Zur Auswertung der venösen Phase des

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Fortschr. Röntgenstr. 117, 6(1972) 630-637
© Georg Theme Verlag, Stuttgart
Zur Auswertung der venösen Phase des
Vertebralisangiogramms*
Von G. B. Bradac, R. S. Simon
und U. Holtz
8 Abbildungen
Zusammenfassung
Use of the venous phase of the vertebral angiogram
Die Parenchymadhärenz der Venen der hinteren
Adherence of the veins to the parenchyme in the
Schädeigrube ermöglicht eine präzise Darstellung der
Oberflächengestalt der zentralnervösen Substanz. Ein
posterior fossa makes it possible to obtain an accurate
demonstration of the surface of central nervous structures. An abnormality discovered on the arterial phase
von der Norm abweichender Befund der arteriellen
Phase kann mit Hilfe der Venendarstellung geklärt
werden. Bereits anhand der arteriellen Phase diagnostizierte Tumoren werden in der venösen Phase in ihrer
Ausdehnung und in ihrer Topographie zur Gehirnoberfläche besser erfaßbar. Bei supratentoriellen Prozessen kann dio venöse Phase des Vertebralisangiogramms eine vaskuläre Hirnstammschädigung an-
may be clarified by demonstration of the veins. Tumours
which have been diagnosed on the arterial phase may
be better defined with regard to their size and topography during the venous phase. The venous phase of
the vertebral arteriogram may also indicate a vascular
abnormality of the brain stem due to supra-tentorial
processes.
(F. St.)
zeigen.
Die Venen in der hinteren Schadeigrube zeigen
einen gewissen Variationsreichtum. Die diagnostische Aussagemöglichkeit wird dadurch jedoch
nicht eingeschränkt.
Im Gegensatz zu den Arterien haben die Venen einen engen Kontakt zum Parenchym, sie
sind daher besser als die Arterien zur Beurteilung der Oberflächengestalt der zentralnervösen
Substanz geeignet. Dieses hat einen besonderen
diagnostischen Wert, wenn der anomale Verlauf
einer Arterie den Verdacht auf eine pathologische Veränderung erweckt; die dem Parenchym
adhärenten Venen erlauben dann eine Bestätigung oder einen Ausschluß dieses verdächtigen
Befundes.
Die Venen werden weniger ausgeprägt als che
Arterien von skierotischen Veränderungen betroffen, so daß ihr Verlauf kaum sklerosebedingte Deformierungen aufweist.
Der topographische Verlauf einiger Venen ist
keinem arteriellen Gefäß konform; die Darstellung solcher Venen liefert also eine völlig neue
Information.
* Herrn Professor Dr. H. Oeser zum 62. Geburtstag
gewidmet.
Zum Studium der Venen der hinteren Schädeigrube sind einige technische Voraussetzungen
zu beachten. Das vertebro-basiläre System ist
mit einer ausreichenden Kontrastmittelmenge
zu füllen; das Serienangiogramm hat den gesamten Kontrastmitteldurchfluß zu erfassen;
das Subtraktionsverfahren muß routinemäßig
zur Auswertung herangezogen werden.
Es sollen hier nicht alle Venen der hinteren
Schädeigrube ausführlich beschrieben werden,
Einzelheiten wurden von anderen Autoren und
uns früher beschrieben (1-3, 5-9, 15); wir werden hier nur die wichtigsten von ihnen zeigen
und anhand einiger Beispiele ihren diagnostisehen Wert demonstrieren.
Wir unterscheiden eine obere und eine untere
Venengruppe. Diese Einteilung basiert einerseits auf der Topographie der Venen, weiterhin
auf ihrer Drainagerichtung und schließlich auf
ihrer topographischen Beziehung zu arteriellen
Gefäßen.
Zu den Venen der oberen Gruppe gehören die
auf seitlichen Bildern gut erkennbaren pontomesenzephalen Venen mit der Vena pontis, die
den vorderen Rand der Brücke markiert, die
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Neuroradiologische Abteilung der Strahienklinik des Klinikums Steglitz
der Freien Universität Berlin (Direktor: Prof. Dr. H. Oeser)
Zur Auswertung der venösen Phase des Vertebralisangiogramms
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Abb. Ib
Abb. la
Abb. 1 ad. Normale Anatomie, seitliche Ansicht.
