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Die Verfasser sehen sich aufgrund einiger Tendenzen in der ‚scientific community’ genötigt, entgegen
der allgemeinen Praxis ausschließlich das grammatikalisch richtige generische Maskulinum zu
verwenden. Auch wenn dies der allgemeinen Aufffassung von ‚political correctness’ nicht entsprechen
sollte sind die Verfasser dennoch der Meinung, dass es der Wissenschaftlichkeit ihrer Arbeit keinen
Abbruch tut und die Lesbarkeit stark erleichtert. Die Verfasser verwehren sich jedoch gegen den Vorwurf
des Sexismus und bitten die Leser, das weibliche Geschlecht immer mitzudenken.
Siehe dazu:
Brühlmeier, Arthur (2007): Sprachzerstörung aus Konzilianz - Eine Umkehr ist fällig. Zuletzt bearbeitet
im April 2007. In: http://www.bruehlmeier.info/sprachfeminismus.htm. Zugriffsdatum: 28.11.2007.
bzw.:
Brühlmeier, Arthur (2010): Sprachfeminismus in der Sackgasse. Zuletzt bearbeitet im September 2010.
http://www.bruehlmeier.info/sprachfeminismus.htm.
2
Vorwort der Landesrätin Mag.a Elisabeth Grossmann ..................... 4
Vorwort der Leiterin der FA6A, HR.in Mag.a Alexandra Nagl ........... 5
ÜBER DIE DYNAMIK EINER FACHBROSCHÜRE .................................. 6
1 DIE SCHWARZE SZENE.................................................................. 11
2 HEADBANGER SCHOCKEN DAS SYSTEM: METAL .......................... 14
2.1 Der Begriff (Heavy) Metal ..................................................... 15
2.2 Geschichte und Strömungen des Metal ............................... 17
2.3 Erscheinungsbild und Ausdrucksformen .............................. 47
2.4 Verbreitung des Metal - Zusammensetzung der Musiker
und Fans ................................................................................. 64
2.5 Frauen im Metal..................................................................... 69
2.6 Kritiker des Metal .................................................................. 72
2.6.1 Satan im Metal .................................................................. 76
2.6.2 Nationalsozialismus und Metal ......................................... 82
2.6.3 Widerstand gegen NSBM ................................................. 124
3 DIE SCHWARZE ROMANTIK: GOTHIC ........................................ 134
3.1 Geschichte der Gothic-Bewegung ...................................... 135
3.2 Die Welt des Gothic ............................................................. 141
3.2.1 Das Outfit der Goths ........................................................ 141
3.2.2 Weltbild der Gothic-Szene............................................... 144
3.3 Vorwürfe an die Gothic-Bewegung ................................... 150
3.3.1 Der Vorwurf des Satanismus ........................................... 151
3.3.2 Der rechte Rand................................................................ 152
3.4 Widerstand ........................................................................... 160
3.5 Zusammenfassung ............................................................... 161
3.6 Exkurs: Laibach .................................................................... 163
3.7 Emotional Hardcore (Emo)…..……....……………………….……...165
4 LA VEYS SATANISMUS ................................................................ 168
5 EXKURS: VAMPIRISMUS ............................................................. 178
6 DIE SZENE SIND WIR – DAS JUGENDKULTURZENTRUM eXplOsiV. 196
7 FÜR EINE OFFENE DISKUSSION ................................................. 198
8 Quellenverzeichnis .................................................................... 202
9 Weiterführende Medien ............................................................. 214
10 Abbildungsverzeichnis ............................................................. 219
11 Autorenbiographie................................................................... 221
12 Impressum ................................................................................ 223
13 Medien der LOGO ESO.INFO ................................................... 224
3
Vorwort der Landesrätin Mag.a Elisabeth Grossmann
Jugendbewegungen haben in der Vergangenheit Geschichte geprägt
und schreiben sie auch heute maßgeblich mit. Gerade innovative
Bewegungen, die sich vom Mainstream der Gesellschaft distanzieren,
schockieren dabei oft durch ihr Aussehen oder radikale inhaltliche
Positionen. In unserer Gegenwart ist es die schwarze Szene, die
Jugendkulturen wie Metal, Gothic oder auch den Jugendsatanismus
umfasst, die durch ihr Outfit – vielfach schwarze Kleidung und
ungewöhnliche Formen des Schminkens – für Aufsehen und
Ablehnung bei manchen MitbürgerInnen sorgt.
Aufgabe der Politik, wie ich sie sehe, ist es, auch Raum für ungewohnte, subkulturelle
Strömungen zu sichern, so fern diese im Rahmen der Gesetze agieren.
Die vorliegende LOGO- Fachbroschüre, in einem langen, konstruktiven Prozess unter der
wissenschaftlichen
Leitung
von
Dr.
Roman
Schweidlenka,
unterstützt
von
freiwillig
mitarbeitenden InsiderInnen, erstellt, geht auf Inhalte und Entwicklungen der verschiedenen
Strömungen der schwarzen Szene ein, die wir ja auch in der Steiermark kennen. Dabei
werden viele Vorurteile ausgeräumt, die einzelnen Strömungen können auch vom
Außenstehenden verstanden und eingeschätzt werden. Wenn damit auch mehr Toleranz und
Sympathie für die in der Szene Tätigen geweckt wird, kommt die kritische Auseinandersetzung,
vor allem mit Rechtsextremismus und Satanismus, nicht zu kurz. In diesem Zusammenhang ist
es erfreulich zu lesen, dass sich die Grazer Metalszene erfolgreich gegen rechtsextreme
Vereinnahmungsversuche gewehrt hat.
Ihre
Mag.a Elisabeth Grossmann
Landesrätin für Bildung, Familie, Frauen und Jugend
4
Vorwort der Leiterin der FA6A, HR.in Mag.a Alexandra Nagl
Jugend bewegt. Sie erprobt neue Ausdrucksformen,
entwickelt neue Lebensstile, reagiert auf die kulturellen und
politischen Anforderungen ihrer Zeit. Manchmal gehen
Jugendkulturen dabei ausgefallene Wege. Die schwarze
Szene, zu der WissenschaftlerInnen Metal, Gothic und
Satanismus zählen, fordert die Gesellschaft immer wieder
heraus.
Das Outfit der Szenevertreter, meist schwarze Kleidung und ungewöhnliche Frisuren, ruft oft
Misstrauen, sogar Aggressionen hervor. Die intensive Beschäftigung mit nicht christlichen
religiösen Weltanschauungen, die vor allem den Bereich des neuen Heidentums betreffen,
provozierte schon manche ideelle Auseinandersetzung. Nicht zuletzt führten rechtsextreme
Unterwanderungsversuche der betreffenden Jugendszenen zu medialen Schlagzeilen.
Unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. Roman Schweidlenka hat ein engagiertes Team
jugendlicher MitarbeiterInnen eine zweite, völlig neu überarbeitete und erweiterte LOGOFachbroschüre zur schwarzen Szene entwickelt. Die vielfältigen Beiträge, die unterschiedliche
Perspektiven beinhalten, garantieren ein Werk von hoher Qualität. Die Darstellung von
Inhalten und Entwicklungen, die die angesprochenen Jugendkulturen prägen, bringen die
Diskussion auf eine sachliche Ebene und entschärfen viele Sorgen und Ängste, die etliche
Mütter und Väter haben, deren Kinder in der schwarzen Szene unterwegs sind. Gleichzeitig
stellt die Fachbroschüre klar, dass – zumindest an den Rändern – auch antidemokratische
Kräfte bemüht sind, die Jugendlichen über das Medium Musik für ihre eigenen Interessen zu
vereinnahmen.
Jugend lebt. Die Lektüre der vorliegenden Fachbroschüre führt das anschaulich vor Augen.
Für diese vitale jugendliche Entwicklung, die nicht ohne Einflüsse auf die Erwachsenenwelt
bleibt, sollen die notwendigen Rahmenbedingungen gesichert sein. Denn unsere Jugend ist
unsere Zukunft.
Ihre
HR.in Mag.a Alexandra NAGL
Leiterin der Fachabteilung 6A Gesellschaft und Generationen
5
Über die Dynamik einer Fachbroschüre
Roman Schweidlenka
Die schwarze Szene, ein Begriff, der Jugendkulturen wie Metal, Gothic, Jugend-Satanismus
und ihre weit ausladenden, dynamischen Weiter- und Nebenentwicklungen umfasst, begleitete
meine Arbeit im Rahmen der LOGO ESO.INFO bereits seit Mitte der neunziger Jahre. Aus
Texten, die ich von Zeit zu Zeit zu dieser Thematik entwarf entstand allmählich eine
beachtliche Sammlung. Die Religionswissenschaftlerin Simone Philipp konnte im Rahmen
eines geförderten Projekts weitere Recherchen durchführen und einen Teil meiner Studien
aktualisieren. So konnten wir 2004 die LOGO-Fachbroschüre „Die schwarze Szene“ der
Öffentlichkeit präsentieren. Bereits damals halfen uns einige Szeneninsider bei der
manchmal schwierig zu treffenden Einordnung verschiedener Trends und Bands. Was ich
schnell erkannte: Auch bei den in der Szene Beheimateten gehen Einschätzungen und
Perspektiven oft weit auseinander, was durchaus als gelebte Demokratie bewertet werden
kann. Bald erreichten mich dann Statements zur Broschüre: Viele Zustimmende, auch solche
mit konstruktiver Kritik.
Nun ist die schwarze Szene, neben Goa, vermutlich die kreativste, die stärksten kulturellen
Impulse vermittelnde, Jugendkultur unserer Gegenwart und daher in stetem Wandel. Das
führte zur Erkenntnis, eine völlig überarbeitete, erweiterte Neuauflage in Angriff zu nehmen.
Während ich die wissenschaftliche Leitung übernahm, leistete Veronika Strausz umfassende
wissenschaftliche und organisatorische Arbeit, um die Broschüre zu einem fundierten Werk
von, wie ich hoffe, hoher Qualität zu machen. Neben ausführlicher Recherche-, Analyse- und
Schreibartbeit organisierte sie die Beiträge unserer ehrenamtlich arbeitenden Gastautoren und
eine ganztätgige Arbeitsklausur mit hochkarätigen Szeneninsidern die vielfältige Erkenntnisse
hervor brachte. René Molnar schließlich stellte uns gegen Ende der Arbeit an der Broschüre
seine Fachstudie „Hitler´s Headbanger?“ selbstlos zur Verfügung, die die Grazer Metalszene
analysierte.
So danke ich neben den bereits erwähnten Kollegen Veronika Strausz, René Molnar und
Simone Philipp unseren ehrenamtlich Mitarbeitenden Roland Filzwieser, Katharina
Ganster, Benjamin Grilj, Alex Mikusch, Alexandra Koch (Textbeiträge); Frank Kumnig
und Susanne Sackl (Anmerkungen) die sich aus Idealismus am Projekt beteiligten. Detailierte
Autorenbiografien finden Sie im Anhang.
6
Ich hoffe, mit dieser Fachbroschüre dazu beizutragen, Klischees und Ängste über die
behandelten markanten Jugendkulturen abzubauen, gleichzeitig aber auch den kritischen
Finger auf problematische Randerscheinungen und Teilbereiche zu legen. Eine Anmerkung sei
abschließend gestattet: In der Szene, auch in der medialen Welt, wird oft der Begriff „rechts“
für rechtsextreme Gruppen und Ideologien verwendet. So haben sich „rechte Bands“, die
eigentlich rechtsextrem sind, in der Literatur eingenistet. Wir konnten uns nicht völlig von
dieser üblich gewordenen Begriffsverwendung frei machen. Um der Fairness und
wissenschaftlichen Redlichkeit die erforderliche Ehre zu erweisen, möchte ich klar stellen, dass
„rechts“ eine legitime politische Ideologie und Praxis der Demokratie darstellt, während
„rechtsextrem“ meist mit antidemokratischen Einstellungen verbunden ist.
Ich wünsche unserer LOGO-Fachbroschüre eine weite Verbreitung und interessierte
Leserinnenschaft!
Dr. Roman Schweidlenka
Leiter der LOGO ESO.INFO
7
Begriffsdefinitionen
Roman Schweidlenka
Rassismus:
Prozess, durch den soziale Gruppen auf Grund physischer, kultureller oder
sozioökonomischer
Merkmale
oder
Staatsangehörigkeit
andere
Gruppen
als
unterschiedlich wertig, beziehungsweise minderwertig, kategorisieren. Rassistisches
Denken geht von der unabänderlichen Zugehörigkeit des einzelnen Menschen zu
einer Volksgruppe aus. Dieser werden allgemeingültige Charakterzüge unterstellt, die
dann auf alle Gruppenmitglieder projiziert werden. Es wird die natürliche
Überlegenheit der eigenen Gruppe behauptet und dadurch das Recht zur
Benachteiligung anderer Gruppen abgeleitet.
Nationalismus:
Selbst in einschlägigen Lexika findet man zu diesem Begriff keine einheitliche
Definition. Am ehesten lässt sich Nationalismus als Forderung und Streben nach
Schaffung und Sicherung eines Nationalstaates darstellen. Weiters ist er auch als
aggressive Äußerung eines übersteigerten Nationalgefühls auf Kosten anderer
Nationen und Nationalitäten verstehbar. Völkischer Nationalismus wird charakterisiert
durch die Idee einer ethnisch reinen Nation, die auf genetischer Abstammung basiert.
Rechtspopulismus:
Ist eine Strömung, die seit Anfang der 1980er Jahre exisitert mittlerweile aber in ganz
Europa verbreitet ist. Hier werden populäre Meinungen des Volkes oft widersprüchlich
vertreten. Die Anhänger sehen sich als Vertreter von traditionellen, „echten“ Werten.
Oft werden einfache Lösungen für komplexe Probleme angeboten. Rechtspopulismus
zeigt sich auch in der Intoleranz gegenüber „Anderen“ und „Fremden“. Als Feindbilder
gelten vor allem Ausländer, linke Demonstranten und „ausgeflippte“ oder nicht der
bürgerlichen Norm angepasste Jugendliche.
8
Rechtsradikalismus:
Um die nicht immer leicht zu bestimmende Grenzlinie zwischen Demokratie und
Extremismus besser ziehen zu können, wurde der Begriff Rechtsradikalismus
eingeführt. Gemeinsam mit dem Linksradikalismus bildet er die entgegengesetzten
Eckpunkte eines Kontinuums, dessen Zentrum vom demokratischen Sektor gebildet
wird.
Rechtsextremismus:
Gesamtheit von Einstellungen, Verhaltensweisen und Aktionen die von der rassisch
oder ethnisch bedingten sozialen Ungleichheit der Menschen ausgehen, nach
ethnischer Homogenität von Völkern verlangen und das Gleichheitsgebot der
Menschenrechts-Deklaration ablehnen. Im Zusammenhang damit werden Demokratie
und Multikulturalismus abgelehnt und bekämpft.
Rechtsextremismus schließt folgende Anschauungen ein:
Ablehnung des Prinzips der Gleichheit
Ausländerfeindlichkeit
Antisemitismus
Ablehnung von Demokratie
Gewaltakzeptanz und –bereitschaft
Wunsch nach einem starken Führer
Schwarz-Weiss-Malerei
Glaube an Weltverschwörungstheorien
Als Neonazistisch / Neofaschistisch
bezeichnet man nur Organisationen, Parteien und Personen, die sich auf den 1922 in
Italien unter Mussolini oder den 1933 in Deutschland unter Hitler zur Macht gelangten
Faschismus beziehungsweise Nationalsozialismus berufen. Neonazismus ist ein
radikalisierter und gewaltbereiter Rechtsextremismus. So ist jeder Neonazi ein
Rechtsextremist, aber keineswegs jeder Rechtsextremist ein Neonazi.
Wichtig: die Grenze zwischen den Strömungen verläuft oft fließend!
9
10
DIE SCHWARZE SZENE
Veronika Strauß
Unter diesem Begriff werden heute für
gewöhnlich
subkulturelle
Strömungen
zusammengefasst, die auf Grund ihres
optischen und akustischen Profils für
Aussenstehende eine homogene Gruppe
bilden, deren tatsächliche Schnittmenge
sich aber lediglich durch ähnliche
Vorlieben
hinsichtlich
Musik,
Kunst,
Mode und oft auch Ansichten bzgl. der
gesellschaftlichen Situation bildet.
Abb. 1
„Die klassische Schwarze Szene wurde in den 1980ern und in der ersten Hälfte der
1990er Jahre zunächst aus der Dark-Wave-Bewegung gebildet, deren Mitglieder
ursprünglich in Jugendkulturen wie Punk, New Wave, Gothic, New Romantic
oder im Post-Industrial-Umfeld verankert waren.“1 Ab Mitte der Neunziger Jahre
wurden die Grenzen zwischen den Szenen immer diffuser. Dark Wave und
Metalszene, sowie Mittelalter-, Neofolk- & Neuheidenszene rückten enger
zusammen bzw. bedienten sich gegenseitig an den Stileigenheiten der anderen
Genres. Dasselbe gilt für Teile der Electroszene. „Die Schwarze Szene präsentiert
sich heute als eine [...] alternative Bewegung junger (und nicht mehr ganz so junger)
Menschen,
deren
Erscheinungsbild
von
einer
bemerkenswerten
Vielfalt
ist.
Symptomatisch für diese Vielfalt ist auch die Schwierigkeit, einen geeigneten
Oberbegriff für diese Szene zu finden.“2
1
2
http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Szene, 2011.
Farin, 2001, S. 147.
11
Die Vielfalt, die durch die Vermischung dieser Szenen entstanden ist, bringt aber
nicht nur kreatives Potential mit sich. Vielfach tauchen Vorwürfe der „Verwässerung“
und Kommerzialisierung auf, was gegen die Grundideen vieler Basisströmungen
verstoßen würde.3 Die Befürchtung des „Ausverkaufes“ ist naheliegend, sieht man sich
die mitlerweile ins uferlose expandierenden (ehemaligen) Szene- bzw. Underground
Festivals, Lokale, Verkaufsläden und Versandhandelvertriebe an.
Die Frage, welche Gruppierungen nun genau unter den Begriff „Schwarze Szene“
fallen, ist nicht einmal von Szenevertretern eindeutig zu beantworten. Obwohl
sicherlich größtenteils ein Gefühl der Solidarität entstehen kann, wenn Teile der
Szene öffentlichen Angriffen ausgesetzt werden, so gilt in „friedlichen Zeiten“
untereinander wohl eher der Spruch „Familie kann man sich nicht aussuchen“.
Im Umfang dieser Broschüre werden im speziellen die Metal- und Gothic Szene
beachtet,
in
ihren
Grundlagen
erklärt
und
hinsichtlich
ihrer
Einflüsse
antidemokratischer, satanistischer, okkultistischer und esoterischer Art beleuchtet.
Jedoch sehen die Verfasser die hier nur am Rande erwähnten Szenen Dark Wave,
Neofolk, Industrial, Medivial und Electro genau so zugehörig zur großen „Familie“ der
„Schwarze Szene“.
3
Vgl. dazu: Fiebag, 2006, S. 80, und http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Szene, 2011.
12
13
HEADBANGER SCHOCKEN DAS SYSTEM: METAL
Roman Schweidlenka / Veronika Strauß
Da der ursprünglich für die gesamte Szene verwendete Begriff „Heavy Metal“
inzwischen nurmehr ein bestimmtes Subgenre bezeichnet, wird in der Broschüre der
Überbegriff „Metal“ für die Gesamtheit der Strömungen verwendet.
Metal war in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren eine der beliebtesten
und
zugleich
von
konservativen
Moralhütern
am
meisten
gefürchtetsten
Musikrichtungen. 1984 brachte der so genannte „Heavy Metal“ bereits 10% des
Gesamtumsatzes der Musikindustrie ein, ab 1987 war trotz massiver Widerstände von
Metalgegnern ein „Peak“ erreicht. Nach einer Krise, in der das Interesse sowohl an
der Musik, als auch an der Subkultur massiv zurück ging, breitete sich spätestens ab
Mitte der neunziger Jahre eine rundum erneuerte Metalbewegung aus, die sowohl
die „Urformen“ zuließ, als auch Anleihen bei anderen Musikstilen nahm. Metal
entwickelte sich zu einer gesellschaftlich relevanten Szene und damit zu einem
kontinuierlich wachsenden Wirtschaftsfeld. Die Musik, die Künstler und die Anhänger
des Metal werden häufig als musikalisch, kulturell und sogar intellektuell oberflächlich
angesehen. Tatsächlich hat Metal die Konturen der Rockmusikgeschichte neu
geschärft und damit einhergehend auch die Sexualpolitik, kulturelle und ästhetische
Normen und sogar die Musikindustrie in den Vereinigten Staaten, Europa und
anderen fortgeschrittenen Demokratien neu mitgeprägt.4
Trotz des hohen Erfolgskurses hat Metal fast ebensoviele Gegner wie Fans. So fordern
zahlreiche „Experten“ seit Beginn der achtziger Jahre ein Verbot des Metal. Der
Hauptvorwurf lautet: Verbreitung von satanistischen Ideologien und Anstiftung zu
ebensolchen Praktiken. Auch Drogeneinnahme, Sexismus, „Unzucht“, Gewalttätigkeit
und Selbstmord sowie antidemokratische und neonazistische Betätigung sollen mit
dem Metal einher gehen.
4
LeVine, 2010, S. 11.
14
Bettina Roccor beschreibt die Problematik der selbsternannten Experten in ihrem
Buch „Heavy Metal – Die Bands, die Fans, die Gegner“ vortrefflich, indem sie
anmerkt: „Es sind in der Regel Menschen mit Hochschulabschluss, die ihre Ansichten
über Heavy Metal in der Öffentlichkeit äußern dürfen – der Titel verleiht ihnen eine
Autorität,
die
den
meisten
Fans
fehlt.
Der
Normalbürger
ohne
nähere
Hintergrundinformation schenkt automatisch eher dem Herrn in Anzug und Krawatte
Glauben
als
dem
nietenbewehrten,
tätowierten,
mit
Schmuck
behängten
Langhaarigen in schmuddeligen Jeans und Lederweste.“5
Was ist eigentlich Metal? Auf welchen (musik)historischen Hintergrund baut diese
Szene auf? Und was ist dran an den Vorwürfen der Kritiker? Die vorliegende
Broschüre hofft, ein weiteres kleines Stück dieses großen, problembehafteten Feldes
zurück in die lebendige Diskussion bringen und angemessen beleuchten zu können.
2.1 Der Begriff (Heavy) Metal
Um den später für etliche, sich aus Hard/Heavy Rock entwickelnde Gruppen
verwendeten Begriff des „Heavy Metal“ ranken sich zahlreiche Entstehungs- bzw.
Einführungsmythen.
„The Soft Machine“, der 1962 veröffentlichte Roman von William Burroughs
beinhaltet die Figur des „Uranian Willy, the Heavy Metal Kid“. Wikipedia spricht
dabei von einer „frühe[n] Verwendung [des Begriffes] im populärkulturellen Kontext“6.
Weiters wird darauf verwiesen, dass die Veröffentlichung seiner Werke die spätere
Begriffsentwicklung der Szene- und Stilbezeichnung vermutlich beeiflußt hat.
Steppenwolf sang 1968 im Klassiker „Born to be wild“ von „heavy metal
thunder“.
5
6
Roccor, 1998, S. 15.
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Heavy_Metal, 2011.
15
„I like smoke and lightning
Heavy metal thunder
Racin’ with the wind
And the feelin' that I’m under“
Steppenwolf, Born to be Wild, 1968
Daneben gibt es die militärische Bezeichnung „heavy metal“ für schwere Waffen und
den chemischen Begriff des „heavy metal“ für
Schwermetall. Unleugbar
dokumentiert ist die Anwendung des Begriffes „Heavy Metal“ auf die Musikszene in
einer 1971 erschienen Ausgabe der Zeitschrift „Creem“, in der es in einem Review7
heißt:
„All you true blue Heavy fans, take heart. This album is a crusher. […] Sir Lord
Baltimore seems to have down pat most all the best heavy metal tricks in the
book.“8
Die Bezeichnung wurde auch für die Musik von Led Zeppelin und Black Sabbath
verwendet, wobei sich der Begriff zuerst in den USA und ab ca. 1979 in Europa
durchsetzte.
„(Heavy) Metal“ stand und steht für Härte und Unverwüstlichkeit. In ebendieser
Tradition wirbt zum Beispiel das weltgrößte Metal Festival „Wacken Open Air“9 mit
den Slogans „Faster, Harder, Louder“10 und „Louder Than Hell“. Auch die im
englischen und deutschen Sprachraum sehr verbreitete Redewendung: „Ist es zu
7
Die Kritik bezieht sich auf das Album „Kingdome Come“ der amerikanischen Band „Sir Lord
Baltimore“.
8
http://www.creemmagazine.com/_site/BeatGoesOn/SirLordBaltimore/KingdomCome001.html,
2011.
9
www.wacken.com
10
Woher der Slogan, der 1994 von der österreichischen Hard Rock und Heavy Metal Band „Alkbottle“
zu „Blader, fetter, lauter & a bissl mehr“ persifliert wird, originär stammt, ist leider nicht
nachvollziehbar.
16
laut, bist du zu alt! / If it’s too loud, you’re too old!“11 lässt sich hier einbinden,
wobei in letzterer Wendung auch noch der Bezug zur ausdrücklichen Jugendszene
hinzu kommt. So wesentlich die jugendlich-revolutionäre Prägung des Metal in seinem
Ursprung war – in den letzten Jahren und Jahrzenten hat sich auch hinsichtlich des
Alters der Mitglieder in dieser Szene einiges verändert.
Szene-Insider wie René Molnar12 weisen, wie am Anfang des Kapitels angemerkt,
darauf hin, dass als Überbegriff heute nur noch „Metal“ legitim sei, da sich neben der
Spielart, welche als „Heavy Metal“ bezeichnet wird, noch eine Vielzahl anderer
„Metal“-Stilrichtungen entwickelt haben. In der öffentlichen Diskussion hat sich der
Begriff „Heavy Metal“ aber derart verankert, dass eine Korrektur nur schwer möglich
ist.
2.2 Geschichte und Strömungen des Metal
Die Wurzeln dieser Musikrichtung reichen bis in die sechziger Jahre zurück, konkret
in die englische Arbeiterklasse mit ihrer damals noch relativ ungebrochenen
Arbeiterkultur, die Rocker und Skins prägten. Dieser Arbeiterkultur werden von
Soziologen die Eigenschaften hierarchisch, territorial und maskulin zugeordnet.
Körperliche Kraft stand hoch im Kurs.
In ebendiesem Umfeld wuchs der 1948 geborene Ozzy Osbourne13 als „Spinner“,
Querdenker und Rebell auf. Nach zahlreichen Gelegenheitsjobs und einer
Gefängnisstrafe, die er auf Grund einiger Einbrüche absaß, gründete er 1968 mit
einigen Schulfreunden die Polka Tulk Blues Band. Als zwei Mitglieder die Gruppe
verließen, erfolgte die Umbenennung in Earth. Musikalisch waren v. a. Jazz und Blues
dominant. Im Gegensatz zur anlaufenden Love & Peace-Bewegung waren die Songs
von Earth „böse“ und beschäftigten sich mit Hass, Unrecht, Gewalt, Repression und
11
Mancherorts wird behauptet, die Wendung sei von Ted Nugent, einem US-amerikanischen
Rockmusiker geprägt worden.
12
Geschäftsführer des Jugendkulturzentrums Explosiv, Metal-Musiker, siehe Autorenbiographie.
13
Bürgerlicher Name: John Michael Osbourne.
17
Verzweiflung. Um Verwechslungen mit einer gleichnamigen Band zu vermeiden wurde
die Band 1969 nach einem von Geeze Butler, dem Bassisten der Band geschriebenen
Song, Black Sabbath14 benannt. Gleichzeitig erfolgte ein Stilwechsel – tiefer
gestimmte Gitarren unterstützten die besondere Düsterheit der von virtuosen Soli
durchzogenen Musik.
Ihre Bühnenshow wurde zunehmend okkulter und beinhaltete Utensilien wie
Grabkreuze und schwarze Kerzen. Mit Aktionen wie symbolischen Menschen-,
Mädchenopferungen machten Black Sabbath besonders schnell von sich reden. Die
Fans fanden sich auf den Konzerten in einer Welt der Dunkelheit wieder, die Band
zelebrierte nach Selbsteinschätzung symbolisch die „Austreibung“ des Bösen.
Der Aufstieg von Black Sabbath war auch die Zeit, in der in Künstlerkreisen der
Satanismus Anton Szandor LaVeys15 populär wurde. Die entsetzten Reaktionen, die
Boykotte durch die Fachpresse und Radiosender waren für Black Sabbath die beste
Werbung. Die Band setzte bewusst auf den inszenierten Okkultismus, begleitet von der
Sensationspresse, die über schwarze Messen, Entjungferungs- und Tieropferrituale auf
der Bühne berichtete. Wegen seiner extremen Drogen- und Alkoholexzesse trennte
sich Black Sabbath 1981 von „Madman“ Ozzy Osbourne, der nach Entziehungskuren
erfolgreich als Solokünstler weitermachte und bis heute für volle Konzerthallen und
Festivalwiesen sorgt.
Neben Black Sabbath zählen Deep Purple16 und Led Zeppelin17, die kommerziell
erfolgreichste der drei Bands, zu den „Vätern“ des Hard bzw. Heavy Rock auf deren
Basis sich der Metal erst entwickeln konnte.
Frontman Jimmy Page18 von Led Zeppelin (gegründet 1968) bekannte sich zu
schwarzmagischen Praktiken und eröffnete einen Buchladen für okkulte Literatur. Des
14
Anspielung auf den gleichnamigen italienischen Horrorfilm von Mario Bava,1963.
siehe dazu Kapitel „LaVeys Satanismus“.
16
www.deeppurple.com, 2011.
17
www.ledzeppelin.com, 2011.
15
18
Weiteren kaufte er das ehemals von Aleister Crowley19 bewohnte Boleskine-Haus
am Ufer des Loch Ness in Schottland, in dem 1980 der Schlagzeuger der Band an
seinem Erbrochenen erstickte. Dieses Ereignis schien in manchen Augen den „Beweis“
für den ledzeppelinschen Teufels-Pakt zu erbringen.
Dem Heavy Rock kann zwar durchaus nachgesagt werden, emotionalen Entladungen
zu dienen und Möglichkeit zum „Heraussschreien“ des Alltagsfrusts zu bieten, sie kann
aber nicht, wie lange tradiert, nur als aggressives Geschrei20 per se abgetan werden.
„Die Formen des Schreiens in Stilen wie Hard Rock oder Heavy Metal sind weniger als
einfaches Geschrei zu bezeichnen, sondern einer besondere Form des gesanglichen
Ausdrucks, der ebenso wie ein Belcanto21 erlernt werden muss.“22 Als stiltypisch
erklärte Vorurteile vereinfachen und verzerren das Verständnis des Genres stark.23
Trotzdem ist festzustellen, dass in den Urspüngen der Heavy Rock Musik, Musiker und
Publikum meist aus derselben benachteiligten Unterschicht stammten. So waren die
Texte extrem hart, laut und unbequem. Sie hatten nicht die Love & Peace-Freiräume
der Hippies zum Thema, sondern Preßlufthämmer, Straßenlärm, Kreissägen und
Maschinengewehre; extreme Gesellschaftskritik. Die kritischen Töne, zugegeben nicht
immer einfach zu erahnen, wurden von der Öffentlichkeit oft vollständig ignoriert. Die
offizielle Elite des Rock und die dazugehörenden Medien wollten sich mit diesem
proletarischen Auswuchs nicht weiter beschäftigen. Eine eher musiktheorethisch
ausgerichtete Betrachtung macht den Unterschied zwischen Hard Rock und Heavy
Metal wie folgt fest: „Für die Begleitgitarre im Hard Rock sind Quintakkorde auf
Grund ihres besonders im Verbindung mit Verzerrung harten Klanges typisch,
während im Heavy Metal eher der Gebrauch von Quartakkorden vorgesehen ist.“24
18
Bürgerlicher Name: James Patrick Page.
Okkultist, Kabbalist, Magier, Mystiker, Poet und Verleger, 1875-1947.
20
Vgl. Kemmelmeyer, 2006, S. 189.
21
Ital. „schöner Gesang“.
22
Finkl, 2009, S. 28.
23
Vgl. ebda.
24
www.radical-music.com/genres_de/rock/hard_rock.html, 2011.
19
19
In Kanada punktete in den siebziger Jahren die Heavy Rock-Band Rush25 und in
Australien gründeten sich AC/DC26, die als eine der beliebtesten und langlebigsten
Formationen dieser Art bezeichnet werden kann. In Deutschland etablierten sich zur
selben Zeit die Scorpions27. Rund um den Globus bildeten sich „Heavy“-Bands – die
„Szene“ begann sich in größerem Ausmaß zu bilden.
Zu den Pionieren der in den späten Siebziger bzw. frühen achtziger Jahren neuen
Musikrichtung Heavy Metal zählt die Band Judas Priest28 (gegründet 1969), deren
Mitglieder aus der englischen Arbeiterstadt Birmingham stammen. In der Anfangszeit
wechselten sich noch Jobs am Bau mit diversen Musikauftritten ab. Judas Priest hatten
schließlich mit einem neuen Outfit Erfolg: hautenges, schwarzes Leder, Nieten und
Ketten. Dieses gern als „Machokluft“ gesehene Outfit wurde im Lauf der Zeit
kennzeichnend für die Heavy Metal-Szene. Zu Beginn eines Konzerts erschienen die
Bandmitglieder auch gerne mit einen Motorrad, üblicher Weise einer Harley Davidson
auf der Bühne – einem Symbol für Freiheit und Abenteuer. Gerade vor dem
Hintergrund des damals so exzessiv männliche Macht und Potenz demonstrierenden
Szene-Umfelds ist es interessant, dass Judas Priest-Sänger Rob Halford29 der erste
Metal-Sänger war, der sich öffentlich zu seiner Homosexualität bekannte – allerdings
erst 1998. Die Band ist auch heute noch sehr erfolgreich.
Den ersten großen Generationswechsel innerhalb des Metal, der zu Beginn der
achtziger Jahre stattfand, kennzeichnet der Begriff „New Wave of British Heavy
Metal“ (NWoBHM).
Das Aufkommen der NWoBHM signalisierte die Rebellion gegen die kommerzielle
Zähmung des Rock, gegen den Kapitalismus, gegen die Unterhaltungsindustrie und
für die künstlerische Autonomie und Authentizität der Musikgruppen. Scharen von
Fans, als „neue Wilde“ bezeichnet, füllten die Pubs an speziellen Metal-Clubabenden.
25
www.rush.com, 2011.
www.acdc.com, 2011.
27
www.the-scorpions.com, 2011.
28
www.judaspriest.com, 2011.
29
*1951, Sutton Coldfield, Warwickshire, England.
26
20
Neben dem üblichen schwarzen Lederoutfit gab es die „Kutte“, üblicher Weise eine
ärmellose Jeans- oder Lederweste mit Aufnähern („patches“) der verschiedenen
Lieblingsbands.30 Die Eigenständigkeit dauerte so lange, bis die großen Plattenfirmen
die bis dahin verpönte Musikrichtung entdeckten und vermarkteten.
Mit der NWoBHM begann auch die Aufsplitterung des Genres.
Zu den Bands dieser Zeit zählten neben Judas Priest unter anderem Girlschool, Iron
Maiden, Motörhead und Saxon. Die Bands der NWoBHM werden heute oft unter dem
Subgenre-Begriff Heavy Metal zusammengefasst.
Zeitgleich mit der Revolution des Punkrock veröffentlichte die Band Motörhead31 ihre
ersten erfolgreichen Alben. Der ehemalige „Jimi Hendrix Experience“–Roadie und
Frontman der Band Ian „Lemmy“ Kilmister32 bildete optisch und künstlerisch einen
Kontrast zu den etablierten „hübschen Rockstarjungs“33. „Er war ein schlagfertiges und
charismatisches Argument für ein gefährliches Leben und wurde zum Großherzog der
dreckigen Gleichgültigkeit; Fans imitierten seine Outlawkleidung aus Patronengürteln,
Jeansweste, Cowboyhemden und Motörhead-Aufnähern. […] Black Sabbath hatten
den Heavy Metal eingeführt, Judas Priest verliehen im Glanz, und Motörhead
stabilisierten ihn mit neuem Mumm. Heavy Metal schluckte den Punkrock und drängte
weiter voran.“34
1981 erschien erstmals Kerrang!35 – ursprüglich eine
Beilage zum britischen Musikmagazin Sounds. Dieses
„Nebenprodukt“ wurde zu einem wichtigen Medium der
NWoBHM
und
Herkunftsmagazin
verdrängte
vom
Markt.
schließlich
Die
Titelseite
Erstausgabe zierte Angus Young von AC/DC.
sein
der
Erstausgabe „Kerrang“
Abb. 2
30
Zahlreiche Beispiele für „Kutten“ gibt in der der „Kuttengalerie“ von igelmetal.de:
http://www.igelmetal.de/uploads/oldschool/kutten/kutten.htm, 2011.
31
Gegründet 1975, Großbritannien, www.imotorhead.com, 2011.
32
* 1945, in Stoke-on-Trent, Staffordshire, England.
33
Christe, 2004, S. 42.
34
Ebda.
35
www.kerrang.com, 2011.
21
„1980 stand die Bewegung in voller Blüte […]. Obwohl es sich hauptsächlich um
aufstrebende Londoner Bands handelte, dominierten sie mit ihren überzeugenden
Liveauftritten den Heavy Metal des kommenden Jahrzehntes.“36 Im selben Jahr
erschien das gleichnamige Debüt-Album der Band „Iron Maiden“37, die hinsichtlich
der stilistischen Entwicklung des Heavy Metal eine zentrale Rolle spielte. Der von
Steve Harris38 etablierte Bandname dürfte auf das mittelalterliche Foltergerät, die
„Eiserne Jungfrau“ zurückzuführen sein. Eine weitere Dimension erhielt der Name
durch
die
Anspielungen
auf
die
damalige
Parteivorsitzende
der
britischen
Konservativen, Margaret Thatcher (die sich selbst als „Iron Lady“ bezeichnete), deren
Konterfei die Cover der Singles „Women in Uniform“ und „Sanctuary“ ziert. Auf
erstgenanntem lauert sie dem Bandmaskottchen „Eddie“ mit einem Maschinengewehr
auf, auf dem zweiten wird sie bei dem Versuch ein Konzertplakat von „Iron Maiden“
herunterzureißen von „Eddie“ getötet. „Die britische Regierung reagierte auf die
Beliebtheit der Platte mit Zensur […]“39 und ließ Teile des Gesichtes von Thatcher
verdecken.
Women in Uniform
Abb. 3
36
Sanctuary
Abb. 4
Christe, 2004, S. 53.
Gegründet 1975, Großbritannien, www.ironmaiden.com, 2011.
38
Stephen P. Harris, *1956 in London, England. Bassist und Songwriter der Band „Iron Maiden”.
39
Christe, 2004, S. 48.
37
22
Obwohl bereits 1975 gegründet, stellten sich die ersten musikalischen Erfolge der
Gruppe erst zu Beginn der 80er Jahre ein. „Mit der Single Running Free traten Iron
Maiden bei BBCs Top of the Pops auf und spielten dort als erste Band seit The Who
ohne Playback. Damit wurden sie ebenso außerhalb der Umgebung Londons
bekannt. Es folgte eine ausgedehnte Großbritannien-Tournee als Vorband von Judas
Priest, eine Europatournee mit den US-Hardrockern KISS40 und ein Auftritt im
Vorprogramm von UFO41 im Rahmen des Reading-Festivals.“42
Iron Maiden verstanden es, inhaltlich Arbeiter-Ethos, (öko-)politische Themen und
Horror zu abenteuerlichen Geschichten zu verbinden und musikalisch fundiert auf die
Bühne zu bringen. Der Einsatz einer zweiten Leadgitarre gilt unter vielen Fans als einer
der Schlüssel zu ihrer musikalischen Durchsetzungskraft. Das Album „Killers“ steigerte
ihre internationale Popularität was zu Spannungen43 mit dem Sänger Paul Di’Anno44
und schließlich zu dessen Rausschmiss führte. Der Einstieg von Bruce Dickinson45 als
neuer Frontman von Iron Maiden erwies sich als äußerst fruchtbar.
„Im August 1980 präsentierte Sounds46 ein Konzert mit dem Titel Monsters of Rock,
bei dem Judas Prist, Saxon, die Scorpions, Rainbow, Riot, April Wine und
sechzigtausend Fans auf dem Gelände von Castle Donington zum ersten reinen
Heavy-Metal-Festival
zusammenkamen.“47
Rückbetrachtet
war
die
wichtigste
Dimension dieser Zusammenkunft war laut Ian Christe, „dass die loyalen HeavyMetal-Fans in Massen herbeiströmten, sobald sie zeigen durften, wie zahlreich sie
waren.“
40
Gegründet 1973, New York City, New York, USA, www.kissonline.com, 2011.
Gegründet 1969, London, England, www.ufo-music.info, 2011.
42
http://de.wikipedia.org/wiki/Iron_Maiden, 2011.
43
Vgl. Christe, 2004, S. 58.
44
Bürgerlicher Name: Paul Andrews, *1958 in Chingford, England. 1977-1981 Sänger von Iron
Maiden.
45
Bürgerlicher Name: Paul Bruce Dickinson, *1958 in Worksop, Nottinghamshire, England. 19811993 und gegenwärtig seit 1999 Sänger von Iron Maiden.
46
Britisches Musikmagazin, das vom Spin-Off „Kerrang!“ (ursprünglich als Beilage von Sounds
erschienen) abgelöst wurde. Siehe S. 27.
47
Christe, 2004, S. 49.
41
23
Das Monsters of Rock entwickelte sich zum bedeutendsten Heavy-Metal-Festival der
80er und frühen 90er Jahre. Auch Iron Maiden traten mehrmals in Donington auf.48
Ebenfalls aus dem NWoBHM Umfeld stammt die heute dem „Black Metal“
zugeordnete Formation Venom49. Ihre erste Single „In League with Satan / Live Like
an Angel” erregte auf Grund ihrer antichristlichen Aussagen Aufmerksamkeit. Ian
Christe wirft (und das sicher nicht als Einziger) der Band musikalisches Unvermögen
vor, gesteht ihren aber durchaus künstlerische Qualitäten zu. „Venom brachen mit der
Vorstellung von Sorgfalt und künstlerischer Rafinesse und ersetzten sie durch einen
aufregenden chaotischen Strudel.“50 Das zweite Album trug den Titel „Black Metal“
und wurde so zum Namensgeber für ein ganzes Subgenre.51 Musikalisch beeiflussten
Venom auch die Richtungen Speed Metal, Thrash Metal und Death Metal. Sie
genießen in der Szene Kultstatus.
Metal traf in den Vereinigten Staaten von Amerika direkt auf das abebbende
Diskofieber und die Überbleibsel der Punkbewegung. Nur allmählich entwickelte sich
auch hier eine zusammenhängende Szene. Durch das Tauschen von Musikkassetten
und Szenemagazinen versuchten die Fans an Neuigkeiten über Bands und Konzerte
heran zu kommen. „Als Metalhead musste man aussergewöhnlich engagiert sein, um
an neue Musik zu kommen“.52 Amerikanische Metal-Magazine gab es vorerst nicht,
sehr wohl aber aufstrebende Metal-Bands.
Als Wegbereiter des US-amerikanischen Metal gelten vorallem (Hard) RockFormationen wie Van Halen53 (Westküste) und Kiss (Ostküste). „Die Musik von Kiss
war eine kommerziell funktionierende Mischung aus hymnischem, gitarrengeprägtem
48
Nach Höhenflügen in den 80er und frühen Jahren bargen die späten 90er einige Krisen. Bruce
Dickinson und Adrian Smith (Gitarre) verließen die Band, kehrten aber beide 1999 wieder zurück. Iron
Maiden erlebten – püktlich zur „Wiederauferstehung des Metal“ ein Comeback der Sonderklasse. Die
ansonsten ansich sehr stiltreu operierende Gruppierung vollzog 2006 einen deutlichen Schwenk hin zu
einer progressiven Spielweise.
49
Gegründet 1979, Newcastle, England, www.venomslegions.com, 2011.
50
Christe, 2004, S. 54.
51
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Venom_(Band), 2011.
52
Christe, 2004, S. 62.
