Redaktion Medizin: (089) 53 06-425 [email protected] Telefax: (089) 53 06-86 61 Münchner Merkur Nr. 290 | Mittwoch, 15. Dezember 2010 MEDIZINKOLUMNE ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ Am 16. Dezember 1773 schlichen die Freimaurer auf die Schiffe der East India Company und warfen 342 Kisten Tee über Bord. Dieses historische Ereignis ging als „Boston Tea Party“ in die Geschichte ein und verbindet seither die USA einerseits mit dem Beginn der Unabhängigkeit, andererseits aber auch mit dem Tee an sich. Den Tee auf die Erde gebracht haben allerdings die Götter: Das zumindest glauben die Chinesen. Und sie müssen es wissen, denn der älteste oder erste Tee kam aus China. Tee ist auch das Nationalgetränk der Russen. So unterschiedlich die Volksstämme auch sein mögen, so sehr verbindet sie die Liebe zu einem starken und süßen Tee. Den Engländern ist bis heute ihr Five o’Clock Tea (FünfUhr-Tee) heilig. In Ostfriesland trinkt man mindestens zehnmal so viel Tee wie in anderen Teilen Deutschlands. GEBURTSMEDIZIN Leben Teetrinken ist fast immer eine Zeremonie. Tee ist weltweit das Getränk Nummer eins – und avanciert mehr und mehr vom Modegetränk zum Heilmittel. Aber nach wie vor sind einige Fragen ungeklärt: Ist grüner Tee wirklich so gesund? Und ist Beuteltee tatsächlich schlechter? Zunächst zum grünen Tee: Dieser gilt ja quasi als Wunderdroge. Und nicht zuletzt deshalb werden viele Lebensmittel mit grünem Tee versetzt, um deren gesundheitliches Image zu verbessern. Aber ob grüner oder schwarzer Tee – die Pflanze ist immer dieselbe. Lediglich die Verarbeitung ist unterschiedlich. Denn schwarzer Tee ist fermentiert und grüner eben nicht. Die Fermentation von Tee ist nichts anderes als eine Reaktion mit Sauerstoff, also eine Oxidation. Dadurch entstehen Aromastoffe, die später den Geschmack ausmachen – und zwar den blu- Hauptsache gesund Dr. Barbara Richartz It´s Teatime! Priv.-Doz. Dr. med. habil. Barbara Richartz, Chefärztin in Bad Wiessee, erklärt, warum Trinken von Tee so gesund ist und wie man diesen am besten zubereitet. migen oder karamellartigen Geschmack des schwarzen Tees und den heuartigen Geschmack des grünen Tees. Weil dieser nicht fermentiert wird, hat er einen höheren Catechin- und Polyphenolgehalt. Diese Stoffe sind anti- oxidativ und wirken daher vorbeugend gegen Krebs und Herzinfarkt. Allerdings sind das nur die Ergebnisse von Beobachtungen. Diese sind zwar interessant, wurden aber nie wissenschaftlich bewiesen. Doch gibt es noch einen anderen Unterschied: Grüner Tee enthält weniger Koffein, dafür aber mehr Gerbstoffe als Schwarztee. Deshalb kann er ziemlich bitter sein, vor allem bei falscher Zubereitung. Bei der China-Zubereitung beispielsweise wird der Tee vor dem Trinken „gewaschen“. Das heißt, man übergießt den grünen Tee mit heißem, aber nicht kochendem Wasser. Nach zwei bis drei Minuten wird dieser „Tee“ weggeschüttet. Man genießt erst den zweiten Aufguss (die Bitterstoffe sind rausgewaschen). Bei der Japan-Methode lässt man den grünen Tee einfach sehr kurz, also ein bis zwei Minuten, ziehen, ehe man ihn trinkt. Im Gegensatz dazu enthalten Früchtetees oder der Rotbuschtee keine oder fast keine Gerbsäuren und können daher ohne Probleme auch länger ziehen. Nun zu der Frage Beuteltee oder Blättertee: In umfangreichen wissenschaftlichen Studien wurde zunächst der Coffeingehalt untersucht. Da schnitten loser Tee und Beuteltee in etwa gleich ab. Als Nächstes untersuchten die Forscher den Polyphenolgehalt. Das Ergebnis war recht unerwartet: Die Beuteltees wiesen sogar die höheren gesundheitsfördernden Polyphenolwerte auf. Die Beuteltees von heute müssen sich also nicht mehr verstecken. Sie sind viel besser als ihr Ruf. Und – egal ob schwarz oder grün – Hauptsache, Sie trinken einen dampfenden Tee. Denn der ist jetzt in der kalten Jahreszeit nicht nur wohltuend, sondern auch noch extrem gesund! .............