Abb. la und b. Vena pontis (-), Vena pedunculares (>). Vena basilaris (s-i), Vena mesencephalica lateralis (bds.)
(s-i), Vena praecentralis (s-.).
Abb. le
Abb. id
Abb. le und d. Vena vermis inferior (k), retrotonsilläre Äste der Vena vermis inferior (>). Vena petrosa (s-)
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0. 13. Bradac, H. S. Simon und U. Holtz
1-töfo 117, 6
Abb. 2b
Abb. 2e
Abb. 2ed. Normale Anatomie, a-p. Ansicht.
Abb. 2a und b. Vena basilaris (-s), zirkumpedunkulärer Anteil der pontomesenzephalen Venen (]-s), Vena pontis
(]-s), Vena mesencephalica lateralis (4), die unten mit der Vena petrosa und oben mit der Vena Galeni enastomosiert. V. praecentralis (s-e).
Abb. 2e
Abb. 2d
Abb. 2e und d. Vena vermis inferior, teils paramedian, toils lateral gelegen (I-s), Vena petrosa (i).
Venae pedundulares, die den vorderen Rand der
Pedunculi cerebri markieren, die Vena mesencephalica lateralis, die im gleichnamigen Suions
a.-p. Bildern seltener zu erkennen (Abb. 2aundb).
Die Drainage der Venen der oberen Gruppe erfolgt hauptsächlich über die Vena basilaris.
lateral des Mesenzephalon verläuft, und die
Die wichtigsten Venen der unteren Gruppe
sind die Vena vermis inferior und die Vena
petrosa Dandy (Abb. 1, 2e und d). Die Vena
Vena praecentralis, die den vorderen Rand des
Kleinhirnwurms markiert (Abb. la und b). Auf
a.-p. Bildern ist von den pontomesenzephalen
Venen meist nur der zirkumpedunkuläre Anteil,
der um die Pedunculi cerebri herum verläuft, um
die Vena basilaris zu erreichen, zu erkennen. Die
Vena pontis und die Vena praecentralis sind auf
verinis inferior besteht aus zwei Anteilen, aus
den retrotonsillären Ästen, die die Tonsilla cerebelli von hinten umfassen, und aus einem Haupt-
ast, der im Sulcus paravermianus verläuft und
in den Sinus rectus oder in den Sinus lateralis
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Abb. 3a
33
Abb. 3b
Abb. 3ae. i)rainage.Sequenz der Venen im Vertehraiisangiogramm.
Abb. 3a. Beginn der venösen Phase: Zunächst sind nur die pontinen und die pedunkulären Venen dargestellt
Abb. 3b. Zwei Sekunden später werden weitere Venen der oberen Gruppe sichtbar: V. mesencephalica
lateralis (s-), Vena praecentralis (-s-I), Vena basilaris (s--1 I), die der Hauptdrainageweg für die Venen der oberen
Gruppe ist. Von den Venen der unteren Gruppe ist jetzt die Vena vermis inferior zu sehen (.4). - Abb. 3e. Ende
(>).
der venösen Phase: Während die Venen der oberen Gruppe nur noch schwach zu erkennen sind, sind die Venen der
unteren Gruppe dagegen noch relativ gut zu erkennen.
mündet. Bei seitlicher Ansicht ist der Abstand
der Vena vermis inferior vom Os occipitale um so
kleiner, je größer der Abstand dieses Gefäßes von
der Mittellinie ist; wenn der Verdacht auf Kompression dieses Gefäßes gegen das Os occipitale
anhand eines seitlichen Bildes entsteht, muß
seine Lage zur Mittellinie anhand eines a. -p. Bildes berücksichtigt werden. Die Vena petrosa verläuft im Kleinhirnbrückenwinkelgebiet und ermöglicht die Beurteilung dieser Region; sie mündet meistens in den Sinus petrosus superior. Auf
a. -p. Bildern ist diese Vene gut zu erkennen, auf
seitlichen Bildern dagegen auch mit Hilfe der
Subtraktion seltener.
