur, wie auch in unserem Fall, wird über keinen gleichzeitig auftretenden Pneumothorax berichtet, was die Hypothese eines Chylothorax durch eine nicht direkte Schädigung, bestätigt. Die meisten Autoren beschreiben diese zwei pathophysiologischen Vorgänge, obwohl auch andere seltenere Mechanismen in Frage kommen. Es wurden Fälle beschrieben, bei denen die Karzinominvasion der Lymphgefäße zu einem Chylothorax geführt hat oder eine Überstreckung der Wirbelsäule [48]. Aufgrund unseres Staging (pT-3b (2) N 1b), können wir die erste Variante ausschließen, genauso wie die Erste, da die Patientin angibt, keine ruckartigen oder ausgiebigen Kopfbewegungen gemacht zu haben. Das klinische Bild variiert mit der Menge des Chylos im Pleuraraum aber trotzdem bestehen einige gemeinsame Merkmale, wie Pleuraerguss, kardiorespiratorische Beschwerden, Chylusfluss aus dem Wundbereich, oder Chylus im der Sekretflasche [48]. Die Symptome unserer Patientin fügen sich diesem klinischen Bild an. Die drainierte Chylusmenge von 1,2 L nach Anlage der Drainage entspricht der ausgeprägten Symptomatik der Patientin mit Dyspnoe, Blutdruckabfall und Unwohlsein. In unserem Fall gab es kein Chylusleck nach außen oder eine Schwellung im Hals-Thoraxbereich, die darauf hätte hinweisen können. Ebenfalls drainierte sich keine weißliche Flüssigkeit in die, im Wundgebiet liegende, Drainage. In anderen Fallpräsentationen klagten die Patienten über gleiche Symptome und 43 hatten auch keine externe Chylusfistel gebildet [35,41]. Man findet aber auch Fälle mit gleichzeitigem auftreten einer äußeren Chylusfistel im Wundbereich und Chylothorax. Vergleicht man die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus unserer Patientin mit Fällen aus anderen Arbeiten, so liegt sie an der oberen Grenze wo man vielleicht eine operative Sanierung hätte in Betracht ziehen können. Die verlorene Chylusmenge bezogen auf die Dauer ist moderat, wenn man bedenkt das von Patienten berichtet wurde, die pro Tag sogar bis 7 L Chylus verloren haben [49]. In der durchgeführten Studie von Lorenz ergab die durchschnittliche Chylusmenge 322 ml/Tag bei viel sezernierenden Fistula und bei wenig produzierenden Fistula 198 ml/ Tag [37] Little, Harrisom und Blalock (1942 ) berichten über einen Patienten der 500 L Chylus in 18 Monaten verloren hatte, im ersten halben Jahr waren es 158 L [48]. Wie schon erwähnt, enthält der Chylus wichtige Bestandteile des Blutes. In das venöse System drainieren 1200 – 2400 ml Chylus pro Tag. Ein lang anhaltendes Chylusleck führt zu Malnutrition und ein persistierender, nicht beherrschbarer Chylothorax kann zum Tod führen. Diese Fakten sollen nochmals die Gefährlichkeit dieser Komplikation unterstreichen. Unser Therapiemanagement entspricht folgenden Therapieplan: Thoraxdrainage zur Entlastung der Lunge und konservative Basistherapie mit MCT Diät. Das Therapieziel beim Chylothorax ist, die Chylusproduktion zu reduzieren, die verlorene Flüssigkeit und Elektrolyte zu ersetzen und natürlich die Ernährung beizubehalten [16]. Die Chylusmenge korreliert mit der Einnahme der Fette bzw. der langkettigen Fettsäuren (LCT) [16]. Daher ist eine fettarme Diät essentiell. Die MCT (mittelkettige Fettsäuren) - Diät basiert auf der Minimierung der LCT. Als Alternative empfehlen einige Autoren die Verwendung von totaler parenteraler Ernährung, um die Chylusproduktion maximal zu reduzieren [35]. In neueren Literaturangaben wird auch Somatostatin und seine Analoga in der konservativen Behandlung verwendet [35]. 