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. Frühstart ins Leben Immer mehr Babys in Deutschland kommen zu früh zur Welt. Mit der Geburt beginnt für ihre Eltern eine Zeit des Hoffens und Bangens. Denn Frühchen haben einen schweren Start ins Leben. Frühchenstation wird Kathrin Müller-Menrad zum zweiten Zuhause. Vor allem in den ersten Wochen ist ihre Angst groß. Denn viele Extremfrühchen tragen schwere Schäden davon. Die Blutgefäße im Gehirn reißen leicht. Das kann zu schweren Behinderungen führen. Die Lungen sind noch unreif. Erkrankungen der Atemwege sind die Folge. Auch Helena hat es nicht leicht: Sie bekommt eine Infektion nach der anderen. Dann der große Tag: Die Waage zeigt 1000 Gramm – eine magische Grenze. Jetzt hat Helena gute Überlebenschancen. Kathrin Müller-Menrad hat einen Kuchen für die Krankenschwestern gebacken. Darauf steht: „Helena, 1000 Gramm, danke“. VON STEFANIE REIFFERT Die Ärmchen sind so schmal wie der Daumen eines Erwachsenen. Das Köpfchen passt in die hohle Hand: Auf dem Foto ist Helena wenige Tage alt. 630 Gramm Leben, angeschlossen an dicke Schläuche und Sonden. Sie halten sie am Leben. Denn Helena kam 15 Wochen zu früh zur Welt. Elf Jahre ist das her. Aus dem zerbrechlichen Baby ist ein fröhliches Mädchen geworden. Doch Mutter Kathrin Müller-Menrad blickt ernst, als sie das Fotoalbum mit den Bildern von damals durchblättert. Nie wird sie vergessen, wie ihre kleine Tochter ums Überleben kämpfte. Wochen der Angst, wie sie viele Frauen in Deutschland erleben. Zu Hause geht die sorgenvolle Zeit für die Eltern weiter Helena heute und vor elf Jahren: Das Mädchen kam 15 Wochen zu früh zur Welt (links) und wog bei ihrer Geburt gerade einmal 630 Gramm. Viele Wochen lang kämpfte sie um ihr Leben. Eine sorgenvolle Zeit für ihre Mutter Kathrin Müller-Menrad, die auf dem Foto (oben) mit ihrer Tochter in einen Inkubator für Frühgeborene blickt. In so einem lag damals auch Helena, die insgesamt fünf Monate auf der Station I10B im Münchner Klinikum Großhadern bleiben musste. Ältere Mütter haben ein höheres Risiko für eine Frühgeburt Etwa 63 000 Kinder kommen hierzulande jedes Jahr zu früh, also noch vor der 37. Schwangerschaftswoche, zur Welt. Und die Zahl der Frühgeburten steigt weiter. Heute werden bereits neun von hundert Babys zu früh geboren. Damit liegt Deutschland über dem europäischen Durchschnitt von sieben Prozent, sagt Silke Mader, Vorsitzende der Stiftung für Frühgeborene und Neugeborene mit Erkrankungen (EFCNI). Eine Ursache dieses Anstiegs: Immer mehr Frauen entscheiden sich erst spät für ein Kind. Mit steigendem Alter steigt aber nicht nur das Risiko für eine Frühgeburt, die Fruchtbarkeit nimmt gleichzeitig ab. „Dadurch nimmt auch die Zahl der künstlichen Befruchtungen zu“, sagt Mader. Diese führen häufiger zu Mehrlingsschwangerschaften – und so ebenfalls zu einem erhöhten Risiko einer Frühgeburt. Auch Stress, Geldsorgen und soziale Ängste erhöhen dieses. Und nicht jeder Gynäkologe nimmt sich die Zeit, die Schwangeren eindringlich auf Gefahren hinzuweisen. Etwa dass