Bei der Beurteilung der venösen Phase des
Serienangiogramms konnten wir regelmäßig
beobachten - wir haben darüber früher berichtet (4) --, daß nicht alle Venen gleichzeitig
gefüllt sind, sondern daß eine charakteristische
Sequenz vorliegt. Es füllen sich meistens zunächst die Venen der oberen und erst danach die
der unteren Gruppe; dabei ist die jeweilige
Venengruppe im Durchschnitt vier Sekunden
lang mit Kontrastmittel gefüllt (Abb. 3).
Unter drei verschiedenen Gesichtspunkten hat
die venöse Phase des Vertebralisangiogramms
einen besonderen diagnostischen Wert.
Abb. 3e
Erstens bei anomalem Verlauf von Arterien;
wir haben darüber früher berichtet (2, 3) und
werden uns hier auf ein Beispiel beschränken.
Bei einem Fall mit klinischem Verdacht auf
einen Tumor der Medulla oblongata schien zunächst der ausgeprägt bogenförmige Verlauf der
A. vertebralis den Verdacht zu stützen. Die Füllung der retrotonsillären Äste der Vena vermis
inferior, die uns eine gute Darstellung einer nor-
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Abb.4a
Ahb.4b
Abb. 4a und b. Vertebralisangiogramm bei einem Patienten mit klinischem Verdacht auf einen Tumor der Medulla
oblongata.
Abb. 4a. Arterielle Phase: Anomal bogenförmiger Verlauf der A. vertebralis (V). Normaler Verlauf der A. cerebelli postero-inferior und ihrer Äste (.). Abb. 4h. Venöse Phase: Vena vermis inferior(A); retrotonsilläre Äste
dieser Vene (), die indirekt die Tonsilla cerebelli darstellen.
/
Abb. Sa
Abb. 5b
Abb. 5a und b. Meningeom des freien Tentoriumrandes mit Ausdehnung in die hintere Schädeigrube.
Abb. 5a. Arterielle Phase: Asymmetrie des Verlaufes der Aa. cerebrales posteriores (V) und der Aa. cerebellares
superiores, auf der Seite des Tumors sind diese Gefäße angehoben. Abb. Sb. Venöse Phase: Asymmetrie des Verlaufes der Vv. basilares (y), auf der Seite des Tumors ist diese Vene angehoben. Erweiterung der pontinen Venen (sz). Die V. mesencephalica lateralis ist bogenförmig nach hinten verlagert (s-). Die Vena praecentralis ist nach
hinten verschoben (.--).
malen Tonsilla cerebelli zeigte, machte jedoch
das Vorliegen eines raumfordernden Prozesses
erkennen, die venöse Phase kann jedoch zusätz-
unwahrscheinlich. Das Luftenzephalogramm bestätigte den normalen Befund (Abb. 4).
Zweitens bei raumfordernden Prozessen in der
lich wichtige Details über Tumorausdehnung
und Drainageablauf der betroffenen Gehirnstrukturen liefern. Beim Fall eines Meningeom
des freien Tentoriumrandes mit ausgeprägter
hinteren Schädeigrube (1-3, 5-8, 10-14, 16).
In solchen Fällen läßt clic arterielle Phase oft
einen raumfordernden Prozeß bereits deutlich
Ausdehnung in die hintere Schädelgrube war die
Druckwirkung des Tumors auf die benachbarten
Gehirnstrukturen präzis aufgrund der Asymme-
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j
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Abb. 6b
Abb. 6a
Abb. 6a und b. Gleicher Fall wie Abb. 5, a. p. Bilder.
Abb. 6a. Arterielle Phase: Ausgeprägte Anhebung der A. cerebralis posterior und der A. cerebelli superior der
rechten Seite (cr). - Abb. 6h. Venöse Phase: Die pontomesencephalen Venen der rechten Seite sind nach hinten
verschoben (f). Die Vena petrosa der rechten Seite) I-*) ist ausgeprägt amputiert. Die entsprechenden Gefäße der
linken Seite sind normal.