53
Gegründet 1974, Pasadena, Kalifornien, USA, www.van-halen.com, 2011
24
Hard Rock und Balladen, bei denen die Gitarren dann wegflossen. Das war der
Sound, der den „Stadion-Rock“ und das „Pop-Metal“ ermöglichten, die später in den
1980er Jahren die Rockmusik beherrschten.“54 Van Halen wird von Christe als DER
musikalische Vorreiter des Metal genannt. „Spielte man 1980 in Los Angeles etwas,
das auch nur entfernt nach Heavy Metal klang, ohne Van Halen zu sein… galt man
als Idiot.“55 Auch Alice Cooper56, der mit Horror-Schock-Effekten seine Kritik an der
bürgerlichen Doppelmoral auszurücken suchte, kann dazu gezählt werden. „Ozzy
Osbourne“57, der in Los Angeles wohnte, seit er mit Black Sabbath 1976 dort hin
übersiedelt war, schaffte den Brückenschlag zwischen den europäischen und
amerikanischen Einflüssen.“58
Der amerikanische Metal war in seinen Anfängen düster und aufgeladen mit
Showeffekten. Es entwickelten sich zahlreiche neue Stilrichtungen. „Den ursprünglichen
Heavy Metal an Geschwindigkeit und Aggressivität übertreffend, entwickelten sich so
in den USA der vom Hardcore-Punk beeinflusste Thrash Metal und der Speed Metal
[…].“59 Parallel dazu etablierte sich Glam Metal. Auch in Europa erfolgten
Weiterentwicklungen.
Als die Hard’n’ Heavy Welle nach Österreich kam geschah dies im Underground
und unter starker Einflussnahme der deutsche Nachbaren. Einige lokale Bands waren
aber durchaus bekannt: „[…] U8, No Bros, Blind Petitition, Cat Walk, Sextiger,
Ballroom Blitz. Was sich konkret im österreichische Underground tat, ist nicht
überprüfbar, da es keine gesicherte Dokumentation des Geschehens gibt.“60 Auch
über die Entwicklung der eigentlichen Metal Szene ist wenig bekannt. Sicher ist, dass
provokante Vorarbeiter wie Drahdiwaberl61 den kritischen Umgang mit politischen
Themen und das Aufzeigen sowohl von gesellschaftlich tolerierten menschlichen
54
Erlewine, 1995.
Christe, 2004, S. 62.
56
*1948 in Detroit, Michigan, USA, bürgerlicher Name: Vincent Damon Furnier, www.alicecooper.com,
2011.
57
*1948 in Aston, Birmingham, England, www.ozzy.com, 2011.
58
Christe, 2004, S. 63.
59
http://de.wikipedia.org/wiki/Metal, 2011.
60
Anastasiadis, 2000, S. 171.
61
Gegründet 1969, Österreich, www.drahdiwaberl.at, 2011, Hardrock / Heavy Metal / Punk.
55
25
Grausamkeiten, als auch tabuisierten „Grauslichkeiten“ einen Platz auf der Bühne des
Metal sicherten. Aber auch die okkulten und rechts bis rechtsextrem orientierten
Strömungen scheinen durchaus auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein.
Bedeutsam waren in den ersten Jahren auch die Formation No Bros62, deren Hit
„Heavy Metal Party“ Geschichte geschrieben hat und Liquid Gallon, die allerdings
nie einen Plattenvertrag bekamen.
Auf
Grund
der
Beeinflussung
chronologischen
sind
nachfolgend
Gleichzeitigkeit und wechselweisen
ohne
zeitliche
oder
geographische
Reihung einige Subgenres beschrieben.
Lite Metal
Musikalisch bereits in den siebziger Jahren durch US-amerikanische Hard Rock Bands
wie KISS oder Aerosmith63 vorbereitet, wurde die Genrebezeichnung später auf
Gruppen wie Van Halen oder Bon Jovi64 übertragen. Die Texte des Lite Metal
behandeln gern tabuisierte Themen wie Sexualität und Lust. Der Begriff „Lite Metal“ ist
allerdings umstritten. Sam Dunn rechnet z.B. Van Halen und Guns’n’Roses65 der
Kategorie Pop Metal66 zu, die aber (zumindest in Europa noch) nicht als geläufige
Bezeichnung gesehen werden kann. Gerade die Zuordnung von Bands in diesem
speziellen Bereich des Metal erweist sich als schwierig und uneinheitlich. So kann es
geschehen, dass dieselben Bands als dem Lite, dem Glam, dem Hair und dem Power
Metal zugehörig beschrieben werden. Bettina Roccor67 blendet z.B. die Bezeichnung
Lite Metal völlig aus und führt die hier unterschiedlich kategorisierten Gruppen alle
unter Glam Metal.
62
Gegründet 1974, Österreich, www.nobros.com, 2011, Hard Rock / NWoBHM.
Gegründet 1969, Sunapee, New Hampshire, USA, www.aerosmith.com, 2011.
64
Gegründet 1983, New Jersey, USA, www.bonjovi.com, 2011.
65
Gegründet 1985, Lod Angeles, Kalifornien, USA, www.gunsnroses.com, 2011.
66
Vgl. Dunn/McFayden, 2005.
67
Vgl. Roccor, 1998, S. 117.
63
26
Glam Metal (Hair Metal)
Der Glam Metal hat seine Wurzeln im Glam Rock, einer Anfang der 1970er Jahre
v.a. im britischen Raum populären Spielart des Rock. Der Stil des Glam Metal ist
geprägt von seiner Vorliebe für Lidschatten, Lippenstift und feminine Kleidung. Daher
wurde er von anderen Metal-Richtungen als „Schwulenmusik“ diffamiert. Die Musik ist
einfach und für Metal relativ melodisch. Glam Metal erweiterte das Spektrum der
Hörerschaft. Vertreter sind z.B. Poison68, Mötley Crüe69, Twisted Sister70,
W.A.S.P.71, Ratt72 und Cinderella73.
Sleaze Metal
Ähnlich problematisch wie schon beim Speed Metal ist die Bestimmung des Subgenres
Sleaze Metal. Die Bezeichnung taucht in Schriftstücken zwar auf, allerdings nur selten
und wenn, dann v.a in Verbindung mit Hair und Glam Metal. Häufiger ist die Rede
von Sleaze Rock74. „Sleaze-Rocker pflegten eine Underdog-Mentalität, sahen sich als
die Ausgestoßenen der Gesellschaft und unterstrichen ihre Rebellen-Attitüde mit
entsprechenden optischen Merkmalen und Kleidungsvorlieben: Toupierte Haarpracht
war passé, dafür diente nun nicht selten ein möglichst breites Stirnband als
Kopfschmuck; Tattoos als Hautverzierung und zerrissene Jeans als Standard-Beinkleid
waren obligatorisch, Westernboots unterstrichen die Outlaw-Mentalität.“75 Die Texte
weisen oft auch rassistische und homophobe Elemente auf. Vertreter sind unter
anderem Guns’n´Roses76, Skid Row77 und The 69 Eyes78
Doom Metal
Als Doom Metal wird eine kontemplative Richtung im Metal bezeichnet, als deren
Wurzel gerne Black Sabbath angenommen wird. Kennzeichnend sind langsame,
68
Gegründet 1983, Harrisburg, Pennsylvania, USA, www.poisonweb.com, 2011.
Gegründet 1981, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.motley.com, 2011.
70
Gegründet 1973, New York City, New York USA, www.twistedsister.com, 2011.
71
Gegründet 1982, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.waspnation.com, 2011.
72
Gegründet 1979, San Diego, Kalifornien, USA, www.therattpack.com, 2011.
73
Gegründet 1982, Philadelphia, Pennsylvania, USA, www.cinderella.net, 2011.
74
Siehe dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Sleaze_Rock, 2010.
75
www.breakoutmagazin.de/archiv/aglam3.html, 2011.
76
Gegründet 1985, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.gunsnroses.com, 2011.
77
Gegründet 1987, New Jersey, USA, www.skidrow.com, 2011.
78
Gegründet 1990, Helsinki, Finnland, www.69eyes.com, 2011.
69
27
schwere Gitarrenriffs und eine allgemein düstere Stimmung. Melancholie, Trauer,
Endzeitstimmung, Sehnsucht, Verzweiflung und Tod gehören zu den klassischen
Inhalten der Songs.79
Vertreter sind z.B. Cathedral80, Jack Frost81, My Dying Bride82, Empyrium83,
Type O Negative84.
Power Metal
Markige Texte, die heroische Zeiten und Fantasyereignisse behandeln gehören wohl
zu den hervorstechendsten Merkmalen auf inhaltlicher Seite. Kriegslüsterne Heiden
oder mittelalterliches Schlachtgetümmel stehen im Mittelpunkt. Die Melodien sind
eingängig und, bis auf die häufig anzutreffenden Balladen, in relativ hohem Tempo
gespielt, was dem europäischen Zweig dieser Kategorie unter anderem auch den
Namen Melodic Speed Metal eingetragen hat.
Vertreter sind z.B. Virgin Steele85, Fates Warning86, Manowar87, Rhapsody of
Fire88, Hammerfall89.
Symphonic Metal
Ursprünglich wurde diese Bezeichnung v.a. auf Gruppierungen angewandt, die sich
besonders
durch
pompöse
Arrangements
mit
symphonischen
Elementen
auszeichneten. Symphonische Elemente der klassischen Musik verschmolzen mit
stilistischen Eigenheiten des Metal. Es ist dies eines der Subgenres, das sich stilistisch
bei derart vielen anderen Bedient, dass kaum festgelegt werden kann, welchem
Hauptgenre es zuzuordnen ist. Sowohl Progressive, als auch Power Metal und Gothic
Metal sind stilistisch spürbar.
79
Vgl. www.doom-metal.com/whatisdoom.html, 2010.
Gegründet 1990, England, www.cathedralcoven.com, 2011; nicht zu verwechseln mit der
gleichnamigen US-amerikanischen Progressive Rock Band www.cathedralprogrock.com, 2011.
81
Gegründet 1993, Linz, Österreich, www.jackfrost.at, 2011.
82
Gegründet 1990, Halifax, England, www.mydyingbride.org, 2011.
83
Gegründet 1994, Hendungen, Deutschland, www.empyrium.de, 2011.
84
Gegründet 1989/90, New York City, New York, USA, www.typeonegative.net, 2011.
85
Gegründet 1981, New York City, New York, USA, www.virgin-steele.com, 2011.
86
Gegründet 1983, Conneticut, USA, www.fateswarning.com, 2011.
87
Gegründet 1980, Auburn, New York, www.manowar.com, 2011.
88
Gegründet 1993 (urspr. „Rhapsody“), Triest, Italien, www.rhapsodyoffire.com, 2011.
89
Gegründet 1993, Göteborg, Schweden, www.hammerfall.net, 2011.
80
28
Als Verteter dieses Genres können z.B Blind Guardian90, Haggard91, Nightwish92,
Within Temptation93, After Forever94, Sonata Arctica95 und Therion genannt
werden. Für die mystischen Texte Therions zeichnet Thomas Karlsson verantwortlich,
der Gründer der inzwischen internationalen esoterischen Loge „Dragon Rouge“96.
Classic Metal
Unter disem Begriff wird zu viel grundlegend Verschiedenes verstanden, als dass er
hier tatsächlich definiert werden kann. Einerseits wird er bezüglich des „klassischen“
Heavy Metal der 80er Jahre97 (NWoBHM;…) verwendet, andererseits wird „classic“
auch als Bezug zur „klassischen Musik“98 gewertet, was dem Symphonic Metal
entspräche.
Progressive Metal
„Progressive Metal ist eine stilistische Synthese aus den Musikrichtungen Heavy Metal,
Progressive Rock und Psychedelic Rock, die seit den 1990er Jahren zu großer
Popularität gelangte.“99 Auch Elemente aus Jazz und Klassik spielen eine wesentliche
Rolle. Dadurch finden sich unter den Fans dieses Subgenres auch oft „Nicht-Metaller“.
Die Musik ist von kompositorischer Vielfalt geprägt und technisch anspruchsvoll.
Neben der klassischen Band-Besetzung (Gitarren, Schlagzeug, Gesang) werden
häufig auch Synthesizer sowie Streich- und Blasinstrumente miteinbezogen. Vertreter
sind
z.B.
Fates
Warning100,
Psychotic
Waltz101,
Dream
Theater102,
Queensryche103, Tool104und Pain of Salvation105.
90
Gegründet 1984, Krefled/Meerbusch, Deutschland, www.blind-guardian.com, 2011.
Gegründet 1989, München, Deutschland, www.haggard.de, 2011.
92
Gegründet 1996, Kitee, Finnland, www.nightwish.com, 2011.
93
Gegründet 1996, Niederlande, www.within-temptation.com, 2011.
94
Gegründet 1995, Niederlande, www.afterforever.com, 2011.
95
Gegründet 1996, Finnland, www.sonataarctica.info, 2011.
96
www.dragonrouge.net, 2010.
97
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Heavy_Metal, 11.04.2011.
98
http://de.wikipedia.org/wiki/Klassische_Musik, 11.04.2011.
99
http://de.wikipedia.org/wiki/Progressive_Metal, 11.04.2011.
100
Gegründet 1983, Conneticut, USA, www.fateswarning.com, 2011.
101
Gegründet 1988, El Cajon, San Diego, www.psychoticwaltz.com. 2011.
102
Gegründet 1985 (urspr. als „Majesty“), New York City, New York, www.dreamtheater.net, 2011.
103
Gegründet 1981, Seattle, Washington, USA, www.queensryche.com, 2011.
104
Gegründet 1990, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.toolband.com. 2011.
91
29
Extreme Metal
Black, Death und Thrashmetal können unter dem Oberbegriff Extreme Metal
zusammengefasst werden. „Der Name suggeriert bereits die wichtigsten musikalischen
Parameter: Schnelle Tempi sowie vielfältige Tempowechsel und extreme Kakophonie
u.ä. sind für jene Substile charakteristisch. Auf textueller Ebene finden sich oftmals
ebenfalls extreme Elemente und Thematiken, wie etwa die explizite Darstellung von
Gewalt, Misanthropie oder extremistische politische Ansichten.“106 Ausführliche Infos
zu Extreme Metal liefert das 2007 erschienene Buch „Extreme Metal“107 von Keith
Kahn-Harris.
Die Stilrichtungen des Extreme Metal sind für diese Broschüren besonders
relevant und deshalb etwas ausfühlicher beschrieben als andere.
Thrash Metal
Häufig wird der Name des Subgenres falsch ausgesprochen und so vom Thrash (von
engl. to thrash: dreschen/prügeln) zum Trash (engl. „Müll“) Metal. „Der ursprüngliche
Thrash Metal zeichnet sich vor allem durch schnelles und präzises Riffing aus. […]
Thrash Metal wird allgemein als Ausgangspunkt für die extremen Metal-Stile
angesehen. Typisch für die Texte von Thrash-Metal-Bands sind die Thematisierung von
Gewalt oder politische Themen. Einige der frühen Bands spielten mit satanistischen
Themen, die aber oft mit Schilderungen von Krieg und sozialen Missständen vermischt
wurden oder später durch diese ersetzt wurden.“108
Drei für die gesamte Musikgeschichte des Metal wichtige Zentren, abgesehen von
England und Skandinavien, sind auch in der Entstehungsgeschichte des Thrash im
Focus:
105
-
San Francisco Bay Area (US Westküste)
-
New York (US Ostküste)
-
Ruhrgebiet (Deutschland)
Gegründet 1984 (urspr. als „Reality“), Eskilstuna, Schweden, www.painofsalvation.com, 2011.
http://de.wikipedia.org/wiki/Extreme_Metal, 2010.
107
Kahn-Harris, 2007.
108
http://de.wikipedia.org/wiki/Thrash_Metal, 11.04.2011.
106
30
Metallica109, Exodus110, und Kreator111 gelten neben Slayer112, Anthrax113 und
Megadeth114 als früheste Thrasher. Slayer, deren Markenzeichen Geschwindigkeit,
Brachialität und sprachliche Aggression sind, gerieten später durch ihr nicht
unproblematisches Spiel mit Satanismus und neofaschistischem Gedankengut in den
Blickpunkt der Kritik. Einige der folgenden Kapitel beschäftigen sich damit im Detail.
In der Szene wurde zur damaligen Zeit allerdings streng zwischen künstlerischer und
privater/gesellschaftlicher Ebene getrennt. Auf der künstlerischen Ebene war alles
erlaubt, was als Fiktion und Kritik realer Vorkommnisse interpretiert werden konnte. So
erhielten z.B. Horrortexte und satanistische Elemente ihre Legitimität. Auf privater
Ebene sollten die Musiker sich nicht zu rassistischen, rechtsextremen oder sexistischen
Statements bekennen. Die Übertragung von z.B. gewalttätigen Phantasien in die
gesellschaftliche Realität war tabu. Dieser Ehrenkodex, der bis zum Auftreten
neonazistischer Black Metal-Bands eingehalten wurde, ist zum Verständnis
der Metal-Szene wichtig. Unterschätzt wurde die metapolitische Bedeutung
derartiger künstlerischer „Visionen“: Was auf der Ebene der Kunst und der Ideen
dargestellt wird, kann nur allzu leicht in die gesellschaftliche Realität hinein kippen
und sich auch realpolitisch manifestieren.
Speed-Metal
Es ist umstritten, ob Speed-Metal als eigenständiges Genre bezeichnet werden kann
oder eine frühe Unterkategorie des Thrash-Metal darstellt. Die meisten Bands, die
stilistisch Speed-Metal Elemente verwenden, sind nicht ausschließlich diesem Subgenre
zuordenbar. Als Vorreiter dieses „Zwischen-Genres“ gilt die kanadische Band Anvil115.
Als weitere Vertreter können (partiell) Motörhead und Exciter116 gesehen werden.117
109
Gegründet 1981, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.metallica.com, 2011.
Gegründet 1982, Bay Area, Kalifornien, USA, www.exodusattack.com, 2011.
111
Gegründet 1982, Essen, Deutschland, www.kreator-terrorzone.de. 2011.
112
Gegründet 1981, Huntington Park, Kalifornien, USA, www.slayer.net, 2011.
113
Gegründet 1981, New York City, New York, USA, www.anthrax.com, 2011.
114
Gegründet 1983, USA, www.megadeath.com, 2011.
115
Gegründet 1978, Kanada, www.anvilmetal.com, 2011. Sehenswert ist der 2010 erschienene
Film„Anvil! The Story of Anvil“, der den kurzen weltweiten Erfolg und das Versinken in der
Vergessenheit der Band Anvil dokumentiert. Siehe www.anvilthemovie.com, 2011.
116
Gegründet 1978, Kanada, www.hemidata.se/exciter, 2011.
110
31
Black Metal
Der Black Metal erhielt seinen Genre-Namen durch den Titel der 1982 erschienenen
zweiten Platte der Gruppe Venom118, die aber musikalisch eher dem Thrash Metal
zuzuordnen ist. Inhaltlich befassten sich die Texte von Venom, wie auch die der frühen
Black Metal Bands, bevorzugt mit Satanismus. Die Beinamen der Bandmitglieder
sollten das Image noch unterstreichen. So nannte sich der Sänger und Bassist von
Venom, Conrad Lant „Cronos“119 und der Schlagzeiger Anthony Bray „Abbadon“120.
Das Verwenden von Beinamen oder Pseudonymen ist in diesem Genre häufig zu
beobachten.
Black Metal hantiert eindeutig mit satanistischen und okkulten Texten und Symbolen
und es fällt schwer, Show-Satanismus von tatsächlichem Satanismus zu unterscheiden.
Offen angegriffen wird generell die (christliche) Kirche als Institution, wohingegen
Glaube und/oder Religion an sich oft als zumindest neutral gewertet werden.
Besonders bei der Betrachtung amerikanischer Black Metal Bands muss das Handeln
einiger
konservativer,
oft
als
doppelmoralisch
empfundener
christlich-
fundamentalistischer Kirchen mitgedacht werden, deren Einfluß auf Gesellschaft und
Politik in den USA sehr groß ist. Die Auseinandersetzung zwischen Musik und Kirche
hat (nicht nur in den USA) bereits lange Tradition. Blues, Rock’n’Roll, Rock und Metal
wurde (und wird teilweise noch) nachgesagt, ein Medium des Teufels zu sein, um
junge Menschen vom Glauben bzw. „dem rechten Weg“ abzubringen. Black Metal
bemüht sich so gesehen in erster Linie um Abgrenzung zur herrschenden bürgerlichen
Religiosität. Der Satanismus ist hierbei als die größtmögliche Provokation für Kirche
und Bürgertum zu verstehen.
Skandinavien gilt als Wiege des Black Metal. Musikalische Vorreiter sind unter
anderem King Diamond121 bzw. dessen Band Mercyful Fate122. King Diamond
brachte u.a. eine Vorform des später für den Black Metal so typischen Corpse Paint
117
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Speed_Metal, 2011.
Newcastle, England.
119
Figur aus der griechischen Mythologie, Vater des Zeus, Anführer der Titanen.
120
Biblische Figur; Name abgeleitet von hebräisch abad „Untergang, Vertilgung, Abgrund“.
121
Bürgerlicher Name: Kim Bendix Petersen, *1956 in Kopenhagen.
122
Gegründet 1981, Dänemark, Heavy-Metal, www.covenworldwide.org, 2011.
118
32
auf die Bühne. Die Ausbreitung des Black Metal erfolgte in drei Wellen, wobei die
erste etwa Mitte der 80er Jahre abebbte. Bands wie Celtic Frost123, Darkthrone124,
Hellhammer125 und Mayhem126 waren bis dahin prägend. „1984 veröffentlichte die
schwedische Band Bathory127 (die musikalisch eher dem Thrash und Viking Metal
zugeordnet wird) ihr […] Debüt-Album, mit dem der typische Krächzgesang aufkam
und dessen roher Proberaum-Klang den Standard des „schmutzigen“ Klangs setzte,
der dem Black Metal seither eigen ist.“128
Die zweite Welle rollte in den frühen 90ern los. Maßgeblich an der Ausformung
beteiligt ist der Mayhem-Gitarrist „Euronymous“. Varg Vikernes129, ein Freund
und der spätere Mörder von Euronymous, der sich auch „Count Grishnackh“ nannte,
gründete das Black Metal/Ambient Projekt Burzum130. Vikernes verband satanistische
Vorstellungen mit neonazistischen Agitationen (siehe Ausführungen zum NS-Kult im
Heavy Metal). Emperor131, Darkthrone und Immortal132 vollzogen Stilwechsel und
passten sich dem neuen Bild des Black Metal an. Grundsätzlich ging es um die klare
Abgrenzung vom als zu massentauglich empfundenen Death Metal.133 „Durch ein
Interview, das Varg Vikernes einer norwegischen Tageszeitung gab und in dem er die
Black-Metal-Szene mit den Kirchenbränden134 in Verbindung brachte, und einen kurz
darauf veröffentlichten, reißerischen Artikel über die Vorgänge innerhalb der
norwegischen Black-Metal-Szene im britischen Magazin Kerrang! geriet die Szene
1993 ins Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit. Musiker von Bands wie Satyricon135,
Marduk136, Emperor, Burzum, Dimmu Borgir137 und Darkthrone gaben in
123
Gegründet 1984, Schweiz, www.celticfrost.com, 2011.
Gegründet 1986, Norwegen, www.darkthrone.no, 2011.
125
Gegründet 1982, Nürensdorf, Schweiz, www.hellhammer.org, 2011.
126
Gegründet 1984, Norwegen, www.thetruemayhem.com, 2011.
127
Gegründet 1983, Schweden, www.bathory.se, 2011.
128
http://de.wikipedia.org/wiki/Black_Metal, 2011.
129
1994 wegen Mordes und Brandstiftung zu 21 Jahren Haft veruteilt. 2009 auf Bewährung entlassen.
130
Gegründet 1991, Norwegen, www.burzum.org, 2011.
131
Gegründet 1991, Norwegen, www.emperorhorde.com, 2011.
132
Gegründet 1990 (urspr. als „Amputation“), Norwegen, www.immortalofficial.com, 2011.
133
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Black_Metal, 2011.
134
Es gab in Norwegen zahlreiche Brandstiftungen, die mit der Black-Metal Szene in Verbindung
gebracht wurden. Burzum vermarktet sogar eine Art Kirchenbrand-Tourshirt. Vgl. Abb. 5 und 6.
135
Gegründet 1990 (urspr. als „Eczema“), Norwegen, www.satyricon.no, 2011.
136
Gegründet 1990, Norrköping, Schweden, www.marduk.nu, 2011.
124
33
Interviews neben gewaltverherrlichenden Aussagen auch solche von sich, in denen sie
mit Rassismus und Rechtsextremismus kokettierten und so für den Boykott des Black
Metal durch zahlreiche Medien sorgten.“138
Abb. 5
Abb. 6
Die dritte Welle, etwa ab Mitte der 90er, spaltete die „Szene“. Einerseits erfolgt eine
Hereinnahme von musikalischen Einflüssen anderer Genres, wie z.B. der klassischen
und der elektronischen139 Musik, andererseits bemühten sich die – aus ihrer Sicht –
einzig „wahren“ Black Metal Bands um härtere Ausdrucksformen und die
intensivstmögliche Abgrenzung gegenüber „Kommerz“ und Massentauglichkeit.
Weltweit setzte ein Nachahmungsprozeß des nordischen Back Metal ein, den Mortiis140
schlichtweg als „peinlich“ bezeichnete: „Wenn sich ein Typ aus Griechenland an Thors
Hammer festhält, wozu soll das gut sein? Er soll ein Symbol für Zeus oder Kronos
nehmen
und
wenigstens
seinen
eigenen
mythologischen
Göttern
Respekt
entgegenbringen!“141 Nicht nur die Musik, auch das aggressive Verhalten wurde als
„dazugehörig“ kopiert – es kam zu zahlreichen Friedhofsschändungen und
Kirchenbränden. „Von der Black-Metal-Welle peinlich berührt, versuchte eine
engagierte Fraktion an möglichst rohen, einfachen Sounds festzuhalten und echtem
137
Gegründet 1993, Norwegen, www.dimmu-borgir.com, 2011.
http://de.wikipedia.org/wiki/Black_Metal, 2011.
139
Verbindung zu Industrial/Black/Dark Ambient
140
Gründungsmitglied von Emperor, später bekannt für seine Dark Ambient Solo-Projekte.
141
Christe, 2004, S. 296.
138
34
Gefühl den Vorzug vor greller Symbolik zu geben.“142 Dazu gehörten Bands wie
Darkthrone, Carpathian Forest143, Havohej144 und Hemlock145.
Christe führt in seinem erstmals 2003 erschienen Buch „Höllenlärm“ aus, dass sich
das „Extreme in Norwegen in die soziale Akzeptanz ergeben“ hat, „da die Bands jetzt
unverständlicher Weise Zuspruch dafür erhielten, dem Land eine musikalische Identität
verschafft zu haben.“146 Bands wie Cradle of Filth147 und Dimmu Borgir verliehen
den nicht im Untergrund verwurzelten Teilen der Szene neuen Glanz. Was Christe
nicht erwähnt, aber der Wahrnehmung bei Konzerten, Festivals und in einschlägigen
Kneipen entspricht: Der „Underground“ existiert weiterhin. Jene, die die Inhalte des
Black Metal so ernst meinen, dass jede Art von finanziellem Profit zu einer Beleidigung
der Idee würde, scheren sich natürlich nicht um Breitenwirksamkeit und öffentliches
Aufsehen.
Der Politologe Dr. Rainer Fromm bezeichnet in einem Gutachten für die BPiM148 den
Black Metal als „eine Subkultur der Widersprüche, die Blut, Gewalt und Stärke
glorifiziert und gleichzeitig ihren Frieden mit der oftmals schockierenden Umwelt
sucht.“149
2009 erschien der nicht unumstrittene Dokumentarfilm „Until The Light Takes
Us“150, der sich der norwegischen Black Metal Szene widmet.
Death Metal
Als die erste Welle des Black Metal abebbte, gewannen Death Metal und etwas später
auch Viking Metal an Bedeutung. 1985 nimmt die Formation Death151 die Demo
„Infernal Death“ in Florida auf. Chuck Schuldiner152, der Sänger von Death, gilt als
142
Ebda.
Gegründet 1990, Sandens, Norwegen, www.tnbm.no, 2011.
144
Gegründet 1993, New York City, New York, USA, keine Website auffindbar.
145
Gegründet 1992, New York City, New York, USA, keine Website, Fansite:
www.myspace.com/hemlockworship, 2011.
146
Christe, 2004, S. 296.; Man denke an Metal-Bands beim Euro-Visions-Songcontest, in Werbungen
etc.
147
Gegründet 1991, Suffolk, England, www.cradleoffilth.com, 2011.
148
Bundesprüfstelle für jugendgefärdende Medien, Deutschland.
149
Genese der Black Metal-Subkultur und des Neosatanismus in der Rockmusik,
www.bundespruefstelle.de, 2011.
150
Aites, Aaron, Ewell, Audrey: „Until The Light Takes Us“, Variance Films, 2009.
151
Gegründet 1983 (urspr. als „Mantas“), Tampa, Florida, USA, www.emptywords.org, 2011.
152
*1967 in Long Island, New York, USA.
143
35
Begründer des Death Metal. Im Unterschied zum schrillen, hohen „Gekreische“ das im
Black Metal üblich ist, sind hier tiefe dunkle „Growls“ ein wesentliches Stilelement. Als
wichtiger Vorarbeiter des Death Metal gilt die ebenfalls kalifornische Thrash-Metal
Gruppe Slayer. Possessed153, auch aus der Bay Area stammend, gelten als eine der
ersten tatsächlichen Death Metal Formationen. „Durch das rasende, vernichtende
Tempo des Grindcore154 entzündet, machte die massive Feuersbrunst des Death Metal
alles andere vergesssen. Die letzten Spuren von traditionellem Rock’n’Roll wurden von
den neuen Gebietern – dem Triumvirat Death, Morbid Angel155 und Deicide156 –
endgültig verwischt.“157 Deicide gelten als die bekannteste Death Metal-Formation.
Der Sänger und Bassist von Deicide, Glen Benton158 ließ sich ein umgedrehtes Kreuz
in die Stirn einbrennen159, bezeichnete sich selbst wie auch die übrigen Bandmitglieder
als von Dämonen besessen und tätigte ferner die Aussage, dass „Death Metal und
Satanismus Hand in Hand zu gehen hätte[n].“160 Zu den einflussreichsten vertretern
des Florida Death Metal161 zählen auch Obituary162 und Brutality163.
Inhaltlich liegt dem Death Metal eine zutiefst pessimistische Weltsicht zu Grunde. Der
Tod an sich ist Angelpunkt und Richtung. Weiters handeln die Texte vom Horror der
Gentechnik,
von
Aufrüstung
und
Umweltzerstörung,
sozialem
Leid
und
Massenvernichtung. Die Bühnenshows dürften vor allem von sogenannten Splatter164Filmen inspiriert worden sein. Die Sexualität, sofern sie besungen wird, ist manchmal
ebenfalls auf den Nach-Todesbereich (Nekrophilie) verschoben, etwa bei zahlreichen
Texten der Formation Cannibal Corpse165. Der Death Metal verherrlicht allerdings
nicht die Freude an dieser dargestellten Welt, sondern besingt die Angst davor. Die
menschliche Existenz gilt ihm als ständig von Tod und/oder Irrsinn bedroht.
153
Gegründet 1983, San Francisco, Kalifornien, USA, www.myspace.com/666possessed, 2011.
Im Hardcore-Punk wurzelnder Musik-Stil.
155
Gegründet 1984, Tampa, Florida, USA, www.morbidangel.com, 2011.
156
Gegründet 1987 (urspr. als „Amon“), Florida, USA, www.deicide.com, 2011.
157
Christe, 2004, S.250.
158
*1967 in den USA.
159
Vgl. Abb. 24.
160
Dornbusch/Killguss, 2005, S.227.
161
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Florida_Death_Metal, 2011.
162
Gegründet 1984 (urspr. als „Executioner“), Tampa, Florida, USA, www.obituary.cc, 2011.
163
Gegründet 1986, Tampa, Florida, USA, http://originalbrutality.tripod.com, 2011.
164
„Splatter“ setzt sich aus den engl. Worten „splash“ und „to spatter“ zusammen – beide bedeuten
„spritzen“, hier v.a. das herumspritzen des Blutes.
165
Gegründet 1988, Buffalo, New York, USA, www.cannibalcorpse.net, 2011.
154
36
„Während England das Heimatland des Heavy Metal gewesen war und das Herz des
Thrash in San Francisco pochte [wie das des Black Metal in Skandinavien], gedieh
Death Metal auf der ganzen Welt.“166 Neben der bedeutenden US-amerikanischen
Szene begann sich zu Anfang der 90er Jahre auch im skandinavischen Raum eine
Szene zu entwickeln, die im sogenannten Melodic Death Metal (auch New Wave of
Swedish Death Metal, NWoSDM) gipfelte167: „Entombed168, Dismember169, At the
Gates170, Grave171, Dissection172, In Flames173 – diese energiegeladenen Verwalter
des schwedischen Göteborg-Sounds betonten Power neben Groteskem und lockten
viele bereitwillige Mainstream-Rockfans in die Tiefen des Death Metal.“174
Der Bezug zu okkulten und satanistischen Themen ist nicht von der Hand zu weisen.
„Metallica, Megadeth und Anthrax hatten dem Satanismus bereits zu Beginn ihrer
Laufbahn abgeschworen, Death Metal aber stellte die mythische Auslegung wieder in
den Vordergrund.“175 Es wird immer wieder versucht, die Bands des Black und Death
Metal zu unterteilen nach jenen die tatsächlichen Satanismus praktizieren und
propagieren (hier werden oft Deicide, Mayhem, Dark Funeral und Marduk
genannt), und jenen, die Protest- bzw. Show-Satanismus betreiben (wie Possessed,
Dimmu Borgir und Cradle of Filth). Show-Satanismus äussert sich durch ein betont
dämonisches Image der Musiker und eine entsprechende Aura, die durch haßerfüllte,
verbitterte Bühnenshows mit Kunst-Blut und Tierkadavern verstärkt wird.176
166
Christe, 2004, S. 251.
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Melodic_Death_Metal, 2011.
168
Gegründet 1989, Stockholm, Schweden, www.entombed.org, 2011.
169
Gegründet 1988, Stockholm, Schweden, www.dismember.se, 2011.
170
Gegründet 1990, Göteborg, Schweden, www.atthegates.se, 2011.
171
Gegründet 1988, Visby, Schweden, www.grave.se, 2011.
172
Gegründet 1989, Strömstad, Schweden, www.dissection.se, 2011.
173
Gegründet 1990, Göteborg, Schweden, www.inflames.com, 2011.
174
Christe, 2004, S. 262.
175
Ebda. S. 254.
176
Vgl. Schweidlenka: Satanismus, 2010.
167
37
White Metal und Unblack Metal
Beides sind Untergenres des so genannten Christlichen Metal die sich ausschließlich
mit christlichen Inhalten befassen.177 Diese Strömungen stellten eine Gegenreaktion
auf die satanistische Welt des Black Metal dar und entstanden in den USA ab ca.
1985. Die Gruppen dieser Richtungen vertreten meist ein strenges „Recht- und
Ordnung“-Christentum mit reaktionären, fundamentalistischen Inhalten. Armut,
Hunger oder AIDS werden z.B. als Strafen Gottes für vorehelichen Geschlechtsverkehr
gesehen und auch antisemitische Weltverschwörungstheorien sind aus diesen
Musikerkreisen bekannt. „Im Gegensatz zum später entstandenen Unblack Metal
wirken die Texte [des White Metal] positiv, direkt und plakativ und sind stark von
reformatorischen und evangelikalen Einflüssen geprägt. Die Band Stryper verband ihr
musikalisches Schaffen zudem mit offensiver Evangelisation, etwa durch das
Verschenken von tausenden kostenloser Bibeln während ihrer Konzerte. […] Im
Unblack Metal werden primär negative Aspekte des Lebens wie Melancholie, Trauer
und innere Verzweiflung, die mühsame Suche nach Gott oder Hass und Wut
beleuchtet.“178
Vertreter sind z.B Stryper179, Bloodgood180, 7th Angel181 und Horde182. Auch in
anderen Metal Subgenres wie z.B. dem Heavy, Power, Death, Doom und Gothic Metal
sind Bands mit christlichen Inhalten vertreten.183
Crossover - die Verschmelzung musikalischer Stile mit Metal
Der ursprünglich Mitte der siebziger Jahre aufgekommene Begriff des „Crossover“
erlebte Ende der achtziger bzw. zu Beginn der neunziger Jahre eine Renaissance, als
Vermischungen zwischen Metal, HipHop, Alternative Rock, Rap, Punk und Funk
versucht wurden. „Den Startschuss gab wahrscheinlich 1992 das Debütalbum von
Rage Against The Machine184, obwohl schon Jahre vorher Gruppen wie Fugazi,185
177
http://de.wikipedia.org/wiki/Christlicher_Metal, 2010.
Ebda, 2011.
179
Gegründet 1983, Orange County, Kalifornien, USA, www.stryper.com, 2011.
180
Gegründet 1984, Seattle, Washington, USA, www.bloodgoodband.com, 2011.
181
Gründungsjahr unbekannt, USA, keine Website auffindbar.
182
Gegründet 1994, Austrailien, keine Website auffindbar, Fansite: www.thanatosmetal.com/horde,
2011.
183
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Christlicher_Metal, 2010.
184
Gegründet 1991, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.ratm.com, 2011.
178
38
White Zombie186, aber auch Rapper wie Run DMC187 damit begonnen hatten, die
bis dahin als unvereinbar geltenden stilistischen Grenzen bis zur Unkenntlichkeit zu
verwischen.“188 Die stilistische Öffnung führte auch zu einer Erweiterung des
Hörerkreises.
Der Rap war, neben dem Punk, eine der ersten Musikrichtungen, die für die
„Metalvariante“ des Crossover bedeutend wurden. Metal galt lange Zeit als Musik der
weißen Unterschicht, die gegen das wohlhabende Bürgertum rebellierte, doch
spätestens diese Fusion machte die Musik und Szene auch für schwarze Fans
zugänglich und interessant. Auch oder gerade die Fachliteratur189 definierte den
„Metalfan“ lange als männlichen, weißen, sozial unterprivilegierten Arbeiter in den
mittleren Zwanzigern. Mittlerweile widersprechen viele Autoren dieser Annahme
deutlich und bestreiten – zumindest seit der „Gattungsaufweichung und den daraus
resultierenden Stilbastarden“190 – die Gegebenheit dieses homogenen Szenebildes.
Zwar gab es auch rassistische Färbungen, verbale Rassismen wie „Speak English or
die“ von M.O.D.191 (Method of Destruction). Sozial-darwinistische Texte wie „Der
Untermensch“ von Type o Negative192 blieben aber Ausnahmen. Mit der
zunehmenden
Politisierung
der
Metal-Szene
entdeckten
„Metalintellektuelle“
Gemeinsamkeiten von Fans aller Hautfarben und Schichten: Das gesellschaftliche
Außenseitertum, der Hass auf das System und die Wünsche nach Sozialreformen. Es
kam zu einigen Allianzen, bei denen schwarze Anliegen in die Metal-Szene
hineingetragen wurden (Run DMC, Beastie Boys,…).
Bekannte Bands, die sich des Crossover bedienen sind z.B. Biohazard193, Body
Count194, Clawfinger195, Dirty Rotten Imbeciles196, Dog eat Dog197, Faith No
More198, Living Colour199, und Suicidal Tendencies200.
185
Gegründet 1987, Washington D.C., USA, Post-Hardcore / Indie-Rock / Art-Punk, www.southern.net,
2011.
186
Gegründet 1985, USA, www.zombiefaq.com, 2011.
187
Gegründet 1982, New York City, New York, USA, www.rundmc.com, 2011.
188
Graf, 2001, S. 5.
189
Siehe dazu: Roccor, 1998; Kemper/Langhoff/Sonnenschein, 1998, S. 244-259.
190
Schäfer, 2002.
191
Gegründet 1986, New York City, New York USA, www.billymilano.com, 2011.
192
Gegründet 1989/90, New York City, New York, USA, www.typeonegative.net, 2011.
193
Gegründet 1987, New York City, New York, USA, www.biohazard.com, 2011.
39
Nu Metal / New Metal
Hier werden vornehmlich Elemente des Thrash Metal, Harcore, Grunge, Industrial,
Punk und Rap kombiniert, wobei der Unterschied zum Crossover in der härteren
Spielart, tiefer gestimmten Gitarren und dem eher spärlichen Einsatz von RapPassagen201 liegt. Graf202 bezeichnet den Nu Metal als „populäre Schnittstelle“
zwischen den oben genannten Musikgenres und schreibt die Etablierung des Begriffes
den medialen Erfolgen der Bands Korn (bzw. KoЯn )203, Slipknot204 und Papa
Roach205 zu.
Weitere bekannte Bands sind z.B. Coal Chamber206, Limp Bizkit207, Linkin Park208,
Ill Niño209.
Metalcore
Aus Elementen von Heavy, Threash und Melodic Death Metal sowie des Harcore Punk
entwickelte sich der Metalcore, in Anspielung auf die NWoBHM auch „New Wave of
American Heavy Metal“ genannt. Aus dem Metalcore entwickelte sich der schnellere
und aggressiver gespielte Death Core. Musikalisch orientiert sich dieses Genre
mehrheitlich am Metal, inhaltlich jedoch mehrheitlich am Hardcore. Gesellschaftliche
und politische Themen und ein starker Jugendbezug stehen im Vordergrund. 210
194
Gegründet 1989, USA, keine Website auffindbar.
Gegründet 1991, Schweden/Norwegen, www.clawfinger.net, 2011.
196
Gegründet 1982(urspr. als „US-Dirty Rotten Imbeciles“), Houston, Texas, USA,
www.dirtyrottenimbeciles.com, 2011.
197
Gegründet 1991, New Jersey, USA, www.dogeatdog.nl, 2011.
198
Gegründet 1982, San Francisco, Kalifornien, USA, www.fnm.com, 2011.
199
Gegründet 1984, New York City, New York, USA, www.myspace.com/livingcolourmusic, 2011.
200
Gegründet 1982, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.suicidaltendencies.com, 2011.
201
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Nu_Metal, 2010.
202
Graf, 2001, S. 202.
203
Gegründet 1993, Bakersfield, Kaliefornien, USA, www.korn.com, 2011.
204
Gegründet 1995, Des Moines, Iowa, USA, www.slipknot1.com, 2011.
205
Gegründet 1993, Vacaville, kalifornien, USA, www.paparoach.com, 2011.
206
Gegründet 1994, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.myspace.com/coalchambermusic, 2011.
207
Gegründet 1994, Jacksonville, Florida, USA, www.limpbizkit.com, 2011.
208
Gegründet 1996 (urspr. als „Xero“ bzw. „Hybrid Theory“), Los Angeles, Kalifornien, USA,
www.linkinpark.com, 2011.
209
Gegründet 1999, New Jersey, USA, www.illnino.com, 2011.
210
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Metalcore, 2010.
195
40
Vertreter sind z.B. As I Lay Dying211, Caliban212, Chimaira213, Heaven Shall
Burn214, Bullet for My Valentine215 und Killswitch Engage216.
Als Subgenre des Hardcore, nicht des Metal, gilt der Hatecore217, eine Stömung,
deren Texte sich duch besonders aggressive und hasserfüllte Texte auszeichnen.
„Heute wird der Begriff oft mit Gruppen in Verbindung gebracht, die dem
Rechtsextremismus, Neonazismus, Rassismus und der White-Supremacy-Ideologie
anhängen oder nahe stehen, weshalb dieses Subgenre hier Erwähnung findet.“218
Weitere Informationen dazu finden Sie in der Fachbroschüre „Wer fürchtet sich
vorm weißen Mann?!“ erhältlich unter www.logo.at.
Gothic Metal
In den frühen 90er Jahren begannen Bands wie Paradise Lost219, Tiamat220 und My
Dying Bride221 damit, typische Elemente des Gothic mit Metal zu verbinden. „1995
brachte die norwegische Band Theatre of Tragedy222, mit ihrem ersten Album das
markanteste Merkmal für den typischen Gothic Metal mit ein, und zwar den
Wechselgesang zwischen Mann (Growls, Grunts) und Frau.“223 In diesem Genre sind
Überschneidungen mit Doom und Symphonic Metal häufig zu beobachten. Der Song
„Black No. 1“ von Type O Negative (die allerdings v.a. dem Doom Metal
zugeordnet werden) verhalf dem Stil, zumindest vorübergehend, zu großer Popularität.
Gerade diesem Genre werden auf Grund eines düsteren Erscheinungsbildes viele
211
Gegründet 2001, San Diego, Kalifornien, www.asilaydying.com, 2011.
Gegründet 1997, Hattingen, Deutschland, www.calibanmetal.com, 2011.
213
Gegründer 1998, Cleveland, Ohio, USA, www.chimaira.com, 2011.
214
Gegründet 1996 (urspr. als „Before the Fall“), Saalfeld an der Saale, Deutschland,
www.heavenshallburn.com, 2011.
215
Gegründet 1999, Wales, Großbritannien, www.bulletformyvalentine.com, 2011.
216
Gegründet 1999, Westfield, Massachusetts, USA, www.killswitchengage.com, 2011.
217
Siehe dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Hatecore, 2011.
218
http://de.wikipedia.org/wiki/Hatecore, 2010.
219
Gegründet 1988, Halifax, England, www.paradiselost.co.uk, 2011.