jeder Schluck Alkohol, Kaffee, aber auch Passivrauchen schädlich sind. Bei Kathrin Müller-Menrad war eine falsche Lage der Pla- FOTO/REPRO: KLAUS HAAG zenta der Grund für die Frühgeburt – eine eher seltene Ursache. Der Muttermund war durch die Plazenta verdeckt. Frühwehen, die bei den meisten Müttern ohne Komplikationen ablaufen, können dann zu heftigen Blutungen führen. Viel öfter sei eine Infektion die Ursache einer Frühgeburt, sagt Dr. Uwe Hasbargen, stellvertretender Direktor der Frauenklinik des Münchner Klinikums Großhadern. Bei fast der Hälfte der Frauen sind es Keime. Diese befallen zunächst die Scheide, dann wandern sie über den Gebärmutterhals bis zur Fruchtblase. Der Körper reagiert, indem er versucht sie abzustoßen. Wehen setzen ein. Doch ist es nicht mangelnde Hygiene, die zu einer Infektion führt. Mit Keimen wie Darmbakterien kommt die Scheide ständig in Kontakt. Normalerweise habe der Körper ein sehr effizientes Ab- wehrsystem, erklärt Hasbargen. So halten Milchsäurebakterien den pH-Wert in der Scheide niedrig. Schädliche Keime können sich nicht mehr vermehren. Eine weitere Barriere ist der lange Gebärmutterhals, der am Gebärmutterhalskanal mit einem Schleimpfropf abgedichtet ist. Doch die Scheidenflora kann sich durch Medikamente, Ernährung, Stress und auch die Schwangerschaft selbst verändern. Auch die Sicherheitsbarriere des Gebärmutterhalses kann einreißen. Etwa durch eine Ausschabung nach einer Fehlgeburt oder eine Behandlung wegen Gebärmutterhalskrebs. Doch können Frauen selbst vorbeugen: Durch einen Vaginalabstrich beim Gynäkologen lässt sich leicht feststellen, ob die Scheidenflora verändert ist. Vorgeschrieben sei so eine Untersuchung aber nicht, kritisiert Silke Mader. „Wir fordern daher, dass die Vorsorgebehandlung standardisiert wird“, sagt sie. Schwangere können zudem mit Teststreifen den pH-Wert in der Scheide messen – und so eine Infektion früher erkennen. Dennoch: Viele Frühgeburten lassen sich nicht verhindern. Wie bei Kathrin MüllerMenrad. Schon in der 18. Schwangerschaftswoche bekam sie Wehen und Blutungen. Sechs Wochen wird sie in einer Kreisklinik behandelt. Dann lässt sie sich ins Klinikum Großhadern verlegen. Sie ahnt, dass sich die Geburt nicht mehr lang hinauszögern lässt. Und sie weiß, dass ihre Tochter dann die beste Versorgung brauchen wird, die sie bekommen kann. Ende der 24. Woche wagt sie den Schritt. Denn ab diesem Zeitpunkt ist ein Baby außerhalb des Mutterleibs lebensfähig. Zehn Tage hält sie dort noch durch. Wehenhemmen- de Medikamente verzögern die Geburt. Jeder Tag bringt das Baby in ihrem Bauch dem Überleben ein entscheidendes Stück näher. „In der 24. Woche bringen zwei Tage noch einen wichtigen Fortschritt für die Reife des Babys“, erklärt Hasbargen. Doch dann lässt sich die Geburt nicht mehr hinauszögern. Die Plazenta hat sich abgelöst. Es sind keine Herztöne des Babys zu hören. Die Ärzte entscheiden sich für einen Notkaiserschnitt. Nach nur 25 Wochen und drei Tagen kommt Helena zur Welt. Zum ersten Mal sieht Müller-Menrad ihr Kind auf einem Foto. Erst einen Tag später kann sie es auf der Frühchen-Intensivstation besuchen. Erschrocken ist sie nicht, als sie ihre winzige Tochter sieht. „Ich dachte: Ist die süß“, erinnert sie sich. Fünf Monate lang muss Helena in der Klinik bleiben. Die „Bis zur Jahrtausendwende galten 28 vollendete Schwangerschaftswochen als Marker“, sagt Hasbargen. Allerdings sei es kompliziert, das genaue Alter der Schwangerschaft zu bestimmen. Beim