Abb. 7b
Abb. 7a
Abb. 7a und b. Kleinhirntumor.
Abb. 7a. Arterielle Phase: Dic A. vertebralis und die A. basilaris sind gegon don Clivus gedrückt. Die A. cerebelli
postero-inferior ist mit ihren Ästen nach vorn gedrückt (.Z). - Abb. 7 b. Venöse Phase: Die Vena vermis inferior
ist gegen das Os occipitale gedrückt (V).
trie der Vv. basilares und der Dorsalwärtsverschiebung der Vena mesencephalica lateralis anhand des seitlichen Bildes zu erfassen. Als Zei-
chen einer Drainagebehinderung der pontinen
Venen in die Vena basilaris waren diese erweitert
und über einen verlängerten Zeitraum mit Kon-
trastmittel gefüllt. Mit Hilfe der a-p. Bilder
konnte die Lokalisation des Tumors durch die
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G. B. Jlradac, R. S. SinlolL und U. I-1 oltz
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Abb. Sac
Abb. 8a
Beginn der venösen Phase: Die Vena basilaris ist deutlich nach unten gedrückt ( ).
Wie bei normalen Fallen sind die pon-
tinen Venen schon dargestellt (>) während die Venen der unteren Gruppe noch
nicht gefüllt sind.
Abb. 8b
Zwei Sekunden nach Beginn der venösen
Phase: Jetzt sind auch die anderen Venen
(lcr oberen und die Venen der untereii
Gruppe dargestellt.
Verschiebung der rechtsseitigen pontomesenzephalen Venen nach hinten und durch die Ampu-
tation der rechtsseitigen Vena petrosa weiter
präzisiert werden (Abb. 5, 6).
Oft müssen bei der Tumordiagnostik in der
Iìjnteren Schädeigrube ausschließlich indirekte
Tumorzeichen zur Diagnose führen, besonders
bei kleinen Tumoren ohne pathologische Vasku-
larisation. Der erhöhte Druck in der hinteren
Schädeigrube hatte bei einem Patienten mit
einem Kleinhirntumor die A. vertebralis und die
A. basilaris gegen den Clivus gedrückt und die
A. cerebelli postero-inferior nach vorn verdrängt.
Deutlicher wurde der Befund bei Betrachtung
der venösen Phase: Die Vena praecentralis verlief angehoben und gespannt, die Vena vermis
inferior war gespannt und gegen das Os occipitale gedrückt (Abb. 7).
Drittens hat die venöse Phase des Vertebralisangiogramms bei supratentoriellen Tumoren (4)
eine diagnostische Bedeutung, da sie manchmal
indirekte Zeichen einer Hirnstammschädigung
erkennen läßt. Beim Fall eines temporo-okzipital gelegenen Tumors wies die nach unten ge-
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Temporo -okzipital gelegenes Glioblastom
mit temporaler Einklemmung.
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Abb. 8e
Sechs Sekunden nach Beginn der venösen
Phase: Die venöse Drainage erfolgt ausgeprägt verzögert. Dieses ist besonders gut
an den pontinen Venen zu erkennen (),
sie sind erweitert und noch am Ende der
Serie mit Kontrastmittel gefüllt.
drückte Vena basilaris auf eine temporale Einklemmung hin. Die pontinen Venen waren er-
weitert und das Kontrastmittel war in ihnen
über einen verlängerten Zeitraum von mehr als
sechs Sekunden erkennbar; die Drainage des
Blutes aus den pontinen Venen in die Vena basilaris war also ausgeprägt behindert. Die Autopsie zeigte den entsprechenden pathologisch-anatomischen Befund: Die Hirnstammvenen waren
gestaut und von intraparenchymatösen Blutungen begleitet (Abb. 8).
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16 Wackenheim, A., M. Ben Amor: Phlebographic
location of the inferior vermis. Neuroradiology 3
(1971) 12
Priv.-Doz. Dr. G. 13. Bradac,
Strahlenkli nih des Klinikum Steglitz, Neu roradiologie,
1 Berlin 45, Hindenburgdomm 30
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