220
Gegründet 1988, Schweden, anfangs Black / Death Metal, gelten später als Begründer des Gothic
Metal, www.churchoftiamat.com, 2011.
221
Gegründet 1990, Halifax, England, www.mydyingbride.org, 2011.
222
Gegründet 1993, Stavanger, Norwegen, www.theatreoftragedy.com, 2011.
223
http://www.metalstile.de/gothic-metal.html, 2011.
212
41
Bands
fälschlicher
Weise
zugeordnet
(Oomph!,
Rammstein,
HIM,
Lacrimas
Profundere, Cradle of Filth, etc.).224
In den achtziger Jahren wäre eine Annäherung von Metal und Gothic schwer möglich
gewesen. Die Welt der eher feminin anmutenden Goths schien mit der rauhen MetalMacho-Männlichkeit unvereinbar. Auf beiden Seiten war aber das Interesse an
okkultistischen Themen vorhanden. Im Gothic Metal trafen sich nun die okkulten
Interessen der beiden Strömungen. Weitere Merkmale, die eine Annäherung der
beiden Szenen erleichterten, waren der Hang zu extremen Outfits und – für die
bürgerliche „Normalgesellschaft“ – extremen Lebenseinstellungen, Nichtanpassung,
Widerstand gegen Gleichschaltung und Normierung im Sinne des Mainstream. Von
Bedeutung ist ferner der Gothic Rock, worauf im Kapitel über die Gothic Szene näher
eingegangen wird.
Industrial
Alex Mikusch
Industrial entwickelte sich Mitte der 1970er Jahre in England und den USA.
Stilprägend war die Band Throbbing Gristle225 aus England mit ihrem Label
„Industrial Records“. Hier wird Provokation als Kunstform eingesetzt. Dabei ist die
Provokation jedoch kein Selbstzweck, sondern beabsichtigt eine Verstörung des
Hörers, die ein Reflektieren seines eigenen Handelns bewirken soll. Die Vertreter
entstammten anfangs Kunsthochschulen. Ähnlich wie beim Wiener Aktionismus
wollten die Industrial-Vertreter durch Provokation die Wurzeln von Faschismus und
Unterdrückung aufzeigen. Die Künstler versuchen durch bewusste Provokation die
Doppelmoral der Gesellschaft sichtbar zu machen. Die Musikrichtung Industrial brach
mit herkömmlichen Vorstellungen von Musik. Mit Synthesizern, Alltagsgeräuschen und
Sprach-Samples wurden teils ruhige, teils orkanartige Klangbilder erzeugt. Mit dem
Gesamtkonzept wollte man die hoch technisierte Industriegesellschaft und deren
224
225
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Gothic_Metal, 2011.
Gegründet 1976, England, www.throbbing-gristle.com, 2011.
42
Medien kritisieren, in welchen man die Ursachen für pervertiertes menschliches
Verhalten
sah.
Ursprünglich
verstand
sich
Industrial
als
ganzheitliches
avantgardistisches Musikkonzept das mit sämtlichen Elementen von Schock und
Provokation Tabus brechen wollte. Der Industrial wollte durch extreme Darstellungen
von Krieg, Faschismus, Nationalsozialismus, Sexualität und Tod irritieren und
wachrütteln. Diese Kunstform ist stark anfällig für Fehlinterpretationen, zum
Verständnis
dieser
Inszenierungen
gehört
eine
große
Portion
an
Reflektionsbereitschaft.
Im Laufe der 1980er vermischte sich die Industrial Szene mit anderen Stilrichtungen:
Gothic, Dark Wave, Neofolk, Metalusw.
„Mitte der 1980er lösten sich die meisten Industrialbands der ersten Stunde auf, da
der anfangs so innovative Impuls verfiel und das ursprünglich komplexe Geflecht aus
Kunst, Medientheorie und Provokation zu einem Stereotyp degenerierte.“226
In den 1990ern sind etliche Bands mit dem Industrial Etikett versehen worden, die
jedoch mit dem ursprünglichen Konzept nur mehr wenig zu tun hatten und haben:
Nine Inch Nails227, Ministry228, Marilyn Manson229 usw.
Der heutige Industrial teilt sich musikalisch in eine an den Ursprüngen der Musik
orientierte
Stilrichtung,
sowie
in
eine
mehr
dem
Techno
verpflichtete
Weiterentwicklung.
Inhaltlich schrecken einige dieser Bands nicht davor zurück, Tabubrüche noch weiter
zu überspitzen. Diese werden oft nicht mehr in einen kritischen Diskurs gestellt,
sondern offen ausgelebt. Im Laufe der Zeit wurde aus einer Bewegung mit einem eher
linken Background eine, die sich mittlerweile in weiten Teilen offen der rechten
Ideologie verschreibt. Teilweise mit einem Hang zur Nazi-Esoterik, wie etwa bei
226
Dornbusch, 2002, S. 288.
Gegründet 1988, Cleveland, Ohio, USA, www.nin.com, 2011.
228
Gegründet 1981, Chicago, Illinois, USA, www.ministrymusic.org, 2011.
229
Gegründet 1989, Tampa, Florida, www.marilynmanson.com, 2011.
227
43
Death
in
June230,
oder
dem
Musiker
Boyd
Rice,
der
rassistische
und
sozialdarwinistische Thesen propagiert.
Die 1980 gegründete slowenische Band Laibach231 gilt als „Kult“ und steht
beispielhaft für die kontroverse Art des Industrials. Bei Laibach verschmelzen viele
Musikstile zu einer neuen Einheit und einer in dieser Form einzigartigen Klangcollage.
In dieser spiegelt sich die Denkweise der Band wider. Laibach arbeiten mit dem
Stilmittel der Überidentifizierung von totalitärer Ideologie. So bestehen ihre Konzerte
aus multimedialen Performances bei denen sie Uniformen tragen und ihr Sänger als
Erlöserfigur erscheint.
Der eindringlich beschwörende Gesang des Sängers Milan Fras gilt als gewaltiger
Einfluss auf den Sänger Till Lindemann, der seit Mitte der 1990er mit der erfolgreichen
deutschen Band Rammstein ausgehend von Ostberlin die Welt musikalisch erobert.
Folk Metal
Diese Stilrichtung mischt, sowohl hinsichtlich der Spielweise, als auch der
instrumentellen Besetzung, Metal mit folkloristischen Elementen aller Art. Als
Wegbereiter gilt die Band Skyclad232, die erstmals 1991 englische Folklore in ihre
Musik einbrachte. Die Abgrenzung zu Pagan-, Viking-, und Mittelaltermetal ist nicht
immer klar. So werden z.B. dem entsprechenden Artikel233 der Seite www.laut.de
folgend auch mancherorts Bathory234, die von Wikipedia235 ganz klar dem
Vikingmetal zugeordnet werden, als „Erfinder“ des Folkmetal gesehen. Die Gruppe In
Extremo236, ebenfalls gerne als Folk Metal bezeichnet, fällt eher in den Bereich
Mittelalter Metal. Das Feld des Folk Metal beschränkt sich nicht auf den
europäischen
Raum,
sondern
hat
sich
vielmehr
explosionsartig
weltweit
(weiter)entwickelt. Elemente aus beinah allen Ethnien finden ihren Widerhall. Und es
muss nicht zwingend der eigene Kulturkreis vertreten werden, wie die Celtic-Folk-Metal
230
Gegründet 1981, Großbritannien, www.deathinjune.net, 2011.
Gegründet 1980, Trbovlje, Slowenien, www.laibach.nsk.si, 2011.
232
Gegründet 1990, Newcastle upon Tyne, England, www.skycladmusic.co.uk, 2011
233
www.laut.de/Folk-Metal-(Genre), 2010.
234
Gegründet 1983, Schweden, www.bathory.se, 2011.
235
http://de.wikipedia.org/wiki/Folk_Metal, 2010.
236
Gegründet 1995, Siegen, Deutschland, ww.inextremo.de, 2011.
231
44
Band Tuatha de Danann237 aus Brasilien beweist. Einen guten Überblick über die
Vielfalt dieser Szene bietet der Wikipediaartikel „Folk-Metal“, in dem über fünfzig
Gruppen aus Kulturkreisen beinah aller Kontinente gelistet werden. Auffallend ist die
überwiegende Hinwendung zu frühgeschichtlichen Kulturen und deren Mythologien.
Vertreter des Folk Metal sind zum Beispiel: Chthonic238, Eluveitie239, Finntroll240,
Korpiklaani241, Mägo de Oz242, Orphaned Land243, Tuatha de Danann.
Mittelalter Metal/ Mittelalter Rock
Auch die Bezeichnung Medieval Folk Metal ist zu finden, wonach der Mittelalter
Metal/Rock ein Subgenre des zuvor genannten Folk Metal wäre.244 Gemeint ist
jedenfalls die Verbindung von modernen, historisch inspirierten Instrumenten, „wie
beispielsweise
Sackpfeife,
Harfe,
Drehleier,
Schalmei,
Blockflöte
und/oder
mittelalterlichen Texten mit Elementen moderner Rock- und Metal-Musik wie E-Gitarre,
E-Bass, Schlagzeug oder Elektronik.“245 Stilprägend für den deutschen Raum waren
vor allem die Gruppen In Extremo, Subway to Sally246 und Corvus Corax247.
Weitere
Vertreter
Schandmaul249.
dieser
Der
Stilrichtung
Versuch
sind
zum
Beispiel
nicht-deutschsprachige
Haggard248
Bands
diesem
und
Begriff
zuzuordnen erwies sich als äusserst schwierig, da die meisten (z.B. die finnische Band
Waltari250) im Laufe ihres Bestehens vielen verschiedenen Stilen zugeordet werden
können und die Phase des Mittelalter Metal nicht im Vordergrund steht. Eine gute
Recherchehilfe bietet hier der Artikel „Neo-Medieval-Music“251 der englischsprachigen
237
Gegründet 1995, Varginha, Brasilien, www.myspace.com/tuathadedanann, 2011.
Gegründet 1995, Taipei, Taiwan, www.chthonic.tw, 2011.
239
Gegründet 2002, Winterthur, Schweiz, www.eluveitie.ch, 2011.
240
Gegründet 1997, Helsinki, Finnland, www.finntroll.net, 2011.
241
Gegründet 2003, Lathi, Finnland, www.korpiklaani.com, 2011.
242
Gegründet 1988/89, Spanien, www.magodeoz.com, 2011.
243
Gegründet 1991, Israel, www.orphaned-land.com, 2011. Arbeitet mit vielfältigen folkloristischen
Anleihen, wird allgemein aber eher zum Death, Doom u./o. Progressive Metal gezählt.
244
Vgl. http://rateyourmusic.com/genre/Medieval+Folk+Metal, 2011.
245
http://de.wikipedia.org/wiki/Mittelalter-Rock, 2010.
246
Gegründet 1992, Potsdam, Deutschland, www.subwaytosally.com, 2011.
247
Gegründet 1989, DDR, www.corvuscorax.de, 2011.
248
Gegründet 1989, München, Deutschland, www.haggard.de, 2011.
249
Gegründet 1998, München, Deutschland, www.schandmaul.de. 2011.
250
Gegründet 1986, Helsinki, Finnland, www.waltarimusic.com, 2011.
251
http://en.wikipedia.org/wiki/Neo-Medieval_music, 2010.
238
45
Wikipedia Seite. Bezeichnender Weise wurde der deutschsprachige Artikel „Mittelalter
Metal“ im April 2011 gelöscht bzw. zu „Mittelalter Rock“252 verschoben.
Viking Metal
Roland Filzwieser
Umstritten bleibt sicherlich, wo die genaue Grenze zwischen Viking Metal und
Viking Black Metal zu ziehen ist. Zählen für die einen alle Bands, deren Texte und
Artwork sich mit der Wikingerzeit und der nordischen Mythologie befassen, selbst
wenn sie musikalisch eher im Black Metal (seltener auch im Death Metal) beheimatet
sind als Viking Metal Bands, so verstehen die anderen unter Viking Metal nur jene
Musik, welche eben erwähnte Thematik mit einer Mischung aus recht frei
kombinierbaren Elementen des Black Metal und des Folk allgemein sowie
skandinavischer
Volksmusik
im
Speziellen,
vertonen.
Vom
Viking
Metal
zu
unterscheiden ist im Übrigen der Pagan Metal welcher sich mit dem Heidentum und
der Mythologie außerhalb Skandinaviens befasst, wobei es naturgemäß natürlich auch
häufig zu Überschneidungen kommen kann. Ein früher Vorreiter des Genres ist
sicherlich die Band Manowar, die 1983 mit dem Lied „Gates of Valhalla“ auf dem
Album „Into Glory Ride“ begann, immer wieder Themen der skandinavischen
Mythologie und Geschichte aufzugreifen. Einen nächsten großen Schritt für den Viking
Metal machte 1988 die schwedische Band Bathory mit dem Album „Blood Fire
Death“, welche sich diesem Thema als erste skandinavische Band, und darüber
hinaus als Gesamtkonzept annahm. Als Urheber des Begriffes „Viking Metal“ wird oft
die norwegische Band Enslaved genannt, die diesen 1994 im Booklet ihres Albums
„Frost“ als Untertitel abdrucken ließ. Ein weiteres Charakteristikum, welches allerdings
bei Weitem nicht nur auf Viking Metal zutrifft, ist, dass viele Bands neben Englisch
auch in einer skandinavischen Sprache bzw. ihrer Landessprache singen. So haben
etwa Enslaved, Einherjer253, Windir254, Himinbjørg255 und Helheim256 Lieder auf
252
http://de.wikipedia.org/wiki/Mittelalter-Rock, 2011.
253
Gegründet 1993, Haugesund, Norwegen, www.einherjer.com, 2011.
46
Norwegisch,
Thyrfing257,
Månegarm258,
Odhinn259
und
Mithotyn260
auf
Schwedisch, Falkenbach261 und Sólstafir262 auf Isländisch sowie Týr263 auf Färöisch,
um hier exemplarisch nur einige wichtige Bands zu nennen.
Neben den obgenannten Stilrichtungen existiert noch eine Vielzahl
weiterer die sich oftmals überschneiden! Es soll hier aber nur um eine
grobe Einteilung und die grundlegende Erklärung einiger Subströmungen
gehen um ein Grundverständis der Vielfalt der Szene zu bekommen.
2.3 Erscheinungsbild und Ausdrucksformen
Text und Bild
„Es ist überraschend und bezeichnend zugleich, dass bisher [1998] nur wenige
brauchbare wissenschaftliche Arbeiten über Texte und Musik des Heavy Rock
veröffentlicht wurden. Die wenigen schriftlichen Zeugnisse der Auseinandersetzung mit
diesem Genre sind meist von zwei Sachverhalten gekennzeichnet: Entweder werden
die Texte sowie die dazugehörige Musik nicht als künstlerischer Ausdruck oder gar als
Auseinandersetzung
mit
sozialen
Verhältnissen
ernst
genommen,
oder
die
entsprechenden Autoren verfolgen mit ihren Veröffentlichungen gesellschaftspolitische
Ziele.“264 Die Vielfalt der wissenschaftlichen Werke, die sich explizit auf die Analyse der
Bild- und Textbotschaften des Metal beziehen, ist nach wie vor nicht überwältigend.
Sieht man sich jedoch die wissenschafttliche Arbeiten (im besonderen Diplomarbeiten
254
Gegründet 1994, Sogndal, Norwegen, www.windir.no, 2011.
Gegründet 1996, Chambéry, Frankreich, www.himinbjorg.fr, 2011.
256
Gegründet 1992, Bergen, Norwegen, www.helheim.com, 2011. Nicht zu verwechseln mit der
gleichnamigen NSBM/Industrial Band.
257
Gegründet 1995, Stockholm, Schweden, www.thyrfing.com, 2011.
258
Gegründet 1995 (urspr. als „Antikrist“), Norrtälje, Schweden, www.manegarmsweden.com, 2011.
259
Gegründet 1995, Sundsvall, Schweden, www.myspace.com/trueodhinn, 2011.
260
Gegründet 1993, Mjölby, Schweden, http://www.myspace.com/mithotyn, 2011.
261
Gegründet 1989, Island, www.facebook.com/OfficialFalkenbach, 2011.
262
Gegründet 1994, Reykjavík, Island, www.solstafir.net, 2011.
263
Gegründet 1998, Kopenhagen, Dänemark, www.myspace.com/tyr1, 2011.
264
Becker,1998, S. 3f.
255
47
und Dissertationen) der letzten Jahre an, wird deutlich, dass Metal öfter als
Untersuchungsgegenstand
auftaucht
und
vor
allem
wesentlich
differenzierter
wahrgenommen wird, was daran liegen könnte, dass viele der Autoren selbst ein
Naheverhältnis zu dieser Musikszene haben. „Metal goes science“, sozusagen.
Besonders interessant im Zusammenhang mit Texten und sprachlichem Ausdruck ist
die Website der Forschungsgruppe der Linguistik an der Bergischen Universität
Wuppertal, die sich mit der Soziosemiotik im Heavy Metal auseinandersetzt, zu
finden unter http://wupperhead.wordpress.com.
Waren in der Anfangszeit (Heavy) Metal Cover vor allem geprägt von heroischen
Darstellungen, Horrorgestalten (z.B. das Maskottchen „Eddie“ von Iron Maiden) und
okkulten Symbolen, so hat sich inzwischen, entsprechend der Erweiterung und
Entfaltung der musikalischen Landschaft, auch hinsichtlich der Bildbotschaften einiges
getan. Jedes Subgenre hat auch in diesem Punkt seine stilistischen Eigenheiten und so
ist inzwischen die gesamte Bandbreite grafischer Kunst auf Metal Covern zu finden.
Bei einem großen Teil der vertriebenen Medien ist, wenig verwunderlich, nach wie vor
der Hang zu düsteren oder/und martialischen Motiven deutlich spürbar. In der
Metalszene erlebt das Vinyl erneut Aufschwung – nicht zuletzt auf Grund der
ausdrucksstark gestalteten Plattenhüllen, die in diesem Format besser betrachtbar sind
als die „Miniaturen“ die CDs zieren. „Das lebhafte Interesse der Metalmusiker an
tabuisierten
Themen
gesellschaftlichen
verschafft
Diskurs,
führt
ihnen
jedoch
eine
in
gewisse
Fällen
der
Aufmerksamkeit
im
Zensur
zur
häufig
Marginalisierung und Ausgrenzung.“265
Eine interessante Entwicklung ist die unterschiedliche Gestaltung von Covern für den
deutschen
und
den
internationalen
Markt.266
Zumeist
waren
nicht
kreative
Überlegungen oder Marketing-Aspekte der Ursprung, sondern Zensur und Indizierung
die dem Jugendschutz dienlich sein sollten. Die Diskussionen über deren Sinnhaftigkeit
sind bis heute nicht abgeebbt und werden vermutlich auch niemals einschlafen.
265
266
www.textem.de/2050.0.html, 2011.
Vgl. Abb. 9-12.
48
Cannibal Corpse – Gallery Of Suicide
Originalversion
Abb. 9
Version für den deutschen Markt
Abb. 10
Sorpions – Virgin Killer
Originalversion
Abb. 11
Version für den deutschen Markt
Abb. 12
49
Bei der Indizierung von Metal Cover stehen politische Gründe hinter Erotik und
Gewalt zurück. „Deren mitunter sexistische Motive huldigen machohaften Idealen von
starken, heldenhaften Männern und spärlich bekleideten Frauen als verfügbare
Lustobjekte einer Männerphantasie, beispielweise das W.A.S.P.-Cover von „Animal –
f..k like a beast“, das T.N.T.-Cover von „Deflorator“ oder „Club Mondo Bizarre“ von
Pungent Stench. Auch eher harmlos anmutende Motive, wie das der LP „Condition
Critical“ der Band Quiet Riot, auf dem sechs Hände ins Bild ragen, die einem auf
einer Krankenbahre festgeschnallten Mann eine Metallmaske anlegen – während ihre
Platte „Metal Health“ kein Ärgernis erregte – stehen, wie die LP „Let them eat metal“
der Band „The Rods“, wo eine Frau in weißen Dessous eine geschälte Banane, in der
sich ein Metalldildo befindet, an ihre Brust drückt, seit Mitte der 1980er Jahre auf dem
Index.“267
Aus welchen Gründen optische Schockeffekte eingesetzt werden ist nur anhand der
jeweiligen Bands bzw. Cover diskutier- und analysierbar.
Ähnlich wie bei der Covergestaltung verhält es sich bei den Texten. Sie konkretisieren
die Emotionen der Musik und liefern Beispiele für das zu vermittelnde Lebensgefühl.268
Nihilistische und hedonistische Grundthemen, Wut über die gedankenlose
Konsumgesellschaft, den „Mainstream“ oder das epische Glorifizieren heroischer
Heldentaten – all das können Zutaten von Metal-Lyrics sein. Wieder ist die
Ausgestaltung stark abhängig vom Subgenre. Patrick Hahn sieht im Aufruf „sich neu
aufzurichten und trotz aller Widerstände gegen das Böse zu kämpfen“269 ein Leitmotiv
im (Heavy) Metal der ersten Stunde. „Gegen Frauenbewegung, Pille und die Schlappe
in Vietnam half offenbar die ostentativ zur Schau getragene maskuline Vitalität, die
ihren Ausdruck z.B. in tiefen Stimmen, blanken, muskulösen Oberkörpern und
größtmöglicher Potenz, also Lautstärke, findet.“270 Einige Gruppen singen z.B. sozial
oder ökologisch engagierte Texte: Die Band Iron Maiden brachte mit „The
267
Pieper 2000, S. 4, www.telos-verlag.de/seiten/musikzensur.pdf, 2010.
Vgl.Feser/Hillebrand, 1998, S. 64.
269
www.nmz.de/online/diva-satanica-eine-konferenz-ueber-heavy-metal-and-gender-an-der-koelnermusikhochschule, 2010.
270
Ebda.
268
50
Trooper“ einen Antikriegssong, mit „2 Minutes to Midnight“ die Schilderung eines
nuklearen Holocausts und mit „Run to the Hills“ eine Absage an den Völkermord an
den Indianern Nordamerikas auf den Markt. Die Gruppe Nevermore271 produzierte
Gesellschaftskritisches wie den Song „Medicated Nation“, der die Methoden der
Pharmaindustrie kritisiert oder die Platte „Enemies of Reality“, deren Texte vom Verfall
der Gesellschaft, vom Streben nach Ruhm, von korrupten Religionen und Eitelkeit
handeln.
Florian Heesch glaubt, dass die Agression in Metaltexten zu selten hinterfragt wird.
„Die abstoßenden Texte, die es da gibt, und die düstere Bildlichkeit sind ja eine
Fiktion, die nicht mir der Wirklichkeit verwechselt werden darf.“272 Auch die Autoren
von „Musik- und Sprachstile“273 sprechen sich für die Verortung der textlichen Inhalte
jenseits einer realen Welt aus. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sind
nicht alle Texte als reine Fiktion anzusehen. Für einen großen Teil der Lyrics dürfte die
Aussage Heeschs aber zutreffen. Vieles in den Texten ist ironisch, sarkastisch und mit
derbem Humor angereichert. Außenstehende sind schockiert, da gerne alles für bare
Münze genommen wird. Eigentlich ist es bei den Texten noch viel unmöglicher eine
allgemeine Aussage zu treffen, als bei Covergestaltungen, da die Bandbreite der
Inhalte und Ausdrucksformen genau so reichhaltig und vielfältig ist, wie das gesamte
musikalische Feld zwischen Schlagermusik und Free-Jazz.
Das Kapitel „Musik- und Sprachstile. HipHop, Heavy Metal und Hard Rock“ der bereits
erwähnten Studie274 analysiert unter anderem Texte der lokalen Gothic Metal Band
Nekros275 und der Band Lithium276 und kommt dabei zu dem Schluss, dass die
alleinige Interpretation des Inhaltes mittels der akustischen Botschaft zu einer
grundlegende Fehldeutung führen kann. Raue Sounds können auch für positive
Gefühle und Aussagen stehen und sind nur durch das Zusammenspiel mit dem Text
erschließbar. Weiters ist eine Diskrepanz zwischen „künstlerischer Aussage“ und dem
271
Gegründet 1991, Seattle, Washington, USA, www.myspace.com/nevermorefans, 2011.
www.zeit.de/kultur/musik/2009-10/metal-gender-kongress, 2010.
273
Vgl. Feser/Hillebrand, S. 80.
274
Vgl. Feser/Hillbrand u.a.
275
Keine Detailinformation, keine Website auffindbar.
276
Keine Detailinformation, keine Website auffindbar.
272
51
tatsächlichen Umsetzen der Botschaften im eigenen Leben durchaus gegeben. Die
Aufgrund der behandelten Inhalte der Band Nekros durchwegs morbid erscheinende
Sichtweise des Lebens kann keinesfalls auf den Alltag der Bandmitglieder übertragen
werden.
Die Schmerzgrenze dessen, was als schockierend oder anrüchig empfunden wird, hat
sich definitiv verändert. Neben „normalen“ Bühnenshows mit den üblichen
szeneeigenen
Stilmitteln
(oft
pyrotechnisch
aufwendig
gestaltet
mit
einem
ausgeklügelten Bühnenbild und energiegelandenen „Choreografien“) sind in einigen
Spielrichtungen des Metal auch Themen wie konkret angewandte physische und
psychische
Gewalt
sowie
Satanismus
zu
finden.
Das
Verspritzen
von
Körperflüssigkeiten von Tier und Mensch oder das Tragen von so genannter corpse
paint („Leichenbemalung“) ist vor allem in der Black Metal Szene beliebt. In den
frühen Neunzigern wurde corpse paint im Black Metal auch vor allem zur Abgrenzung
vom
Death-Metal
Trend
eingesetzt.
Außerdem
verstärkt
die
Schminke
die
Todesthematik. „Heute sehen viele Corpsepaint zu unreifem Kitsch entartet; so
beschweren sich in jüngerer Zeit einige „Puristen“ der Szene, Corpsepaint büße seinen
früheren Wert ein, da es immer mehr zur Mode verkomme; so merkt Azter von der
dänischen Band Denial of God277 an, zu viele Musiker würden es verwenden, ohne
zu wissen warum und dass sie es nicht als Corpsepaint bezeichnen sollten, wenn sie
damit nicht wie Leichen aussehen.“278
Mayhem und Gwar279 machten sich mit der Präsentation von Tierkadavern und dem
Verschütten von (künstlichem) Blut einen Namen. Die Gewalt wird dargestellt, sie soll
allerdings als Provokation verstanden und nicht als Aufforderung zu entsprechenden
Aktionen gedeutet werden. Auch die Musikinstrumente werden im Metal, ähnlich wie
in anderen Musikrichtungen, in die Bühnenshows mit ihrer eigenen Bedeutung
miteinbezogen, als mystische Heilsbringer, magische Zauberschwerter und auch als
phallische Symbole.
277
Gegründet 1991, Dänemark, www.denialofgod.net, 2011.
http://de.wikipedia.org/wiki/Corpsepaint, 2010.
279
Gegründet 1985, USA, www.gwar.net, 2010.
278
52
Die Adaption von Symbolen verschiedenster Kulturkreise ist im Metal beliebt. Aufgrund
der inhaltlichen Auseinandersetzung des jeweiligen Subgenres bzw. deren Herkunft
sind folgende als besonders relevant anzusehen:
Pentagramm
Dieser inzwischen wohl, buchstäblich wie wortwörtlich, jedem Kind bekannte
fünfzackige (pentá: griechisch für „fünf“; gramma: Strich/Linie) Stern gehört zu den
ältesten in der Metalwelt inflationär verbreiteten Symbolen, was, hat man das Kapitel
über die Wurzeln und Entstehungsgeschichte aufmerksam gelesen, kaum verwundert.
Das Pentagramm ist ein altes, kulturgeschichtlich vielschichtig verwurzeltes Zeichen,
das zumeist dem Schutz seines Trägers bzw. seines unmittelbaren Umfeldes dient.
Sieht man etwas genauer hin, fällt auf, dass es sich bei dem in der Schwarzen Szene
verwendeten Zeichen zumeist um ein umgekehrtes Pentagramm, auch als Drudenfuß
oder Alpfuß bezeichnet, handelt.
Pentagramm/Drudenfuß
Logo der Church of Satan
Abb. 13-16
Auch diese Version des Pentagramms symbolisiert an sich Schutz. Der Okkultismus
vereinnahmte das invertierte Pentagramm als Zeichen des Satan. Als „Siegel des
Baphomet“ wird der mit einem Ziegenkopf ausgefüllte und von hebräischen Lettern
umgebene
Drudenfuß
von
LaVey
als
Zeichen
der
Church
of
Satan280
übernommen.281
280
281
Siehe dazu Kapitel „LaVeys Satanismus“.
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Drudenfuß_(Symbol), 2011.
53
In szeneeigenen Internetforen erwachsen immer wieder brennende und oft
haarsträubende Diskussionen darum, welche Zeichen denn nun tatsächlich die
guten/bösen, hellen/dunklen, abwehrenden/anrufenden, linksdrehend/rechtsdrehend,
etc. sind.
Mjölnir
Der Hammer „Mjölnir“ ist die magische Waffe
des germanischen Gottes Thor. Seine Geschichte
wird in der Edda282 beschrieben. Es werden
sowohl kunstvolle Repliken, als auch moderne
Neugestaltungen des Thorshammers getragen.
Dieses Symbol erfreut sich in der gesamten
Schwarzen Szene größter Beliebtheit und steht für
Stärke und Tatkraft.283 „Zahlreiche Menschen,
Abb. 17
insbesondere in Skandinavien und Norddeutschland, tragen Thorshämmer allerdings
auch als reinen Schmuck ohne religiösen oder ideologischen Symbolgehalt,
abgesehen von einer Verbundenheit mit nordischer bzw. skandinavischer Kultur und
Geschichte und Interesse an der Wikingerzeit. […] Als legal verwendbares
„germanisches“ Symbol hat in jüngerer Zeit auch die rechtsextreme Szene den
Thorshammer für sich entdeckt. Aus diesem Grunde wird er immer häufiger auch in
Listen rechtsextremer Symbole und Zeichen geführt.“284
Weiters werden gerne verschiedene Runen (germanische Schriftzeichen) getragen
bzw. als Artwork auf Covern und Textilien verwendet.
Es ist zu beachten, dass gerade das Pentagramm und „Thors Hammer“ inzwischen
teilweise als (bedeutungsarmer) Modeschmuck getragen werden. Im Sonderdruck der
282
Als Edda werden zwei verschiedene auf Altisländisch verfasste literarische Werke bezeichnet, Siehe
dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Edda, 2011.
283
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Mjölnir, 19.04.2011.
284
Ebda.
54
LOGO ESO.INFO „Rechte Symbole, Codes, Slogans und Kleidung“285 werden eine
Vielzahl von Symbolen erläutert, die dem politisch äußerst rechten Rand der Rock- und
Metal Szene zugeordnet werden können. Interessant zum Nachschlagen ist auch die
Broschüre „Das Versteckspiel“286, die sowohl als Druckausgabe287 bestellt, als auch
online gelesen werden kann.
„Rechte Symbole, Codes, Slogans und Kleidung“
erhältlich auf www.logo.at.
Outfit und Accessoires
Das (Klischee-)Bild des 80er-Jahre Metalfans (männlich, weiß, Arbeiter) manifestierte
sich auch in der Kleidung der Musiker und ihrer Anhänger. Die Anhänger des Metal
waren in den Anfangszeiten „rein optisch sehr deutlich im Straßenbild erkennbar.
Nach außen hin wurde ein visuell stark ausgeprägtes Image gepflegt.“288 Während es
in der Anfangszeit des Metal keine spezielle „Tracht“ gab und verschiedene Stile
möglich waren, wenn auch Black Sabbath bereits ganz in Schwarz auftraten – so kam
Ende der siebziger Jahre, im Gefolge von Judas Priest, dann das schwarze Leder als
Symbol von männlichem Körperkult, Härte und musikalischer Kompromisslosigkeit
auf. Dazu wurden die langen Haare praktisch verpflichtend. Einzelne Bandmitglieder
trugen T-Shirts anderer Bands, um so den solidarischen Geist der Metal-Community
zu zeigen. „Heavy Metal plakatiert seine Zugehörigkeit zur Sphäre der Subkulturen,
der club cultures.289 Pathos und Provokation, Pole übersteigerten Ausdrucks einer
Abweichung vom goldenen Mittelmaß, einer imaginierten gesellschaftlichen Mitte.“290
Die vielzitierte Kutte (vermutlich herrührend vom engl. „cut-off“, was sich auf die
abgeschnittenen Ärmel bezieht) ist wohl ein Kleidungsstück der Metaller (aber nicht
285
Mikusch/Schweidlenka, Rechte Symbole, 2011.
www.dasversteckspiel.de
287
www.dasversteckspiel.de/Broschuere.html, 2011.
288
www.textem.de/2050.0.html, 2011.
289
Siehe dazu: Thornton, 1996.
290
www.textem.de/2050.0.html, 2011.
286
55
nur!) der allerersten Stunde und dürfte aus der Biker- bzw. Rocker-Szene übernommen
worden sein. Darunter versteht man für gewöhnlich eine Jeans- oder Lederweste die
mit Aufnähern (Patches) verziert ist. Patches gibt es vom kunstvoll gestickten
Einzelstück bis hin zur gedruckten Massenware. Für einige ist die Kutte eine mit
Respekt zu behandelnde, die persönliche (Fan)-Geschichte erzählende „Reliquie“, die
z.B. nicht gewaschen werden darf oder von der niemals Aufnäher entfernt werden
dürfen. Dieses Ausstattungsstück wird nicht (mehr) in der gesamten Szene verwendet.
Ende der achtziger Jahre brachen US-Metal-Bands das schwarze Kleidungsmonopol.
Sie griffen die Showtraditionen mit dem dazugehörigen Glitter auf. In den neunziger
Jahren, mit dem Crossover, weichten die Stile vollständig auf. Outfit-Mischformen
erschienen, produziert von einer regen Modeindustrie. Symbole und Slogans vieler
rebellierender Jugendkulturen seit 1945 sind seitdem am Markt erhältlich und werden
gerne gekauft.
Ein tendenzieller Hang zu schwarzer Kleidung ist nach wie vor nicht abzustreiten,
deshalb aber noch lange nicht „verpflichtend“. Alle „traditionellen“ Accessoires und
Styles der ersten Stunde, egal ob Lederkluften, Nieten oder Patronengurte, alles
existiert noch in dem einen oder andern Genre. Gerne getragen werden auch Textilien
und Schuhe im Military Look – Camouflage-Hosen, Militärstiefel und diverse
Ausrüstungsgegenstände, was vor allem auf Festivals durchaus auch praktischen
Erwägungen entspringen kann.
T-Shirts, Longsleeves und Kapuzenpullover – mit Band-Motiv, (Celtic)
Knotwork oder Tribal werden gerne und oft getragen.
Neben all diesen möglichen „Erkennungszeichen“ gibt es aber eine große Anzahl von
Metalfans, die jegliche Form der Uniformierung ablehnen. Die Motivationen dafür
sind unterschiedlich.
56
Zu Beginn wie heute sorgen Magazine (z.B. DarkScene291, Metal Hammer292, Rock
Hard293, Schwermetall294, Stormbringer295) für Szene-Information und CommunityFeeling. Nicht unterschätzt werden darf auch die Wertigkeit von einschlägigen
Festivals, die nicht selten Wochenend- und Urlaubsplanung der Fans dominieren.
Immer wieder spannend zu lesen und ein deutliches Zeichen dafür, dass einen
Metalhead mehr ausmacht, als sich die „richtigen“ Klamotten zu kaufen sind
Diskussionen die seit geraumer Zeit in Internetforen geführt werden. Beispielhalber
werden nachfolgend
Diskussionsausschnitte aus dem Online-Forum eines
deutschen Metal Magazins und einer populären „Frage- & Antwort-Seite“296
abgebildet. Bezeichnend ist in beiden Fällen, dass eine vermutlich sehr junge
szenefremde Person versucht, quasi „Mitglied“ der Metal Szene zu werden, in dem sie
sich „entsprechend“ kleidet. In beiden Foren folgen, neben ironischen Kommentaren
in Wort und Bild, in erster Linie Ratschläge zu sich selbst zu stehen und die Musik und
nicht „Outfitklischees“ als wesentlich zu betrachten, als Reaktion (siehe nächste Seiten).
291
www.darkscene.at, 2011.
www.metal-hammer.de, 2011.
293
www.rockhard.de, 2011.
294
www.schwermetall.ch, 2011.
295
www.stormbringer.at, 2011.
296
www.gutefrage.net, 2011.
292
57
MetalHammer-Forum:
58
59
Gutefrage.net
60
Der Körper als Ausdrucksmittel
Ronnie James Dio297, 1979–1983 und 1991–1992 Sänger von Black Sabbath,
nahm für sich in Anspruch, den unter Metalheads weit verbreiteten Teufelsgruß298,
mit abgespreizten Daumen, Zeige- und kleinem Finger, in die Szene eingebracht zu
haben. Er soll das Zeichen von seiner Großmutter übernommen haben. Als „Erfinder“
sah sich fast zeitgleich auch Gene Simmons299, Bassist der Band Kiss. Tatsächlich
dürfte es sich ursprünglich (unter Anderem!) um eine Geste gegen den bösen Blick300
gehandelt haben. Die älteste bekannte Darstellung wurde auf etruskischen
Grabsteinen
gefunden.301
„Pommesgabel“
Wer
bezeichnete,
dieses,
in
Deutschland
„Erkennungszeichen“
auch
tatsächlich
liebevoll
in
die
als
Szene
eingebracht hat, ist wohl nicht mehr eindeutig nachvollziehbar.
Große Verwechslungsgefahr besteht mit dem Zeichen der amerikanischen
Gebärdensprache für „I love you“ und dem Handzeichen der grauen Wölfe302,
das durch vorgestreckten Zeige- und kleinen Finger die Ohren und mit den übrigen
Fingern die Schnauze eines Wolfes symbolisieren soll.
Mano Cornuta
Abb. 18
„I L Y“ – I love you
Abb. 19
297
*1942 in New Hampshire; bürgerlicher Name: Ronald James Padavona.
Auch Mano Cornuta (ital. „gehörnte Hand“), Devils horns, Metal Fork.
299
*1949 in Haifa, Israel, bürgerlicher Name: Chaim Witz.
300
Zu den vielfältigen Bedeutungs- und Verwendungsmöglichkeiten der „Mano Cornuta“ siehe:
http://de.wikipedia.org/wiki/Mano_cornuta, 2010.
301
Hall,1997, S. 359.
302
Mitglieder der rechtsextremen türkischen Partei der Nationalistischen Bewegung.
298
61
Als
szenetypisch
gilt
das
sogenannte
headbangen, ursprünglich wohl eine Art
unbewusste
amsterdamer
Trancetechnik,
Hippiekreisen
die
bereits
der
in
späten
sechziger Jahre praktiziert wurde. Der Kopf
wird
im
Takt
der
Musik
schnell
vorwärts/rückwärts bzw. seitwärts oder in
Kreis- und Achterform bewegt, wofür es
regional unterschiedlich eigene Bezeichnungen
gibt.
Abb. 20
Um einiges riskanter ist das sogenannte stagediven, das auch in vielen anderen
Musikrichtungen üblich ist. Dabei springen Personen von der Bühne ins Publikum, was
zumeist im crowdsurfen303, also dem überkopf von der Menge vor der Bühne
weitergereicht werden, mündet. Stagediven und crowdsurfen ist bei vielen Konzerten
und Festivals aus Sicherheitsgründen verboten.
Eine weitere Variante des körperlichen Ausdrucks
vor der Bühne ist der moshpit. Die im Regelfall
nahe vor der Bühne stehenden Fans bilden
spontan einen „pit“ (Kessel, Grube) in dem in
enger Formation vehement „gemosht“ wird.
„Beim Moshen bilden die Tänzer einen Pulk und
schubsen sich gegenseitig durch die Gegend,
wobei sich die Tänzer jedoch nur an Armen und
Schultern gegenseitig abstoßen und üblicherweise
nicht hart zuschlagen.“304 Variationen davon sind
der circle pit, bei dem im Kreis gelaufen wird,
und die wall of death, die meist von den
303
304
Siehe dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Crowd_surfing, 2010.
http://de.wikipedia.org/wiki/Moshen, 2011.
62
circle pit
Abb. 21
Musikern der spielenden Band angesagt wird. Hierbei stehen sich zwei Gruppen des
Publikums gegenüber und stürmen auf ein Signal hin aufeinander los.
Über die genauen Unterschiede zwischen bangen, moshen, pogen, wrecken und
dergleichen wird laufend diskutiert.
Obgleich diese „Tanzformen“ gewalttätig wirken, kommt es nur in Ausnahmefällen zu
ernsthaften Verletzungen. Auf Schwächere wird Rücksicht genommen, ist jemand
gestürzt, hilft man dieser Person sofort auf und schafft sie aus der „Gefahrenzone“.
So führt die Musik in Zusammenhang mit der körperlichen Bewegung zur Befreiung
aufgestauter Wut und Aggression, die Fans geraten in einen Zustand jenseits von
Schmerz oder Erschöpfung, sie gehen in der Massenekstase auf und transzendieren
zeitweise ihr Ich; ein von Rockkonzerten gut bekanntes Phänomen, das zumindest
ansatzweise mit schamanistischen Ekstasepraktiken und -zuständen verglichen werden
kann. Die Sehnsucht nach einer „unio mystica“305 ist tief im Menschen verwurzelt und
hat Aufklärung und Industrialisierung offenbar heil überstanden, wenngleich der
Mystiker der Vergangenheit und der headbanger des Metal in verschiedenen
kulturellen Zusammenhängen stehen. Nur wenige Metal-Musiker und -Fans
konsumieren harte Drogen, um das Metalerleben noch zu steigern, eine zunehmende
Zahl von Metalheads lehnt Drogen jeder Art ab.
Die
fortschreitende
Industrialisierung,
Durchrationalisierung
und
Kommerzialisierung aller Lebensbereiche führt zu einem Verlangen nach einer
„starken“ Musik, die man körperlich spüren kann, bei der Aggressionen, Frustrationen
und das Gefühl des Eingekerkertseins in triste, unveränderbare Arbeitsverhältnisse
abgebaut werden können. Metal war in den Anfängen eine Musik für Rebellen, die
von parteipolitischem Engagement oder dem Hippieaussteigertum wenig hielten. Ihr
Frust wurde bei Konzerten abgebaut, gleichzeitig erfolgte ein Sicherheitsgefühl, das
die „Community“ gewährte. Insider betonten, dass die zwanghafte Normalität unserer
neoliberalistischen Arbeitswelt in Wirklichkeit den Horrorszenarien der Metaltexte
gleichzusetzen sei. Werwolf und Vampir würden zu Chefs, Politkern, Lehrern etc. In
305
Eigentlich ein Begriff der (christlichen) Mystik; „Einswerdung“ (mit Gott).
63
Musik und Texten wird der alltägliche Horror in eine magisch-phantasievolle Kunstwelt
übertragen und dort in Form szeneeigener Rituale verarbeitet und abreagiert. Das
Eintauchen in Todesangst und Horror verschaffe so nebenbei auch den heiß
begehrten „Adrenalinkick“. Provokation und Kritik sollen die strukturelle Gewalt
unserer neoliberalen Gesellschaft bewusst machen. Musiker und Fans sprechen
hierbei oft von einem kathartischen Erleben. Daher ist es auch durchaus verständlich
und einleuchtend, dass sich der Großteil der Metal-Fans im Kontrast zu den
gesungenen Texten und den Bühnenshows für Frieden, soziale Gerechtigkeit und
Gewaltfreiheit ausspricht. „Heavy Metal ist ein kulturelles Phänomen der
technischen Welt, er reflektiert das Maschinenzeitalter, die unerbittliche Rhythmik und
Lautstärke, der die Menschen in ihrer Umwelt ausgeliefert sind. Heavy Metal ist
zugleich eine emotionale, kraftvolle Musik, der ein gutes Stück Rebellion innewohnt. 306
Werden als Möglichkeit der individuellen Abgrenzung erdachte Systeme
polularisiert wie es mit einigen zum Mainstream erhobenen Bands und Strömungen im
Metal passiert ist, „setzt sich ein Verfremdungsprozeß in Gang. Historisch schlug sich
das im Heavy Metal meist in der zunehmenden akustischen wie auch ideologischen
Radikalisierung nieder.“307
2.4 Verbreitung des Metal - Zusammensetzung der Musiker und
Fans
Wie im musikgeschichtlichen Kapitel ausgeführt, hat die Szene ihre Ursprünge in den
USA und Mittel- bzw. Nordeuropa. Wesentliche Einflüsse kamen später auch aus
Südamerika und Asien (vor allem Japan). Inzwischen ist Metal eine weltweit
wirkende
kulturelle
Bewegung,
die
Weiterentwicklung befindet.
306
307
Bettina Roccor, 1998, S. 136.
www.textem.de/2050.0.html#c3118, 2011.