44 Fall 2 Respiratorische Insuffizienz nach Schilddrüsenoperationen, unabhängig ob die Ursache auf der chirurgischen oder anästhesiologischen Seite zu suchen ist, ist sehr selten. Ein bilateraler Pneumothorax mit konsekutiven bilateralem Spannungspneumothorax ist extrem selten bei Schilddrüsenoperationen. Generell, tritt ein bilateraler Spannungspneumothorax bei nicht intubierten und beatmeten Patienten sehr selten auf [17]. Von der chirurgischen Seite begünstigende Operationen für einen Pneumothorax sind Eingriffe am Ösophagus, Mediastinum, Herz, den Lungenflügeln und transbronchiale Biopsie[12]. In der Literatur findet man verschiedene Berichte, wie z.B. eine Fallpräsentation über eine Ösophagusperforation mit simultan aufgetretenem bilateralem Spannungspneumothrax, durch ein Barotrauma [50]. Wie schon vorher beschrieben, können auch Lungenkarzinome oder Metastasen in der Lunge zu einem Pneumothorax führen. Auch wenn Schilddrüsenkarzinome selten in die Lunge metastasieren, haben wir in der Literatur einige Fälle gefunden. Es werden Lungenmetastasen vom papillärem und HürthelZell Karzinom beschrieben, die im Verlauf einem unilateralen bzw. bilateralen Pneumothorax entwickelt haben [51]. Auslöser eines unerwarteten Pneumothorax bei beatmeten Patienten sind: langjähriger Nikotinabusus, Asthma, chronische obstruktive Erkrankungen der Lunge wie Lungenemphysem oder ein Barotrauma durch Überdruckbeatmung. Bei unserer Patientin ist die Ursache diskutabel, da präoperativ eine ausführliche Lungenfunktionsuntersuchung durchgeführt wurde, die keine pathologischen Veränderungen ergab. Doch die vorhandenen Symptome, Reizhusten, ztw. Lippenzyanose und ausgeprägtes Schnarchen weisen auf eine Pathologie hin. Die Ursache des Reizhustens kann die Struma nodosa oder gereizte Atemwege sein, wobei die Patientin angibt keine Allergien und keinen grippalen Infekt in letzter Zeit durchgemacht zu haben. Die Lippenzyanose und Schnarchen können auch die Struma nodosa bedingt sein oder auf eine obstruktive Lungenerkrankung hindeuten, die noch nicht klinisch erfassbar ist. 45 Wir nehmen an dass es bei unserer Patientin zum bilateralen Pneumothorax und darauffolgenden Spannungspneumothorax durch ein Barotrauma bei Überdruckbeatmung (PEEP- Beatmung) gekommen ist. Hohe Beatmungsdrücke können zum einen die die elastischen Strukturen des Lungengewebes überdehnen, zum anderen können Alveolen zerstört werden und einen Pneumothorax verursachen [14]. Aus Intensivmedizinischer Sicht wird die Häufigkeit eines Pneumothorax unter positiver Druckbeatmung (PEEP- Beatmung) bei intubierten Patienten mit 5-15% angegeben [4]. Standardgemäß werden Schilddrüsenoperationen unter PEEP durchgeführt. Die PEEP Beatmung verhindert bei Schilddrüsenoperationen Luftembolien in versehentlich eröffneten großen Venen. In der Literatur sind Barotraumen bei verschiedenen Operationen beschrieben, nur bei Schilddrüsenoperationen sind wir nicht fündig geworden. Eine der Fallpräsentationen beschreibt ein Barotrauma bei einer ophthalmologischen Operation, entstanden durch einen Knick im Schlauch der Ausrüstung [53]. In unserem Fall können wir von dieser Annahme nicht ausgehen. Bis zum Auftreten erster Symptome des Pneumothorax können Stunden bis Tage nach Schädigung vergehen [4]. Wenn sich bereits ein Pneumothorax entwickelt hat, ist die Gefahr eines Spannungspneumothorax besonders gefürchtet [4]. In unserem Fall wurde die Patientin kurz nach der Operation noch im Aufwachraum mit inspiratorischem und exspiratorischem Stridor, Pulsus paradoxus und verminderter arterieller Sauerstoffsättigung (92%) symptomatisch. Um die Sauerstoffversorgung zu verbessern wurde die Patientin reintubiert. Die Intubation hatte zur Folge, dass sich im Verlauf des Tages aus dem bilateralen Pneumothorax ein bilateraler Spannungspneumothorax entwickelte. Wie auch in den Lehrbüchern der Intensivmedizin beschrieben kam es während der Intubation zur Hypotension (80/40), Abfall der art. Sauerstoffsättigung (93%) und im Röntgen waren typische Zeichen eines bilateralen Spannungspneu sichtbar. 