18.09.2015

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CREDIT RESEARCH
COVERED BONDS/FINANCIALS
LBBW RESEARCH
Burkerts Blick
Kommentar des LBBW Chefvolkswirts
Anleihenmärkte:
Liquiditätsmangel trotz
Liquiditätsflut?
Kräftige Kursausschläge bei Anleihen könnten zur Gewohnheit
werden.
.
Heftige
Kursturbulenzen bei Aktien, Rohstoffen und den Währungen wichtiger Schwellenländer haben die Finanzmarktteilnehmer zuletzt in Atem gehalten. An den Anleihenmärkten im Euroraum und anderen großen Industriestaaten ist dagegen, oberflächlich betrachtet, in diesem Jahr nicht allzu viel passiert. Die als Fels in der Brandung für unsichere
Zeiten geschätzten Bundesanleihen rentieren im 10-jährigen Laufzeitbereich bei knapp
0,7% und damit leicht höher als zu Jahresbeginn. Die Wertentwicklung von EuroStaatsanleihen ist im Jahr 2015 bis dato in der Summe leicht auf der positiven Seite gewesen, während höherverzinsliche Unternehmensanleihen (High Yield) trotz einiger Rückschläge im Spätsommer die Performancerangliste am Bondmarkt klar anführen.
Bei genauerer Betrachtung muss man allerdings feststellen, dass der Anleihemarkt bereits
mehrfach heftigen Kursauschlägen, insbesondere nach unten, ausgesetzt war. Das jüngste
Beispiel datiert aus der laufenden Woche. Diese Kursrückschläge waren bisher zwar oft
nicht nachhaltig, wurden also anschließend wieder (teilweise) korrigiert. Kann man diese
Kursturbulenzen am Anleihenmarkt daher als wenig bedeutsam abtun? Dies wäre meiner
Ansicht nach voreilig, denn es fällt auf, dass die Anleihekurse mehrfach ohne klar ersichtlichen Auslöser abgesackt sind. So schoss die Rendite 10-jähriger Bunds am 7. Mai innerhalb kurzer Zeit von knapp 0,6 % bis auf 0,8 % empor – eine Bewegung, die in diesem
Ausmaß in der Vergangenheit höchstens in akuten Krisenszenarien oder bei unerwarteten
Kursschwenks der Notenbank auftrat. Nichts davon war jedoch am 7. Mai passiert, vielmehr sank die Bundrendite im weiteren Tagesverlauf wieder auf ihr Ausgangsniveau ab.
Dieses Muster erinnerte zudem stark an ein Ereignis aus dem Oktober 2014 am USStaatsanleihemarkt, als die Rendite der 10-jährigen Benchmarkanleihe innerhalb von Minuten um 30 Basispunkte absackte – inzwischen weithin bekannt als „flash rally“.
Die aus meiner Sicht heißeste Spur führt jedoch zu einer Erklärung, die auf den ersten
Blick wie ein Paradoxon anmutet: Die Anleihenmärkte leiden unter einem Mangel an Liquidität. Bekanntermaßen flutet die Europäische Zentralbank die Märkte ja seit März mit rund
60 Mrd. Euro monatlich, indem sie von Banken und anderen Investoren hauptsächlich
Staatsanleihen, aber auch Covered Bonds und Anleihen von staatsnahen Unternehmen
kauft und dem Finanzsystem damit zusätzliche (Zentralbank-) Liquidität zuführt. Das
scheinbare Paradoxon löst sich dadurch, dass hier von unterschiedlichen Liquiditätsbegriffen die Rede ist. Während Liquidität im Sinne von liquiden Mitteln zur Begleichung von
Forderungen und als Basis für die Vergabe neuer Kredite im Überfluss vorhanden ist (aber
für Letzteres weiterhin nur schleppend genutzt wird), fehlt es an Marktliquidität im Sinne
der Fähigkeit des Marktes, auch größere Transaktionsvolumina ohne abrupte Kursschwankungen absorbieren zu können. Als Maßstab für diese Marktliquidität kann etwa das
Volumen an gehandelten Anleihen innerhalb einer bestimmten Periode dienen, denn je
FREITAG, 18. SEPTEMBER 2015
Uwe Burkert
Chefvolkswirt und
Leiter Research
[email protected]
FOKUS
MARKTLIQUIDITÄT
MARKT
ANLEIHENMARKT
10-jährige Bundrendite aktuell knapp über
Jahresanfangsstand.
Höher verzinsliche Unternehmensanleihen
robust gegen jüngste Marktturbulenzen.
Mehrere Phasen heftiger Kursturbulenzen
lassen aufhorchen.
Besonders auffällig: Häufig kein konkreter
Auslöser erkennbar.
Mangelnde Marktliquidität „heiße Spur“ zur
erhöhten Volatilität.
Paradoxon angesichts der Liquiditätsschwemme der EZB?