64
sich
fortlaufend
in
Wachstum
und
Für die Fans gibt es zwei wichtige Komponenten: An allererster Stelle steht
unverrückbar die Musik. An zweiter die Gemeinschaft. Die Vernetzung der Fans
funktioniert, abgesehen vom Kontakt bei Konzerten, Festivals und Plattenbörsen vor
allem über Internet-Foren. Für den metallischen Reisenden gibt es Websites mit
Hinweisen auf einschlägige Bars und Geschäfte, wie z.B. den „Metal Travel Guide“308.
Wie die meisten Services in der Welt des Metal, ist auch dieses durch Fan-Initiative
entstanden und nicht kommerziell orientiert.
Abb. 22
Nicht nur die berühmten internationalen Musikgruppen sind wichtig. Gerade Metal
lebt vor allem auch durch regionale Bands, denen in Jugendzentren und ähnlichen
Einrichtungen eine Chance gegeben wird aufzutreten. Wichtig ist den (meisten) Fans,
dass die Musiker „echt“ sind. Das heißt, dass sie sich nicht (vorrangig) nach
kommerziellen Vorgaben des kapitalistischen Musikbusiness richten, ihre Musik leben
und die Szene (die Fans) wertschätzen. Zum Ehrenkodex der Musikgruppen gehört es,
mit dem gleichen Einsatz sowohl für 20 als auch für 20.000 Fans zu spielen.
„You can't be something you're not!”
Pantera/Walk
Durch eigene Contests für Nachwuchsbands (in Österreich z.B. „WOA-MetalBattle“309, „Metalchamp“310 und „Rock the Nation Award“311) ist es vielen kleinen
308
www.metaltravelguide.com
www.metal-battle.com
310
www.metalchamp.com
311
www.myspace.com/RTNAWARD
309
65
Formationen möglich auf großen Festivals vor einem internationalen Publikum zu
spielen.
Metal ist die Musikrichtung einer Minderheit, die diese auch sein will. Es findet aber
seit ca. Ende der 90er Jahre erneut312 eine nicht überall in der Szene gern gesehene
Öffnung zum Mainstream statt, die enormen Zulauf, v.a. bei jungen Hörern
verzeichnet. Anschauliche Belege dafür sind Line Up und Besucherzahlen großer
Musikfestivals (in Österreich z.B. „Nova Rock“, Deutschland z.B. „Rock am
Ring/Rock im Park“) auf denen immer mehr „metallisches“ verschiedenster Couleur
einzug hält.
Ursprünglich war Metal für eine weiße, aus der Unterschicht stammende männliche
Hörerschaft konzipiert. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Metal an sich
rassistisch geprägt ist. Inzwischen gestaltet sich die Szene – natürlich je nach Subgenre
– vielschichtig und offen. Sowohl unter den Musikern, als auch den Fans sind
Menschen aller Nationen und sozialen Schichten vertreten. Beispiele dafür sind Bands
wie Abaddon313, Blasphemy314, Chthonic315, District Unknown316, Killswitch
Engage317, Nevercell318 und Suffocation (USA, afro-amerikanischer Schlagzeuger).
Ein gutes Bild der weltweiten Verbreitung und kulturellen Wandlung des Metal zeichnet
„Global Metal“319, eine bereits erwähnte Dokumentation des kanadischen
Kulturanthropologen Sam Dunn und des Filmreporters Scot McFayden. Metal hat sich
inzwischen weltweit verbreitet und ist von den unterschiedlichsten Kulturräumen
geprägt, bereichert und erweitert worden. Neben Global Metal beschäftigt sich eine
inzwischen beachtliche Zahl filmischer Aufarbeitungen wie „Heavy Metal in
312
Die erste „Kommerzwelle” erfaßte den Metal laut Kommentaren in einschlägigen Online Foren
bereits Mitte der 80er Jahre. Dann war die Szene für einige Zeit totgesagt.
313
Gegründet 2004, Chaguanas, Trinidad and Tobago, www.myspace.com/abaddontt, 2011. Nicht zu
verwechseln mit „Abbadon” aus Deutschland.
314
Gegründet 1984, Burnaby, Kanada, keine Website auffindbar. Afro-kanadischer Gitarrist.
315
Gegründet 1995, Taipei, Taiwan, www.chthonic.tw, 2011.
316
Afghanistan, erste afghanische Metal Band! Keine weiteren Infos auffindbar. Siehe dazu:
http://news.orf.at/stories/2003561/2003587, 2011.
317
Gegründet 1999, Westfield, Massachusetts, USA, www.killswitchengage.com, 2011. Afroamerikanischer Sänger.
318
Gegründet 2000, Dubai, Vereinigten Arabischen Emirate, www.nervecell.net, 2011.
319
Dunn / McFayden: Global Metal, Universal Pictures Germany GmbH, 2007.
66
Baghdad“320 und „Heavy Metal. Louder than Life“321 mit den Konsequenzen
dieser Entwicklung. „Heavy Metal ist eine internationale musikzentrierte Teilkultur“322
aber auch eine dezitierte „Außenseiterkultur, was zu einem engeren Zusammenschluß
der Fans untereinander führt“323 als dies in vielen musikbeeinflußten Szenen üblich
ist.324
„From Brazil to Ghana, and in upwards of 150 countries in between, the music
has grown continuously during the last twenty years, adding local musical, lyrical
and fashion elements while remaining true to the hardcore, anti-authoritarian,
do-it-yourself attitude that first made it popular in the United Kingdom and the
United States almost two generations ago.”325
Zensur ist im Metal seit seinen Ursprüngen ein wichtiges Thema. Äusserst interessant
ist die Aufarbeitung von Mark Levin „Headbanging against repressive regimes.
Heavy metal in the Middle East, North Africa, Southeast Asia and China“326 die über
das Portal Freemuse327 kostenlos verfügbar ist. Im Mittleren Osten und Nordafrika
zum Beispiel haben Anhänger des Metal kaum eine Chance sich gegen die
repressiven Vorstellungen von Liberalisieung und Demokratisierung durchzusetzen.328
Setzten sich die Fans des Heavy Metal früher vornehmlich aus Mitgliedern der
Arbeiterklasse zusammen, gibt es heute kaum eine soziale Schicht oder
Bildungsstufe in der keine Metalheads zu finden sind. Gerade in Ländern, in denen
um Demokratie und (künstlerische) Freiheit gerungen werden muss, finden sich die
Metal Musiker und eine große Zahl der Metalfans in Akademikerkreisen.
320
Alvi / Moretti: Heavy Metal in Baghdad, Vbs Iptv LLC, 2007.
Carruthers: Heavy Metal: Louder Than Life, Metropolis, 2006.
322
Roccor, 1998, S. 135.
323
Roccor, 1998, S. 136.
324
Im Anhang unter „Weiterführende Medien“ befindet sich eine ausführliche Auflistung von
verschiedensten Film-Dokumentationen zum Thema!
325
LeVine, 2010. S. 9.
326
www.freemuse.org/sw36408.asp, 2011.
327
www.freemuse.org, 2011.
328
Vgl. Levin, 2010, S. 17.
321
67
„In many cultures, members of the metal and related scenes – and especially
musicians – function as “organic intellectuals;” their comparatively high level of
education and political awareness – a large share of artists and fans are college
students or graduates, many artists have backgrounds as doctors, lawyers, MBAs
or PhDs – provide them with the skills not merely to express the frustrations of the
larger mass of their societies, but to offer examples of how to resist, however
surreptitiously, government and corporate control.”329
Es gibt keine gemeinsame politische Ideologie. Florian Heersch wirft in einem
Interview mit der „Zeit“ auf, dass in der internationalen Szene politische Inhalte
wesentlich öfter anzutreffen sind, als in der deutschen. „Hier geht es allein um Musik,
wer politische Inhalte gleich welcher Richtung transportieren will, bekommt
Schwierigkeiten.“330
Im Rahmen dieser Broschüre wird im Kapitel „Zum Nazivorwurf und zum NS-Kult im
Metal“ im speziellen auf die Gefahren der Unterwanderung durch rechtsradikale
Interessensgemeinschaften eingegangen.
In diesem Zusammenhang lesenswert ist auch die Fachbroschüre „Wer fürchtet
sich vorm weißen Mann?!“ erhältlich auf www.logo.at.
Das körperliche Erscheinungsbild der Fans spielt in Metal-Kreisen im Großen und
Ganzen insofern kaum eine Rolle, als dass Menschen mit Behinderung oder stark
übergewichtige Personen weder ausgegrenzt noch gemobbt werden.
329
330
LeVin, 2010, S.19.
www.zeit.de/kultur/musik/2009-10/metal-gender-kongress, 2010.
68
2.5 Frauen im Metal
Die Position der Frau im Metal hat sich ab Anfag der neunziger Jahre stark gewandelt.
In der Fangemeinde wie auf der Bühne scheinen zwar nach wie vor die Männer das
Feld zu dominieren, der Anteil an Frauen ist aber in den letzten Jahren – sowohl auf
ausübender als auch auf konsumierender Seite – markant gestiegen. Unter den
Musikern ist das Vordringen in bis dato klar männliche Domänen (Gitarren,
Schlagzeug) für Frauen immer noch untypisch; „ihre Rolle beschränkt sich [dann] in
der Regel auf den Gesang.“331
Das Thema „Frauen im Metal“ bzw. „Gender und Metal“ ist immer öfter auch im
Fokus wissenschaftlicher Diskurse. Im Oktober 2009 fand beispielsweise ein
vielbeachteter internationaler Kongress zum Thema „Heavy Metal und Gender“ in
Köln statt, der von Deena Weinstein, die 1991 mit ihrer „Kultursoziologie des Heavy
Metal“ eines der ersten wissenschaftlichen Bücher zum Thema verfasst hat, eröffnet
wurde.
Weinstein zufolge erklärt sich der ursprünglich vorherrschende „Männlichkeitskult“ im
Metal durch einen Versuch der Kompensation des männlichen Machtverlustes z.B.
angesichts der Frauenbewegung und ihrer „Begleiterscheinungen“. René Molnar,
der Leiter des Grazer Jugendkulturzentrums Explosiv, führt die ursprüngliche
Mehrheit männlicher Hörer und Musiker darauf zurück, dass Metal sehr viel mit
Rebellion zu tun hat. Frauen wären nicht aktiv ausgegrenzt worden, das offene
Rebellieren sei den „Mädels“ in dieser Zeit weniger eigen gewesen, weswegen viele
eher zu Disco332 als zu Metal tendierten. Molnar macht die konservative Erziehung und
den Zeigeist für die ursprüngliche Unterrepräsentanz der Frauen im Metal
verantwortlich. Heute sind laut MMag.a Susanne Sackl, die an der Fertigstellung
ihres Dissertationsprojektes zum Thema Geschlechterbilder im Heavy Metal arbeitet,
bei vielen Bands Männer und Frauen im Publikum annähernd gleich verteilt.
331
332
Altrogge, 2001.
Stilrichtung der Popmusik, die Mitte der 70er Jahre zu einem eigenen Genre wurde.
69
Die Musikwissenschaftlerin Sarah Chaker333 schätzt laut UNISpiegel in ihrer
Dissertation „Black und Death Metal. Der Sound. Der Markt. Die Szene.“ den Anteil
weiblicher Fans in den genannten Subgenres auf ca. 15%. Ihnen würden hier die
Identifikationsfiguren fehlen.334
Aus einem Bericht zum eingangs erwähnten Kongress „Heavy Metal and Gender“ geht
hervor, dass die unterschiedlichen Berachtungsweisen sehr stark vom Genre bzw. dem
geographischen Gebiet und dessen gesellschaftlichen Struktur abhängig sind. So gibt
es z.B. gerade in der Türkei eine hohe Anzahl weiblicher Metal Musiker und Dr. Pierre
Hecker, wissenschaftlicher Mitarbeiter am „Centrum für Nah- und Mittelost-Studien
der Philipps-Universität Marburg“, sieht „die türkische Metal-Szene bei aller
patriarchalen Widersprüchlichkeit als einen möglichen Fluchtort säkularer Frauen“.335
Inhaltlich sind Frauenfiguren im Metal häufiger anzutreffen. Ob posierend auf
Plattencovern oder als zu rettende Maid in Songtexten – das zu Beginn der
Bewegung
kolportiere
Frauenbild
dürfte
ebenfalls
mit
der
von
Weinstein
beschriebenen Kompensationsbedürftigkeit zusammenhängen. Inzwischen scheint sich
aber, natürlich je nach Genre, auch das relativiert zu haben. „Es kursieren diverse
Frauenbilder im Metal, die erst nach und nach eine Reevaluation erfahren.“336 Im
Vortrag „Women and Moral Degradation in Jamrud’s Songs” sprach Muria Endah
Sokowati aus Indonesien über die ebenfalls indonesische Metalformation Jamrud337,
die das Übernehmen des westlichen, nicht ihrer Tradition entsprechenden,
Frauenbildes in die indonesische Kultur als moralischen Werteverfall kategorisieren.338
333
Sie trägt den klingenden Spitznamen „Frau Doktor Death Metal“.
vgl. www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,608101-2,00.html, 2010.
335
Elflein, 2009, S. 2.
336
http://www.textem.de/2050.0.html, 2011.
337
Gegründet 1989 (urspr. als „Jam Rock“), Cimahi, West Java, Indonesien. Keine Website auffindbar.
338
Elflein, 2009, S. 3.
334
70
(Hard)Rock und Metalbands in denen Frauen bedeutend sind/waren:
Name
Frauenanteil
Arch Enemy
Sängerin
Arkona
Gründung
Land
Stil
1996
Schweden
Melodic Death M.
Sängerin
2002
Russland
Folk/Pagan Metal
Draim STH
alle
1993
Schweden
Grunge/Heavy Metal
Girlschool
alle
1978
GB
NWoBHM
Holy Moses
Sängerin
1980
Deutschland Thrash Metal
Ice Age
alle
1985
Schweden
Thrash Metal
Kittie
alle
1996
Kanada
Nu Metal
Nightwish
Sängerin
1996
Finland
Symphonic Metal
Phantom Blue
Sängerin
1987
USA
Heavy Metal
Rockbitch
mehrheitlich
1996
USA
Crossover
Rock Goddess
alle
1977
GB
NWoBHM
Warlock
Sängerin
1982
Deutschland Heavy Metal
Vixen
alle
1980
USA
Hard Rock
The Donnas
alle
1993
USA
Rock/Punk Rock
The Gathering
Sängerin
1989
Niederland
Death/Doom M.
e
The Great Kat
Söngerin/Gitarristi
1986
USA
Speed Metal
n
The Runnaways
alle
1975
USA
Hard Rock/Punk
shEver
alle
2004
Schweiz
Doom Metal
Die Webseite www.metaladies.com listet ausschließlich Frauen Metalbands und
www.metalmaidens.com ist „the online zine dedicated to women in metal & rock“.
In Belgien findet 2011 zum neunten Mal das „Metal Female Voice Festival“339
statt, bei dem ausschließlich „female fronted“ Bands auftreten. Ihnen ist auch die Seite
www.femalemetal.com gewidmet.
339
www.metalfemalevoicesfest.be, 2011.
71
2.6 Kritiker des Metal
Musik ist eine Geschmacksfrage worüber sich sprichwörtlich nicht streiten lässt. Die
Themen, mit denen sich Metal befasst und die Motivationen, die hinter dieser Musik
stehen bzw. stehen könnten bescheren allerdings reichlich Material für Diskussionen.
Heute ist Metal ein globales Phänomen das gleichermaßen Fans wie Gegner
mobilisiert hat. Die „long haired music“, wie Metal in Malaysia und China beschrieben
wurde, wurde von den Regierungen beider Staaten verboten. In zahlreichen Ländern
des Mittleren Ostens wurden und werden Musiker und Fans verhaftet und ihnen wird
Teufelsanbetung vorgeworfen.340 In den historischen Ursprungsländern des Heavy
Metal konzentrieren sich die Vorwürfe neben der Nähe zum Satanismus auf die
Verleitung
zum
Suizid
und
das
Verbreiten
von
antidemokratischen,
meist
rechtsextremen Ansichten.
1984 erschien das Buch „Wir wollen nur Deine Seele - Rockszene und
Okkultismus. Daten, Fakten, Hintergründe“, verfasst vom evangelischen
Theologen Hans-Ulrich Bäumer. Es hat im deutschen Sprachraum zahreiche
Neuauflagen erreicht und wurde kostenlos in Schulen verteilt. In einem großen
Rundumschlag betrachtet Bäumer die Rockszene und zeigt viele angebliche oder
tatsächliche Verbindungen einzelner Musiker mit dem okkulten Bereich auf. Seiner
Meinung
nach
verführe
die
Musik
zu
Teufelsanbetung,
Drogenmissbrauch,
Gewalttätigkeit und Selbstmord.
Ein weiterer fanatischer Gegner ist der spanische Jesuit Fernando Salazar Bañol. In
seinem Buch „Die okkulte Seite des Rock“ von 1987 macht er die gesamte
Rockmusik inklusive Elvis Presley für alle Probleme des Planeten verantwortlich. Dazu
gehören neben Satanismus, freier Liebe, Lust an der Sexualität, Homosexualität,
340
Vgl: LeVine, 2010. S. 7.
72
Kriminalität, Rebellion, Anarchie und Ketzerei auch die Verstümmelung von
ungeborenen Kindern im Mutterleib und sogar das Sterben von Zimmerpflanzen.
Übereinstimmend beurteilen diese Bücher die Musik des Metal als einzigen
Negativfaktor in einer ansonsten gesunden Gesellschaft. Die Jugend gilt in ihren
Augen als schwach und leicht verführbar. Nun kann also der Satan, indem er sich der
Metal-Musik bedient, ohne weiteres die leicht verführbare Jugend verderben. Reto
Wehrli, der sich in seiner 2001 erschienen Arbeit „Verteufelter Heavy Metal“ auf
wissenschaftlichem Niveau mit dem Phänomen des Metal befasst, behauptet, dass
dieser in zwei Bereiche einzuteilen sei, in den dionysischen und den chaotischen.
Ersterer stellt die lustvolle Seite des Lebens dar und beschäftigt sich vor allem mit leicht
anrüchigen Themen aus dem sexuell-erotischen Bereich. Der letztere zeigt die harte
Realität des Lebens bis ins Extrem der Ausweglosigkeit und handelt von Wahnsinn,
Lärm, Haß, Gewalt und Tod. Beide Bereiche werden von den Gegnern als vom Teufel
geschickt angesehen.
Zu
diesen
„wissenschaftlichen“
Werken
von
Gegnern
des
Metal
kommen
Bestsellerromane wie z.B. „Rock im Rückwärtsgang“ von Michael Buschmann
(1987) oder „The God of Rock“ von Michael K. Haynes (1982).
Des Weiteren organisieren sich Bürgerinitiativen, die gegen Metal demonstrieren.
1980 kam es zu einer ersten öffentlichen CD-Verbrennung in Iowa, USA und
bereits 1981 zur zweiten. Im vom evangelischen Fundamentalisten Preston Fletcher
geleiteten „Freedom Village“341 (USA) können verschreckte Eltern ihre Metal-FanKids zwangstherapieren lassen. Hier werden diese religiösen Fanatiker durchaus ernst
genommen.
Eine
Behauptung
der
Gegner
betrifft
die
angeblich
versteckten
Rückwärtsbotschaften342 (backward masking), durch die die Metalhörer zu
satanistischer Praxis angeregt würden. Satan habe sich so zum Herrn der Rockmusik
341
342
www.freedomvillageusa.com, 2011.
Siehe dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Rückwärtsbotschaft, 2010.
73
gemacht, mit der er Millionen von Jugendlichen verdirbt. Die Musiker seien nur noch
willenlose Opfer der Hölle, der sie ihre Seelen versprochen haben und dafür im
irdischern Leben Erfolg und Reichtum ernten, was sich derartige Kritiker unter
normalen Umständen bei „dieser Musik“ nicht vorstellen können.
Diese angeblichen Rückwärtsbotschaften werden im Abschnitt „Satan im Metal“ näher
beleuchtet.
Auch mit Prozessen machen die Gegner mobil: Immer wieder lautet die Anklage auf
Mitschuld am Selbstmord von Jugendlichen durch direkte oder versteckte
Aufforderungen dazu.
Ozzy Osbourne stand dreimal wegen seines Songs „Suicide Solution“ vor Gericht,
den drei Jugendliche bei ihrem Selbstmord (zwischen 1984-88) aufgelegt hatten. Das
Lied war ursprünglich für den AC/DC Sänger Bon Scott geschrieben worden, der
1980 an den Folgen seines Alkoholismus verstarb. Osbourne selbst versteht das Lied
als Warnung vor dem langsamen Suizid durch Alkohol und wurde in den oben
genannten Prozessen auf Grund psychiatrischer Gutachten freigesprochen.
1990 wurde die Band Judas Priest angeklagt. Ihr Song „Better by You, better
than Me“ wurde für den Selbstmord zweier Jugendlicher verantwortlich gemacht. Die
angebliche
versteckte
Botschaft
(Do
it!)
wurde
durch
ein
Gutachten
als
atemtechnischer Seufzer entlarvt. So erfolgte auch in diesem Fall ein Freispruch.
Trotz dieser und weiterer haltloser Vorwürfe an die Musik des Metal wurden und
werden schwarzgekleidete Jugendliche, die diese Musik lieben und entsprechende TShirts ihrer Idole tragen, immer wieder ohne Überprüfung der Hintergründe als
Satanisten, manchmal auch als Neonazis diskriminiert.343 Durch solch unqualifizierte
Beschuldigungen können die Jugendlichen aber erst recht zu einer satanistischen
Betätigung getrieben werden.
343
Diese Aussage stützt sich auf Erfahrungswerte aus der Beratungstätigkeit der ESO.INFO.
74
Auch ganze Staaten machten immer wieder gegen die Metalheads mobil. Im
ehemaligen real existierenden Sozialismus galt Metal als subversiv, ja sogar generell
als faschistoid. In Singapur wurden Metal-Fans gezwungen, sich die Haare
abzuschneiden oder bekamen Einreiseverbot. In einigen islamischen Staaten gibt es
für Metalheads ein religiös bedingtes Tätowierungsverbot. Weltweit werden sie in der
bürgerlichen bzw. Boulevard-Presse als arbeitsscheu, gewalttätig und asozial
beschrieben. Sie gelten als geistig etwas minderbemittelt, sollen saufend, grölend und
raufend in Langhaarhorden durch die Städte ziehen und „unschuldige“ Bürger
verschrecken.
Ebenso rümpfte in den Anfängen des Metal die alte Rock-Garde der WoodstockGeneration und die mit ihr verbündeten Magazine verachtungsvoll die Nasen über
Metal. In ihren Augen war er zu proletarisch, zu brutal und wurde als kultureller
„bullshit“, der nichts von political correctness hält, abgetan. Aber auch dieses
vernichtende Urteil konnte den Siegeszug des Metal nicht verhindern. Die TV-MusikSender scheuten zunächst aus Angst um ihren (angeblichen) guten Ruf die
Ausstrahlung von Metal-Clips. Spätestens der kommerzialisierte „Nu Metal“ (auch
„New Metal“) sorgte für eine Trendwende. Neben dem zu dieser Zeit bereits gut
etablierten Format „Headbangers Ball“ auf MTV wurden auch in Programmen des
Masssen-TV-Musiksender „Viva“ metallische Beiträge gebracht.
So wie die Gegner einseitig die negative Seite des Metal darstellen, so tun
es die Befürworter mit der positiven und spiegeln damit manchmal die
schwarz-weiß-Malerei ihrer Kritiker. Sämtliche Strömungen des Metal werden
nur positiv betrachtet, Kritik wird als „spießig“ oder „uninformiert“ ausgeblendet oder
abgekanzelt.
So
weisen
junge
Verteidiger
der
Szene
immer
wieder
eine
Verharmlosung des Satanismus auf. Sie verherrlichen die Thesen von Anton Szandor
LaVey und Aleister Crowley, was teilweise als Reaktion auf die "bürgerliche" Kritik
verstanden werden kann.
75
Ein typisches Anti-Kritiker-Zitat aus der Szene: „Der Hang zu düsteren Themen und
das Schreiben derartiger Texte, auch aus dem okkulten Bereich, waren schon immer
Kritikpunkte der Gesellschaft gegenüber der Metal- und der Gothic-Szene. Schnell
kommt man in den Ruf, Satanist, Kinderschlächter und Friedhofsschänder in einer
Person zu sein. Andererseits sind für diese Gesellschaft Massentierhaltung,
Tierversuche oder Massenabschlachtung und Bombardements Tausender von
Menschen am Fernsehbildschirm total normal.“344
Es gibt aber innerhalb der Szene auch viele kritikfähige Anhänger, die z.B. vehement
gegen die neonazistischen Unterwanderungsversuche vorgehen.
2.6.1 Satan im Metal
Bettina Roccor unterteilt die satanistischen Bezugnahmen im Metal in drei Gruppen:
Dem „Satano Poser“345 geht es um den Coolness-Faktor und das Schockieren seines
(bürgerlich-konservativen) Umfeldes. Das Tragen von Symbolen wie umgekehrten
Kreuzen und dem Drudenfuß ist, oft inhaltlich unreflektiert, Mittel zu Abgrenzung.
Diese „Mode-Satanisten“ bilden die größte Gruppe.
Die zweite Gruppe bilden die gewaltbereiten Satanisten. Hass und Verachtung,
die Gesellschaft und das Christentum betreffend und das Streben nach Macht stehen
im Vordergrund. In Norwegen wurden von fanatischen Black Metal Anhängern
zahlreiche Kirchenbrände gelegt. Die Bestrebung, die (Black) Metal Szene von
unwürdigen „Verrätern“ zu säubern wird in Taten von Varg Vikernes bzw. seinen
Anhängern deutlich, die u.a. den Tourbus der Band Paradise Lost und die Haustüre
von Therion-Miglied Christoffer Johnsson in Brand setzte(n).346 Der Großteil der Metal
Szene lehnt diese Art des Fanatismus grundlegend ab.347
344
Matzke/Seeliger, 2002, S. 89 (Zitat Alexander Krull von „Atrocity“).
Vgl. Roccor, 1996, S. 279.
346
Vgl. Roccor, 1996, S. 279.
347
Vgl. Wetzel, 2002, S. 8.
345
76
Die intellektuellen Satanisten setzen sich tatsächlich mit der Philosophie des
Satanismus auseinander. Ihnen geht es um „das höchste Mass an individueller
Selbstentfaltung“348. Viele berufen sich auf die von Anton Szandor LaVey gegründete
Curch of Satan.
Die Auseinandersetzung und das Spiel mit dem Satanismus wird von etlichen MetalBands gerne als Mittel des Protestes, zur Provokation und der „Erhöhung
öffentlichen Interesses“ genutzt. Das Landeskriminalamt Brandenburg spricht in
diesem Zusammenhang von Kultursatanismus.349
Possessed, eine der ersten Black Metal Bands, kommentierte die starke Bezugnahme
des Genres auf Satanismus mit einem lapidaren: „It’s just an image. It sells.“350 Auch
der kritische Umgang mit Okkultismus und Satanismus wird besungen wie z.B. in The
Number of the Beast (Iron Maiden, 1982). AC/DC wiederum geht es in Highway
to Hell um die frei und ohne Rücksicht auf Gesetze und Moral genossene Lebenslust.
Auf einzelnen Covers von Black Metal CDs wird zum Kampf gegen das Christentum
aufgerufen und damit subtil für Gewalt geworben (etwa auf einem Cover der Band
Rebaelliun351, auf dem brennende Kirchen zu sehen sind). Der Satanismus wird
dabei als künstlerische Provokation begrüßt und soll als Protest gegen die christliche
Kirche und ihre Vertreter verstanden werden. In zahlreichen Song Texten werden
Kreuzzüge, Hexen- und Ketzerverfolgungen und die Inquisition scharf kritisiert und
verurteilt.
Die
Metal-Community
wendet
sich
dabei
vor
allem
gegen
die
Scheinheiligkeit einiger – besonders in den USA mächtiger – Subströmungen des
Christentums, die „das eine predigen und das andere tun“. Da der Satanismus sich
demgegenüber
ähnlich
verhält,
wird
er
oft
als
„Verbündeter
im
Kampf“
herangezogen. Dabei passiert es auch oft, dass Vordenker des modernen Satanismus
348
Roccor, 1998, S. 171.
Landeskriminalamt Brandenburg, 2000, S. 4.
350
Roccor, 1998, S. 271.
351
Gegründet 1998, Brasilien, www.myspace.com/rebaelliun, 2011.
349
77
wie Crowley oder LaVey (siehe weiter unten) verharmlost oder als „rebellische gute
Onkel“ dargestellt werden.
Zu den Vertretern der dritten Gruppe, die also tatsächlich an die satanistische
Philosophie glauben, zählen z.B. Mercyful Fate352 mit ihrem Leader King
Diamond353, einem Anhänger der Church of Satan, Morbid Angel354, die ein
umfassendes okkultes Weltbild mit vielen Anleihen aus verschiedenen Mythologien
vertreten
oder
Deicide355,
eine
radikale
satanistische
Band
(„Fundamentalsatanismus“), deren Sänger Glen Benton356 sich ein auf dem Kopf
stehendes Kreuz in die Stirn einbrennen ließ und sich zu Tieropfern bekannte.357 Er rief
zu politischen Engagement auf, um den Einfluss des Christentums auf Kinder und
Jugendliche zurückzudrängen und plädierte für die Freiheit, eine satanistische
Religionspraxis ausüben zu können. Der Satanismus, den Glen Benton vertritt, kann
Anton LaVeys Prinzipien (siehe Kapitel LaVeys Satanismus) zugeordnet werden.
352
King Diamond
Glen Benton
Abb. 23
Abb. 24
Gegründet 1981, Kopenhagen, Dänemark, www.covenworldwide.org, 2011. (Heavy) Metal.
*1956, Kopenhagen, Dänemark, www.covenworldwide.org, 2011.
354
www.morbidangel.com, 2010.
355
www.deicide.com, 2010.
356
*1967, USA, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Glen_Benton, 2011.
357
Siehe seine Ausführungen unter www.reocities.com/SunsetStrip/Stadium/6078/deicideint.html,
2010.
353
78
Deicide schaffte es, zahlreiche aktive Fans zu werben, schuf sich aber ebenso einen
festen Stamm an aktiven Gegnern. 1993 unternahm die Band mit Gorefest358 und
Atrocity359
eine
Europatournee.
Begleitet
wurde
diese
von
etlichen
Bombendrohungen, deren Urheber radikale christlich-fundamentalistische Gruppen
und extreme Tierschützer waren. Weiters war die Band in einen Prozess verwickelt,
nachdem vier Jugendliche einen Überfall begangen hatten und sich dazu auf Deicide
als Anstifter beriefen.360
Immer wieder mussten sich Musiker vor Gericht verantworten: Ihnen bzw. ihrer Musik
wurde vorgeworfen durch satanistische, gewaltverherrlichenden Botschaften die Basis
für (Ritual-)Morde zu schaffen. 2001 wurde Slayer361 für den Mord an der
15jährigen Elyse Pahler mitverantwortlich gemacht. Drei Jugendliche hatten unter
Drogeneinfluß das Mädchen getötet um es ihrer Aussage nach Satan dazubieten. Das
Opfer sollte ihnen Erfolg mit der eigenen Band bescheren. Vor Gericht sagten die
Täter aus, die Musik von Slayer habe sie hierzu inspiriert, vor allem die Songtexte zu
Postmortem und Dead Skin Mask. Aufgrund der mangelhaften Beweise wurden
Slayer allerdings von dem Vorwurf der Mitschuld freigesprochen.362
Großte Medienwirksamkeit bewies auch die mehrmalige Anklage von Ozzy
Osbourne dessen Lied Suicide Solution363 Jugendliche zum Selbstmord verleitet
haben soll. Angeblich sei eine Botschaft mitaufgenommen worden, die auf das
Unterbewusstsein wirkt. Das Lied behandelt laut Osbourne den langsamen Verfall
(also eine Art Selbsttötung) durch Alkoholmissbrauch.
1999 wurde von den amerikanischen Medien der Amoklauf an der Columbine
Highschool (oft als das „Schulmassaker von Littleton“ bezeichnet) mit Marylin
358
Gegründet 1989, Niederlande, www.gorefest.nl, 2011, Death-Metal.
Gegründet 1985 (urspr. „Instigator“), Ludwigsburg, Deutschland, www.atrocity.de, 2011. (Death-)
Metal.
360
Vgl. Wehrli, 2001, S. 8.
361
Gegründet 1981, Huntington Park, Kalifornien, USA, www.slayer.net, 2011.Thrash Metal.
362
Siehe hierzu: www.laut.de/vorlaut/news/2001/01/24/01404, 2010.
363
Erschienen auf seinem ersten Solo-Album, Blizzard of Ozz, 1980.
359
79
Manson364 in Verbindung gebracht. Allerdings stellte sich heraus, dass die Täter keine
Fans von Manson waren. Trotzdem mussten einige Konzerte abgesagt werden und die
Band zog sich für drei Monate zurück.365 Der Film Bowling für Columbine366, in
dem auch ein Interview mit Manson-Frontman Brian Warner gezeigt wird, versucht
unter anderem die tatsächlichen Hintergründe des Amoklaufes zu beleuchten.
Black Metal ist jenes Subgenre, das sich gezielt mit satanistischen Inhalten
auseinandersetzt. „Anders als bei den traditionellen Bands die den Teufel gelegentlich
als Sinnbild für das Böse bzw. für uneingeschränktes Vergnügen verwendeten,
beschrieben
diese
Bands
satanistische
Rituale,
Dämonenbeschwörungen,
Hexensabbate und höllische Szenarien.“367 Die zweite Welle des Black Metal368
bescherte dem Subgenre neuen Schwung. Bands wie Mayham, Emperor und Burzum
schockierten durch bis dato noch nicht dagewesene extreme Härte. „Mit dem
Aufgreifen all dessen, was als evil (böse) definiert wurde, wollte sich die Szene als
absoluten Gegenpol zu einer christlich-humanistischen Gesellschaft und ihrem
Wertekanon positionieren. Das implizierte die Ablehnung des „Guten” nach
christlicher Definition, vor allem der Ideale der Nächstenliebe, der Gnade und der
Vergebung. Mit der Integration satanistischer und nazistischer Elementen wollte man
sich kompromisslos gegen die Gesellschaft und in musikalischer Hinsicht abseits des
kommerziellen Mainstreams stellen.“369
backward masking
Für die Gegner des Heavy Metal ist eine Tatsache klar: der Teufel beeinflusst durch
verschiedene Methoden diese Art der Musik. Die Krönung des Wirkens Satans sollen
die sogenannten Rückwärtsbotschaften sein, die sich angeblich nahezu auf jeder
Metal Schallplatte finden. Spielte man die Platten vorwärts ab, seien die sublimen
Botschaften gar nicht oder nur kaum hörbar, für das Unterbewusste dagegen sehr
364
Gegründet 1989, USA; Rock/Alternative Metal, gleichzeitig Künstlername des Frontman Brian Hugh
Warner.
365
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Marilyn_Manson, 2011.
366
Michael Moore, 2002; gewann einen Oscar.
367
Roccor, 1998, S.269.
368
Etwa zu Beginn der 1990er Jahre, vgl. „Headbanger schocken das System“, Abschnitt Black Metal.
369
Lohmann, www.turnitdown.de/526.html, 2011.
80
wohl verständlich. Der erste, der diese These in Umlauf brachte, war David A.
Noebel370. In seinem 1965 erschienen Buch „Communism, hypnotism and the
Beatles: An analysis of the Communist use of music, the Communist master
music plan“ wird behauptet, dass die kapitalistische Ordnung durch unterschwellige
Botschaften in Rocksongs unterminiert werde. Die Liste der Bands, denen angebliche
Rückwärtsbotschaften in irgendeiner Hinsicht unterstellt wurden, ist sehr lang und
beginnt bei den Beatles. Größter Beliebtheit bezüglich backward masking erfreute
sich die Ballade Stairway to Heaven von Led Zeppelin, in der sich, spielte man sie
rückwärts ab, ein satanistisches „Glaubensbekenntnis“ befände. Der angebliche Text
lautet:
„ Listen! We have been there […]
I will sing because I live with Satan [...]
Serve me! [...]
There is no escaping it [...] with Satan.
If we´ve got to life with Satan [...]
Master Satan [...]”371
Trotz der Masse an „wissenschaftlichen“ Abhandlungen zu diesem Thema, konnte der
Vorwurf der sublimen Botschaften nicht bestätigt werden. Doch haben im Zuge der
folgenden öffentlichen Diskussion einzelne Bands zur Provokation tatsächlich
absichtlich Rückwärtsbotschaften auf ihre Platten montiert, so etwa Venom in ihrem
Song „At War with Satan“ (Rückwärtstext: „I will return“) oder „In League with
Satan“ (Text: „Praise to hell! I´m gonna burn your soul, crush your bones, make you
bleed. You´re gonna bleed for me!”). Diese Botschaften sind allerdings bereits beim
normalen Abspielen deutlich als Montagen zu erkennen.
Auf einigen Platten finden sich auch Stellungnahmen gegen das backward masking
oder abgrenzende Rechtfertigungen. Aber auch diese absichtlichen und oft in
370
371
*1937, USA, religiöser Führer, siehe dazu: http://en.wikipedia.org/wiki/David_A._Noebel.
Bäumer, 8. Auflage 1991, S. 26. Das Abhörergebnis von Wehrli fällt leicht unterschiedlich aus.
81
höchstem
Maße
ironischen
Einspielungen
wurden
in
die
Liste
der
ernstzunehmenden Manipulationen eingereiht.
Zusammenfassend ist anzumerken, dass es keine Rückwärtsbotschaften auf Platten
gibt, die mit dem Ziel der sublimen Beeinflussung ihrer Hörerschaft aufgenommen
wurden. Es gibt lediglich Bands, die im Anschluss an die bereits in Gang gekommene
Diskussion absichtlich Rückwärtsbotschaften als Provokation aufnahmen.
Wetzel zitiert in seiner Arbeit Thomas Hermanns372, der gesagt haben soll: „Ich hab’
mir neulich ‘ne Heavy Metal-Platte gekauft und dann rückwärts abgespielt, um zu
hören, ob da satanische Botschaften drauf sind. Tatsächlich ertönte eine Stimme und
sagte: Falsche Richtung, du Trottel!“373
Wie Wehrli folgert hätte es, wären tatsächlich auf das Unterbewusstsein wirkende, zu
Gewalt, Mord und Selbstmord aufrufende Botschaften auf den Platten zu hören,
angesichts der Verkaufszahlen weltweit zu „infernalischen Auswüchsen“ kommen
müssen.374
2.6.2 Nationalsozialismus und Metal
„Gerade das Absetzen von der ersten, eher kommerziell ausgerichteten Black MetalGeneration, ließ den Begriff des Real Underground entstehen.“375 Zu satanistischen
Symbolen
gesellen
sich
immer
öfter
neonazistische,
was
auch
zu
Auseinandersetzungen innerhalb der Szene(n) führte. Bei Konzerten in Europa und in
den USA agitieren Neonazis, über das Internet werden Black Metal-Fans mit
neonazistischer Ideologie beworben und zur politischen Solidarität mit der
jugendlichen Neonaziszene aufgerufen. Vor allem in Kleinstädten der USA hat dies
bereits zu ernsthaften Problemen geführt. Black Metal und neonazistische Ideologie
372
Deutscher Moderator, Komiker, Drehbuchautor und Regisseur, *1963.
Wetzel, 2002, S. 7.
374
Vgl. Wehrli, S. 129.
375
Fromm, 2003, S. 9.
373
82
und Agitation gehen immer mehr Hand in Hand. Die Anhänger dieser Musikrichtung
sollen sich vom Mainstream der Gesellschaft absondern und Stämme bilden, so dass
die
Völker
unvermischt
bleiben
und
nicht
vermarktet
werden
können376.
Stammesutopien der linksliberalen Alternativbewegung der siebziger und achtziger
Jahre tauchen seit einigen Jahren am rechten Rand wieder auf. Das multikulturelle
Credo wich dabei einer völkischen Ideologie, die wieder auf die sogenannte
„Rassenreinheit“ abzielt.
Abgesehen von verschiedenen Bands, die tatsächlich der neurechten Bewegung
zugeordnet werden können, gibt es aber auch eine nicht unbedeutende Anzahl von
Bands, denen der Vorwurf des NS-Gedankengutes zu Unrecht gemacht wurde.
Dies wiederfuhr zum Beispiel der Band KISS, deren zwei „S“ im Logo die Sigrune zum
Vorbild hätten. Dies ist allerdings nicht der Fall, denn sie leiten sich von dem USWarnschild für elektrische Hochspannung her. Gene Simmons (Bassist von KISS)
bekräftigt die Tatsache nichts mit Naziideologie zu tun zu haben später mit dem
Hinweis auf seine eigene jüdische Herkunft und seinen Migrationshintergrund377. Das
selbe Symbol findet man als Schrägstrich des Bandlogos der Formation AC/DC. Jene
Formation hatte auch noch zusätzlich das Problem, dass ihr Name als Anti-Christliche
Botschaft (AntiChrist/Death To Christ bzw. AntiChrist/Devils Corporation) gelesen
wurde statt als (gängige) englische Abkürzung für Wechselstrom/Gleichstrom
(alternating current/direct current). Die Vorwürfe konnten nicht bestätigt werden.
Abb. 25
376
377
Abb. 26
Vgl. Einführungstext von www.nsbm.org.
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Kiss_(Band), 2010.
83
Als Quellen des Neonazismus werden in Gedankengut und Texten der einzelnen
Bands zahlreiche Größen der Szene herangezogen, so Adolf Hitler378, Benito
Mussolini379 oder der italenische Neofaschist Julius Evola380.
Aber auch heute noch lebende und aktive Neonazis oder Rechtsextremisten werden
gerne und oft rezipiert, so Michael Moynihan381, Jan van Helsing382 oder Varg
Vikernes383.
Vikernes sagte im Interview mit dem Black Metal Magazin Infernus: „Ich unterstütze
alle Diktaturen, Hitler, Stalin, Ceauşescu… Und ich will selbst Diktator von
Skandinavien werden. Make war, not love! […] Ich bin stolz, ein norwegischer
Wikinger und arischer Mensch zu sein. Heil Hitler! Black Metal for White People!“384
„Damit war eine neue Qualität erreicht. Für Count Crishnackh und seine Jünger hieß
die Steigerung von Satanismus offenbar: Faschismus.“385
Michael Moynihan
Katharina Ganster
Der provokative Künstler, Journalist, Schriftsteller, Verleger und Musiker Michael
Moynihan hat einen extrem kontroversiellen Ruf. Er wird abwechselnd als rechtsoder linksextrem, als Faschist oder Anarchist bezeichnet, und scheint selbst mit
diesen Zuschreibungen zu spielen und zu provozieren. So bezeichnete er sich Anfang
der neunziger Jahre als Faschist, hat das aber mittlerweile zurückgezogen da er
eingesehen habe, dass die Öffentlichkeit diesen Begriff in einer anderen Weise deutet
als er es tut. Er sehe sich eher als „jenseits von Gut und Böse“ und ist der
Überzeugung, dass die traditionellen Begriffe von politisch „rechts“ und „links“
378
*1889 in Braunau am Inn, Österreich, Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches.
*1883 in Dovia, Italien, Italienischer Diktator.
380
*1898 in Rom, Italien, Philosoph, Esoteriker.
381
*1969 in Boston, Massachusetts, USA, US-amerikanischer Musiker, Verleger und Journalist.
382
*1967 in Dinkelsbühl, Deutschland, Autor. Bürgerlicher Name: Jan Udo Holey.
383
*1973 in Bergen, Norwegen, Musiker, Autor und Aktivist. Bürgerlicher Name: Kristian Larsson
Vikernes.
384
Vgl. Der Spiegel, 1994, S. 91f.
385
Billerbeck,1994, S. 275.
379
84
heutzutage an Bedeutung verloren hätten und man sich selbst und andere neu
definieren müsse. Ende der Neunziger veröffentlichte er Statements gegen das
Herrenrassendenken der amerikanischen „White Supremacists“ und gegen den
Hitlerkult.
Was man deutlich bei ihm feststellen kann ist ein provokantes Verhalten seit den
frühen Neunzigern, ein Hochstilisieren seiner Person durch Mythologisierung,
Provokation und Okkultisierung, ein Favorisieren von totalitären oder in einer
anderen Weise extremen Ideologien und eine relativ deutlich ausgeprägte
Vergangenheitssehnsucht, wobei das imaginierte, bessere „Damals“ – als
Gegenbewegung zu Spaß- und Konsumgesellschaft – von Einfachheit, Disziplin und
Naturrecht geprägt ist. Deshalb überrascht es nicht, dass er mit Vordenkern des
Dritten Reichs wie Julius Evola, Jörg Lanz von Liebenfels, Friedrich Nietzsche
oder
Karl
Maria
Wiligut
sympathisiert
und
Mitglied
in
eher
rechten
neuheidnischen Gruppen ist. Er hat außerdem enge Kontakte zu verschiedenen
rechten und linken Organisationen, der Church of Satan und vielen anderen,
extremen Künstlern, vor allem im Industrial-Bereich, in dem er selbst musikalisch aktiv
ist.