46 Die Standardtherapie ist eine sofortige Entlastung der Lunge durch Anlage einer Thoraxdrainage. Die Saugdrainage wird so lange belassen bis sich die Lunge vollständig entfaltet hat und keine Luftansammlungen im Pleuraraum mehr nachweisbar sind. Beweisend für den Spannungspneumothorax ist die entweichende, hörbar zischende Luft beim Eröffnen des Thoraxraumes, so wie auch im Fall unserer Patientin. Als Akuttherapie wurde mittels Minithorakotomie eine Thoraxsaugdrainage links und rechts angelegt. Als sekundäre therapeutische Maßnahmen, bei persistieren des Luftlecks, können ein operativer Verschluss der Fistel über eine Thorakoskopie oder Thorakotomie, sowie eine mechanische oder chemische Pleurodese notwendig sein[67]. Diese therapeutischen Optionen werden eher bei rezidivierenden Pneumothoraces in Betracht gezogen, was auf unsere Patientin nicht zutrifft. Da sich die Lunge bei unserer Patientin schon nach 3 Tagen vollständig entfaltet hat, wurden die Saugdrainagen gezogen. Ein bilateraler Spannungspneumothorax ist in der Anästhesie und Intensivmedizin selten, und extrem selten wenn dieser im Rahmen einer Schilddrüsenoperation auftritt. Da Schilddrüseneingriffe nicht zu Operationen gehören, wo man einen Spannungspneumothorax erwarten könnte, ist die Gefahr einen zu übersehen oder zu spät zu diagnostizieren, sehr groß, vor allem bei intubierten Patienten. Der Spannungspneumothorax ist eine lebensbedrohende Komplikation, welche einer schnellen Diagnostik und Behandlung bedarf. Auch wenn der Spannungspneumothorax im diesem Zusammenhang eine Seltenheit ist, so müssen Chirurgen und Anästhesisten diese in außergewöhnlichen Situationen rechtzeitig erkennen können um entsprechende therapeutische Maßnahmen einzuleiten. 47 5. Literaturverzeichnis 1. M. Rothmund, J. R. Siewert, V. Schumpelick, Praxis der Viszeralchirurgie: Endokrine Chirurgie, 2., Auflage, Berlin, Heidelberg, Springer 2007. 2. Werner Böcker, Helmut Denk, Philipp U. Heitz, Pathologie, 3., Auflage, München, Jena, Urban und Fischer bei Elsevier 3. Nagel E., Löhlein D., Pichlmayrs Chirurgische Therapie, 3., völlig neu bearb. Auflage, Heidelberg, Springer 2003. 4. Hilmar Burchardi, Reinhard Larsen, R. Kuhlen, Karl-Walter Jauch, Jürgen Schölmerich, Die Intensivmedizin, 9., Auflage, Heidelberg, Springer Verlag 2004. 5. Gerd Herold, Innere Medizin 2009, Selbstverlag 2009. 6. Statistik Austria, http://www.statistik.at/ 7. Volker Schumpelick, Niels M. 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Sarajevo, Bosnien und Herzegowina Bosnien- Herzegowina ledig Ausbildungsdaten 1999 - 2003 Allgemeingymnasium „Druga Gimnazija“, Sarajevo, Bosnien- Herzegowina 2001- 2003 „International Baccalaureate (IB) Diploma Programme”, Sarajevo,Bosnien- Herzegowina 1998- 2001 „Soros Language Programme“, Sarajevo, Bosnien- Herzegowina 2003 -2011 Medizinische Universität Graz Doktorarbeit: „Seltene Komplikationen in der Schilddrüsenchirurgie“; Betreuung: Prof. Wolf, LKH Graz Famulatur 2006 Innere Medizin/ Kardiologie,LKH West-Graz (2 Wochen) 2007 Allgemeinchirurgie, LKH West-Graz (3 Wochen) 53 2008 Innere Medizin/ Kardiologie,Tarragona Hospital, Spanien (4 Wochen) 2008 Thoraxchirurgie/ Herzchirurgie, Karolinska Hospital Stockholm, Schweden (4 Wochen) 2009 Allgemeinchirurgie, LKH Graz (2 Wochen) 2010 Innere Medizin/ Nephrologie, LKH Graz (2 Wochen) Praktisches Jahr 2010 Innere Medizin/ Kardiologie, Klinikum Passau, Deutschland (3 Wochen) 2010 Innere Medizin/ Onkologie, Klinikum Passau, Deutschland (3 Wochen) 2011 Gynäkologie, Klinikum Passau, Deutschland (3 Wochen) 2011 Herzchirurgie, Klinikum Passau, Deutschland (3 Wochen) 2010 Allgemeinmedizin, Graz, Österreich (5 Wochen) Sprachkenntnisse Muttersprache: Sonstige Sprachen: Bosnisch,Kroatisch,Serbisch Deutsch – ausgezeichnet (im Wort und Schrift) Englisch – ausgezeichnet (im Wort und Schrift) Spanisch– Basisverständnis EDV-Kenntnisse MS Office: Sonstige: MS Excel, MS PowerPoint, MS Word Tabellenkalkulation Datenbanken Kommunikation & Internet Berufliche Erfahrungen 2009- 2011 Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung für Thoraxchirurgie, Prof.Dr.Smolle Jüttner, LKH Graz 1999 - 2002 Organisatorische Aufgaben im Ski-Club „Sarajevo” 54 Hobbys Skifahren, Schwimmen, Laufen, Volleyball, Lesen, Reisen 20.05.2011 Unterschrift:_____________________ 55