Gewicht ist das einfacher. „So kam es zu der Grenze von 1000 Gramm“, sagt er. Doch gelten alle Frühchen, die weniger als 1250 Gramm wiegen, als Hochrisiko-Patienten. Sie dürfen ab Januar 2011 nur noch in spezialisierten Zentren behandelt werden. Diese müssen nachweisen, dass sie mindestens 30 solcher Frühchen pro Jahr versorgen. Doch auch zu Hause geht die sorgenvolle Zeit für die Eltern weiter. Ein Jahr lang braucht Helena eine Sauerstoffbrille. Nahrung bekommt sie über eine Magensonde. „Sie hat keinen Hunger gespürt“, erzählt die Mutter. Auch an feste Nahrung gewöhnt sie sich erst spät. „Es können eine große Zahl von Entwicklungsverzögerungen auftreten“, bestätigt Mader. Manche Kinder könnten sich auch später noch schlecht konzentrieren, haben Lernprobleme und Bewegungsstörungen. Umso wichtiger sei eine gute Nachsorge. Doch dabei werden die Eltern oft alleingelassen, kritisiert Mader. Noch immer gebe es kein flächendeckendes Angebot. Auch Kathrin Müller-Menrad musste vor elf Jahren allein zurechtkommen. Doch sie hatte Glück. Ihre Tochter entwickelte sich gut. Auch mit dem Essen gab es schon bald keine Probleme mehr. „Heute muss ich sie sogar manchmal bremsen“, sagt Müller-Menrad froh und schaut zu ihrer Tochter. 17 DIE TÄGLICHE MEDIZIN Heute: Mit dem MRT Brustkrebs erkennen Viele Frauen vertrauen bei der Früherkennung von Brustkrebs auf die Mammografie. Doch mit dem Röntgen der Brust kann der Arzt nur ein Drittel der Vorstufen von Krebs entdecken. Gerade aber die Diagnose von Vorstufen kann lebensrettend sein. Die Mammografie kann zwar winzige Kalkablagerungen, die eine Vorstufe von Krebs sind, sichtbar machen. Umgekehrt aber bilden etwa 20 Prozent der Krebsvorstufen gar keinen Mikrokalk. Bei jüngeren Frauen ist zudem das Brustgewebe so dicht, dass der Arzt den Kalk, und somit auch den Krebs, nicht erkennen kann. Hinzu kommt, dass die Strahlung, die bei der Mammografie entsteht, auch selbst krebserregend sein kann. Dieses Risiko ist bei älteren Frauen geringer, weshalb die Mammografie erst ab 50 Jahren sinnvoll ist. Eine Untersuchung im Kernspintomografen kann weiterhelfen. Mit dem MRT kann man Brustkrebs früh erkennen. Kernspin ist genauer Bei der Kernspintomografie, oder auch Magnetresonanztomografie (MRT), wird der Körper schnell wechselnden Magnetfeldern ausgesetzt. Der Arzt bekommt dadurch ein millimetergenaues Bild des untersuchten Organs oder Knochens. Weil die Methode ohne Röntgenstrahlen auskommt, hat sie – anders als die Mammografie – keine Nebenwirkungen. Nur Herzschrittmacherpatienten dürfen nicht in die Röhre. Im Unterschied zum Röntgen kann der Arzt mit der Kernspinuntersuchung bereits die Krebsvorstufen erkennen, die gar keinen Mikrokalk bilden. Bevor sich die Zellen zu einem bösartigen Karzinom entwickeln, kann der Arzt sie bereits entfernen. Mit dem MRT lassen sich Vorstufen von Brustkrebs sicherer erkennen. DPA (2) Nur in Kombination Da die Untersuchung kostspielig ist, wird sie von vielen Krankenkassen nicht oder nur zum Teil übernommen. Nur in Einzelfällen und auf spezielles Anraten des Arztes wird sie in Deutschland durchgeführt. Zudem erkennt auch eine Untersuchung im MRT nicht jeden Tumor. Sie ist dann sinnvoll, wenn es in der Familie bereits Fälle von Brustkrebs gab oder das Brustgewebe sehr dicht ist. Wie auch bei Ultraschall und Mammografie gilt auch hier, dass sie mit anderen Methoden kombiniert werden sollte. Damit kann Brustkrebs bekämpft werden, bevor er entsteht. BETTINA DOBE