Der schwedische Professor und Autor (Gods of the Blood) Matthias Gardell schreibt
über ihn, er würde am besten beschrieben als „heidnischer Anarchofaschist, mit allen
Paradoxien und Zweideutigkeiten, die in dieser Kategorisierung enthalten sind“.
Das 1998 erschienene Buch Lords of Chaos, das er mit dem Norweger Didrik
Søderlind zusammen recherchiert und verfasst hat, scheint jedoch – trotz Unkenrufen
von Sensationsjournalisten – relativ objektiv zu beschreiben, was in den frühen
neunziger Jahren in der skandinavischen Metalszene geschah und warum. Es hat
dafür außerdem den 1998 Firecracker Alternative Press Award gewonnen. Kritiker
bemängeln jedoch, dass zu wenig Distanz zwischen Autor und Thema
erkennbar sei, und dass es den rechten Ideologien – vor allem von Varg Vikernes –
ein zu unkommentiertes Forum bietet. Interessanterweise ist aber gerade Vikernes
einer der schärfsten Kritiker dieses Buches und behauptet, die Autoren hätten keine
Ahnung von der Thematik, stellten sie falsch dar und hätten „die Köpfe einer
85
Generation von Metalfans mit Lügen gefüllt”386. Dass er damit nicht aussagen will,
dass das Buch zu rechtslastig wäre, wird im Abschnitt über Vikernes selbst klar
werden.
Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Moynihan
http://en.wikipedia.org/wiki/Michael_Moynihan_%28journalist%29
Coogan, Kevin (1999), "How Black Is Black Metal?", Hitlist,
http://oraclesyndicate.twoday.net/stories/605560/
Gardell, Mattias. Gods of the Blood: The Pagan Revival and White Separatism (2003)
Duke publishing press ISBN 0822330717 Portion of section regarding Moynihan
available online:
http://books.google.com/books?id=FIwwWSSL5JIC&pg=PA302&dq=michael+moyn
ihan+gardell&sig=VauoHVgO1PGzRFLUXxNhkkAeKxU
http://en.wikipedia.org/wiki/Lords_of_Chaos_%28book%29
Sünner, Rüdiger: Schwarze Sonne. Entfesselung und Mißbrauch in Nationalsozialismus
und rechter Esoterik. Freiburg/Basel/Wien: Herder/Spektrum, 1999.
National Socialist Black Metal (NSBM)
„NSBM is a type of ‘modern’ black metal, coming from the movement that arose
in Scandinavia during the early 1990s. Many of the bands which initiated this
genre, including Burzum, Darkthrone, Mayhem, and Impaled Nazarene, have
cited or alluded to National Socialism and its imagery and ethos as part of the
inspiration toward their music. Although black metal varies in sound and ideal, it
shares across its genre an obsession with darkness and destruction of the JudeoChristian social ideal, as well as a blistering sound of rasping vocals and
distorted, chaotic guitars over droning percussion.“ Selbstdarstellung387
Der Begriff National Socialist Black Metal (NSBM) bezeichnet die neonazistische
Strömung innerhalb des Black Metal. Es handelt sich hierbei nicht um eine
gänzlich neue Erscheinung – „neonazistische und antisemitische Gruppierungen
386
387
www.burzum.org/eng/library/lords_of_chaos_review.shtml, 2010.
www.nsbm.org, September 2010.
86
[waren]
schon
immer
in
dieser
Subkultur
vorhanden“388
und
griffen
zu
Provotionszwecken darauf zurück.
Varg Vikernes gilt als einer der wichtigsten Wegbereiter. Einschlägige Magazine gab
es in den USA bereits in den neunziger Jahren, das Medium Internet verhalf in Folge
zu einer raschen globalen Verbreitung. Die Website www.nsbm.org gibt sich
exklusiv und rebellisch. Eine Zeit, so ist auf der mit Hakenkreuzen versehenen StartSeite zu lesen, in der die Erde vergiftet, alte Rassen und Kulturen vernichtet und in der
viele Menschen zu Sklaven der Konsumgesellschaft geworden sind, verlangt nach
extremen Musikstilen und Ideologien. Ferner bekennen sich die Verfasser der Seite
dazu, dass NSBM eine hasserfüllte Musik ist, die die Zuhörer kleiner werden lässt und
sie mit uralten mystischen Glaubensrichtungen durchdringt.
„Black Metal ist die Musik unseres Widerstands und Protests gegen ein System, das
unsere heidnische Identität, die Identität der weißen Völker, beschränkt und zerstört“,
erklärt Rob Darken389 von der polnischen Band Graveland390 im Kommentar zum
1997 erschienenen Album „Following The Voice Of Blood“:
„We dedicate this album to all people who are still faithful to true spirit and ideas
of Black Metal, particularly to Black Metal underground... Do not forget that true
Black Metal is intrasignence and inflexibility, resistance and persistence, rage and
hatred, severity and retribution...”391
Darken dementiert – bezugnehmend auf einen im Szene-Magazin Rock Hard392
erschienen Artikel – dass Graveland dem NSBM zuzuordnen ist. Das Dementi erfolgte
als offener Brief auf der Website der Band und ist zu finden unter „Interviews“. Unter
„Bilder“ ist auf derselben Seite der abfotografierte Rock Hard Artikel abrufbar.
388
http://de.wikipedia.org/wiki/NSBM, 2011.
Bürgerlicher Name: Robert Fudali, Pseudonym: Lord Wind.
390
Gegründet 1992, Breslau/Warschau/Polen, www.graveland.org, 2011. Black Metal, später Pagan
Metal.
391
Vgl. www.darklyrics.com/lyrics/graveland/followingthevoiceofblood.html, 2011.
392
Mühlmann, 2007, S. 58-61.
389
87
Der Nationalsozialismus wird laut nsbm.org als logische Konsequenz aus der
Weltanschauung des Black Metal angesehen. Nach Jahren der Wut und des
Widerstands habe sich Black Metal nunmehr gegen den Materialismus gewandt und
damit – angeblich logischerweise – seine Erfüllung im NSBM gefunden. Es gehe gegen
Konformität und alte Denkstrukturen. Ausgehend von den okkulten Botschaften der
Gruppe Black Sabbath sei es zu einer spirituellen Ablösung von der jüdischchristlichen Religion und dem damit verbundenen sozialen Empfinden gekommen.
Der Satanismus im Black Metal habe schließlich zu einer Neubesinnung auf alte
heidnische Religionen und Kulte geführt, zu einer spirituellen Veränderung des
Bewusstseins. Eine der daraus abgeleiteten Forderungen: Eine eigenständige
indoarische Kultur mit den gleichen Rechten, die von den Liberalen und Vertretern der
political correctness auch für Farbige und Indianer gefordert werden. Teile aus Hitler´s
„Mein Kampf“, seine Korrespondenz mit Goebbels, Nietzsche und – das ist keine
humoristische Einlage! – „Das Kapital“ von Karl Marx, werden als wichtige
ideologische Schriften für NSBM angegeben.393
Darüber hinaus werden Savitri Devi394 und Helena Petrovna Blavatsky395 als
Quellen des NSBM angegeben.396 „Das Recht des Stärkeren ist Gesetz!“ lautet eine
der Stellungnahmen oder: „In 500 Jahren werden wir sehen, wer Affe ist und wer
Mensch. Totalen Tod den Schwachen!“397 Durch die Ausrottung der Schwachen und
Förderung der Starken werde im Sinne der Evolution eine schönere Welt geschaffen.
Menschen mit angeblich niederem Bewusstsein werden von jüdisch-christlichen und
kapitalistischen Politikern manipuliert, um heidnische, nordische, gnostische oder
arische Glaubenssysteme zu zerstören. „Wenn du Black Metal kennst, weißt du, dass
Christen und Juden von uns nicht willkommen geheißen werden... Ihr müsst
sterben!!“398 Damit sind weiters auch Farbige, „Zigeuner“ und Slawen gemeint. Ziel ist
393
Vgl. www.nsbm.org, 2011.
*1905 in Lyon, Frankreich, bürgerlicher Name: Maximine Portaz, Schriftstellerin, Idol der NeonaziSzene.
395
*1831 in Dnipropetrowsk, Ukraine. Schriftstellerin, Okkultistin.
396
Weitere Informationen zu diesen „Ikonen“ des NSBM gibt es in der Fachbroschüre „Braune Esoterik“
der LOGO ESO.INFO.
397
Vgl. www.nsbm.org, 2011.
398
Ebda.
394
88
die Wiederherstellung angeblich weißer Heimatländer. Judentum und Christentum
werden mit Rache, Sado-Masochismus, Fetischismus, Grausamkeit etc. gleichgesetzt.
Seitenabrufe von 2001 zeigten derartige Äußerungen gerne mit „Heil Hitler!“ und
„Joerg Haider World Consulate 2004!! Yes!!“ bekräftigt399. Inzwischen wurden diese
Aussagen von der Website entfernt.
„Although there is wide diversity (snicker, snicker) among the beliefs of the
members of the NSBM movement, most espouse some variants of the philosophy
and political ideality put forth by Adolf Hitler and the NSDAP in 1930s Germany;
many are also inspired by Benito Mussolini, Julius Evola, Savitri Devi and H.P.
Blavatsky's Theosophy. Most accept to some degree all of the major beliefs of
National Socialism, including ethnic nationalism, a rigid ethos of honor,
environmentalism and anti-Semitism.“ Selbstdarstellung400
Das Judeo-Christentum ist der Feind Nr. 1, da es die alte einheimische Kultur zerstört
hat. So muss laut NSBM darauf geachtet werden, dass sich die Rassen nicht
vermischen. Jede Kultur soll für sich alleine stehen, das hat oberste Priorität.
Auf der NSBM-Website sind folgende Bands als NSBM Bands aufgelistet: Absurd,
Burzum, Gontyna Kry, Graveland, Infernum, Infester, I Shalt Become,
Kataxu, Legion of Doom, Lord Wind, Ohtar, Thor´s Hammer, Thunderbolt,
Veles, Winter Funeral.
Weiterhin werden folgende Bands als NSBM-beeinflusst bezeichnet: Angelcorpse,
Bathory, Beherit, Blasphemy, Darkthrone, Impaled Nazarene, Marduk,
Mayhem,
Zyklon-B
und
die
folgenden
als
nationalsozialistisch
geprägt:
Motörhead, Repulsion, Slayer.
Diese Auflistung, darauf sei noch einmal ausdrücklich hingewiesen,
erfolgte von www.nsbm.org und darf daher keineswegs als repräsentativ
angesehen werden.
399
400
Vgl. ebda.
www.nsbm.org, September 2010.
89
Auf der NSBM-Website finden sich auch Links zu nationalsozialistischen oder dem
Gedankengut nahe stehenden Organisationen, z.B. zur National Alliance401 zur
Libertarian National Socialist Green Party402 oder zum Earth First! (EF!)
Journal403. EF!404 ist ein internationales Netzwerk von radikalen Umweltgruppen.
Weiters wird das Hitler Historical Museum405 diverse Bands, im speziellen
Burzum406 und die Befreiung von Hendrik Möbus407 propagiert.
Abb. 27-29
Der NSBM ist auch in den USA eng mit der rechtsextremen Neuheidenszene
verbunden. So mit der Pagan Front, die als Koalition von Music Labels, Bands,
Organisationen und rechtsextremen Einzelkämpfern weltweit verbreitet ist, ihren Sitz
aber in den USA hat. Zu dem Mitgliedern zählen u.a. Dungeons of Darkness408
Records die eine enge Verbindung zu den deutschen Label Darker Than Black
Records aufweisen, das wiederum vom satanistischen Neonazi und Mörder Hendrik
Möbus409 und seinem Bruder gegründet bzw. geführt wurde.410
401
www.natvan.com, 2011.
www.nazi.org, 2011.
403
www.earthfirstjournal.org
404
www.earthfirst.org, 2011.
405
www.hitler.org, 2011.
406
www.burzum.com, 2011.
407
www.nsbm.org/pub/hendrik, 2011.
408
„Dungeons of Darkness“ ist auch ein Song-Titel auf dem Debut-Album von Burzum.
409
*1976 in Sondershausen, Deutschland, Musiker.
410
Vgl. www.nsbm.org/media/splc_report.html, 2011.
402
90
Einzelne Gruppen, wie die bereits erwähnte Pagan Front411, versuchen sich im
Internet als interessant für jugendlichen Entdeckermut darzustellen. Eine Recherche
von 2001 brachte jenes, von Simone Phillip übersetze Statement zu Tage: „Bevor du
weiterklickst, lies bitte das folgende Statement sorgfältig. Wenn du dich angegriffen
fühlst durch den radikalen Stolz weißer Leute, den heidnischen Glauben und die
starke antichristliche Ausrichtung, dann empfehlen wir, dass du diese Webseite nicht
aufsuchst. Wenn doch, dann tust du das auf deine eigene Verantwortung und gib
niemand außer dir selbst die Schuld, dass du deine geistige Gesundheit riskierst.“412
Das kann natürlich auf der Suche nach einem „Kick“ interessant sein... Wie viele
Beiträge ist auch dieser inzwischen nicht mehr auffindbar.
Bands, die über Pagan Front promotet werden sind z.B.:
Absurd413, Dark Thule414, Graveland, Pantheon415, Der Stürmer416, Sunwheel,
Temnozor417 und Wodulf418.
Abb. 30
411
www.thepaganfront.com, 2011.
http://heathenfront.org, 2001; diese Seite ist nicht mehr existent.
413
Gegründet 1992, Sondershausen, Deutschland, www.hordeabsurd.com, 2011. Black / Pagan
Metal.
414
Gegründet 2002, Ioannia, Grichenland, www.thepaganfront.com/darkthule, 2011.
415
Gegründet 1993, Tucson, Arizona, www.thepaganfront.com/pantheon, 2011.
416
Gegründet 1998, Athen, Griechenland, www.thepaganfront.com/dersturmer, 2011.
417
Gegründet 1996, Obninsk, Russland, www.thepaganfront.com/temnozor, 2011.
418
Gegründet 2002, Athen, Griechenland, keine Website auffindbar.
412
91
Labels, die über Pagan Front promotet werden sind z.B.:
Old
Legend
Productions,
Dark
Hidden,
Deathabyss
Productions,
Werewolf
Promotions, Lower Silesian Stronghold.
Weiters ist die Heathen Front419 (Allgermanische Heidnische Front – AHF420 bzw.
Deutsche heidnische Front - DHF421, gegründet 1998) von Bedeutung. Diese
internationale Vereinigung, in der Vikernes eine große Rolle spielt und in der u.a. sein
antisemitisches Buch Vargsmål vertrieben wird, wurde in den USA von James
Mason422 geleitet. Dieser war als Jugendlicher Mitglied der American Nazi Party423
(ANP) und Chef der National Socialist Liberation Front424 (NSLF). Laut nsbm.org
ist er gegenwärtig der Führer des Universal Order, einer okkulten Formation, die
auf den Zusammenbruch des Systems wartet und Charles Manson425, den Anstifter
zu dem satanistischen Mord an der Schauspielerin Sharon Tate und heutigen
Neonazisprücheklopfer, als zweiten Hitler verehrt. Mason hat auch ein Buch über den
Manson geschrieben, das unter dem Titel Siege im Storm-Verlag von Michael
Moynihan veröffentlicht wurde, und steht mit ihm in regem Kontakt.426
Auch das rumänische Label Tellurian Battleground Productions, die von „Orcrist,
dem Judenschlächter“ geleitet werden, ebenso wie die Breath of Night Records
stehen dem Faschismus und dem NSBM nahe.427
„Reverend“ Thomas Thorn von der 1991 gegründeten Industrial Rock Band The
Electric Hellfire Club428 sprach sich für Kirchenverbrennungen aus.
419
http://heathenfront.webs.com, 2011.
Siehe dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Allgermanische_Heidnische_Front, 2011.
421
Siehe dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Heidnische_Front, 2011.
422
Ausführliche Biographie unter http://thescorp.multics.org/18siege.html, 2011.
423
www.americannaziparty.com, 2011.
424
Keine Website auffindbar.
425
*1934 in Cincinnati, Ohio, USA.
426
Vgl. www.nsbm.org/media/splc_report.html, 2011.
427
Vgl. www.nsbm.org/media/splc_report.html, 2011.
428
http://de.wikipedia.org/wiki/The_Electric_Hellfire_Club, 2011.
420
92
NS-Gedankengut im Metal - Länderbeispiele:
Vereinigte Staaten von Amerika
Eine Musikgruppe aus den USA, die sehr in den Blickpunkt der Diskussion geraten ist,
ist die Formation Slayer429. Vor allem ihr Song Angel of Death, der die Experimente
von Josef Mengele im Konzentrationslager Auschwitz beschreibt, bildete einen Stein
des Anstoßes. Die Grenze zwischen reiner „Darstellung“ und Verherrlichung ist hier
schwer erkennbar. „Tom Araya selbst äußerte im ‚Sounds’-Magazin (zit. nach „US
Metal Vol. 1, a.a.O.): ‚Wir sagen nicht, daß Mengele Gott ist. Wir sagen nur: das ist
Mengele, das hat er getan, und hier ist ein Song über ihn.“430
Im Anschluss an die entstandene öffentliche Diskussion bekannte sich Bandmitglied
Jeff Hanneman sogar dazu und klebte Hakenkreuze und Waffen-SS-Symbole auf
seine Gitarre und seine Jacke. Es ist jedoch nicht auszumachen, ob dies als
Provokation gedeutet werden kann oder nicht. Der Chilene Tom Araya sprach sich in
einem Interview mit dem Szene-Magazin Rock Hard sinngemäß für die faschistische
Diktatur in Chile unter Pinochet aus.431 Der offizielle Fan Club der Band trägt den
Namen Slaytanic Wehrmacht432. Bei Konzerten soll es immer wieder zu
Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Slayerfans gekommen sein.
Tatsache ist, dass die Band recht leichtsinnig mit den von ihnen verwendeten
Symbolen aus der Zeit des Dritten Reiches umgeht (Sig-Rune im Band-Logo etc.).
In dem, zumindest im Internet nicht mehr nachvollziehbar existenten, Musikmagazin
Pit (Colorado) scheinen Musiker aus dem Dunstkreis des NSBM angeblich unkritisiert
zur blutigen Gewaltanwendung gegen katholische Kirchen und Farbige und zur
Neueröffnung von Konzentrationslagern aufzurufen.
429
www.slayer.net, 2011.
www.crossover-agm.de/thema_haarus10.htm, 2011.
431
Vgl. www.crossover-agm.de/thema_haarus10.htm, 2011.
432
www.slatanicwehrmacht.com
430
93
Eine weitere Person, die in diesem Umfeld in den USA eine bedeutende Rolle spielt ist
der bereits im vorangegangenen Kapitel erwähnte Michael J. Moynihan. Seine erste
Ein-Mann-Band Coup De Grace433, die dem Industrial zuzurechnen ist, wurde in den
späten siebziger Jahren von der englischen Band Throbbing Gristle434 beeinflusst,
die durch Neonazioutfit und entsprechende Songtextinhalte auffiel. Sie wurden auch
als
death
art
fascists
oder
„gegenkultureller
Faschismus“
bezeichnet.
Auseinandersetzungen gab es mit Bands, die zum Rock against Racism435
gehörten. Nach der Auflösung traten einige Mitglieder von Throbbing Gristle dem
Orden Thee Temple ov Psychick Youth436 bei.
Nach der Auflösung von Throbbing Gristle sprang die Industrial Band Whitehouse437
als rechtsextremer Nachwuchs ein. Verehrung fanden hier vor allem die SS und eine
Ideologie, nach der die wahren freien Menschen über Gut und Böse stehen und so
auch die Freiheit haben, ein Kind zu Tode zu quälen. Nach dem sich Whitehouse
1985 aufgelöst hatten, kam es 1990 zu einem Neustart, bei dem auch der
Moynihanfreund Peter Sotos438, ein ehemaliger Punk, beteiligt gewesen war. Sotos ist
bekennender Sadist. 1986 wurde er wegen des Besitzes von Kinderpornogrpahie
verhaftet. Zur damaligen Zeit gab er das Magazin Pure heraus, das detaillierte
Schilderungen von Kinderfolterungen beinhaltete und außerdem sadistische Mörder
verherrlichte, ebenso wie den Holocaust und die Nazis.
Moynihan pflegte auch enge Kontakte zu James Mason und Charles Manson und
dessen inzwischen nicht mehr existenten Family439. Über seinen Verlag Storm
Books440 veröffentlichte Moynihan 1992 das Buch Siege, das Mason über Manson
geschrieben hat. In einem späteren Interview gibt sich Moynihan immer noch fasziniert
433
Bedeutet „Gnadenstoß“ oder auch „Gnadenschuß“, von 1984-1989.
Gegründet 1976, England, www.throbbing-gristle.com, 2011.
435
Siehe dazu: http://en.wikipedia.org/wiki/Rock_Against_Racism
436
www.topy.net
437
Siehe dazu: http://en.wikipedia.org/wiki/Whitehouse_(band)
438
*1960 in Chicago, Illinois, USA, Musiker, Autor.
439
Die Charles Manson Family bzw. später The Family war eine Hippie-Sekte die v.a. durch Überfälle,
Morde und Drogenmißrauch auf sich aufmerksam machte.
440
zu finden über die Seite www.welcome.to/bloodaxis, 2011.
434
94
von der Persönlichkeit Mansons.441 Ferner bestand ein Kontakt zu Anton LaVey, dem
Gründer der Church of Satan. Moynihan traf LaVey 1989 und outete sich als dessen
begeisteter Fan. Angeblich fanden sie ihre Gemeinsamkeit darin, dass sie beide
gegen die „Sklavenmentalität“ seien. Das Buch Lords of Chaos ist der satanistischen
Black Metal-Szene in Norwegen gewidmet. Es wird fälschlicherweise immer wieder,
auch unter interessierten Jugendlichen in Österreich, als „objektive“ Information
bezüglich der satanistisch-rechtsextremen norwegischen Black Metal-Szene gehandelt.
442
Moynihan erweist sich allerdings bei genauerem Hinsehen als Holocaustleugner und
Freund des Faschismus und kann auf eine große Neonazifangemeinde
zurückgreifen. Er schreibt für Neonazi- und rechtsextreme Zeitschriften, z.B. das
französische Blatt Filosofem443, und gehört zur neuheidnischen Gruppe Tribe of the
Wulfings, einer Unterorganisation der Asatru Alliance444, bei der er führendes
Mitglied ist. Ihren Sitz hat die Organisation in Arizona und ihr Führer Michael
Murray war Mitglied der ANP.
Moynihan war auch Mitglied der von Boyd Rice445 und Nicolas Schreck446
gegründeten Abraxas Foundation447, einer okkult-faschistischen Denkfabrik, die
eng in Verbindung mit der Church of Satan steht. Aus dieser Szene heraus entwickelte
Moynihan
1989
seine
Band
Blood
Axis448.
Blood
Axis
veröffentlichte
Redefragmente Adolf Hitlers, des rumänischen Faschisten Corneliu Codreanu, des
Lyrikers Ezra Pound und auch von Charles Manson. Die CDs weisen das Krückenkreuz
441
Coogan, S. 52
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Moynihan, 2011.
443
http://laserareas.tripod.com/bklist/filosofem.htm.
444
www.asatru.org; Asatru zu sein bedeutet nicht gleichzeitig politisch rechter oder rechtsextremer
Gesinnung zu sein. „Asengläubige“ sind sehr wohl auch in andereren politischen Lagern bzw. sehr
häufig in „neutralem Gebiet“ zu finden. In Skandinavien ist Asatru offiziell als Religion anerkannt.
445
Elektro- bzw. Industrial Musiker, Mitglied der Church of Satan, www.boydrice.com.
446
Sänger der 1992 aufgelösten Band Radio Werewolf.
447
http://www.boydrice.com/interviews/fifthpath.html, 2011
448
www.welcome.to/bloodaxis, 2011.
442
95
auf, das manchmal mit dem Ku Klux Klan in Zusammenhang gebracht wird. Eine der
umstrittensten CDs heißt The Gospel of Inhumanity.449
Blod Axis - The Gospel of Inhumanity
Abb. 31
In den USA wurde die Band Zielscheibe antirassistischen Protests, u.a. in San
Francisco. In der BRD wurden ihre Platten über das Label Cthulhu (bestand von
1981-1999) vertrieben. 1998 gab es eine Europatournee, die 16 Konzerte in 11
Staaten umfaßte, bei denen es allerdings fast keinen Protest gab.
Moynihans Verbindungen führen auch nach Österreich, konkret zum Wiener Musiker
Kadmon, dessen Band Allerseelen und der Schriftenreihe Aorta. Gemeinsam mit
Kadmon nahm Blood Axis eine CD auf. Kadmon, der bereits Texte von Evola auf einer
CD veröffentlichte, ist ein politischer Unterstützer des Mörders Vikernes, der seiner
Meinung nach wegen seiner „Wikingerethik“ im Gefängnis sitze.
Kontakte bestehen auch zum rechtsextremen neuseeländischen Satanisten Kerry
Bolton, der den Faschismus in die dortige Musikszene einschleussen möchte. Dazu
werden u.a. Texte von Boyd Rice (siehe unten) und Kadmon publiziert. Bolton war
449
Schröder, 2000, S. 82.
96
Mitglied in der faschistisch-magischen Gruppe Black Order of the Trapezoid450,
einer Vorläufergruppe des Schwarzen Orden von Luzifer451, die als Ableger der
Church of Satan bezeichnet werden kann. Inzwischen scheint der Black Order of the
Trapezoid wieder aktiv geworden zu sein. Es gibt eine neugestaltete Website mit
vielfältiger Information und natürlich der Möglichkeit mit einem „Marshall“ des
Ordens Kontakt aufzunehmen.
Es bestehen auch Verbindungen zu Christian Bouchet, einem rechtsextremen
französischen OTO452-Führer, der mit der okkulten Gruppe Thelema453 verbunden
ist, welche wiederum mit der neurechten Gruppe Nouvelle Résistance454 verknüpft
ist. Bouchet ist ein Grenzgänger: Er möchte Linksextreme und Rechtsextreme vereinen
und präsentiert sich als Fan von Ulrike Meinhof und der RAF (Rote Armee Fraktion). Er
steht auch hinter der Musikzeitschrift Napalm Rock455, die im Unterstützungsnetzwerk
für Vikernes aktiv ist456.
„In fact I think highly of Varg Vikernes - he is a courageous and brave Norseman. [...]
I understand his actions (church arsons and the murder of the traitor
EURONYMOUS).”457
Gungnir (Editor of Napalm Rock)
An dieser Stelle muss auch die Band Rahowa458 (Akronym füt „Racial Holy War“)
erwähnung finden. Deren Gründer George Burdi ist gleichzeitig der Inhaber von
Resistance Records, dem größten neonazistischen Versand der USA.
450
www.trapezoid.org
www.myspace.com/schwarzerordenvonluzifer
452
Ordo Templi Orientis, www.oto.org
453
www.thelema-93.info
454
Derzeit keine eigene Website auffindbar, es empfiehlt sich aber den Artikel “‘National revolutionary’
groupuscules and the resurgence of ‘left-wing’ fascism: the case of France’s Nouvelle Résistance.“ von
Jeffrey Bale zu diesem Thema zu lessen. Siehe
www.miis.edu/media/view/18971/original/balenouvelleresarticle.pdf, 2011.
455
Keine Website auffindbar.
456
Vgl. www.oraclesyndicate.org/pub_e/k.coo_e/publ_08-02_2.htm, 2004.
457
Moynihan/Søderlind, 1998 , S. 310.
458
Gegründet 1990, Kanada, Keine Website auffindbar.
451
97
Norwegen
Katharina Ganster
Seit den frühen neunziger Jahren kann man in der norwegischen Black Metal Szene
eine Vermischung von satanistischem und neonazistischem Gedankengut feststellen,
seit den späten neunziger Jahren werden immer häufiger satanistische Symbole durch
nordisch-heidnische ersetzt (z.B. im Logo der Band Enslaved, das zuvor ein verkehrtes
Kreuz zeigte, jetzt einen Thorshammer präsentiert). Als Vorreiter dafür gilt die Band
Bathory, die schon auf ihrem 1988 erschienenem Album Blood Fire Death den
satanistisch geprägten Bereich des „Okkult-Rock“ verließen und über germanische
Mythologie sangen. Gemeinsam ist beiden Bereichen, dass das Christentum als
aufgesetzte Religion verstanden wird, die sowohl die ursprüngliche Bevölkerung als
auch die ursprüngliche Religion gewaltsam überlagert hätte. In diesem und weiteren
Alben von Bathory werden nordische Helden und Götter verehrt und skandinavische
Freiwillige in der Waffen-SS gelobt. Moynihan nennt das ein „absichtliches Flirten mit
der Ikonographie von Faschismus und Nationalsozialismus“459 .
Anlässlich des Mordes von Varg („Count Grishnackh“ „Greven“) Vikernes (Band
Burzum) an Øystein („Euronymous“) Aarseth (Band Mayhem) wurde, auch durch das
Buch Lords of Chaos von Michael Moynihan, mehr aus dieser skandinavischen
Szene bekannt.
Statt dem damals üblichen Kokettieren mit satanistischen oder heidnischen Motiven als
Provokation, die selten ernst genommen wurde, entstand in Skandinavien eine neue,
um vieles härtere und brutalere Szene.
Insbesondere Mayhem arbeiteten schon in den späten achtziger Jahren an einem
Image, das auch heute noch von vielen Fans des Genres als „true“ angesehen wird.
Bühnenshows mit verwesten Tierkadavern und Selbstverstümmelung, Aufrufe zu Mord
und Selbstmord, und zu Krieg gegen alle „Poser“ und „Pseudos“. Es wird oft
spekuliert, dass gerade bzw. nur in einem Land wie Norwegen, in dem die Sonne im
459
Moynihan/Søderlind,1998, S. 22.
98
Winter einige Zeit komplett verschwindet, und die Selbstmord- und Depressionsrate
sehr hoch ist, dieser Musikstil so richtig blühen konnte. Das scheint eine plausible
Erklärung für die Vorgänge im Skandinavien der Neunziger zu sein, Verständnis dafür
aufzubringen fällt jedoch trotzdem schwer.
Ein Anfang der Ereignisse wird oft im Selbstmord von Per „Dead“ Ohlin, dem
Sänger von Mayhem, gesehen. Sein Bandkollege Euronymous verbreitete danach
Mythen über diese Tat, behauptete, Teile von Deads Hirn gegessen zu haben und
Teile seines Schädels als Anhänger zu tragen. Außerdem fotografierte er ihn und
verwendete das Bild des Toten als Albumcover.
Euronymous gründete das Label Deathlike Silence Productions und eröffnete
1991 einen Plattenladen in Oslo, den er Helvete („Hölle“) nannte. Dort traf sich die
norwegische Black Metal-Szene und tauschte sich aus, Euronymous sah sich als ihr
Anführer und Trendsetter. Diesen inneren Kreis von Freunden und Bands nannte er
später Norwegian Black Circle und es scheint, als hätten die damaligen Besucher
des Ladens sich auch um Euronymous' Gunst bemüht.
Auch Vikernes kam öfter in Euronymous' Geschäft, und sein Ein-Mann-Projekt Burzum
wurde von Euronymous' Label unter Vertrag genommen. Die beiden wurden schnell
Freunde, da Euronymous der festen Überzeugung war, dass Burzum in sein Konzept
von truly evil music passte. Außerdem kam Vikernes aus Bergen, sechs Stunden
Fahrt von Oslo entfernt, und übernachtete deswegenöfter im Keller von „Helvete“.460
Der „Norwegian Black Circle“ scheint damals nur ein unorganisierter Haufen von
Leuten gewesen zu sein, die sich in Euronymous' Geschäft trafen, er entwickelte jedoch
eine gefährliche Eigendynamik und war verantwortlich für viele Straftaten. 1991 kam
es zu ersten Kircheneinbrüchen (Euronymous dekorierte seinen Laden mit den
gestohlenen Dingen), Friedhofsschändungen und Morddrohungen – die Medien
460
Moynihan/Søderlind,1998, S. 65.
99
stürzten sich darauf und erklärten den „Circle“ zu einer geheimen, durchorganisierten
Vereinigung.
In öffentlichen Interviews – teilweise europa- oder weltweit publiziert – fingen
Euronymous und Vikernes an, extremste Ansichten über die Black Metal-Szene zu
propagieren, und jeder von beiden wollte sich als ideologischer Kopf herausstreichen.
Beide erkannten jedoch, dass es für die teils weit entfernten Fans als lächerlich und
wie leere Worte erscheinen musste. So geschah es, dass Vikernes anfing, Stabkirchen
anzuzünden (ob er in Bergen die berühmte Stabkirche von Fantoft anzündete wie er
behauptet ist nicht geklärt und er wurde dafür nicht verurteilt), um seinen Reden über
den Kampf gegen das Christentum auch entsprechende Taten folgen zu lassen,
die ihm von der Black Metal-Gemeinschaft weltweit Anerkennung einbringen sollte.
Und wirklich scheint die Szene die Botschaft positiv aufgenommen zu haben, denn
etwa 45-60 Feuer oder versuchte Brandstiftungen an norwegischen Kirchen sind
dokumentiert, davon mindestens ein Drittel mit deutlichen Verbindungen zum
„Norwegian Black Circle“461.
Nach Aussagen von Vikernes' damaligen Freunden war er zu dieser Zeit ein
Teufelsanbeter und trat gegen Nazis auf, erst nach seiner Verhaftung 1993 hätte er
mit nazionalsozialistischer Ideologie sympathisiert.462 Heute leugnet er all das
und meint, er sei schon mit 15 „Skinhead“ gewesen (nicht im rassistischen Sinn
sondern als Gegenbewegung zu den Punks in Bergen) und habe Satan immer nur als
Symbol für Odin verwendet.463
Vikernes, der nun auch von seiner Mutter Varg genannt wird464 (er hat den Namen
mit 20 offiziell ändern lassen), wuchs mit einem sehr autoritären Vater auf und
verbrachte im Alter von sechs Jahren ein Jahr im Irak wo er – laut seiner Mutter –
einige seiner Ansichten entwickelt haben könnte. Überall wurde er bevorzugt
461
Moynihan/Søderlind,1998, S. 79.
Moynihan/Søderlind,1998, S. 67.
463
Moynihan/Søderlind,1998, S.148., Wikipedia.
464
Moynihan/Søderlind,1998, S.142.
462
100
behandelt weil er blond und hellhäutig war, und er habe das als grobe
Ungerechtigkeit empfunden.465
Warum er wirklich seinen ehemaligen Freund Euronymous umgebracht hat, liegt
immer noch im Dunkeln, und es gibt sowohl von ihm selbst als auch von der
„Gegenseite“ legendenhafte Darstellungen darüber. Klar ist nur, dass er am 16. Mai
1994 zu 21 Jahren Haft verurteilt wurde. Die Anschuldigungen waren der Mord an
Øystein Aarseth, das Anzünden der Åsanekirche in Bergen, der Skjoldkirche in
Vindafjord und der Holmenkollenkapelle in Oslo, und der versuchten Brandstiftung
der Storteveitkirche in Oslo.466
Seit seinem Aufenthalt im Gefängnis veröffentlichte er Bücher und Tonträger, die
immer extremer seinen ideologischen Standpunkt vertreten: Skandinavier seien die
wahren Arier, müssten zu ihrer „natürlichen Ur-Demokratie“ zurückkehren und die
„Fesseln“
des
Christentums
abwerfen.
Alles
„nicht-Arische“
sei
für
diese
„Herrenmenschen“ zu meiden. Mittlerweile wurde er 2009 aus dem Gefängnis
entlassen und lebt mit seiner Familie in Telemark, verbreitet seine Ideen jedoch immer
noch zumindest über das Internet.
Quellen:
http://www.dagbladet.no/2009/03/10/nyheter/innenriks/fengsel/5216306
http://en.wikipedia.org/wiki/Varg_Vikernes
http://www.burzum.org/
http://ru.wikipedia.org/wiki/%D0%92%D0%B8%D0%BA%D0%B5%D1%80%D0%BD%
D0%B5%D1%81,_%D0%92%D0%B0%D1%80%D0%B3
(http://ru.wikipedia.org/wiki/Викернес, Варг)
Moynihan, Michael; Søderlind, Didrik: Lords of Chaos. The Bloody Rise of the Satanic
Metal Underground. Venice: Feral House, 1998.
465
466
Moynihan/Søderlind,1998, S.142 und S. 147.
www.dagbladet.no/2009/03/10/nyheter/innenriks/fengsel/5216306, 2010.
101
Schweden
Für die schwedische Szene von größter Bedeutung ist die Black Metal Band Bathory.
Ihr erste Alben „The Return“ und „Under the Sign of the Black Mark” die zwischen
1984 und 1987 veröffentlicht wurden, verhalfen dem Schwedischen Metal sich eine
neue, extremere Identität zu schaffen.467 Bathory kann als Vorläufer der neuen
ariergläubigen Black Metal-Gemeinde angesehen werden. Die Verbindungen zur
norwegischen Szene sind nach wie vor eng.
Nefandus468 erregten öffentliches Interesse, nachdem das Bandmitglied Michayah
Belfagor mit zwei Kumpanen Jagd auf einen Farbigen veranstaltet hatte.469 Die
Gruppe bekennt sich öffentlich zum Satanismus und gibt auch zu, dem Faschismus
nicht fern zu sein, ihn zumindest ideologisch zu unterstützen.470 Eine weitere Band von
Belfagor ist Ofermod471. Er gibt an, zum Schreiben der Texte durch seine Erfahrungen
mit Meditation und Astralreisen inspiriert zu werden. Bei der Gründung 1998
bezeichnete die Band ihre Musik als „Orthodox Black Metal“, verlagerte sich später
allerdings auf „Orthodox Death Metal“472, „da sie das Wort Satan nicht mehr
verwandte, sondern seine heiligste Essenz unbenannt belassen wollte, die noch vor
dem Kosmos existiert habe. Aufgrund seiner okkulten Erfahrungen kam Belfagor vor
den anderen Mitgliedern zu dieser Sichtweise, während diese 2004 noch religiöse
Teufelsanbeter waren.“473
Der Sänger der Gruppe Dissection474, Jon Nödtveidt475 wurde „wegen Beihilfe zum
Mord
an
[…]
einem
38jährigen
homosexuellen
Algerier,
sowie
illegalen
Waffenbesitzes zu zehn Jahren Haft verurteilt; als Haupttäter wurde Vlad, Mitglied und
467
Vgl. Scott / Van Helden, S. 180.
www.nefandus.org, 2010.
469
Vgl. Moynihan / Søderlind, S. 331.
470
Siehe: www.angelfire.com/ak/tiagoblackmetal/nefandus.html, 2010.
471
Gegr.1996, Nörrköping, Schweden, www.myspace.com/ofermodrapetheworld, 2011. Black Metal.
472
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Ofermod, 2011.
473
http://de.wikipedia.org/wiki/Ofermod,2011.
474
Gegründet 1989, Strömstad, Schweden, www.dissection.se, 2011, Melodic Black Metal / Melodic
Death Metal.
475
Nahm sich 2006 durch einen Kopfschuß das Leben. Seine Leiche wurde in einem satanistisch
anmutenden Szenario aufgefunden.
468
102
Kopf des „Misanthropic Luciferian Order“, dem Nödtveidt ebenfalls angehörte,
verurteilt. Während seiner Inhaftierung arbeitete Nödtveidt an neuen DissectionTiteln.“476
Auf
das
Konto
der
Bandmitglieder
sollen
ausserdem
einige
Kirchenbrandstiftungen und Grabschändungen gehen.
Der Sänger der Gruppe Algaion477, Märten Björkman, wurde wegen Brandstiftung
an einem alten Gebäude zu einer einmonatigen Haftstrafe verurteilt478, aber auch
verschiedene Stellungnahmen gegen das Christentum und für den Satanismus ließen
sich in Interviews einer inzwischen aus dem Netz genommenen Website nachlesen.479
So vermischen sich in der schwedischen Black Metal-Szene Arierverherrlichung,
Antisemitismus, Rassismus, Gewalt und Satanismus. All das wird als politische
Methode Teil dieses bizarren neonazistischen Black Metal-Teufelkultes.
Deutschland
Nach der deutschen Wiedervereinigung schlossen sich viele Metalheads der in
rechtsextreme Richtung abgedrifteten Skinheadszene an. Einige deutsche Bands
überschritten dann auch die Grenze der vorher nur formal vorhandenen Ablehnung
gegenüber Ausländern.
Der bekannteste Fall in Deutschland ist der als „Satansmord von Sondershausen“
bekannt gewordene Mord am Schüler Sandro Beyer, der von Mitgliedern der Band
Absurd480 verübt wurde. Der Band-Leader Hendrik Möbus verbüßte eine mehrjährige
Haftstrafe. Satanistische Züge mögen zwar in der Presse breitgetreten worden sein,
langfristig wesentlicher war aber wohl die rechtsradikale, sadistische Motivation hinter
der Tat. Absurd gelten als vom Inner Circle beeinflusst. Sandro Beyers Grabstein
zierte das Cover der 1995 veröffentlichten Aufnahme „Thuringian Pagan Madness“.481
476
http://de.wikipedia.org/wiki/Dissection, 2011.
Gegr.1993, Åtvidaberg, Schweden, www.myspace.com/algaion, 2011, Atmospheric Black Metal.
478
Moynihan / Søderlind, S. 330.
479
www.lysator.liu.se/~marten/Algaion/index1htm, 2003.
480
http://de.wikipedia.org/wiki/Absurd_(Band), 2010.
481
Davisson, 2010, S. 194.
477
103
Hendrik Möbus wuchs als Kind protestantischer Eltern im thüringischen Sondershausen
auf. Nach dem Fall der Mauer wurde er zum linksradikalen Punk, später gründete er
die Black Metal-Band Absurd. Die jungen Musiker trafen sich auf Friedhöfen und
propagierten eine Mischung aus Neosatanismus und neuheidnischer Mythen mit
Arierverherrlichung. Von den anderen Jugendlichen des Ortes wurde die Gruppe eher
gemieden, nur der etwas jüngere Sandro Beyer, ebenfalls ein Außenseiter, suchte
Anschluss, wurde von den Absurd-Mitgliedern aber abgelehnt. 1993 kam es dann
zum Mord an dem damals 15jährigen Sandro Beyer durch Möbus gemeinsam mit
zwei seiner Kollegen, da dieser sich aufgrund der anhaltenden Ablehnung über
Möbus` Clique Kinder des Satans lustig gemacht hatte. Seither boomt laut dem
heimischen Pfarrer Hauskellner die örtliche Satanistenszene, die sich auch logenartig
organisiere.
Im Gefängnis studierte Möbus die Schriften des Nationalsozialismus und alte
heidnische Religionen. Ebenso wie Vikernes, zu dem er sich hingezogen fühlte, kam er
hinter Gittern in immer stärkeren Kontakt mit dem Faschismus. Obwohl der Mord an
Sandro Beyer immer wieder mit dem Satanismus der Gruppe Absurd in Verbindung
gebracht wird, handelt es sich dabei nicht um ein bewußtes Opfer an Satan, die Tat
kann eher im Feld des Neofaschismus gesehen werden, da die Gruppe, wie Möbus
später in verschiedenen Interviews482 äußerte, nur einen Volksschädling beseitigen
wollte. 1998 wurde Möbus auf Bewährung entlassen. Er floh allerdings nach einem
Konzert, für das ihm NS-Wiederbetätigung (Zeigen des Hiltlergrußes) zur Last gelegt
wurde, nach Seattle/USA: Zunächst nahm ihn der rechtsextreme heidnische White
Order of Thule483 auf, nach einem Streit über den Aufbau einer Black Metal-Firma
floh Möbus jedoch weiter zum faschistischen Skinmusikmagazin ResistanceRecord484 und der National Alliance485 mit ihrem Chef William Pierce, der als
mächtigster US-Neonazi galt. Dieser gab ihm Asyl als „politischem Flüchtling“, der in
Deutschland aufgrund seiner Gesinnung verfolgt werde.
482
dpa 30.07.2001.
http://en.wikipedia.org/wiki/White_Order_of_Thule, 2010.
484
www.resistance.com, 2010.
485
www.natvan.com, 2011.
483
104
Wörtlich sagte Möbus: „Ich betrachte den deutschen Nationalsozialismus als die
perfekte Synthese aus dem satanisch/luziferischen Willen zur Macht, dem elitären
Sozialdarwinismus und dem arisch-germanischen Heidentum.“ Wichtig ist für ihn ein
Leitsatz der SS: „Den Tod zu geben und den Tod zu empfangen.“486
Über seine NPD-Kontakte versuchte Pierce, mehr Einfluß in Deutschland zu gewinnen.