Maße für Marktliquidität: Handelsvolumen,
Geld-Brief-Spannen, Markttiefe.
BITTE BEACHTEN SIE DEN DISCLAIMER UND WICHTIGE OFFENLEGUNGSTATBESTÄNDE IM ANHANG-1
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Burkerts Blick
Kommentar des LBBW Chefvolkswirts
höher das durchschnittliche Handelsvolumen, desto höher ist aus Sicht des Verkäufers
einer Anleihe die Wahrscheinlichkeit, zu vernünftigen Preisen einen Käufer zu finden. Die
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), also die Zentralbank der Zentralbanken,
die sich in ihrem aktuellen Quartalsbericht ebenfalls dem Thema abnehmender Liquidität
am Anleihenmarkt widmet, verwendet als alternative Maße die Geld-Brief-Spannen sowie
die Markttiefe, ausgedrückt als ausführbares Transaktionsvolumen, in den am stärksten
gehandelten deutschen Bundesanleihen. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die Geld-Brief-Spannen in den vergangenen Monaten
gestiegen sind, während die Markttiefe tendenziell gesunken ist – beides Indizien dafür,
dass der Anleihenmarkt das Eintreffen größerer Transaktionsvolumina schlechter absorbieren kann. Die Ergebnisse deuten zudem daraufhin, dass die Marktliquidität gerade seit
der Ankündigung des Anleihekaufprogramms durch die EZB abgenommen hat. Sinkt die
Liquidität am Anleihenmarkt also nicht trotz sondern sogar wegen der EZB-Maßnahmen?
Eine „Mitverantwortung“ der EZB ist wohl nicht von der Hand zu weisen, denn durch ihre
Anleihekäufe entzieht die EZB dem Anleihenmarkt laufend Material, während gerade am
deutschen Staatsanleihemarkt aufgrund der ausgeglichenen öffentlichen Haushalte kein
neues Nettoangebot hinzukommt. Per Ende August hatte die EZB bereits Bundesanleihen
in Höhe von 68 Mrd. Euro erworben, und damit rund 8% des im Rahmen des QEProgramms prinzipiell in Frage kommenden Volumens. Sollte die EZB ihr Kaufprogramm,
wie jüngst von Mario Draghi angedeutet, sogar nochmals ausweiten, könnte sie somit den
Liquiditätsmangel zusätzlich verschärfen.
Der Hauptauslöser für die sinkende Liquidität am Anleihenmarkt liegt aus meiner Sicht
aber bis dato in verschärften regulatorischen Anforderungen für Banken und andere Finanzintermediäre in Folge der Finanzkrise. Strengere Kapitalvorschriften haben etwa dazu
geführt, dass Anleihehändler nicht mehr im gewohnten Umfang Anleihebestände halten.
Zudem müssen als sicher eingestufte Wertpapiere verstärkt zur Unterlegung von Risiken
genutzt werden, was sie ebenfalls dem Handelskreislauf entzieht. So richtig diese Maßnahmen zur Eindämmung von Exzessen an den Finanzmärkten waren, so sehr zeigt hier
jedoch das Auftreten neuer Risiken für die Finanzstabilität in Gestalt sinkender Liquidität,
dass die Regulierungsschraube nicht übermäßig angezogen werden sollte, sondern dass
Augenmaß gefragt ist. Dies gilt auch für weitere „Lockerungsübungen“ der EZB: Schon
jetzt hat der Liquiditätsentzug eine Konstellation geschaffen, in der wiederholte heftige
Kursausschläge zur Normalität werden könnten. Dies gilt umso mehr als die USNotenbank ihrer Glaubwürdigkeit mit ihrer gestrigen Entscheidung, die Leitzinswende
weiter aufzuschieben, keinen Gefallen getan hat. Es macht meiner Meinung nach keinen
Sinn, erst im Rahmen der sogenannten „Forward Guidance“ Schwellenwerte für die Arbeitslosenquote vorzugeben, ab deren Unterschreiten eine Zinswende avisiert wird, und diese
dann doch nicht zu vollziehen.
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) weist auf gesunkene Liquidität
auf den Anleihenmärkten hin.
BIZ-Bericht zeigt: EZB-Maßnahmen mitverantwortlich für mangelnde Liquidität.
8% der unter QE erwerbbaren Bunds liegen
schon bei der EZB.
Verschärfte regulatorische Anforderungen
wohl Hauptauslöser.
Zu starke Regulierung und zu lockere
Geldpolitik tragen unbeabsichtigte Konsequenzen in sich.
Anhang 1:
Aufsichtsbehörden der LBBW: Europäische Zentralbank (EZB), Postfach 16 03 19, 60066 Frankfurt am Main und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Postfach 1253, 53002 Bonn / Postfach 50 01 54, 60391 Frankfurt.
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Am Hauptbahnhof 2
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