Möbus sollte ihm dabei helfen und Jugendliche rekrutieren. Immerhin kannte der
„Satansmörder“, wie ihn die Presse gerne nennt, die rechtsextreme europäische
Musikszene und er hatte Erfahrungen darin, wie man jugendliche Goths und Black
Metal-Fans für rechtsextreme Anliegen instrumentalisiert. Gemeinsam mit seinem
älteren Bruder Ronald leitet Möbus das deutsche Label Darker Than Black487, zu
dem polnischen Rechtsaußenlabel Pagan Front488 bestehen gute Kontakte. Ronald
(Hellstrum) Möbus gab außerdem das Magazin Infernus489 heraus.
Heute verbreitet Roland Möbus National Socialist Black Metal (siehe oben) und
verlegt Neonazibands. Bands, die in diese Richtung wirkten, waren Impaled
Nazarene, Dark Throne, Mayhem, Burzum, Abysmal, Unholy, Barad Dúr,
Asatru und die polnische Gruppe Graveland.
Nach der Verhaftung von Hendrik Möbus in den USA im August 2000 und seiner
Überstellung nach Deutschland wurde er von Pierce zum Märtyrer der ariergläubigen
White Power Bewegung490 hochstilisiert. Heute lassen sich im Internet zahlreiche
Seiten zu Möbus finden491, die sich um eine angeblich genauere Darstellung des Falls
bemühen und sich für den aus „politischen Gründen“ Gefangenen einsetzen und um
seine Haftentlassung kämpfen.
Auf Grund ihrer Popularität soll auch die der Neuen deutsche Härte zugeordnete
Ostberliner Formation Rammstein492 genannt werden. In ihren Videoclip zu
486
Vgl. Thielke, 2000, S. 134f.
www.darker-than-black.com, 2010.
488
www.thepaganfront.com, 2010.
489
Vgl. Der Spiegel, 1994, S. 91f.
490
http://de.wikipedia.org/wiki/White_Power, 2011.
491
Siehe z.B. http://nsbm.org/pub/hendrik und www.mourningtheancient.com/evelyn.htm, 2011.
492
Gegründet 1994, Berlin, Deutschland, www.rammstein.de, 2011, Neue deutsche Härte.
487
105
Stripped493 wurden Ausschnitte aus Leni Riefenstahls Film Triumph des Willens494
einfügten. Vor allem in den USA und in England führte dies zu einem
Ausstrahlungsverbot des Liedes. In Deutschland durfte das Video nur nach 22 Uhr
gezeigt werden. Auch das Massaker von Littleton im Jahr 1999 wurde mit der
Gruppe in Verbindung gebracht. Die Tätern wurde unter anderem nachgesagt, neben
der Musik von Marilyn Manson auch die der Band Rammstein zu hören495.
Die Gruppe wehrte sich gegen die Vorwürfe rechtsextreme Ideologien zu propagieren.
Mit dem Song Links 234 wollten sie auch musikalisch ein Zeichen setzen, das ihre
Position klarstellte. In einem im Breakout Magazin erschienen Interview sagt ein
Mitglied der Band: „Da haben wir uns gedacht, gut, wir sagen was Klares. Wir haben
auch ein extrahartes Lied gemacht, um zu zeigen, daß gerade eine linke Band auch
harte und böse Musik machen kann. Wir sind natürlich böse, wollen es auch sein; wir
wollen, daß die Jugendlichen mit der Musik ihre Eltern ärgern. Daß die Eltern sagen:
Mach aus, den Dreck! - Dafür ist Rockmusik da! Aber irgendwann ist halt mal böse
und rechts in einen Topf geschmissen worden, und mit dem Vorurteil wollen wir
aufräumen. Wir marschieren, aber wir sind links, absolut klar bekennend links.“496
Auf Gund der Relevanz für die deutsche Szene muss hier auch das französische
Magazin Deo Occidi genannt werden, war es doch die erste relevante
Propagandafläche „des Neonazizweiges der deutschen Schwarz-Metaller.“497 Ein
Mitglied der bayrischen Black Metal Band Slice498 erklärte darin seinen Gebrauch des
Hakenkreuzes damit, dass er die Leute wissen lassen möchte, dass er Arier und
Deutscher sei. Ausserdem drücke es seinen Hass auf Moslems und Juden aus.499
Ähnliche Statements sind in diesem Magazin von der Formation Mayhemic Truth500
zu lesen. Die Band gilt als Wegbereiter für den deutschen Black Metal.501
493
Cover Version eines Stückes von Depeche Mode.
NS-Propagandafilm über den Reichsparteitag der NSDAP 1934 in Nürnberg.
495
www.arte-tv.com/tracks/20001110/dtext/manson.htm, 2010
496
http://www.breakoutmagazin.de/archiv/aram11.html, 2011.
497
Fromm, 2003, S. 9.
498
Keine Website auffindbar.
499
Vgl. Fromm, 2003, S. 9
500
Bestand von 1992-1998. Zwei Mitglieder machen unter dem Namen „Morrigan“ weiterhin Musik.
501
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Mayhemic_Truth, 2011.
494
106
Schweiz
Im Juli 2001 kam es nach einem Death Metal-Konzert im Luzerner Friedenstal zu
einer
Friedhofsschändung
durch
sieben
jugendliche
Metal-Fans.
Laut
Polizeiaussagen hatten sich die Jugendlichen, von Alkohol und (Black Metal-)Musik
berauscht, zu den Vandalenakten hinreißen lassen, mit Satanismus habe die Tat aber
angeblich überhaupt nichts zu tun.502 Der Death Metal-Musiker und rechtsextreme
Satanspriester Satorius hatte dort den Schwarzen Orden von Lucifer503
gegründet. In einem Interview504 bekennt sich Satorius zum Satanismus in der von
LaVey propagierten Form und weist eine gedankliche Nähe zu gewissen Ansichten
und Theoretikern des Dritten Reiches, wie etwa Karl Maria Wiligut, nicht von sich.
Menegroth steuerte einen Song zum Julius Evola Tribute Album „The Spirit of
Europe“ bei.505 Weiters beruft sich die Band auf Filippo Tommaso Marinetti und
vermengt ihre Songtexte mit Verschwörungstheorien des Dritten Reiches.506
Die Metal und Crossover Band Samael unterhielt einige Zeit gute Kontakte zu
Mitgliedern von Mayhem. Der Bassist soll sogar ein Stück vom Gehirn des MayhemSängers nach dessen Ermordung zugesandt bekommen haben. Samael brachte zwar
ein T-Shirt auf den Markt, auf dem der Konterfei Christi mit einer NS Parole in
Verbindung gebracht wurde, tat dies aber nach eigener Angabe um das Christentum
als totalitär zu kritisieren und damit zu provozieren.507 Die rechtsextremen
Äusserungen einiger norwegischer Musiker bezeichnete der Sänger von Samael „als
zwangsläufige Folge ihrer Versuche, Extreme auf die Spitze zu treiben und Tabus zu
brechen. Eine solche Sichtweise sei ‚von Grund auf völlig falsch’, aber er könne ‚den
Weg in ein solches Loch nachvollziehen.’“508
502
Unter http://www.agpf.de/Satanismus.htm#31.7.01 kann ein ein Interview der Neuen Luzerner
Zeitung mit beteiligten Jugendlichen nachgelesen werden.
503
www.myspace.com/schwarzerordenvonluzifer, 2011.
504
www.schwarzeorden.ch/interview_nlz.htm, 2003, Seite 2011 nicht mehr verfügbar.
505
Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Menegroth_(band), 2011.
506
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/National_Socialist_Black_Metal, 2011.
507
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Samael_(Band), 2011.
508
http://de.wikipedia.org/wiki/Samael_(Band), 2011.
107
Ein schweizer (Extreme) Metal-Fan, der unter dem Pseudonym Azrael die Internetseite
Taste of Black509 betreibt und Mitglied der germanisch-heidnischen Forenplattform
Lichtwärts ist, beschreibt in einem Interview mit der Aufklärungsgruppe
Krokodil510 den „Kampf gegen den Rechtsextremismus im Metal, vor allem gegen
den NS Black Metal“ als wichtiges Ziel seiner Plattform. Die „totalitäre, antisemitische,
einseitige und verquere Weltanschauung hat nichts mehr mit dem ursprünglichen
Gedanken des Metal zu tun, außerdem wird durch solche Bands das Heidentum sehr
schnell in den Dreck gezogen.“511
Österreich
Die vom Journalisten Franko Petri für „News“ enttarnte satanistische Grazer
Metalzeitschrift512 The Art Of Necronomicon513 schrieb z.B.: „Dies ist ein weiterer
Beitrag des Circle of Hate, um den Haß gegen diese christlich-soziale Welt zu
schüren. Mögen wir oder unsere Nachkommen einmal die Kraft haben, um wie
unsere Väter in die Schlacht zu ziehen. Um unser Ziel zu erreichen, bedarf es viel
Durchhaltevermögen, welches nur die B.M.514-Elite aufweisen kann. So sei es, bei
Wotan!“
Die Wiener Band Abigor515 galt einige Zeit lang als Aushängeschild des Black Metal
in Österreich516. Die Band pflegte enge Verbindungen zur deutschen Band Absurd
bzw. Hendrik Möbus. „Wegen Möbus’ Mitwirkung am Album „Nachthymnen (From
the Twilight Kingdom)“ und eigener Aussagen wurde Abigor am äußersten rechten
Rand verortet, wogegen sich die Band halbherzig versuchte abzugrenzen.“517 Die
509
www.taste-of-black.ch, 2011.
Projekt von EBIS e.V. (Eltern- und Betroffenen-Initiative zur Selbsthilfe gegenüber neuen religiösen
und ideologischen Bewegungen, Baden-Württenberg, e.V.)
511
www.aufklaerungsgruppe-krokodil.de/MetalIsTheLaw.pdf
512
2011 kann die Existenz dieses Magazins nicht mehr belegt werden.
513
Keine Website auffindbar.
514
Black Metal
515
Gegründet 1993, Österreich, www.abigor.at, 2011, Black Metal bzw. Industrial Black Metal.
516
Vgl. www.legacy.de/contenido/cms/front_content.php?client=1&lang=1&idcat=22&idart=686,
2011.
517
http://de.wikipedia.org/wiki/Abigor_(Band), 2011.
510
108
Gründer Peter Kubik und Thomas Tannenberger sehen sich als Satanisten und wollen
ihre Einstellung auch über Abigor transportieren.518
Nicht zuletzt entwickelte sich der Wiener Metal-Musiker Kadmon zu einer
Drehscheibe rechtsextremer Bands und Ideologien. In den neunziger Jahren tauchte
ein Teil der Elite der jungen FPÖ in das Wiener Musik- und Diskoleben ein. Neben
einer Vorliebe für Techno streiften einige Kollegen aus dem Umfeld von HC Strache
auch mit dem Black Metal-Musiker Kadmon durch das nächtliche Wien, der ihnen alte
Wiener Sagen, vorzeitliche Mythen und (neu)heidnische Kulte näher brachte. Kadmon,
vulgo Gerhard Petak, betreibt die Band „Allerseelen“ und gibt die Heftreihen
„Ahnstern“ und „Aorta“ heraus, in denen auch der satanistische Filmemacher
Kenneth Anger zu Wort kam. Kadmon vertonte Aussagen des italienischen Faschisten
Julius Evola und des „SS-Rasputin“ Karl Maria Willigut. Auch Nazi-UFOs bevölkern
das Weltbild des Musikers.519
„In Österreich gibt es kaum Bands, die sich selbst als ‚NSBM’ bezeichnen, jedoch
einige Versände, die Tonträger von NSBM-Bands vertreiben. So sind beim ‚Irdenwerk
Versand’ aus Oberösterreich diverse Tonträger von NSBM-Bands wie ‚Bilskirnir’,
‚Draugurz’, ‚Seigneur Voland’, ‚Kristallnacht’ und vielen anderen erhältlich.“520 Das
obersteirische Label Napam Records521 wurde 2007 vom Szenemagazin Rock
Hard aufgrund der im Sortiment befindlichen Produktionen von NSBM-Bands
befragt. Der Inhaber fühlte sich durch die Fragen des Journalisten angegriffen und
berief sich auf Fachleute, die das Sortiment prüfen würden.522
Aufruhr gab es 2005 um das „Dunkelheit“-Festival523. Ursprünglich als 2-TagesFestival geplant hätte es in Niederhollabrunn in Niederösterreich stattfinden sollen.524
Nach massiven Protesten wurde die Veranstaltung auf einen Tag gekürzt und nach
518
Ebda.
Vgl. Horaczek / Reiterer, 2009, S.81f.
520
www.infoladen-wels.at/print/aktuelles/mehr.php?no=19, 2011.
521
www.napalmrecords.com, 2011.
522
Vgl. Mühlmann, 2007, S.60.
523
Veranstalter waren das Label „Ashen Productions“ und das Online Magazin „blackmetal.at“
524
Vgl. http://www.infoladen-wels.at/print/aktuelles/mehr.php?no=19, 2011.
519
109
Graz verlegt, wo es ebenfalls zu Protesten (v.a. der Antifa) und verschärften Kontrollen
am Einlaß kam. Wie sinnvoll es ist, Festivalbesucher anhand von Band T-Shirts
auszusortieren und nach Hause zu schicken, sei dahin gestellt.
Einer speziellen Betrachtung soll die Grazer Metalszene unterzogen werden. Sie
entwickelte sich laut einem mit René Molnar geführten Interview525 sehr langsam. „Es
begann in Graz mit 15 bis 20 Personen, heute sind es 1500 bis 2000, wobei ich von
einigen Tausend Sympathisanten ausgehe. Der Inner Circle, also der harte Kern,
umfasst 500 bis 600 Menschen.“526 Ferner räumt Molnar mit der Annahme auf, dass
der überwiegende Anteil der Szenemitglieder aus dem Lehrlingsbereich käme. Er hat
sich im Rahmen seiner Arbeit zur Erlangung des Abschlusses „Akademischer Jugendund Soziokulturpädagoge“527 an der Pädagogischen Hochschule Steiermark mit der
Frage beschäftigt, in wie weit eine rechtsextreme Ausrichtung bei jugendlichen Grazer
Metalfans vorliegt und kommt zu dem Schluß, dass die Szene sich eher im politisch
neutralen bis linken Spektrum bewegt und somit Rechtsextreme eine Minderheit
bilden.
„Die Grazer Metaler sind sicherlich weniger rechts[extrem] als der Durchschnitt bei
den steirischen Jugendlichen. Zurzeit sehe ich in Graz keine Chance für eine
rechtsextreme Unterwanderung der Szene. Der Widerstand gegen rechtsextreme
Unterwanderung
nimmt
übrigens
im
gesamten
deutschen
Sprachraum
zu.
MetallerInnen weisen auch eine große Teilnahmequote bei Wahlen auf.“528 Nicht nur
unter den Fans, auch in Musikerkreisen sieht Molnar die Situation ähnlich. Zwar gibt
es Bands, bei denen nicht sicher auszumachen ist, ob sie provozieren oder tatsächlich
rechtsradikale Ideologien verbreiten wollen wie z.B. Flammenstrurm529 und
Interregnum530, ansich ist die Szene aber auch was die lokalen Musikgruppen betrifft
eher politisch neutral bzw. latent links orientiert.
525
Schweidlenka: Interview mit Rene Molnar, 2011.
Ebda.
527
Molnar, 2011.
528
Schweidlenka: Interview mit Rene Molnar, 2011.
529
Graz, www.flammensturm.at, 2011, Black Metal.
530
Gegründet 2006, Graz, Österreich, www.interregnum.at, 2011, Viking Death Metal.
526
110
Auch was satanistische Tendenzen betrifft ist die Grazer Szene laut Molnar relativ
unbelastet. Ein großer Teil bezeichnet sich als atheistisch.
Abb. 32
Unter den Grazer Metalheads herrsche hinsichtlich der hohen Wahlbeiteiligung ein
überdurchschnittliches
Demokratieverständnis.
Sie
beobachten
die
aktuellen
politischen Geschehnisse durchwegs kritisch. „Die Altersgruppe der 16 bis 20 jährigen
Szenemitglieder zeigen ein größeres Interesse an Politik, als ihre steirischen
AltersgenossInnen.“531 Ferner verortet Molnar in der untersuchten Szene eine
durchwegs tolerante Haltung gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund.
„Zusammenfassend kann man sagen dass die Grazer Metalzene besser ist, als der Ruf
des Metals als solches.“532 Molnar konkludiert, „dass es sich bei der Grazer
Metalszene um keine rechtsorientierte Szene handelt, und dass dieselbe derzeit nicht
durch rechtsextreme Kreise unterwanderbar ist.“533
Eine Liste österreichischer Metal Bands findet man in den „Metal Archives“.534
531
Molnar, 2011, S.40.
Ebda.
533
Ebda.
534
www.metal-archives.com/lists/AT, 2011.
532
111
Die schwarz/braune Szene in Osteuropa
Benjamin M. Grilj
In dieser Beschreibung soll der geographische Begriff „Osteuropa“ und alle Im- und
Explikationen nicht thematisiert werden. Da die Entwicklungslinien zwischen den
Ländern des ehemaligen COMECON (meist Ostblock genannt) und der ehemaligen
UdSSR aber gänzlich different sind, soll hier die Situation in den europäischen
Ländern der Ex-UdSSR (Russland, Ukraine, Weißrussland, Estland, Lettland, Litauen
und Moldawien) an Hand von einigen Beispielen beschrieben werden.
Grundsätzlich müssen vier Dinge vorausgeschickt werden, die sich wesentlich von der
Situation in West- und Zentraleuropa unterscheiden, aber essentielle Folgen hatten
und zum Teil auch noch heute haben:
•
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Deutschland lange Zeit die
alleinige Schuld an diesem und dem Holocaust gegeben; in Österreich z.B.
folgte die Diskussion um eine Mitschuld erst Mitte der 1980er, in Frankreich
und anderen Ländern noch später. Die Situation in Osteuropa unterscheidet
sich davon aber, da im Sinne des kollektiv-sozialistischen Denkens jeder
Sowjet Europa vom Nationalsozialismus befreit hat, als ob er tatsächlich in der
Roten Armee gedient hätte. Diese Interpretation der Geschichte verhinderte
größtenteils eine Aufarbeitung der Fragen von Kollaboration, Antisemitismus
und herrschendem faschistoiden Gedankengut.
•
Das sowjetisch-planwirtschaftliche Marktsystem hatte auch eine Entsprechung in
der Musiklandschaft, so dass es als einziges Plattenlabel Melodia gab,
welches politisch kontrolliert wurde. Rock oder Metal waren als „rowdyhaft“ und
„dekadent“535
verschrien
„unkultivierte,
rüpelhafte
und
dementsprechend
Betragen,
Herumgröhlen
unerwünscht.
und
Das
rücksichtslose
Gedränge“ wurde nicht nur als „Oppositionshaltung“ sondern als „gestörte
535
Vgl. Wicke, P.: Rockmusik und Politik. Ch. Links: 1996, S. 29.
112
Beziehung zur sozialistischen Gesellschaft überhaupt“536 verstanden, womit eine
Veröffentlichung auf Melodia für Bands aus diesem Genre nahezu unerreichbar
war. Dies änderte sich erst mit den Reformen Gorbatschows, die das Label
marktwirtschaftlichen Gesetzen unterwarf und damit öffnete.
•
Wegen der herrschenden Zensur waren die meisten ausländischen und alle
inländische Bands, die dem Profil Melodias nicht passten, vom Verkauf
ausgeschlossen, so dass sie sich andere, illegale, Vertriebsmöglichkeiten
suchen mussten. So war ein musikalischer Austausch ausschließlich auf
persönliche Kontakte beschränkt und Szenen konnten sich primär regional
entwickeln.
•
In den meisten der angeführten Länder wird das kyrillische Alphabet
verwendet, was sich häufig negativ auf eine Verbreitung in West- und
Zentraleuropa auswirkt(e).
Russland
D.I.V.
D.I.V. (Д.И.В.) ist die einzige der hier angeführten russischen Bands, die es nicht mehr
gibt, soll aber wegen ihrer Reichweite Erwähnung finden. Gegründet 1987 in Moskau
können sie am ehesten im Oi!537 verortet werden, wechselten aber (vermutlich durch
den häufigen Besetzungswandel) immer stärker in den Thrash Metal über. Inhaltlich
bleiben die Texte aber, unüblich für den Thrash, eindeutig rechtsradikal,
faschistoid und nationalsozialistisch. Der Sänger von D.I.V. versuchte sich
daneben auch als rechtsextremer Politiker, scheiterte aber. International Beachtung
findet die Band nur in Skinhead-Kreisen auf Grund der Schweizer Dokumentation
Skinhead Attitude. Der Versuch an RAC (Rock against Communism – gegründet
von Ian Stuart von Skewdriver) anzukoppeln schlug auch fehl, da D.I.V. immer wieder
durch ihre (Alkohol-)Launen negativ auffielen und nicht ernst genommen wurden. Bis
536
537
Vgl. ebda. S. 32.
Musikstil dessen Anhänger zumeist aus der Skinhead- und Punkszene kamen [Anm. d. Red.]
113
2004 veröffentlichte die Band elf Alben mit teils eindeutigen Titeln wie „Genocide“
oder „Mein Kampf“ für das Label Rebel Records Russia. Bedeutend sind sie, weil
sie noch zu Zeiten des Kommunismus offen nationalsozialistische Äußerungen
verlauten ließen und deswegen heute vielfach als Türöffner für die radikale rechte
Szene in Osteuropa bezeichnet werden.
Kolovrat
Bei dieser Band fällt die politische Einteilung leicht, da allein schon der Name Kolovrat
(Коловрат) Sonnenrad bedeutet, das auch als Bandlogo fungiert: eine achtarmige,
rechtsgedrehte Swastika. Daneben ist Kolovrat gleichzeitig der Kampfname eines
russischen Kriegsherren und Deckmantel der aktuellen russischen Rechtsradikalen.
Die Band formierte sich 1994 in Moskau unter dem Namen Russian Ghetto, den sie
aber 1997 zu Gunsten von Kolovrat änderte, um ihre „politischen Ansicht zu
verdeutlichen.“538 Mittlerweile veröffentlichten sie 10 Alben auf dem eigenen Label
Kolovrat NS und sind fest im internationalen Geschehen verankert: sie spielen auf
zahlreichen NSBM- und Pagan-Festivals in ganz Europa und veröffentlichten auch eine
Split-CD539 mit den deutschen Neonazis von Nahkampf unter dem Titel „RussianGerman NS Unity“. Die Song-Texte sind klar antisemitisch und nationalsozialistisch:
„das einzig wahre politische System für die Weißen ist der Nationalsozialismus, der
modern, angemessen und fortschrittlich ist. [...] Der 2. Weltkrieg war ein
brudermordender Krieg, der von den Zionisten angezettelt wurde um die Gefahr von
Seiten der Nationalsozialisten zu bannen, die sowohl die Herrschaft der Zionisten als
auch deren Existenz gefährdeten. 18 war ein großartiger Politiker und Stratege des
20. Jahrhundert [...].“540 Musikalisch gesehen begannen Kolovrat als RAC also im
rechtsradikalen Oi! Häufig stößt man auf Beschreibungen, dass sie heute Trash
Metal spielen würden, was aber sehr weit hergeholt ist. Man kann sie eindeutig im
Rechts-Rock verorten, der aber wesentlich melodischer als sein deutsches Pendant
ist.
538
Interview mit dem Sänger Timonichev, A. in: Aryan Music, 23.06.2006.
Darunter wird eine meist von zwei, manchmal aber auch von mehreren Bands gemeinsam
herausgebrachte CD verstanden [Anm. d. Red.].
540
Interview mit dem Sänger Timonichev, A. in: Aryan Music, 23.06.2006. Hinweis: Die Zahl 18 steht
für Adolf Hitler.
539
114
M8L8TH
M8L8TH (oder Moloth88/Молотх88) wurden 2002 im russischen Tver gegründet. In
beiden Formen verwenden sie die 88 als Zahlencode für „Heil Hitler“ – im Bandlogo
finden sich daneben auch noch das verkehrte Kreuz und ein angedeutetes
Hakenkreuz. Bekanntheit erreichten sie aber nicht mit ihrer Musik, sondern auf Grund
der Tatsache, dass der Sänger Alexey wegen vierfachen Mordes und mehreren (teils
schweren) Raubüberfällen in einer Haftanstalt für psychisch gestörte Gewaltverbrecher
einsitzt.
Die erste LP von M8L8TH wurde auf Stellar Winter Records veröffentlich, dass zur
Pagan Front gehört, die aktuellste bei Lost Reich Records. Musikalisch sind sie
dem NSBM zuzuordnen; in den Texten finden sich krude Aneinanderreihungen von
nordischer und altslawischer Mythologie, russischem Nationalismus, faschistoiden
Rassentheorien und Christenhass.
Rodovest
So wie bei M8L8TH lässt sich bei Rodovest (Родовест) schon viel aus dem Bandlogo
erkennen: neben Streitäxten findet sich ein Sonnenrad, mehrere angedeutete
Swastiken und eine eindeutige. Rodovest wurde 2002 in Volgograd gegründet und
ist auf dem Label Soldatus Inconnus (heute Vae Victis, die von Frankreich aus den
deutschen NSBM-Markt beliefern), auf dem unter anderem auch Pagan Hellfire läuft.
Daneben sind sie in der rechtsextremistischen Pagan Front aktiv und covern Lieder
von Absurd und Burzum.
Musikalisch wurde Rodovest stark von Temnozor541 beeinflusst, so dass sich neben
typischen Black- Viking-, Doom- und Death-Metal Elementen auch Reminiszenzen an
die russische Volksmusik heraushören lassen. Was musikalisch schon angedacht ist,
findet eine Entsprechung in den Texten, wo russische Folklore mit Paganismus und
Nationalsozialismus vermengt wird.
541
Pagan Metal, Russland, gegründet 1996.
115
Stella Aria
Zwei Jahre nach Moloth88 wurde 2004 ebenfalls in Tver Stella Aria (Стелла Ариа)
gegründet, wobei es auch personelle Überschneidungen gibt. Auch wenn es im
Deutschen so anmutet, der Name Aria hat nichts mit Ariern zu tun, sondern mit der
Arie542. Die Bedeutung von Stella ist allerdings mehrdeutig: so kann es entweder ein
weiblicher Vorname sein, oder im Russischen Denkmal, Säule oder im Lateinischen
Stern bedeuten. Daneben gibt es noch aus der Medizin das Arias-Stella-Phänomen,
das die Veränderung der Gebärmutterschleimhaut nach einem Abort beschreibt.
Bisher hat Stella Arja nur ein Album im Selbstverlag veröffentlicht, wird aber
mittlerweile über Aryospher Prod. vertrieben, die ansonsten Bands wie Endlösung im
Programm haben.
Musikalisch versuchen sie Black-Metal mit Industrial und Ambient zu verbinden
und übersteigern diese seltsame Mischung noch mit Texten über Arier im Weltall.
Temnozor
Eine der bekanntesten rechtsradikalen Bands Russlands ist sicherlich Temnozor
(Tемнозор) die über ein ausgezeichnetes Netzwerk verfügten, in der rechtsradikalen
Pagan Front, Blood & Honour Russland und der White Power Bewegung aktiv
sind und mit Stellar Winter Records das einzige NSBM / RAC Label Russlands
besitzten. Temnozor hat mittlerweile auch jenseits eingeweihter Fans eine derartige
Bekanntheit in Zentral-Europa erreicht, dass eine Reihe von Konzerten in den
Niederlanden, Deutschland und auch Ungarn543 entweder abgesagt wurden, oder im
Geheimen stattfinden musste.
Seit der Gründung 1996 in Obninsk fallen die Bandmitglieder (es gibt eine sehr starke
Fluktuation in der Besetzung; die 17 aktuellen und vorherigen Bandmitglieder sind das
Who-Is-Who der osteuropäischen Neonaziszene) vor allem mit rassistischen
und antisemitischen Äußerungen auf: „pagan revival will stay only a dream until
modern civilization based on materialism and judaism is annihilated. [...] If most of
you will act the same way, trying to break the chains of judeo-christian slavery and
542
543
Arier von pers. „āryā“: „edel“; Arie von ital. „aria“: „Weise“, „Luft“.
Vgl. www.telegraaf.nl/binnenland/5695444/__Onderzoek_naar__nazi-band___.html, 2011.
116
consequences of it’s noxious impact (i.e. disastrous ecological, demographic and
geopolitic state of the whole White Race) speaking a lot but doing nothing, then soon
there will be nothing and nobody to save. We have to act now.“544 Sie bekennen
sich offen zum Nationalsozialismus und dem „heiligen Rassenkrieg [...]
KULTURKAMPF“545. Ihre zweite LP erschien 2004 bei Maximum, einem der größten
russischen Hard-Rock / Metal Labels, wurde aber bereits nach zwei Tagen Verkauf
verboten – zu diesem Zeitpunkt war aber fast die gesamte Auflage bereits verkauft.
Für den Vertrieb in Zentral-Europa haben sie Partner in anderen einschlägigen
rechtsradikalen Organisationen wie Hakenkreuz Productions, Ascent Records,
Eastside Records, Nebelfee Klangwerk und anderen gefunden, mit denen sie
auch über die Pagan Front und Stella Winter Records kooperieren.
Musikalisch gesehen können sie dem Folk- und Black-Metal zugeordnet werden,
wobei sie versuchen russische Instrumentierung und Melodien mit Black-Metal zu
vereinen. Bei Ihren Auftritten versuchen sie ausserdem ihre russische Herkunft mit
(Fantasie-)Trachten darzustellen. In ihren Texten geht es primär um Paganismus,
Krieg, Nationalsozialismus und Beschreibungen der Natur, wie sie auch bei anderen
Black-Metal-Bands zu finden sind.
Velimor
Velimor (Велимор) wurde 2002 in Novomoskovsk gegründet. Der erste Schlagzeuger
Ulv Gegner Irminisson, Mitbegründer der häufig als ersten russischen NSBM Band
bezeichneten Raven Dark und des NSBM-Netzwerkes BlazeBirth Hall, wurde 2005
von einem angeblich militanten Anti-Faschisten erstochen. Die Band, die mittlerweile
vier Alben veröffentlicht hat, steht bei Stellar Winter unter Vertrag.
Musikalisch sind sie Temnozor ähnlich, wenngleich weniger russische Volksmusik
Verwendung findet. Ihre Texte behandeln im Wesentlichen die Themen Krieg,
Paganismus und Antisemtismus.
544
Interview mit Kai Mathias Stalhammer von Nargathrond 1998:
www.rusmetal.ru/vae_solis/Temnozor.htm, 2011.
545
Resistance #23, 2004.
117
Startseiten-Grafik der BlazeBirth Hall
Abb. 33
Woods of Fallen
Das 1996 in Moskau gegründete Duo Woods of Fallen versucht möglichst unerkannt
zu bleiben. Die vorhandenen sechs Aufnahmen sind Proberaummitschnitte,
daneben sind sie auch nur auf zwei Samplern vertreten, wovon einer eine Burzum
Tribute CD ist. Beide Mitglieder sind in der Szene aber äußerst aktiv: so spielten sie
beide bei Temnozor und einer, ebenso wie der schon erwähnte Ulv Gegner, ist
Gründungsmitglied von Raven Dark und BlazeBirth Hall. Gorruth, der noch
immer die Texte für Temnozor schreibt, ist der Eigentümer von Stellar Winter
Records, über die auch die Aufnahmen von Woods of Fallen vertrieben werden.
Musikalisch sind sie dem Black Metal zuzuordnen und haben im Gegensatz zu den
zuvor beschriebenen Bands (fast) keine Reminiszenzen an die russische Tradition:
weder musikalisch, noch inhaltlich oder grafisch beim Logo: so werden keine
kyrillischen Buchstaben verwendet, es findet sich eine Abbildung Wotans in Begleitung
eines Rabens und Wolfes und darüber thront ein rechtsgedrehtes, abgerundetes
Hakenkreuz. Die Texte, die nur sehr spärlich vorhanden sind, huldigen größtenteils
dem Paganismus und Nationalsozialismus.
118
Ukraine
Dub Buk
Die 1997 in Charkiv gegründeten Dub Buk (Дуб Бук – Eiche und Buche) erlangten
auch in Österreich 2008 eine gewisse Bekanntheit, nachdem eine Anzeige wegen
Wiederbetätigung nach dem NS-Verbotsgesetz gegen ihren österreichischen
Vertrieb Ashen Records eingereicht wurde. Neben Dub Buk waren dort auch Bands
wie Pogrom, Gestapo 666, Nokturnal Motum oder Nordisches Blut unter
Vertrag.
Mit Nokturnual Mortum verbindet sie sehr viel, da sie nicht nur dieselben
Vertriebswege nutzen (lange Zeit waren beide auf Eastside Records), sondern auch
personelle Überschneidungen vorhanden sind. Musikalisch entwickelte sich Dub Buk
aus einem sehr puristischem Black-Metal hin zum Melodic-Black-Metal. In ihren
Texten transportieren sie vornehmlich paganistische, antisemitische, antichristliche,
nationalsozialistische (ein verschobenes, abgerundetes Hakenkreuz ist auch zentrales
Element des Logos) Inhalte, die mit Heldenmythen der Kiewer Rus (das erste
„russische“ Staatswesen, bevor es eine Trennung zwischen Russen und Ukrainer gab)
verknüpft werden. Dementsprechend sind die Songtexte fast ausschließlich auf
Russisch und Ukrainisch.
Finist
2002 formierte sich in Charkiv die Power-Folk-Metal Band Finist, benannt nach
einem Falken der russischen Mythologie. Verbindungen hat diese Band vor allem mit
Nokturnal Mortum, da drei von ihnen in beiden Bands spielen.
In den Texten geht es primär um die Themen Krieg, arisch-slawischen Stolz, Rassismus
und Ukrainischen Nationalismus. Obwohl diese Band nicht einmal ansatzweise dem
Black-Metal zugeordnet werden kann, reiht sie metalcrypt in den NSBM ein, und
warnt Fans des Power Metals, sich diese Band anzuhören, da ihre Texte
nationalsozialistisch und rassistisch sind.546 Auf ihrer eigenen Myspace Seite,
bezeichnen sie ihren Stil als Brutal Ukrainian Nationalism, der „new light to the
546
www.metalcrypt.com/pages/review.php?revid=3138, 2011.
119
ukrainian NSMB Scene“547 bringen solle und verwenden das ukrainische Wappen als
Hintergrundbild. Auffallend ist allerdings, dass sie obwohl sie so „stolze Patrioten“ sein
wollen, sowohl auf das Ukrainische als Sprache, als auch auf das kyrillische
Schriftsystem verzichten.
Nokturnal Mortum
Kaum eine andere NSBM-Band aus Ost-Europa ist derart bekannt wie auch
wandelbar wie Notkurnal Mortum. 1991 als, wie sie es selbst bezeichnen „Unholy
Death Metal“548 Band in Charkiv unter dem Namen Suppuration gegründet,
wurden sie zwei Jahre später die Black-Metal Band Cristaline Darkness, bevor sie in
der Originalbesetzung von Suppuration 1994 zuerst Nocturnal Mortum und
schließlich ein Jahr später Nokturnal Mortum wurden. 1997 schaffte die Band den
Durchbruch im Westen, was vor allem über The End Records und Nuclear Blast
ermöglicht wurde. Beide trennten sich aber auf Grund der zunehmend (offen)
geäußerten nationalsozialistischen Ausrichtung der Band von dieser.549 Stilistisch
gesehen wandelten sie sich von einer relativ thrashigen Death Metal Band zu einer
melodischen Black Metal-Band, oder wie sie es selbst bezeichnen Folk Symphonic
Black Metal. Sie kombinieren ukrainische Volksmusik und Instrumente mit einem
melodischen Black-Metal, der sich aber vor allem durch den klaren Gesang vom
skandiniavischen oder britischen unterscheidet.550
In der zentral-europäischen Szene wird häufig über die ideologische Ausrichtung
von Nokturnal Mortum diskutiert, wobei vor allem das A-Blaze Magazin sich der
Peinlichkeit Preis gab zu behaupten, dass sie nicht „unter das Akronym »NSBM«
subsumiert werden können, da sich weder die Texte noch die Präsentation dieser
Bands politisch kategorisieren lassen.“551 Leider basierten diese und ähnliche
Äußerungen entweder auf Unwissen, oder auf Verleugnen von Tatsachen, da der
547
www.myspace.com/finist1, 2011.
www.rusmetal.ru/mortum/bio.html, 2011.
549
Vgl. www.firegoat.com/eng/?id=3&d=16, 2011.
550
Vgl. www.metalunderground.com/reviews/details.cfm?releaseid=445, 2011.
551
http://ablazemagazin.de/___ablaze/index.php?mact=News,cntnt01,detail,0&cntnt01articleid=85&cntnt01returnid
=15, 2011.
548
120
Sänger Knjaz Varggoth in einem Interview mit dem Firegoat schon Jahre zuvor meint:
„[...] They [Runes of Dianceht] play the same style of music as Nokturnal Mortum:
national socialistic Black Metal.“552 Anfangs bezeichneten sie ihren Stil und auch ihre
Texte noch als „Lunar Black Metal“553, worunter sie vor allem Christenhass
subsumierten, ab dem Album „To the Gates of Blasphemous Fire“ verbreiteten sie
aber offen nationalsozialistisches, antisemitisches Gedankengut und waren bis 2008
Mitglied der Pagan Front. Im Text von „the Taste of Victory“ präsentieren sie den
Zweiten Weltkrieg als von Juden angestifteten Bruderkrieg. Auch wenn der Sänger in
aktuelleren Interviews immer wieder behauptet, dass sie nun unpolitisch seien,
bezeichnet er den Revisionisten Migual Sirrano als einen der Haupteinflüsse seiner
Texte, womit er die zuvor gemachte Aussage negiert.554 Aufregung gab es auch noch
in Bezug auf die W:O:A Roadshow, bei der 2008 in Kiew auch Nokturnal Mortum
hätte spielen sollen – ihr Auftritt wurde dann aber kurzer Hand (ohne Nennung von
Gründen) gecancelt.
Im Gegensatz zu Drudkh, wo eine eindeutige Zuschreibung schwierig ist, handelt es
sich bei Nokturnal Mortum um ein Aushängeschild des ukrainischen NSBM.
Sokyra Peruna
Sokyra Peruna ist eine international sehr gut verknüpfte Kiewer Band, die sich
zwischen Pagan Metal und Rechtsrock bewegt. Sie werden meist als RAC
kategorisiert, brechen die Genregrenze allerdings immer wieder in Richtung Thrashund Pagan auf. Inhaltlich sind sie eindeutig rechtsradikal und vermischen
nationalsozialistisches Gedankengut mit ukrainischem Nationalismus. Das Logo mit
dem linksgedrehten, abgerundeten Hakenkreuz lässt eine ideologische Nähe
erkennen. Sie sind bei Blood & Honour und Division East Europe aktiv und haben
im Zuge dessen auch Sampler mit Bands wie Front18, Vandal, H8 oder Kolovrat
veröffentlicht. Daneben sind sie Mitglieder der German Slavonic Army und haben
552
www.firegoat.com/eng/?id=3&d=16, 2011.
www.metalunderground.com/reviews/details.cfm?releaseid=445, 2011.
554
Vgl: http://frostkamp.wordpress.com/2008/08/05/nokturnal-mortum-interview, 2011.
553
121
im Zuge dessen eine Gedenkveranstaltung für Ian Stuart555 in Kiew organisiert, in
Folge dessen eine Split-LP mit Brigade M aus Holland und Antisystem aus Russland
veröffentlicht wurde – eine von insgesamt vier Split-CDs. Daneben haben sie bis jetzt
sechs Alben produziert, die vom rechtsradikalen Label Eastside Records vertrieben
werden.
Hate Forest
Hate Forest wurden 1995 in Charkiv gegründet und haben sich 2004/5/6556 wieder
aufgelöst. Sie haben stets versucht, sich von der Öffentlichkeit fernzuhalten, keine
Interviews zu geben und sich nicht eindeutig politisch zuordnen lassen. Ihr Label
Primitive Reactions hat keine NSBM Bands unter Vertrag.557 In einschlägigen MetalMagazinen werden sie aber trotzdem unter dem Genre NSBM gelistet558, obwohl
keine der sehr spärlichen Texte veröffentlicht worden sind und es kaum vorstellbar ist,
dass diese verstanden werden könnten. Als Belege für die nationalsozialistische
Ausrichtung gelten die offizielle Website (es handelt sich dabei nur um eine
myspace Seite) und das Merchandise. So findet sich auf der myspace Seite die Zeile
„every subhuman buying hate forest releases buys a weapon against himself.“559 Als
Merchandise wird unter anderem ein Pulli mit dem Bild Roman Shukewytschs
verkauft, der als Offizier an der Seite von Wehrmacht und SD in der Operation
Nachtigall in der Westukraine gekämpft hatte und für (mindestens) ein Pogrom an der
jüdischen und polnischen Zivilbevölkerung in Galizien verantwortlich ist. Daneben gibt
es Hinweise auf die Zugehörigkeit zur rechtsextremen Szene, wie beispielsweise, dass
Hate Forest häufig mit Kolovrat aufgetreten ist.
555
Britischer Sänger, *1957, †1993; Kopf der neonazistischen Band Skrewdriver, Gründer von Blood
and Honour. [Anm. d. Red.]
556
Die Quellen nennen kein eindeutiges Jahr.
557
Taghut stehen allerdings auf Grund ihrer islamophoben Texte unter Verdacht.
558
Vgl. www.chroniclesofchaos.com/reviews/albums/2-3277_hate_forest_purity.aspx, 2011.
559
www.myspace.com/hateforestukraine, 2011.
122
Weißrussland
Molot/Molat
Die einzige weißrussische Band, die hier beschrieben werden soll, ist die 2004 in
Orsha gegründete Band Molot (Молот). Der Name und das Logo haben zwar einen
direkten Bezug zur UdSSR, die Band selbst steht allerdings ideologisch auf der
gegenüberliegenden Seite. Alleine wenn man sich die Sampler, auf denen die Band
vertreten ist ansieht, weiß man welcher Gedanken Kinder hier am Werk sind: so findet
man ihren Song White Power auf dem Sampler 10 Years in Valhalla – Ian
Stuart Donaldson Memorial, der auch auf Blood & Honour Russia vertreten ist.
Andere Sampler an denen sie beteiligt sind, wären der Lost Freedom BurzumTribute-Sampler, Tribute to Legion 88 oder Shave ´em all. Songtitel wie Aryan
Knight, Racial War, White Rock, White Power, Kolovrat, und ähnliche lassen auch
keinen Zweifel zu. Molot, die mit Thrash Metal beginnen und im Laufe der Zeit zu
einer Mischung aus Black-Metal und Rechtsrock wechseln, kehren damit zu ihren
musikalischen Wurzeln zurück, als sie noch Arachia (diese tauchen in einschlägigen
Internetforen immer wieder unter der Bezeichnung Apaxia auf, wobei hier einfach
kyrillische Buchstaben als lateinische gelesen wurden) hießen. Unter dem alten Namen
war bereits nationalsozialistisches Gedankengut in den Texten vertreten, wurde aber
bei weitem versteckter formuliert, als dies Molot tut. Ihr Vertrieb läuft über den
ukrainischen, rechtsradikalen Versand Evil Barber Records, der mittlerweile in
Deutschland indiziert ist.
Abschließende Bemerkungen
Auffallend bei der Recherche war, dass beinahe alle russischen Band-Websites
gesperrt waren, obwohl es im russischen Recht kein Verbotsgesetz wegen
nationalsozialistischer Wiederbetätigung gibt.560 Des Weiteren war es verwunderlich,
dass eigentlich alle russischen Bands aus dem direkten Umfeld Moskaus kommen. Für
die Ukraine ist es erstaunlich, dass die Bands aus dem Osten (Charkiv und Kiew)
kommen, wohingegen faschistische Parteien im Regelfall ihrer Wählerschaft im
560
Da sich mein aktueller Server in der Ukraine befindet, ist es auszuschließen, dass dieser aufgrund
europäischer Gesetze gesperrt wäre.
123
Westen des Landes haben. Von den ukrainischen Bands waren auch keine Websites
gesperrt.
Widerstand gegen NSBM
Bereits 1997 haben Jugendliche, die sich mit dem Satanismus im Rahmen des Projekts
„Jugend und Musik“ des BORG Hasnerplatz (Graz) beschäftigt haben, diese harte
Musikszene kritisiert: „So fordern Bands wie Burzum, Bathory und Immortal
richtiggehend zu satanistischen Taten in ihren Texten auf. Die oben genannten
Gruppen erreichen eine kaum für möglich gehaltene Dimension. So nach dem Motto:
„Die alten Bands haben nur darüber gesungen, wir tun es“ testen Extrem-Gruppen wie
Darkthrone, Mayhem, Emperor oder Immortal ihre wirre Zerstörungslyrik an lebenden
Objekten."561
90% der Metalheads stehen dem NSBM ablehnend gegenüber. Gegen die
rechtsextreme Unterwanderung des Heavy Metal regt sich seit Jahren Widerstand: So
tragen viele Metalfans antifaschistische Aufnäher auf ihrer Kleidung, viele sind bei der
Antifa, den Autonomen oder den Grünen aktiv. Manche Deutsche haben sich auch für
eine Karriere in der CDU entschieden. In der Regel sind rechtsextreme Personen – so
in der westdeutschen Metal-Community – ein Feindbild. Die meisten Metalbands
wenden sich unmissverständlich gegen Unterdrückung, Rassismus, Gewalt und
Intoleranz. Kreator oder Rumble Militia leiten ihre Konzerte mit Stellungnahmen gegen
den Faschismus ein.
Im Rahmen des Wacken-Openair, eines großen, jährlich stattfindenden MetalFestivals in Norddeutschland, kam es zu einer Antifa-Kampagne. Es gibt eine Initiative
Metalheads gegen Faschismus, unterstützt u.a. von Metalheads against brown
insanity
(siehe
oben)
und
pagans
against
fascism562.
Folgendes
Grundsatzstatement wurde 2001 abgegeben: „In letzter Zeit machen sich in der
Metal-Szene (vor allem beim BM) schändliche Missstände breit. Die Rede ist von der
561
Projektbericht Jugend und Musik des BORG Hasnerplatz, S.13
562
Die Website http://mars.spaceports.com/~wolfshof/paf.htm scheint nicht mehr existent zu sein.
124
„Politisierung“ dieses Musikstils. Rechtsextremes, faschistisches Gedankengut wird
angepriesen
und
findet
zunehmend
Anklang,
vor
allem
bei
unerfahrenen
„Neueinsteigern“. Dabei sei einmal in aller Deutlichkeit ausgesprochen, dass Metal
NIE wirklich politisch orientiert war (oder zumindest nie in solch einer extremen Form).
Diese Musik symbolisierte immer Rebellion gegen bestehende Systeme, gegen die
Gesellschaft an sich und die Unterdrückung durch staatliche Organisationen, die der
Massenkontrolle dienen (als da wären z.B. die Kirchen). Faschismus widerspricht
dieser Ideologie vollkommen, er fördert das Wohl einzelner Machthaber und die
vollkommene
Kontrolle
des
Individuums.
Faschismus
zerstört,
beschmutzt
altehrwürdige Dogmen, er missbraucht sie für sich. Aus ihm heraus und nur aus ihm
waren eben diese Volksunterdrückungsmaschinerien, die wir eigentlich von jeher
bekämpft haben. Christentum ist nur ein Beispiel.
Faschismus ist schändlich und beleidigend für all diejenigen, die dem Metal wirklich
treu geblieben sind.“563
„Leider werden bezüglich dieses Themas immer noch zu oft die Augen geschlossen.
Nur wenige sind bisher wirklich bestrebt, auf diese Missstände aufmerksam zu
machen. Viele Fans argumentieren mit der Differenzierung zwischen Ideologie und
Sound. NSBM aber basiert gerade auf der Grundlage, seine vermeintlich
„rassenstolze“ Ideologie durch die Musik zu vermitteln, diese beiden Elemente lassen
sich nicht trennen (Wer hört schon Musik, ohne sich für die Songtexte zu
interessieren?) Diejenigen, die auf dieses Argument zurückgreifen sind schlichtweg
ignorant, denn wer die entsprechende Musik hört, der unterstützt damit auch die
Bands und ihre Ziele.“564
563
564
Ebda.
Ebda.
125
Eines muss zur Kenntnis genommen werden: Es gibt ein weltweites, gut
zusammenarbeitendes
Netzwerk,
das
folgende
Trends
und
deren
Organisationen vereint:
Rechtsextremer / neonazionalsozialistischer Black Metal (NSBM)
Rechtsextremes / neonazionalsozialistisches Neuheidentum
Rechtsextreme / neonazionalsozialistische Okkult- und Satanistenorden
Rechtsextreme / neonazionalsozialistische politische Organisationen
Alle rechtsextremen / neonazionalsozialistischen Mörder – von Manson über Vikernes
bis
zu
Möbus
–
haben
in
diesem
Zusammenhang
ein
weltweites
Unterstützungsnetzwerk.
Innerhalb der Szene wird vielerorts Widerstand demonstriert. Auf den Kutten vieler
Metalfans sind Aufnäher mit durchgestrichenem Hakenkreuz bzw. dem NSBM
Schriftzug zu sehen. René Molnar vom Jugendkulturzentrum Explosiv wurde in
einem Interview gefragt, wie die Metalfans in der Einrichtung auf rechtsextreme
Vereinnahmungsversuche oder Meldungen reagieren würden. Seiner Erfahrung nach
reagieren die Leute nur vereinzelt aggressiv. Zumeist würde das Gespräch gesucht.565
„Aber der allgemeine Widerstand gegen rechts ist deutlich spürbar, wie gesagt ist das
ein internationaler Trend, den man auch im Internet verfolgen kann. Die Abfuhr für
rechte Bands ist heute weit verbreitet!“566
Festivals sprechen sich öffentlich dezitiert gegen nationalsozialistisches Gedankengut
im Metal aus. Musiker, Veranstalter, Label und Fans schließen sich in Vereinigungen
wie Metalheads against racism zusammen.
565
Vgl. Roman Schweidlenka: Interview mit René Molnar, Geschäftsführer des Jugendkulturzentrums
Explosiv, Graz, 15. 05. 2011.
566
Ebda.
126
PartySan (Festival) Against NSBM
Banner von Metalheads against racism
Abb. 34
Abb. 35-36
Auch Gruppierungen, die dem Genre nahe stehen setzen Aktionen und bilden
Gemeinschaften gegen nationalsozialistische bzw. faschistische Unterwanderung.
Abb. 37
Es werden aber auch immer wieder Stimmen laut, die solche Initiativen, v.a. wenn sie
de facto nur am „Papier“ (bzw. als Banner/Logo im Internet) bestehen, anzweifeln.
Mangelnde
inhaltliche
Auseinandersetzung
wird
befürchtet
und
sogar
die
Distanzierung von NSBM aus taktischen Gründen.567
567
Vgl. http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/unklare-distanzierungen-black-metal
127
Abb. 38
Es gilt – was eigentlich immer gelten sollte – auch in diesem Fall: Nicht allem
nachlaufen, was oberflächlich „gut“ wirkt, sondern kritisch mit den Hintergründen
auseinandersetzen! „Das Gegenteil von Gut ist nicht Böse, sondern gut gemeint!“
lautet ein vielzitierter Spruch von Kurt Tucholsky, der hier durchaus passend erscheint.
Auch auf Wikipedia findet man eine Liste einiger – von Schreibern von Wikipedia(!) –
als rechtsextrem eingestuften Metal Bands568.
Rechte Unterwanderung
Katharina Ganster
Zwischen Musikgeschmack, Politik und Religion ist deutlich zu unterscheiden. Jemand,
der eine Band mag, die als rechts gilt, ist nicht automatisch selbst rechts, ebensowenig
wie jemand, der sich als Satanist oder Asatru (Anhänger der nordischen Mythologie)
bezeichnet. Zwar ist es schon ein persönliches Statement, wenn man das T-Shirt einer
rechten Band bei einem Konzert trägt (z.B. Burzum, Graveland), ich finde jedoch die
vorherrschende Praxis, solche Leute kategorisch aus Konzerten auszuschließen, nicht
in Ordnung. Ich kenne selbst viele Metalfans, die solche T-Shirts aus Protest,
Provokation
oder
aufgrund
ihrer
Vorliebe
für
die
Musik
(ohne
politische
Hintergedanken) tragen, oder einfach weil ihnen die Motive auf den Shirts gefallen.
568
http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Rechtsextreme_Metal-Band, 2011.
128
Wenn bekannt wird, dass Menschen mit solchen Shirts nicht in ein Konzert gelassen
werden, können wirklich Rechtsradikale einfach ein anderes anziehen und ihre
Ideologie trotzdem verbreiten.
Ich persönlich bin ohnehin gegen jegliche Form der Ausgrenzung und der Verbote von
Ideologien, weil sich meiner Meinung nach dadurch die Selbstverantwortung der
Menschen zurückbildet und dem Schubladendenken Tür und Tor geöffnet wird.
Passend scheint mir hier ein Zitat von Rüdiger Sünner aus dem Buch „Schwarze
Sonne“:
Gegen [den] Einfluß [radikaler Ideologen], wie auch gegenüber anderen
„Gurus“ der neuheidnischen und rechten Esoterik könnte u.a. mehr
Aufklärung über die nach wie vor stiefmütterlich behandelte mystischsuggestive Seite des Nationalsozialismus helfen. Man muß etwas wissen
über Germanen, Hakenkreuzsymbolik, Runen, Kultstätten und Mythen,
wenn man diese neuen „Propheten“ mit mehr als nur moralischer
Empörung gegenübertreten will. Der Schulunterricht klammert diese
Themen aus, und man hat den Eindruck, daß sich Pädagogen oder
Erzieher auch nicht näher damit befassen wollen. In ihrem Hang, all dies
eher zu verdrängen oder mit „politisch korrekter“ Ächtung zu überziehen,
befördern sie sogar noch die Abwanderung der entsprechenden Themen
in unkontrollierbare Dunkelzonen, wo sie von charismatischen Ideologen
und Künstlern mit neuer Faszinationskraft aufgeladen werden. Denn vor
allem viele Jugendliche sind in ihrer Suche nach glühenden Bildern und
Idealen besonders empfänglich für alles Ausgegrenzte und suchen sich
mit untrüglichem Instinkt gerade das heraus, was die Gesellschaft
verurteilt.569
Persönliche Erfahrungen mit rechtsradikaler „Unterwanderung“
Ein Trend zu „rechts“ ist deutlich zu beobachten, aber nicht nur in der Musikkultur,
sondern in der Jugendkultur allgemein. Einige Bands haben den Ruf, rechtsextrem zu
569
Sünner, 1999, S. 200f.
129
sein oder sind es tatsächlich, das hat jedoch wenig Auswirkungen auf deren Fans.
Meiner Wahrnehmung nach ist ein Metal-Fan entweder unpolitisch und wendet sich
von einer rechten Band ab, wenn er davon erfährt, oder er bezeichnet sich als rechts
und hört deswegen nur spezielle Bands, die als rechts gelten. Dass die Musik bzw. die
Texte einer Band jemandes politische Einstellung nach rechts verändert hätte kann ich
mir persönlich nicht vorstellen, zumal sich meines Wissens viele Fans die Texte nicht
anhören, nicht verstehen oder nicht ernst nehmen. Einige Jugendliche mit
rechtsradikalem Gedankengut haben dies aus Provokationsgründen, andere aus
persönlichen Erfahrungen oder dem Umfeld heraus, andere finden es phasenweise
einfach nur „cool“. Wirklich rechtsradikale Metalfans gibt es vermutlich wenige, und
sie werden vom Großteil der „Szene“ nicht ernstgenommen bzw. gemieden, und es
scheint auch keine „Missionierung“ oder „Rekrutierung“ stattzufinden.
130
131
132
133
DIE SCHWARZE ROMANTIK: GOTHIC
Simone Phillip / Roman Schweidlenka
Die Goths gelten durchaus als liberale und offene Jugendsubkultur, da die Bewegung
eine erstaunliche Vielfalt aufweist. Von den Medien (rechten wie linken) wurde diese
Szene bis heute kaum richtig dargestellt und erfasst.
Eine erste Schwierigkeit stellt bereits die Wahl der richtigen Bezeichnung für die
Bewegung dar. Mitbedingt durch viele Berichte in der Massenpresse, die alles andere
als up to date sind und weiterhin mit den alten Begriffen hantieren, ist die
Bezeichnung Grufties heute zu einem Schimpfwort geworden. Ursprünglich spielte sie
auf die Vorliebe der Bewegung an, sich des Öfteren auf Friedhöfen aufzuhalten und
bezeichnete somit „die Leute aus der Gruft“.
Die Anhänger der Bewegung nennen sich selbst allerdings selten so, häufiger
bezeichnen sie sich als Goths oder New Romantics. Der Begriff Gothic leitet sich von
den sogenannten Gothic-Novels des 18. und 19. Jhds. ab, einer Art intellektueller
Horrorromane, etwa von E.A. Poe, H.P. Lovecraft oder M. Shelly verfasst. Die in diesen
Romanen dargestellte Atmosphäre, etwa auch die Beschäftigung mit den darin
vorkommenden dämonischen Wesen (z.B. Vampire), spielt für die Bewegung eine
große Rolle. Manche Journalisten wollen die Goths darüber hinaus mit dem gotischen
Zeitalter in Zusammenhang bringen und mit der Vorliebe dieser Jugendbewegung für
die gotische Schrift und den entsprechenden Stil. In Deutschland hat sich auch die
Schreibweise "Gotik" (ohne "h"!) eingebürgert. Die Bezeichnung New Romantics geht
auf das Zeitalter der Romantik zurück, das mit seinen Idealen sehr wichtig für die
Bewegung ist. Exakte Differenzierungen der einzelnen Stile innerhalb der Szene gibt es
nicht, die Grenzen und Zuordnungen sind fließend und verschwimmen oft. Daher
spricht man heute eher von der „schwarzen Szene“. Im folgenden Text wird von den
Autoren allerdings die Bezeichnung Goths als Beschreibung der Bewegung gewählt.
134
3.1 Geschichte der Gothic-Bewegung
Ende der siebziger und zu Beginn der achtziger Jahre bildete sich die Musik des New
Wave als ein Ableger der Punk Bewegung heraus, an die sich die spätere Bezeichnung
Dark Wave anlehnt. Heute wird die Musikrichtung des New Wave eher als
Independent bezeichnet.
Zunehmend wurden unter diese neue Art der Punk Musik eher Bands mit
melancholischen und düsteren Texten subsummiert, bis in der Mitte der achtziger
Jahre in England erstmals der Begriff „gothic“ benutzt wurde. Durch den Kontakt mit
dem Hard Rock der damaligen Zeit wurde der Gothic Rock ins Leben gerufen. In den
neunziger Jahren entstand dann die Bezeichnung Dark Wave als Oberbegriff für die
neue Musikrichtung, unter der wiederum viele Untergruppen zu verstehen waren.
Die neue Richtung des Gothic war in England entstanden und kam zu Beginn der
achtziger Jahre auch nach Kontinentaleuropa. Schon damals gab es die
verschiedensten Bezeichnungen für die Fans dieser Musik, sie selbst nannten sich in
dieser Zeit noch Waver. Für viele war die Bewegung damals noch eher eine düstere
Form des Punk als eine eigenständige Szene.
Siouxsie and the Banshees570 können als erste New Wave Band bezeichnet
werden, kurz darauf folgten The Cure571. The Cure brachten das später von vielen
Goths imitierte Kleidungsideal, schwarz oder weiß, dazu das weißgeschminkte Gesicht
und die auftoupierten Haare auf.
Bald folgten Joy Division572 und Bauhaus573. Bereits 1970 wurde die elektronische
Form der neuen Bewegung durch die Band Kraftwerk574 vorbereitet, die vor allem
570
Gegründet 1976, London, England, www.siouxsieandthebanshees.co.uk, 2011.
Gegründet 1976 (urspr. als „Easy Cure“), Crawley, England, www.thecure.com, 2011.
572
Gegründet 1977, (urspr. als „Warsaw“), Manchester, England, keine Website bekannt.
573
Gegründet 1978, England, www.bauhausmusik.com, 2011.
574
Gegründet 1970, Düsseldorf, Deutschland, www.kraftwerk.com, 2011.
571
135
durch Depeche Mode575 zur Perfektion gebracht wurde und die mit ihrem Elektropop
eine steile Karriere darboten.
Parallel dazu entstand die Avantgarde Musik, die ihre Wurzeln im Dadaismus der
20er Jahre sah. Die bekannteste Strömung hieraus ist der Industrial, in dem eine
Mischung aus Industrielärm, Alltagsgeräuschen und ähnlichem mit Hilfe der Elektronik
entfremdet und in Musikform gebracht wurde. Hierbei faszinierte vor allem der
Umgang mit dem morbiden und destruktiven. Die Gruppe Throbbing Gristle576
prägte mit dem von ihnen gegründeten Label Industrial Records (IR)577 auch den
Namen des neuen Stils. Es sollte sich hierbei um die Musik der Industriegesellschaft
handeln.
Der Gothic Rock der achtziger Jahre wurde vor allem durch die Band Sisters of
Mercy578 begründet. In den USA waren zur selben Zeit Christian Death579 besonders
prägend. Ende der achtziger Jahre wurden ihre Alben derart politisch provokativ
(Verwendung von Nazisymbolen), dass einige in Deutschland nicht mit dem
Originalcover erscheinen durften.
Eine weitere Untergattung des Wave, die vor allem Europa weiterhin prägte, war die
Richtung der Heavenly Voices, eine maßgeblich durch die Band Dead Can
Dance580 begründete Untergattung.
Ebenfalls zur selben Zeit entstand eine andere Untergruppe der Bewegung: der
Neofolk, begründet durch die Gruppen Current 93581 und Death In June582. Beide
Gruppen sind aufgrund ihrer rechtsextremen Gesinnung mehrfach in den Blickpunkt
der Aufmerksamkeit gerückt. Hier vermischt sich folkloristische Musik mit dem Sound
575
Gegründet 1980, Basildon, England, www.depechmode.com, 2011.
Gegründet 1976, England, www.throbbing-gristle.com, 2011.
577
Gegründet 1975, London, England, siehe ebenfalls www.throbbing-gristle.com, 2011.
578
Gegründet 1980, Leeds, England, www.the-sisters-of-mercy.com, 2011.
579
Gegründet 1979, Los Angeles, Kalifornien, USA, www.christiandeath.com, 2011.
580
Gegründet 1981, Melbourne, Australien, www.deadcandance.com, 2011.
581
Gegründet 1982, England, www.brainwashed.com/c93, 2011.
582
Gegründet 1981, Großbritannien, www.deathinjune.net, 2011.
576
136
des Industrial. Große Bedeutung kommt dabei dem Gesang zu, auch eine gewisse
Reinheit der Musik und des Gesangs wird wieder propagiert. Um Ian Read bildete sich
die Band Sol Invictus583 und um Patrik Leagas584 das Musikprojekt Sixth Comm585
(manchmal auch „Six Comm“ oder „6 Comm“). Diese Formationen gelten als Kern
des Neofolk, in Deutschland kommen unter dem Begriff Neuer deutscher Folk
(NDF) noch weitere Gruppen wie Forseti586 oder Orplid587 dazu.
Weiterhin spielen in diesem Umfeld die Gruppen Nature and Organisation, Fire & Ice,
Ostara, Cernunnos, Woods, The Soil Bleeds Black, Sieben, Hagalaz´ Runedance und
Von Thronstahl eine Rolle. Der Neofolk ist die am massivsten rechtsextrem bzw.
neonazistisch geprägte Untergruppe des Gothic bzw. der schwarzen Szene.
1982 gründeten sich Front 242588 mit rein elektronisch geprägten Klängen und
schufen den Begriff des EBM (Elektronic Body Music), eine fast ausschließlich von
Männern dominierten Richtung.
Die neunziger Jahre der neuen Musikrichtung waren geprägt vom Crossover. Etliche
Anleihen wurden aus anderen Gattungen entnommen. Ein wichtiger Vertreter war hier
The Prodigy589. Erstmals bewegten sich auch Heavy Metal und Wave aufeinander
zu und die alte Feindschaft bröckelte ein wenig ab. Von Bedeutung war hier Project
Pitchfork Media590, die allerdings stark zu Kommerzialisierung der Szene
beitrugen. In dieser Zeit tauchten unzählige „FreizeitGoths“ auf, gegen die sich der
Kern der Szene hartnäckig, aber wenig erfolgreich zur Wehr setzte.
583
Gegründet 1987, England, www.blackeaster.de, 2011.
Ehem. Schlagzeuger von „Death In June“.
585
Gegründet 1985, Großbritannien, www.hagshadow.net/6comm, 2011.
586
Erste Veröffentlichung 1999, www.myspace.com/windzeit, 2011.
587
Gegründet 1996, Halle an der Saale, Deutschland, www.orplid.de, 2011.
588
Gegründet 1981, Brüssel, Belgien, www.front424.com, 2011.
589
Gegründet 1990, England, www.theprodigy.com, 2011.
590
Täglich aktualisierte Website mit News aus der Musikwelt, gegründet 1996 (urspr. als „Turntable“),
Minneapolis, Minnesota, USA, www.pitchfork.com, 2011.
584
137
Durch den Kontakt der Metal- mit der Gothic-Szene wurde erstere mit einer neuen
Innerlichkeit erfasst. Melancholie und Besinnlichkeit waren plötzlich die Themen. Die
Lautstärke und das Tempo wurden gedrosselt und der Gothic Metal591 entstand. Eine
Art Weltuntergangsstimmung war Anfang der neunziger Jahre verbreitet, bedingt
durch
eine
hohe
Jugendarbeitslosigkeit,
Lehrstellenmangel
und
steigende
Leistungsanforderungen, das weitere Auseinanderdriften zwischen Armen und
Reichen, ungelöste Umweltprobleme und Kriegsgreuel (Golfkrieg, Bosnienkrieg). Die
goldenen Zeiten waren spätestens jetzt vorbei. Die Jugend war die Erbin einer
kaputten Welt. Wer keinen guten Job oder reiche Eltern hatte, besaß keinen Zugang
zur „Fun- und Eventkultur“. Die schwarze, depressive Romantik spiegelte die
gesellschaftliche Situation wieder.
Die Gruppen des Gothic Metal: Paradise Lost592, My Dying Bride593, Solitude
Aeternus594, Tiamat595, Depressive Age596.
Auch Wolfsheim597 profitierte von der neuen medialen Aufmerksamkeit der Szene.
Mit einigen ihrer Texte, unter anderem Die Flut (1998), gerieten sie aber immer
wieder in die Kritik, da sie die faschistische Ästhetik bevorzugten.
Die Industrial Musik spielt allein schon in ihren Texten mit diversen Tabubrüchen der
Gesellschaft und greift Themen auf, die sonst eher verschwiegen werden, so etwa
Faschismus, Gewalt, Pädophilie etc. Bei einigen Bands wurde diese Grenze dann
jedoch überschritten und zeigte deren wirkliche Gesinnung. So geschehen etwa bei
der Gruppe Genocide Organ598, als bei einem Konzert im Jahre 2000 der von ihnen
591
Siehe dazu auch Kapitel 2.2, Abschnitt „Gothic Metal“.
Gegründet 1988, Halifax, England, www.paradiselost.co.uk, 2011.
593
Gegründet 1990, Halifax, England, www.mydyingbride.org, 2011.
594
Gegründet 1987 (urspr. als „Solitude“), Texas, USA, auch Doom Metal, www.eternalsolitude.com,
2011.
595
Gegründet 1988, Schweden, anfangs Black / Death Metal, gelten später als Begründer des Gothic
Metal, www.churchoftiamat.com, 2011.
596
Gegründet 1990, Berlin, Deutschland, anfangs Thrash Metal mit Doom und Progressive Einflüssen,
www.myspace.com/depressiveagetribute, 2011.
597
Gegründet 1987, Hamburg, Deutschland, www.wolfsheim.de, 2011.
598
Gegründet 1985, Mannheim, Deutschland, www.myspace.com/genocideorgan, 2011.
592
138
häufiger benutze Ruf „White Power“ von Teilen des Publikums mit dem Hitlergruß
beantwortet wurde und sie dies unkommentiert stehen ließen.
In den neunziger Jahren blüht aber auch der klassische Dark Wave, mit Gruppen
wie Lacrimosa599, Illuminate600, Deine Lakaien601, Qntal602, In Extremo603, Das
Ich604 oder Goethes Erben605. Letztere wurden nach ihrem Aufruf gegen Rechts auf
dem Dark-X-Mas-Festival 1992 von rechten Gruppierungen bedroht und antworteten
darauf mit einem Album gegen rechts namens Die Brut.
Für Aufsehen sorgte in diesem Umfeld ein Projekt in Bayreuth, das sich Neue
deutsche Todeskunst606, analog zu der Neuen deutschen Welle in den achtziger
Jahren, nannte. Das Projekt war mit der Plattenfirma Danse Macabre607 verbunden
und entstand 1989 im Umfeld der Band Das Ich. Unter dem Begriff versammelten sich
deutschsprachige Projekte aus dem Dark-Wave-Umfeld, die melancholische und
nihilistische Texte in poetische Form brachten. Sie wurden auch Neue deutsche
Todeskünstler genannt. Zunächst lebten viele ausgeflippte Künstler in einer
Kommune und teilten ihren Profit. Als die erfolgreichen Gruppen später nicht mehr
teilen wollten, löste sich das Projekt 1993 auf. Die zugehörigen Gruppen: Relatives
Menschsein608, Das Ich, Die Form609, Deine Lakaien, Printed at Bismarck's
Death610, Happy Cadavres611, Endraum612, Placebo Effect613, Still Silent614,
Operating Strategies615.
599
Gegründet 1990, Schweiz, www.lacrimosa.ch, 2011.
Gegründet 1993, Karlsruhe, Deutschland, www.illuminate.de, 2011.
601
Gegründet 1985, Deutschland, www.deine-lakaien.com, 2011.
602
Gegründet 1991, Deutschland, www.qntal.de, 2011.
603
Gegründet 1995, Siegen, Deutschland, ww.inextremo.de, 2011.
604
Gegründet 1989, Deutschland, www.dasich.de, 2011.
605
Gegründet 1989, Deutschland, www.goetheserben.de, 2011.
606
Siehe dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Deutsche_Todeskunst, 2011.
607
Gegründet 1990, Wirsberg, Deutschland, www.dansemacabre.de, 2011.
608
Gegründet 1990, Kaufbeuren, Deutschland, www.relatives-menschsein.de, 2011.
609
Gegründet 1977 (ursp. Als BSAM-Live Act), Frankreich, www.dieform.net, 2011.
610
Gegründet 1983, Stuttgart, Deutschland, www.printedatbismarcksdeath.de, 2011.
611
Gegründet 1989, Magdeburg, Deutschland, keine Website auffindbar.
612
Gegründet 1989, Frankfurt am Main, Deutschland, www.endraum.net, 2011.
613
Gegründet in dern späten 1980ern, keine Website auffindbar.
614
Keine Daten auffindbar.
615
Gegründet 1985, Deutschland, keine Website auffindbar.
600
139
Zu Beginn der neunziger Jahre fand im Zuge des Crossover auch der Sado-MasoBereich Eingang in die Gothic-Szene. Die Vorliebe für Lack und Leder mit den damit
verbundenen Praktiken war schon durch den Stil des EBM mit seiner entsprechenden
Kleidung vorbereitet worden. Womöglich ist es die Welt des Morbiden und Bizarren,
die in dieser Szene ausgelebt wird. Bedeutend sind hier vor allem die Gruppen Die
Form und Umbra Et Imago616, die auch in ihren Bühnenshows eindeutig mit SadoMaso-Praktiken spielen.
Eine neue weitere Untergruppe der Bewegung existiert unter dem Begriff Neue
deutsche Härte617, eine Bezeichnung, die seit 1997 für viele verschiedene Band
verwendet wurde. In diesen unterschiedlichen Gruppen wurden tabuisierte Symbole
benutzt, zu deutschen Texten gesungen und das „R“ hart gerollt (etwa bei Rammstein).
Es handelt sich um eine vor allem männlich dominierte Subkultur.
Obwohl die Bewegung des Gothic in England entstanden ist, fand sie ihre größte
Ausprägung in Deutschland, das mit seiner Romantik und seinen romantisierenden
Jugendbewegungen ein guter historischer Nährboden war und ist. Berlin gilt als die
Welt-Hauptstadt der Gothic-Bewegung. So soll es in der BRD 20.000 – 60.000
Goths
geben.
Bereits
im
sozialistischen
Ostdeutschland
war
Gothic
als
jugendkulturelle Widerstandsform gegen die kommunistische Diktatur extrem wichtig.
Schon 1985-88 war in Leipzig „die Hölle los“.
Als Wegbereiter bzw. erste Welle der Gothic Musik gelten u.a. die Gruppen:
45 Grave, Alien Sex Fiend, Bauhaus, Christian Death, Covteau Twins, Danielle Dax,
Dead Can Dance, Death in June, Diamanda Galas, Einstürzende Neubauten, Flesh
For Lulu, Gene Loves Jezebel, Joy Division, Kommunity FK, Lords Of The New Church,
Lydia Lunch, March Violets, Nick Cave And The Bad Seeds, Sex Gang Children,
Siouxsee And The Banshees, Sisters of Mercy, Southern Death Cult, Specimen, Super
616
617
Gegründet 1991, Karlsruhe, Deutschland, www.umbraetimago.de, 2011.
Siehe dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Deutsche_Härte, 2011.
140
Heroines, The Birthday Party, The Cramps, The Cure, The Damned, Theatre of Hate,
Tones On Tail, Virgin Prunes, Voodoo Church, X-Mal Deutschland, X-Voto.
Einige weitere Gothicgruppen:
Bakterielle Infektion, Bleeding Roses, Blood Axis, Corvus Corax, Das Ich, Deine
Lakaien, Dreadful Shadows, Eternal Afflict, Faith and the Muse, Forthcoming Fire,
Ghosting, Gill´s Love, Goethes Erben, Jubilee Cure Clan, L`Ame Immortelle,
Lacrimosa, Love Like Blood, Mila Mar, Moonday, Neurotic Doll, Pitchfork Media,
Qntal, Sorrow, Stendal Blast, Sweet Williams, Theatre of Tragedy, Tiamat, Umbra et
Imago, Weissglut, Wolfsheim, Wumpscut, Zeus Machine.
Einige Szenezeitschriften der Gothic-Bewegung:
Orkus, Sonic Seducer, Gothic, Zillo, EMP, Entry, Astan, Sigill (rechte Szene).
3.2 Die Welt des Gothic
Nach diesem kurzen Überblick über die Geschichte und die verschiedenen
Strömungen der Gothic-Bewegung, sollen nun die Anhänger der Szene näher
beleuchtet werden. Im Blickpunkt werden dabei ihr Outfit, ihre Lebenssicht und weitere
wichtige Stichpunkte der Bewegung stehen.
3.2.1 Das Outfit der Goths
Die Gothic-Bewegung lebt von den Menschen, die die Szene tragen. Es gibt keine
herausragenden Helden und auch keine Mega-Stars im Musikbereich. Gothic ist die
Jugendsubkultur,
deren
Kernszene
kaum
von
der
Kommerzialisierung
zu
vereinnahmen ist; zu extrem mögen ihre provokanten, oft selbstgefertigten Outfits
sein.
Die Rebellion dieser Jugendbewegung gegen die Gesellschaft war und ist vor allem
eine ästhetische. Am ehesten fällt im Straßenbild die schwarze Kleidung der
141
Bewegung auf, die daher zu Recht den Namen „schwarze Szene“ trägt, zu der wie
beschrieben auch Heavy Metal und andere „artverwandte“ Musikszenen gezählt
werden können618. Auch das blasse Make-Up ist ein auffälliges Merkmal. Die
schwarze Kleidung, die noch aus der pessimistischen Weltsicht der siebziger Jahre,
letztendlich aus dem Punk, stammt, symbolisiert das Dunkle, die Nacht, den
Underground und das Unbekannte; „In Darkness we trust“ könnte wohl ein
verbreitetes Motto der Szene sein619. Schwarz ist aber auch die Farbe „edler
Bescheidenheit“, der Trauer und der Resignation. Über das Outfit wird die
Verbundenheit zu der Szene gestärkt, die oft über die eigentlichen Goths hinausreicht.
Schwarz wurde zu einem Lebensgefühl, zu einer Lebenseinstellung, zum Lebensstil,
der 24 Stunden am Tag andauert. Das Outfit, auch das oft stundenlange Stylen der
Goths vor einem Event am Wochenende, gehören dazu.
Grundsätzlich können zwei unterschiedliche Arten, sich zu kleiden in der Szene
unterschieden werden: zum einen der Romantik-Stil, bei dem lange, wallende
schwarze Gewänder aus Samt oder Seide getragen werden, dazu kommen
Spitzenhemden mit Rüschen, besonders bei Burschen. Die Haare der Mädchen sind
lang und schwarz oder sehr blond, bei Männern dominiert – zumindest in den
Anfängen – die sogenannte Nestfrisur, bei der die Haare von den Seiten weg
gleichmäßig hochtoupiert werden. Die New Romantics, eine Untergattung der Goths,
tragen auch farbige Samtstoffe und legen ein ausgeprägtes Make up an den Tag. Die
Vorbilder hierzu liegen im Glam Rock der siebziger Jahre.
Daneben gibt es gleichberechtigt den Lack- und Leder-Stil, bei dem hautenges
Gewand aus Lack oder Leder, oft mit Nieten besetzt, getragen wird. Die Mädchen sind
hier des Öfteren nur knapp bekleidet und auch die Männer tragen gerne
durchscheinende sexy anmutende Klamotten. Hier ist der Übergang zum Fetisch- und
Sado-Maso-Bereich fließend.
618
619
Siehe dazu Einführungskapitel „Die schwarze Szene“.
vgl. Großegger / Heinzlmaier,2002, S. 150.
142
Dazwischen gibt es alle möglichen Mischformen der Kleidungsstile, die nicht klar
voneinander abgegrenzt werden können. So herrscht eine große Toleranz innerhalb
der Szene. Von Außenstehenden werden sie aber aufgrund ihrer schwarzen Kleidung
des Öfteren mit anderen Strömungen der Schwarzen Szene verwechselt bzw. mit
satanistischen oder faschistischen Umtrieben in Verbindung gebracht.
Die
Bewegung
der
Goths
hat
wie
die
meisten
Jugendkulturen
eine
Szeneninsidersprache und dazu eine eigene Infrastruktur entwickelt. Grosse
„schwarz-romantische“ Festivals mit eigenen „heidnischen Dörfern“ - wie das
inzwischen legendäre Wave-Gotik-Treffen620, das jährlich in Leipzig stattfindet - und
einschlägige Discos und Clubs schweißen die Szene zusammen. 1992 gab es das
erste Wave-Gothic-Treffen in Leipzig, zu Pfingsten 2003 waren es 20.000 Besucher,
die 100 Bands lauschten.
Obwohl die Szene heute immer mehr in den „Overground“ gerät, fällt ihre
Vereinnahmung schwer, da die Kernszene der Goths ihre Mitläufer meist ablehnt
und häufig als oberflächliche Ignoranten (Plastic-Goths) bezeichnet so z.B. den
verkommerzialisierten, auf Outfitoberflächlichkeiten reduzierten japanischen Visual
Rock. Und schon entsteht ein neuer Underground in der Szene, der sich gegen die
kommerzielle Ausschlachtung richtet.
Goths der ersten Stunde schotten sich heute – vergleichbar den Traditionalisten unter
den Metalheads – oft von den Veränderungen in der Szene ab und fürchten, dass der
„Geist“ durch die neue, nachrückende Gothic-Generation verloren geht. Sie wehren
sich gegen die „fremden“ Einflüsse auf „Real Gothic“. Doch die Weiterentwicklung ist
nicht aufzuhalten. Crossover-Entwicklungen, vor allem in den Bereichen der SadoMaso- und Fetischszene, können wie oben gezeigt wurde, seit einiger Zeit stattfinden.
Gothic kann als urpsrünglich die wohl intellektuellste und tiefgründigste
Jugendsubkultur gelten, was damit zusammenhängen mag, dass viele Goths aus
dem Bildungsbürgertum kommen. Im Gegensatz zur ursprünglichen Heavy Metal
Szene der 80er, die oft auf reißerische und minderwertige Literatur zurückgriff, sind
620
www.wave-gotik-treffen.de
143
bei den Goths literarische und philosophische Größen wie Goethe, Hesse,
Nietzsche, Sartre, Camus, Novalis, Baudelaire, Dostojewskij, Gogol, Poe, Lovecraft,
Shelley, Stoker etc. vielfach „in“. Auch die Gespräche, die in der Szene geführt
werden, sind weit vom sonstigen mainstream und der Oberflächlichkeit anderer
Jugendbewegungen entfernt. Man diskutiert eher über den Sinn des Lebens oder über
gelesene Literatur, statt sich in Oberflächlichkeiten wie das neue Auto oder Handy zu
ergießen. Auffallend an der Szene war ihre Friedfertigkeit und der Respekt vor dem
Anderen, verbunden mit einem hohen Maß an Toleranz. So war die Gothic-Szene
auch weitgehend unpolitisch, da die Selbstverwirklichung im Vordergrund steht.
3.2.2 Weltbild der Gothic-Szene
Aufgrund ihres exzentrischen Äußeren,
der
schwarzen
Kleidung
und
des
langsamen, bedächtigen Ganges, wird
die Bewegung von manchen Medien und
Teilen der Bevölkerung immer wieder im
Umfeld des Satanismus gesehen. Die
Goths
werden
„Sektierer“
als
„Knochenlutscher“,
oder
„depressive
Geisteskranke“ beschimpft und eignen
sich hervorragend als Feindbilder für den
spießigen, intoleranten Kleinbürger.
Was sind aber nun tatsächlich das
Persiflage auf den Kleidungsstil der Goths
Abb. 39
Weltbild und die Themen, mit denen sich
die Goths vorangig beschäftigen?
Wesentlich für die Szene im gesamten ist eine umfassende und vor allem
philosophische Beschäftigung mit dem Tod, der in unserer Kultur in der Regel
tabuisiert wird. Glaubt man Szeneninsidern, dann haben viele Goths, durch ihre
Beschäftigung
144
damit,
den
Tod
allerdings
besser
verarbeitet
als
Otto
Normalverbraucher. Sie hegen die Überzeugung, dass wenn der Tod wie in
vorkirchlichen Zeiten erst einmal entdämonisiert wurde, auch ein lockerer Umgang in
der Gesellschaft damit erreicht werden kann. Kenner der Szenen sind überzeugt, dass
die Goths keine Subkultur sind, die zum Selbstmord anstiftet, sondern die um
Todesakzeptanz bemüht ist.
Dennoch: Sehnsucht und schwarze Romantik sind Schlüsselbegriffe. Düstere
Theatralik
herrscht
vor,
der
Weltuntergang
ist
ein
wichtiges
Thema,
Endzeitstimmung ist immer wieder angesagt. So wie im Mittelalter die Pest wütete, so
wütet heute AIDS, ist eine der Stellungnahmen aus der Szene. Depressive
Verstimmungen, Melancholie, Todessehnsucht bei aller Todesakzeptanz, manchmal
auch Nekrophilie sind für die Gothszene (mit)prägend. Und ein Trend zu noch mehr
Morbidität, Melancholie und Nekrophilie wird von einigen Insidern prognostiziert; eine
Reaktion,
die
die
immer
frustierenderen Lebensverhältnisse im amtierenden
Neoliberalismus spiegelt.
Die schwarze Musik ist „dunkle Poesie, die von Sehnsucht, Liebe und dem Tod
erzählt“621. Die Depressionen des menschlichen Lebens, die von der Szene als normal
erachtet werden, sollen nicht versteckt oder ausgegrenzt, sondern ganz natürlich
miteinbezogen und gelebt werden, da sie nur hierdurch überwunden werden können.
Durch diesen etwas ungewöhnlichen Umgang mit bestimmten Problemen der
Jugendzeit ist die Gothic-Bewegung wohl zurecht als eine Szene bezeichnet worden, in
der sich vor allem Außenseiter versammeln. Und sie fühlen sich auch wohl dort. So
kommt es, dass die Szene schwer zugänglich ist, Neueinsteiger eher gemieden werden
und auch untereinander der Kontakt oft nicht so eng ist. Eher ist man gemeinsam
einsam.
Die Bewegung des Gothic führte auch zu einer Renaissance eines verklärt
dargestellten Bildes des Mittelalters innerhalb der Szene. Minne und Innerlichkeit
gewannen an Wert. Oft ist dieses Mittelalterbild unter dem Einfluß des Neofolk heiter
621
Matzke/Seeliger, 2002, S. 77 (Zitat Thomas Rainer von „L’Âme Immortelle“, einer österr. Band).
145
und lebensfroh, es ist die Welt der einfachen Leute und der Spelunken. Meister
Selbfried von der Musikgruppe Corvus Corax622 meint zur Musik des Mittelalters:
„Diese Lieder vermitteln die Realität zwischen ausgelassen-diesseitigem Tanz und
Übersinnlichkeit. Es ist die Nähe von Leben und Tod, von Anfang und Ende, die der
mittelalterliche Mensch jeden Tag aufs Neue erfuhr. Jeder neue Tag konnte auch der
letzte sein, Leben war ein Geschenk, das man sich täglich hart erarbeiten musste,
dessen man sich aber auch mit ganzer Kraft freuen durfte.“623
Dazu kommt aber immer wieder – gleichsam als Gegenpol – eine dunkle
Mittelaltermystik der Goths, die zwischen Spinnweben, Leichen, Geistern, dunklen
Schlössern und flackerndem Kerzenschein mit langen, tanzenden Schatten angesiedelt
ist. Hier wird das Mittelalter zu einer Zeit, in der Mythen noch lebendig waren und der
Tod ein präsenter und integrierter Bestandteil der Gesellschaft war, beschworen.
Gothic bedeutet auch eine beachtliche neuheidnische Renaissance, die ebenfalls
mit dem Neofolk verbunden ist. Keltische, germanische, nordische und antike Mythen
und Riten, dazu Magie und Runenglauben greifen immer mehr in der Szene um sich.
Wie im Satanismus stehen umgedrehte Kreuze, Totenköpfe sowie Pentagramme und
andere religiöse Symbole hoch im Kurs. Es kommt zu einer Vermischung von
christlichen, heidnischen und satanistischen Zeichen. Die Goths sind in der Regel
keine Satanisten, auch wenn es zu Überlappungen an den Rändern kommen kann
und von etlichen Goths gewisse satanische Regeln praktiziert und Lehren studiert
werden. So können auch die Werke von Aleister Crowley oder Anton Szandor
LaVey zur Lektüre der Goths zählen. Grabschändungen etc. bleiben aber den
Satanisten vorbehalten. Bei den Goths ist die Vermischung der verschiedenen Symbole
eher aus dem Wunsch und der Suche nach einer neuen Religiosität zu verstehen. Das
Neuheidentum, das sich auf (vermeintliche) Wurzeln der eigenen vorchristlichen Kultur
beruft, kommt dem Wunsch der Goths am nächsten. In diesem Umfeld ist es auch zu
622
623
Gegründet 1989, DDR, www.corvuscorax.de, 2011.
Matzke/Seeliger, 2002 S.70f.
146
verstehen, weshalb das Interesse der Bewegung an sogenannten Zwischenwesen, wie
Vampiren etc. besonders groß ist.
„Wäre Dracula in unsere Zeit hineingeboren worden – als moderner Teenager
von Heute – wäre er ganz sicher ein Teil der Gothic-Szene. Und würde er sich
auch noch für Metal interessieren, stünde er wahrscheinlich als Sänger vor einer
Gothic-Metal-Band. Er würde versuchen, mit Bands wie ‚Dimmu Borgir’, ‚Cradle
of Filth’, ‚Lacrimosa’ und wie sie alle heißen, gleich zu ziehen.“624
Es lassen sich durch diese Sehnsucht nach den eigenen Wurzeln aber immer
wieder
auch
rechte
Tendenzen
in
der
Szene
finden.
Das
Projekt
Hagalaz`Runedance625 war mit der isländischen odingläubigen Organisation
Ásatrú626 und einigen einschlägigen magischen Gemeinschaften verbunden. So
werden auch verschiedene Größen des Faschismus wieder als Lektüre herangezogen
wie Julius Evola oder Armin Mohler. Interessante Aspelke spricht auch der
Wikipediaartikel zu Andrea „Nebel“ Haugen627, der Urheberin des aktuellen
Projektes „Nebelhexe“ und „Hagalaz`Runedance“, das seit 2002 abgeschlossen ist.
Das Feindbild der neuheidnisch geprägten Goths war und ist immer die katholische
Kirche im Speziellen und das Christentum im Allgemeinen. Goths sind auf der
Suche nach dem Göttlichen in bewusstem Gegensatz zur Kirche bzw. den Kirchen, die
als verlogen und altmodisch empfunden und beschimpft werden. Die Sehnsucht nach
Spiritualität, so meinen es junge Insider, ist einfach nicht auszurotten. Wie auch in der
Restbevölkerung ist der Wiedergeburtsglaube weit verbreitet. Sektiererische Ansätze
und organisierte magische Orden sind - bis jetzt - in der Szene Randerscheinungen.
Im Zuge der Crossover-Entwicklung wurde auch die „Freude am Leiden“, die durch
verschiedene Elemente des Sado-Maso-Bereiches und der Fetisch-Szene Eingang in
624
Matzke/Seeliger, 2002 S. 83 (Zitat Christofer Johnsson von „Therion“).
Gegründet 1996, Norwegen, keine eigene Website auffindbar. Siehe dazu
http://de.wikipedia.org/wiki/Hagalaz%E2%80%99_Runedance, 2011.
626
www.asatru.is, 2011, Ásatrú ist in Island eine anerkannte Religionsgemeinschaft.
627
http://de.wikipedia.org/wiki/Andrea_Haugen, 2011.
625
147
die Welt des Gothic gefunden hatte, enttabuisiert. Die Verbindung Lust und Schmerz
wird allerdings nicht im pervertierten Sinne gesehen, sondern es geht um den
„Schmerz, um das wirkliche Leben zu fühlen.“628 So wird das Leiden inszeniert. In der
dunklen Seite der verdrängten Triebe des Menschen sind nach Meinung der Anhänger
dieser Ausprägung noch kräftige Instinkte und Impulse verborgen, die dem Menschen
wieder „Power“ geben. Dies verbinden sie mit dem Neuheidentum, wo diese Kräfte
angeblich rituell gesteuert und ausgelebt werden konnten. Heute seien sie durch die
sexualitätsfeindliche Christianisierung und eine verkommerzialisierte, seichte Sexualität
verdrängt. Durch solche Äußerungen werden intensive Positionen gegen ein konsumund werbedominiertes Sexualverhalten und die damit verbundenen seelischen
Prägungen und Verhaltensweisen deutlich. Ob die einzelnen Gruppen die von ihnen
propagierten Meinungen allerdings nachhaltig und vor allem auch deutlich zum
Ausdruck bringen können, in dem sie in ihren Bühnenshows sadomasochistische
Spielereien miteinbeziehen, ist fragwürdig. Dies bedeutet wohl eher eine erneute
Verkommerzialisierung dieser Art der Sexualität.
Vor allem im Bereich der Industrial-Szene ist die Spielerei mit Fetisch und Sado-Maso
weit verbreitet, was womöglich in Zusammenhang mit den dort beliebten Lack- und
Leder- Klamotten steht. Dieses Outfit ist allerdings heftig umstritten, da es oft an die
Nazi-Ästhetik erinnert. Die Verbindung der Gothic- mit der Sado-Maso- und FetischSzene zeigt Rituale, die durchaus den Charakter einer (Ersatz-)Religion haben.
Die Kultur der Goths ist besonders offen erotisch und sexuell aufgeladen. Die
Formation Mother Destruction629 verbindet in ihren Anschauungen ihre Sicht der
Sexualität mit dem Neuheidentum. Auf ihrer 2003 noch abrufbaren Website630
huldigten sie außer der heiligen Sexualität auch dem Paganismus, den nordischen
Mysterien und Thelema, dem Orden, der durch A. Crowley vorwiegend geprägt
wurde. Die Gruppe arbeitet mit Kirlian Camera631, einer umstrittenen Band (s.u.),
zusammen. Ihre Sängerin Amodali bezeichnet sich selbst als Hexe und Angehörige
628
Matzke/Seeliger, 2002, S. 130 (Zitat Mozart von „Umbra et Imago“).
Keine genauen Daten, siehe dazu: http://en.wikipedia.org/wiki/Mother_Destruction, 2011.
630
www.motherdestruction.com, 2003.
631
www.kirliancamera.de, 2011.
629
148
der weiblichen Magie und sie schwärmt: „Unsere Live- Darbietungen sollen eine wilde
Zelebration sexueller Kraft, der Lebenskraft der Runen und der Schlange sein. Für
mich sind Sexualität und Kreativität voneinander abhängig und als extrem heilige
Kräfte zu begreifen.“632
Gothic ist wie andere Jugendkulturen auch vor allem Protest, die Ablehnung der
etablierten Gesellschaft und der Politik, sowohl in ihrer neoliberalen, als auch – vor
dem Fall der Mauer – in ihrer realsozialistischen Variante. Gothic schließt damit an
Bewegungen wie die der Hippies an. Gothic ist gegen Leute „in grauen Anzügen, die
für uns denken“. Die verbreitete heidnische Spiritualität und die Suche nach einem
relativ einfachen Lebensstil werden zu einer Absage an eine durchpolitisierte Welt, die
in alle Lebensbereiche eindringt. Die Verweigerung der traditionellen Politik
wird für viele Goths zu einer Form höherer Politik, die sich mit spirituellen Inhalten und
Überzeugungen verbindet. Es geht gegen die Reduzierung des Menschen auf seine
gesellschaftliche
verordnete
Funktionalität,
gegen
den
allgegenwärtigen
Produktionszwang, gegen eine wuchernde „Überrationalität“, die Gefühle und
Lebensqualität verdrängt. Es geht Goths oft – um mit Erich Fromm zu sprechen –
gegen das Haben, für das Sein.
Junge Menschen befinden sich wieder einmal auf der Suche nach dem „Natürlichen“,
nach Sinn, Identität und einer geistigen Heimat. Wieder einmal ist eine
Jugendbewegung auf der Suche nach den Wurzeln – wie schon so viele vor ihr. Diese
werden verstärkt in der eigenen Geschichte gesucht: Im Mittelalter, aber auch bei den
heidnischen Gesellschaften des frühen Europa. Neben dem Respekt vor der Natur im
heidnischen Sinn ist der Respekt vor dem geistigen Erbe des heidnischen und
mittelalterlichen Europas angesagt. Für seine Fans eröffnet der mit den Goths
verbundene Neofolk daher archaische Gefühlswelten. Es lebt die Sehnsucht nach
Zauber und magischen Geheimnissen. Naturreligiöse, mythische und rituelle Ansätze
richten sich gegen Materialismus und Neoliberalismus. Die entsprechenden Gruppen
sehen sich oft in der Traditionen der Schamanen, Druiden und Runenmeister. Sie
632
www.motherdestruction.com/archieve/archivetop.html, 2003.
149
wollen meist „leise“ in den gesellschaftlichen Freiräumen und Nischen spielen, als
Undergroundkultur gegen die Sinnentleerung des modernen Menschen wirken. Durch
den
berechtigten
Rechtsextremismusvorwurf,
der
vielen
Neofolk-Gruppen
gemacht wurde, wird diese Nischenmentalität aber oft in das grelle Scheinwerferlicht
medialer Aufmerksamkeit gezogen.
3.3 Vorwürfe an die Gothic-Bewegung
Die Jugendbewegung der Goths ist vielen Anklagepunkten ausgesetzt. Aufgrund des
schwarzen Outfits und der verwendeten Symbole werden die Jugendlichen immer
wieder auch mit den Anhängern z.B. der Black Metal-Szene verwechselt. So kommt es
zu vielmals ungerechten Übertragungen von einer Gruppe auf die andere. Dazu
tragen die verschiedenen Symbole, die innerhalb beider Szene vorkommen, bei, aber
auch der besonders tolerante Umgang der Gothic-Bewegung mit anderen
Strömungen. Wenige Goths beziehen klar Stellung. Die Szene grenzt sich nur wenig
gegen satanistische oder rechte Strömungen ab.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass der Vorwurf des Satanismus an die Bewegung der
Goths nicht verifizierbar ist. Sie halten sich zwar wegen der Atmosphäre gerne auf
Friedhöfen auf, haben aber generell mit Grabschändungen und dergleichen nichts zu
tun. Solche Vorfälle sind aus den Reihen der Goths nur am Rand bekannt geworden.
Anders verhält es sich mit dem Vorwurf des Faschismus, dem einige, vor allem nicht
dem Kern der Szene angehörige Goths allein durch die von ihnen verwendeten
Symbole und gehörte Musik nahe stehen, ohne es zu wissen oder sich aktiv damit
auseinander zu setzen. In dieser völligen Distanz zu jeder politischen Meinung
unterscheidet sich die Bewegung der Goths allerdings kaum von anderen
Jugendgruppen.
150
Interessante Artikel zur Gothic-Bewegung sind auf der Online Plattform der
„austrian gothic community“633, „Gothic-Info“634 und dem „Portal für
Jugendszeneforschung“635 zu finden.
3.3.1 Der Vorwurf des Satanismus
Der Vorwurf des Satanismus, der von außen an die Szene herangetragen wird, ist sehr
groß. Auf einer Gothic Website636, die sich vor allem mit dem Thema Satanismus
beschäftigt, werden einige Morde, bei denen die Täter aus dem Umfeld der GothicSzene zu kommen scheinen, mit dem Satanismus in Verbindung gebracht. Allen voran
der Mord des sogenannten „Satanspärchen“ Manuela und Daniel Ruda, die am 6.
Juli 2001 einen 33-jährigen Bekannten mit exakt 66 Messerstichen, Hammerschlägen
und Machetenhieben ermordeten. Beide gaben an, ihren Auftrag von Satan erhalten
zu haben. Der Ermordete war nach der Tat derartig entstellt, dass ihn nur eine
Genanalyse identifizieren konnte. Das Ehepaar Ruda gehörte nach ihrer Kleidung und
ihrem Benehmen der Gothic-Szene an und daher warf die Tat ein extrem schlechtes
Licht auf die gesamte Bewegung. Nach der öffentlichen Diskussion äußerten sich viele
Goths zu den ungerechten Vorwürfen und distanzierten sich von dem begangenen
Verbrechen der Rudas. Das Ehepaar Ruda wurde zu 13 bzw. 15 Jahren Haft verurteilt
und bis zum Beginn der Haft in einer geschlossenen Klinik untergebracht.
Auf derselben Seite ist auch eine Äußerung des sogenannten „Satansmörders von
Sondershausen“, Hendrik Möbus, zu lesen. Auch er distanziert sich von der Tat. Er
selbst möchte sich nicht als Satanist bezeichnen und auch seine damalige Tat hatte
angeblich nichts mit Satanismus zu tun. Er kenne das Ehepaar Ruda nicht und
distanziere sich daher von deren Verbrechen, da er dies lediglich als Versuch sehe,
das öffentliche Interesse auf sich zu ziehen. So sei auch die Tat von Sondershausen im
Laufe des Prozesses immer mehr zum Medienspektakel verkommen und dabei seien
633
www.gothic.at/artikel, 2011.
www.gothicinfo.de, 2011.
635
www.jugendszenen.com, 2011.
636
www.satanshimmel.de, 2011.
634
151
Vorwürfe gegen den Täter Möbus aufgekommen, die seiner Meinung nach nicht den
Tatsachen entsprechen.
Weiterhin wird auch der sogenannte Amoklauf des Florian K. besprochen, der am
2. Juli 2003 in der Schule auf seine Lehrerin schoss und sich anschließend selbst
tötete. Auch Florian soll der Gothic-Szene angehört und dem Satanismus
nahegestanden haben.
Grundsätzlich hat die Gothic-Bewegung allerdings nichts mit dem Satanismus zu tun.
Lediglich ein Spielen mit bestimmten Symbolen wird dort praktiziert, die oft auch
unreflektiert verwendet werden. Weiterhin können Werke der Begründer des
Satanismus, Aleister Crowley oder Anton S. LaVey zur Lektüre der Jugendlichen
zählen, tatsächlicher Satanismus wird allerdings selten praktiziert und auch die
gehörten Musikgruppen stehen diesem Thema ablehnend gegenüber. Es gibt in der
Gothic-Bewegung kaum Musiker, die sich, im Gegensatz zum Black Metal, offen zum
Satanismus bekennen und womöglich noch Mitglieder der Church of Satan sind.
3.3.2 Der rechte Rand
Etwas
anders
verhält
es
sich
mit
den
teilweise
durchaus
berechtigten
Rechtsextremismusvorwürfen an die Bewegung. Viele Goths spielen in ihren Symbolen
und ihren Texten mit rechter Symbolik, meist allerdings ohne sich dessen bewusst zu
sein. Da die Themen Tod, Zerfall, Treue, Liebe etc. sowieso eine Rolle in der Szene
spielen, passt sich dies gut dem faschistischen Stil an.
Die Band Death in June637 wurde ursprünglich als Punkprojekt gegründet und
rutschte im Lauf der Zeit immer weiter nach rechts ab. Der Bandname ist der
Verehrung des 1934 ermordeten SA-Führers Ernst Röhm gewidmet, der in
faschistischen Kreisen immer als Linker und aufgrund seiner Homosexualität im
Nationalsozialismus Verfolgter gehandelt wird. Der Frontman der Band, Douglas
637
Gegründet 1981, Großbritannien, www.deathinjune.net, 2011.
152
Pearce638, gibt sich wie angeblich Ernst Röhm homosexuell und führt dies immer
dann als Gegenbeispiel an, wenn der Band der Vorwurf des Faschismus gemacht
wird. Tatsächlich verbirgt sich hinter der propagierten Homosexualität Pearces ein
handfester Frauenhaß, verbunden mit den hoch stilisierten Männerbündnissen des
Faschismus. Heute produziert die Band Neofolk und hat sich der musikalischen
Reinheit verschrieben. Ihre Mitglieder favorisieren die Ästhetik des Faschismus und
treten daher des öfteren auch gerne in SS-Uniformen auf. Auf ihrer Website639 findet
sich der SS-Totenkopf und eine Peitschenfaust, beides eindeutig faschistische Symbole.
Dazu trägt eine ihrer Platten den Namen Rose Clouds of Holocaust, eine andere
Brown Book und sie haben das Horst Wessel-Lied auf einer ihrer CDs
aufgenommen, das als 2. Hymne des Nationalsozialismus gilt.
Weiterhin reiste die Band auch an die Front des Kroatienkrieges und spielte dort für
die serbischen neofaschistischen HOS-Milizen.
Auch Ian Read640, der in verschiedenen Bands spielte, die alle der rechten Szene
nahezustehen scheinen, ist heftig umstritten. Nachdem er zu Beginn Kopf der Band
Current 93 war, spielte er bei Death In June, dann bei Sol Invictus und schließlich
bei Fire & Ice641. Das Label, das all diese Bands verlegt, ist World Serpent
Distribution642, das die Midgardschlange Jormungand zu ihrem Logo erhoben hat.
Das Label hat sich auf Neofolk spezialisiert und verlegt daher auch rechtsextreme
Bands wie Ostara (ehemals Strength through Joy), Coil und weitere.
Der Musiker Josef Maria Klumb (alias „Jay Kay“) machte mit rechtsextremen
Sprüchen von sich reden. Klump gilt als die treibende Kraft der Bands Forthcoming
Fire643, Weissglut644 und Von Thronstahl645. Forthcoming Fire wurde 1990 von ihm
638
*1956 in Sheerwater, England, siehe dazu: http://en.wikipedia.org/wiki/Douglas_P., 2011.
www.deathinjune.net, 2011.
640
Geburtsjahr nicht bekannt, aufgewachsen in England, siehe dazu:
http://en.wikipedia.org/wiki/Ian_Read_(musician)
641
Gegründet 1991, England, www.mackaos.com.au/ACT/Fice.html, 2011.
642
Die Website www.worldserpent.com ist nicht mehr abrufbar. Siehe dazu:
http://en.wikipedia.org/wiki/World_Serpent_Distribution
643
Gegründet 1990, Bingen am Rhein, Deutschland, www.forthcomingfire.com, 2011.
644
Gegründet 1996, Bingen am Rhein, Deutschland, www.weissglut.net, 2011.
645
Gegründet 1995, Deutschland, www.vonthronstahl.de, 2011.
639
153
gegründet, nachdem Klumb in diversen Punkbands gespielt hatte. Danach schloss er
sich der Band Weissglut an bis er diese im Jahre 1998 wegen seiner rechten
Gesinnung verlassen musste. Heute ist Klumb der Kopf der Formation Von Thronstahl
und ist bei der Herausgabe zweier CDs zu Ehren von L. Riefenstahl und des NaziBildhauers J. Thorak beteiligt gewesen. Die Band Von Thronstahl inszenierte bei
ihrem
Auftritt
beim
Wave-Gotik-Treffen
2000
in
Leipzig
eine
Reichsarbeitsdienstperformance, allerdings ohne ihren Sänger Klumb, dem war zuvor
der Auftritt gerichtlich untersagt worden.
Neben problematischen, deutschtümelnden Texten erklärte Klumb unter anderem
seine Sympathie und Unterstützung für Jörg Haider und dessen FPÖ646. Auch für
den rechtsextremen Esoteriker Jan van Helsing, mit dem er angeblich befreundet ist,
macht er Werbung in seiner Musik und singt gegen die angebliche Weltverschwörung
der Illuminaten tapfer an.
So kooperiert er auch mit dem rechtsextremen und kriegsverherrlichenden Verlag und
Vertriebsdienst Verlag und Agentur Werner Symanek (VAWS)647 seit 1994648.
Symanek649 verlegt vor allem vorschwörungstheoretische Literatur. Zudem
vertreibt er Fahnen mit der Schwarzen Sonne, die Himmlers Wewelsburg zierte und
heute als wichtiges esoterisch-neonazistisches Symbol und Erkennungszeichen gilt. Auf
der Eingangsseite des Verlages wird eine Warnung ausgesprochen, nach der der
Besucher durch die verwendete Sprache mit Propaganda unterwandert werden könnte
und der Verlag daher keine Haftung für eventuelle Folgeschäden übernimmt. Die
angebliche Unterwanderung ist natürlich aus Sicht des Verlages ein Vorurteil
gegenüber VAWS. Dennoch werden hier Bücher über Josef Thorak und diverse
Verschwörungsliteratur angeboten, unter anderem zu einer angeblich neuen
Waffenproduktion in Israel, wo eine Genwaffe, die schlimmste Waffe aller Zeiten,
646
Matzke/Seeliger, 2002, passim, u.a. S. 166
www.vaws.de, 2011.
648
Heller /Maegele, 2001, S.165 und Lemhöfer / Eimuth, 2001, S.24.
649
* 1965, Deutschland.
647
154
entwickelt werden soll650. Der Verlag ist weiterhin mit dem ultrarechten Kampfblatt
Unabhängige
Nachrichten
verbunden,
welches
dieselbe
Adresse
und
Bankverbindung wie der VAWS hat.
Klumb ist weiterhin mit der Szenezeitschrift Sigill/Zinnober und der NPD verbunden.
Die Gruppe Blood Axis651, begründet 1989 durch den Autor des vielzitierten Werkes
„Lords of Chaos“ Michael Moynihan, spielt in ihrem Namen auf die Achsenmächte
Deutschland – Italien an (Etliche Bemerkungen zu M. Moynihan wurden bereits im
Kapitel über den Heavy Metal gemacht). Sie bedienen sich als Symbol des
Krückenkreuzes, das auch beim KuKluxKlan Verwendung findet. Moynihan ist
bekennender Heide und gehört der Asatru Alliance652 und seit 1994 dem Tribe of
the wulfings, einer Unterorganisation der Asatru Alliance an. Er propagiert den
Bruch mit dem angeblich schwachen Christentum. Wichtige Personen, auf die er sich
beruft sind: Jörg Lanz von Liebenfels, Ludwig Fahrenkrog, dem der Song Electricity
gewidmet ist, oder Karl Maria Wiligut (Weisthor). Moynihan ist Inhaber des Labels und
Verlages Storm (zu finden auf der Website von Blood Axis), in dem er das Buch Siege
herausgab, das von James Mason geschrieben wurde und von Charles Manson, der
den satanistischen Mord an Sharon Tate in Auftrag gab, handelt.
Die Band Sol Invictus wurde 1987 von einem ehemaligen Death In June Mitglied,
Tony Wakeford gegründet653. Die Metapher der „unbesiegten Sonne“ ist Julius
Evolas Buch Revolte gegen die moderne Welt654 entnommen worden. Weiterhin
bediente sich Sol Invictus auch für ihre Lieder einiger Texte des italienischen
Faschisten. So heißt das erste Album Against the Modern World und erinnert
wiederum an besagtes Buch von Evola. Die Band propagiert das Neue Heidentum,
u.a. den altrömischen Mithraskult und die Rückkehr zu den echten Wurzeln der
europäischen Kulturen und Völker. Gemeinsam mit Blood Axis, Boyd Rice und Death
650
www.vaws.de/gen-waffe.htm, 2003. Diese Unterseite war 2011 nicht mehr abrufbar und der Begriff
„Gen Waffe“ auf der gesamten Seite nicht mehr auffindbar.
651
Gegründet 1989, USA, www.welcome.to/bloodaxis, 2011.
652
www.asatru.org, 2011.
653
www.blackeaster.de, 2011.
654
Veröffentlicht 1934.
155
In June haben Sol Invictus 1989 in Osaka/Japan eine Performance unter dem Titel
Total War aufgeführt.
Die Band Ostara655 trug bis 1999 den Namen Strength Through Joy. Heute trägt die
Band den Namen einer im Jahre 1905 erschienenden Zeitschrift, die von Jörg Lanz
von Liebenfels656 herausgegeben wurde. Die Organisation Kraft durch Freude657
war von der nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterschaft ins Leben gerufen
worden und sollte angeblich den Erhalt der Arbeitskraft durch eine positive
Freizeitgestaltung gewährleisten. Tatsächlich diente die Organisation der Verbreitung
von NS-Propaganda. Ihre letzte Platte Ultima Thule wird vom rechtsextremen Label
Eis & Licht658 herausgegeben. Für ihren Song Ways to Strength and Beauty
zitierten sie Martin Heidegger und ihre CD-Hülle zu Salute to Light ziert ein Bild
aus Leni Riefenstahls Filmen.
Auch die Band Kirlian Camera659 merkten an, die Naziästhetik zu favorisieren,
geben sich allerdings nicht offensichtlich faschistisch. Ihr Frontman Angelo Bergamini
hat ein weiteres Projekt mit dem Namen Stalingrad, das sich 1998 an der CD zu
Ehren J. Thoraks beteiligte. Weiterhin gab die Formation eine CD in Andenken an die
Gründung des faschistischen Kroatien 1941 heraus, als Kroatien sich durch das
Einmarschieren deutscher NS-Truppern unabhängig machte. Hier gab es von
kroatischer Seite aus Konzentrationslager, in denen Serben und Juden ermordet
wurden waren.
Der Wiener Musiker Kadmon660 ist Aktivist bei rechtsextremen Vereinigungen und gibt
die in einigen Wiener Buchhandlungen aufliegenden kleinen Zeitschriften Ahnstern
und Aorta heraus. Von einer Wiener Postfachadresse aus versendet er überdies
Materialien, die einen Bezug zu rechtsextremer Esoterik haben. Zudem veröffentlichte
655
www.ostara.net, 2011.
*1874, Wien, Österreich. Siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Jörg_Lanz_von_Liebenfels, 2011.
657
Siehe: http://en.wikipedia.org/wiki/Kraft_durch_Freude, 2011.
658
www.eislicht.de, 2011.
659
www.kirliancamera.de, 2011.
660
Bürgerl. Gerhard Petak, Mitglied der österr. Band „Allerseelen“, www.myspace.com/allerseelen,
2011.
656
156
er auf seinen CDs Texte von Jörg Lanz von Liebensfels, einem Begründer der
Ariosophie und von Karl Maria Wiligut, der als „Rasputin Himmlers“ traurige
Berühmtheit erlangte. Er ist ein politischer Unterstützer des Mörders Vikernes, der
wegen seiner „Wikingerethik“ im Gefängnis sitze. Als Emblem verwendet Kadmon u.a.
die „schwarze Sonne“, das okkulte Symbol der SS, die in der Wewelsburg Himmlers
angebracht war.
Das Projekt Der Blutharsch661 von Albin Julius und seiner Freundin Marthynna spielt
mit Nazisymbolen wie der Sigrune. Die Band hatte sich 1997 aus der ehemals
bestehenden Formation The Moon Lay Hidden Beneath A Cloud662 gebildet.
Diese Band ist eher der Industrial-Szene zuzuordnen, da sie nach Julius die männliche
Seite der Musik darstellen soll. So ist das ewige Thema der Band der Umgang mit
dem Krieg, da hier der Mann seine Männlichkeit beweisen kann. Die Bezeichnung
Blutharsch meint die Vorkämpfer einer Truppe, die als erste eine Stadt besetzten und
siegreich waren oder auch getötet wurden. Ebenso ist es aber auch eine Bezeichnung
für getrocknetes Blut. Die Band setzt sich gegen eine Europäisierung und für eine
Bestrafung der Engländer ein. Ihr Wahlspruch lautet: Viele Feinde, viel Ruhm. Viele
ihrer Lieder behandeln die Heimat und das Vaterland.
Eine weitere wichtige Figur dieser Szene ist Boyd Rice, der unter dem Pseudonym
NON663 experimentelle Musik veröffentlicht. Dieser hat enge Verbindungen mit der
US-Neonaziskinheadszene und der neonazistischen White Aryan Resistance664 in
Kalifornien. So hatte er Kontakte zum rechtsextremen Skinheadführer Robert Heick
und seiner American Front665 die Angriffe auf linke und alternative Buchläden in San
Francisco durchführte.
661
Gegründet 1997, Wien, Österreich, www.derblutharsch.com, 2011.
Gegründet 1993, Wien, Österreich, keine Website auffindbar, siehe:
http://en.wikipedia.org/wiki/The_Moon_Lay_Hidden_Beneath_a_Cloud, 2011.
663
Ab 1975. Zu Rice und NON siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Boyd_Rice, 2011.
664
www.resist.com, 2011.
665
www.americanfront.org, 2011.
662
157
Rice gründete 1984 die Abraxas Foundation666. Der Gott Abraxas vereint in sich
nach der Mythologie die Kräfte des Lichts und der Dunkelheit. Ziel der Foundation ist
eine Synthese aus Okkultismus, Faschismus und Sozialdarwinismus. Heute ist Rice
auch Mitglied der Church of Satan. Er propagiert einen offenen Sozialdarwinismus
und verherrlicht die Gewalt. Total War ist das bekannteste Lied der Band, zu dem er
gemeinsam mit anderen rechten Musikern eine Performance in Japan aufführte (siehe
oben).
Rice besuchte Charles Manson des Öfteren im Gefängnis und startete Kampagnen
zu dessen Haftentlassung. Über Manson kam er auch in Kontakt mit James Mason,
der wie erwähnt ein Buch über den Satansmörder verfasste. Es kam zur Gründung der
Mason Work Group, die den Inhaftierten unterstützt, für die sich auch Michael
Moynihan begeistern konnte.
Weitere Bands, die als rechtsextrem gelten: Swirling Swastikas667 aus Italien, die
Gruppe Waldteufel668, die ihre Seite im Internet Heimatseite statt Website nennt, und
weiterhin die Gruppe Orplid669, die sich zum Heidentum und Neofolk bekennt,
Camerata Mediolanense670 und Scivias671.
Obgenannte Bands können auf diversen Samplern vereint gefunden werden, z.B. Im
Blutfeuer672, Cavalcare la Tigre673, Riefenstahl, Thorak674, etc. Die Sampler
wurden zu speziellen Anlässen aufgenommen. „Cavalcare la Tigre“ wurde zum 1998
zum 100. Geburtstag von J. Evola veröffentlicht.
666
http://www.boydrice.com/interviews/fifthpath.html, 2011.
Keine Detailinformation, keine Website auffindbar.
668
Keine Detailinformation, www.waldteufel.net und www.myspace.com/waldteufel, 2011.
669
Gegründet 1996, Halle an der Saale, Deutschland, www.orplid.de, 2011.
670
Gegründet 1994, Italien, www.cameratamediolanense.it, 2011.
671
Kein Gründungsjahr bekannt, Ungarn, scivias.hu und www.myspace.com/sciviasofficial, 2011.
672
Siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Im_Blutfeuer, 2011.
673
Siehe www.musik-sammler.de/album/154249, 2011.
674
Keine Detailinformation, keine Website auffindbar.
667
158
Auch etliche Zeitschriften stehen mit dem rechten Rand der Gothic-Szene in
Verbindung. Etwa die Junge Freiheit675, die Deutsche Stimme676, die Zeitung der
NPD oder auch das Blatt Sigill aus Dresden, das sich in Zinnober677 umbenannt hat.
Obwohl Sigill und auch jetzt das Nachfolgemagazin Zinnober sich selbst als
nonkonform und musikalisch heterogen bezeichneten, spielt das Blatt bereits in
seinem Namen auf Julius Evola und dessen Autobiographie Der Weg des Zinnober
an. 1993 tauchte das Magazin Sigill auf und konnte zunächst als wirklich neutrales,
eher kleines Fanzine bezeichnet werden, ab 1995 mischten sich aber mehr und mehr
rechte Töne in die Schriften. Im Jahre 2001 wird Sigill in Zinnober umbenannt,
angeblich um den neuen Kurs deutlich zu machen, der eingeschlagen werden soll,
sich aber offensichtlich nicht besonders vom bisherigen unterscheidet. Die Szene, die
mit all diesen Magazinen erreicht wird, ist eher intellektuell als offensichtlich brutal. So
war ein wesentlicher Autor des Zinnober Magazins, Peter Bossdorf, lange Zeit auch
Autor bei Zillo, einem neutralen Fanzine der Szene, bis er dieses 1997 verlassen
musste.
Auch etliche Label verlegen fast ausschließlich rechte Bands: so z.B. Eis & Licht, die
sich auf Neofolk spezialisiert haben. Eis & Licht werden von Stephan Pockrand
betrieben, der auch das Fanzine Zinnober herausgibt. Im Jahre 2001 wurde er mit
einem Stand auf dem Wave-Gotik-Treffen vertreten, auf dem er auch die Hefte von
Zinnober feilbot.
Schlußendlich stehen mit dem rechten Rand die Loki-Foundation678 und die
Prophecy Productions679 in Verbindung. Prophecy Productions übernahmen die
Veröffentlichungen der Band Orplid und übersetzten das Buch Lords of Chaos von
Michael Moynihan ins Deutsche.
675
www.jungefreiheit.de, 2011. Siehe dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Junge-Freiheit-Urteil und
http://de.wikipedia.org/wiki/Junge_Freiheit, 2011.
676
www.deutsche-stimme.de, 2011.
677
www.zinnober.net, 2011.
678
www.loki-found.de, 2011.
679
www.prophecyproductions.de, 2011.
159
3.4 Widerstand
Rechtsextreme Gruppen sind eine Randerscheinung in der Gothszene, die durch die
linksliberale Alternativbewegung der siebziger und achtziger Jahre mitgeprägt wurde.
So konnte die extreme Rechte kaum Anhänger in der Gothic-Szene gewinnen.
Dennoch gibt es viele verschiedene Berührungspunkte zwischen Goths und den Neuer
Rechten,da in beiden Gruppen der Glaube an alte heidnische Religionen verbreitet ist.
Anlass für heftige Kritik rechter Bands auch innerhalb der Gothic-Szene selbst bildete
die Tatsache, dass auf dem Wave-Gotik-Treffen in Leipzig in den letzten Jahren immer
wieder auch rechte Bands gespielt haben, wie etwa Von Thronstahl, Death In June,
Waldteufel oder Allerseelen.
Neben autonomen Antifagruppen gibt es innerhalb der Szene eine breite Ablehnung
gegenüber rechtsextremem Gedankengut. Etwa die rührigen Grufties gegen
Rechts680, die einige Male schon so tatkräftig ans Werk gingen, dass verschiedene
Tourneen rechtsextremer Bands abgesagt werden mussten. Diese Gruppe hat eine 82seitige Broschüre über den rechten Rand der Szene verfasst, die über das Internet
bestellt werden konnte. Mittlerweile ist allerdings auf der Website der Gruppierung zu
lesen, dass sie ihre politischen Aktivitäten am 9. November 2003 eingestellt haben.
Begonnen hatte die Arbeit 1998 und die Gruppe kann etliche Erfolge vorweisen. Sie
wurde aber auch mehrfach von verschiedenen Seiten kritisiert und angeklagt, mehrere
der von ihnen dargestellten Bands fühlten sich beleidigt und zu Unrecht angegriffen.
Weiterhin existierte Darklife Austria681, eine Website der österreichischen Goths. Ein
Link
weist
zum
Wiener
Revolutionsbräuhof682
und
der
angeschlossenen
Anarchistischen Buchhandlung – bekannte linksextreme Vereinigungen. Im
englischsprachigen Ausland bildeten sich die Goths against Hate683, um gegen die
Unterwanderungsversuche des rechten Randes vorzugegen.
680
www.gruftiesgegenrechts.de, 2011.
Bei der Überarbeitung 2011 war die website allerdings nichtmehr auffindbar.
682
Eine der ältesten anarchistischen Gruppen in Österreich, keine Website auffindbar.
683
Keine Website auffindbar.
681
160
Auch einige der Gothic-Bands bezogen im Lauf der Zeit eindeutig Stellung gegen
rechts. So verfasste die Formation Das Ich für das Dark-X-Mas Festival 1992 in
Hamburg eine Resolution gegen Faschismus und Neonazismus, die die
ebenfalls auftretende Band Death In June damals als einzige angeblich aus
Provokation nicht unterschrieb. Die Band Goethes Erben verweigerte die Aufnahme
ihrer CDs in den Katalog des rechtsextremen VAWS (Verlag und Agentur Werner
Symanek). Frankfurter Szenediskos verweigern in zunehmendem Maß das Spielen
rechtsextremer Gothic-Gruppen.
3.5 Zusammenfassung
Trotz dieser verschiedenen Aktivitäten scheinen viele Goths am rechten Auge blind zu
sein. Da mag die Aversion gegen eine lustlose, moralinsaure political correctness eine
Rolle spielen. In dem Buch Gothic! von Matzke/Seelinger dürfen rechte Goths
publizieren, ohne dass die von ihnen Angegriffenen zu Wort kommen. Selbst Michael
Moynihan, bekannter internationaler rechtsextremer Agitator in den jugendlichsubkulturellen Musikszenen, wird häufig in Schutz genommen, so wie in der MetalSzene sein Buch ohne Kritik zitiert wird.
„Wenn auch von einer durchgängig rechten Unterwanderung der Szene keine Rede
ist, so ist man sich in der Gothic-Szene doch bewusst, dass [...] der rechte Rand
wächst. Beängstigend ist, dass bei Konzerten diverser Bands Teile des Publikums das
Gehabe weder als Ironisierung noch als Provokation begreifen, sondern cool oder
mystisch finden. Oftmals fehlt die ernsthafte Auseinandersetzung mit heidnischen
Riten, Symbolen und dem Germanenkult überhaupt. Doch mittlerweile distanzieren
sich auf jedem größeren Festival DJs, Bands und Einzelkünstler von rechten
Infiltrationsversuchen. Gerade Jüngere werden darauf hingewiesen, dass die Szene
ursprünglich linke Gesellschaftskritik beinhaltete.“684
684
Rüttimann, 2001
161
Eine politische Verwirrung wird in der Gothic-Szene deutlich, die auch weitere Teile
unserer Gesamtgesellschaft erfasst hat. Diese Verwirrung ist erklärbar durch die
geschickte ideologische Strategie der Neuen Rechten, neofaschistische Inhalte als
apolitisch oder konservativ zu präsentieren.
162
3.6 Exkurs: Laibach
Katharina Ganster
Die slowenische Gruppe Laibach685 um den Sänger Milan Fras wurde 1980 von dem
mittlerweile verstorbenen Sänger Tomaž Hostnik (Suizid 1982) gegründet und
repräsentiert den musikalischen Teil der Richtung Neue Slowenische Kunst, die sie
selbst 1984 mitbegründet haben. Ihre Musik ist schwer zu beschreiben, ein Mix aus
klassischer Musik, Industrialeinflüssen und elektronischer Umsetzung; Wikipedia nennt
sie „Avantgarde“.
Seit ihrer Gründung und Namensgebung schaffen sie bewusst Provokationen gegen
ihre Regierung und weltweit gegen Organisationen bzw. Staaten (NATO, USA...). So
ist der Bandname die deutsche Version der Hauptstadt Ljubljana, im Tito-Jugoslawien
eine unerwünschte Form.
Schon in den ersten Jahren ihres Bestehens gingen die Provokationen so weit, dass es
Verbote und Skandale regnete. Projekte mussten abgesagt oder aufgelöst werden,
ein Plattenvertrag mit der staatlichen Plattenfirma ZKP RTV wurde von deren Seite
ohne Angabe von Gründen aufgehoben und nach einem Fernsehauftritt wurde
jegliche öffentliche Präsentation der Band oder ihres Namens verboten. Trotzdem
gingen sie 1983 auf Europatournee und wurden daraufhin von mehreren
Theaterhäusern eingeladen, musikalisch etwas zu laufenden Projekten beizusteuern.
Samples und Covers von berühmten Liedern verschiedenster Stile (von Wagner über
Šostakovič, Beatles, Opus, Kraftwerk, Queen und Rolling Stones) wurden von Anfang
an exzessiv verwendet. Zusammenarbeit mit anderen Musikgruppen (Morbid Angel,
slowenisches Philharmonie-Orchester, Chöre) stehen ebenso an der Tagesordnung.
Wichtig ist ihnen vor allem Kritik an Politik (Album NATO), Religion (Album Jesus
Christ Superstars) und Nationalismus (Album Volk). Künstlerisch differenziert
685
www.laibach.nsk.si, 2011.
163
verwenden sie jedoch teils kontroverse Stilmittel, wofür ihnen von vielen Seiten Kritik
zukommt. Sie scheinen mit totalitären Regimen zu kokettieren oder diese zu
parodieren, die Interpretation liegt dabei im Auge des Betrachters. Richard Wolfson
etwa sagt über sie „Laibachs Methode ist extrem simpel, effizient und schrecklich
anfällig für Fehlinterpretationen.“686 So überzeichnet z.B. das Video zum Opus-Cover
„Life is life“ Propaganda-Bilder und -Filme des Dritten Reiches, und kann als
faschistisch orientiert interpretiert werden. Auch die bombastisch-orchestralen Klänge
ihrer Stücke, meist begleitet von Marschmusik-Pauken, scheinen in diese Richtung zu
schlagen. Fras' Bassstimme trägt noch dazu bei, die vorgetragenen Lieder als
politische bzw. religiöse Reden wahrzunehmen, und Rammstein-Sänger Till Lindemann
bediente sich später gerne seines „affektiert maskulin-heroisch-germanischen
Habitus“687. Für diese Überzeichnung bedienen sie sich der Versatzstücke des
Faschismus, des Kommunismus und der christlichen Ikonographie. Obwohl sie
selten aus ihren selbstgewählten Rollen der Verherrlicher von totalitären Regimen
fallen, kann man mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass sie in ihrer künstlerischprovokativen Überzeichnung der dargestellten Ideologien diese parodieren und
nicht gut heißen.
Quellen:
http://sl.wikipedia.org/wiki/Laibach
http://www.laibach.nsk.si/
http://en.wikipedia.org/wiki/Laibach_(band)
http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Laibach_(Band)
http://de.wikipedia.org/wiki/Laibach_(Band)
686
687
„Warriors of weirdness“, The Daily Telegraph, 4. September 2003.
http://de.wikipedia.org/wiki/Laibach, 2011.
164
3.7 Emotional Hardcore (Emo)
Veronika Strauß
Auf Grund der Tatsache, dass das öffentliche Interesse sich dem Begriff Emo in der
letzten Zeit stark zugewandt hat, sollen auch dazu einige Worte gesagt werden. Bei
dem auch als EmoCore bekannten Musikstil handelt es sich um ein Subgenre des
Hardcore Punk, womit nicht unbedingt eine Verbindung zur Schwarzen Szene
besteht.
„Schon
Anfang
der
achtziger
Jahre
suchten
einige
Musiker
der
Hardcore/Punk-Szene nach Wegen, um auf die zunehmende Härte und den
Machismo in Teilen der Hardcore-Szene zu antworten – Umgangsformen, die nicht
viel mit den Hardcore-Idealen zu tun haben. Stattdessen wollten sie offen Emotionen
und Gefühle zeigen und dies auch in ihren Songs verarbeiten. Dies war – trotz aller
fortschrittlicher Gedanken – in der damaligen rauen, eher pessimistisch denkenden
Hardcore-Szene verpönt.“688 Die Fans des Musikstils Emotical Hardcore kannten
eigentlich keinen zwingenden einheitlichen, szeneeigenen Dresscode. Die Musik
stand bzw. steht im Vordergrund.
Billy Werner von der Band Hot Cross
Abb. 7
Mode-Emo
Abb. 8
Etwa seit dem Jahrtausendwechsel bezeichnet sich auch eine jugendliche
Modeströmung, die sich durch an asiatische Comics (Manga/Anime) angelehnte
688
http://de.wikipedia.org/wiki/Emo, 2011.
165
Haarschnitte und Kleidungselementen aus Gothic und Post-Punk auszeichnet, als
Emo. Weltverschlossenheit, Traurigkeit, Tiefgang und suizidale Tendenzen werden
gerne mit diesen Emos in Verbindung gebracht. Das Outfit steht deutlich im
Vordergrund. Bestimmte Bekleidungsmarken und Muster gehören zum Szenecode.
Das Mischen von morbid anheimelnden und ansich nach Massengeschmack als „nicht
schön“ eingestuften Acsessoires (Totenköpfe, Spinnen, Nietenarmbändern, etc.) und
„niedlichem“ Kitsch (Hello-Kitty, rosa Plüsch, etc.)689 gilt als typisch. Anleihen nimmt
das Outfit auch am Rockabilly690- und Psychobilly691 Style.
Jedenfalls ist grundsätzlich zwischen der tatsächlichen Musikszene und der
(jugendlichen) Modeströmung zu unterscheiden!
Die vorangehende Unterteilung ist aus Sicht Vieler sicher ebenso
mangelhaft wie unvollständig – einer der besten Beweise dafür, dass die
Szene lebt. Um Einmischung wird gebeten! Statements können an
[email protected] geschickt werden.
689
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Emo, 2011.
http://de.wikipedia.org/wiki/Rockabilly, 2011.
691
http://de.wikipedia.org/wiki/Psychobilly, 2011.
690
166
167
LaVeys Satanismus
Katharina Ganster
Satanismus unter Jugendlichen kann verschiedenste Formen annehmen, und mit dem
Internet als Bezugsquelle an „Informationen“ kann es sogar noch unkontrollierter
vonstatten gehen als früher, als man sich einschlägige Bücher bestellen musste oder
die „richtigen“ Freunde haben musste. Da Information und Förderung der
Kommunikationskultur zwischen Jugendlichen und Bezugspersonen einenen
wichtigen Schutz gegen diese Gefahren darstellt, soll dieser Artikel vor allem die
Hintergründe und Inhalte der wichtigsten Strömungen erklären, um aufgeklärt mit
betroffenen Jugendlichen diskutieren zu können.
Geschichtlicher Hintergrund
Schon in der Antike gab es Menschen die glaubten, der Gott des Alten Testaments sei
ein böser Gott gewesen und Satan ein guter Engel, der gegen ihn gekämpft hatte.
Darum kehrten einige dieser Gnostiker alle Wertmaßstäbe der Bibel um. Da es bei
ihnen nur den höchsten Wert der Erkenntnis (gr. „gnosis“) gab, wurden alle
moralischen Konventionen ignoriert, die diesem Erkenntnisstreben zuwiderlaufen
könnten. Zwar verehrten sie den Teufel nicht, aber christliche Schriftsteller unterstellten
ihnen dies und so wurde ihre Glaubensauffassung zur Basis von späteren
Teufelskulten.692
Im Mittelalter gab es verschiedene, von der katholischen Kirche als Ketzer
bezeichnete christliche Sekten, die teilweise viele Glaubensinhalte der Gnostiker
übernahmen. Ob unter ihnen auch Teufelsanbeter waren, kann man nicht mehr mit
Sicherheit sagen.693 Im 13. Jh. begegnet uns jedoch die Sekte der Luziferianer, die
den Teufel als Schöpfer der Welt betrachteten und alle christlichen Werte und
Verhaltensweisen umkehrten. Auch Templer und „Hexen“ wurden beschuldigt, den
692
693
Vgl. Cavendish, 1980, S.332-335.
Vgl. Cavendish, 1980, S.337.
168
Teufel anzubeten694. Die ersten „schwarzen Messen“ waren christliche Rituale, die
aufgrund der übersinnlichen Magie, die sie erzeugten, für „dunkle Zwecke“
mißbraucht wurden (Verfluchung eines Feindes, Beschwörung von Geistern). Richtige
schwarze Messen mit Umkehrung von christlichen Symbolen, Roben, die mit nackten
Frauen und Schweinen bestickt waren, schwarzen Hostien oder Urin statt Meßwein
treten im 15. und 16. Jh. auf.695 Satanismus im Sinne einer Hinwendung zum „Bösen“
ist also kein modernes Phänomen und kann in vielen historischen Phasen auch als
Protestbewegung gegen vorherrschende Mißstände gedeutet werden. Oft waren es
jedoch auch Zirkel von Adeligen, die aus Langeweile gegründet wurden. Die Schriften
dieser ersten Satanisten und viel älterer Schwarzmagier sind heute teiweise noch im
Umlauf, werden von esoterischen Verlagen nachgedruckt und über das Internet
verkauft. Die berühmtesten Vorbilder der heutigen Satanisten sind jedoch Aleister
Crowley und Anton Szandor LaVey.
Aleister Crowley
Edward Alexander (1896 zu Aleister keltisiert) Crowley wurde 1875 in England
geboren, gründete 1907 den Orden Astrum Argentum (Silberner Stern) und 1920
das religiös-philosophische System von Thelema. Er war Okkultist, Schriftsteller und
Verleger und starb 1947 in England.
Seine Kindheit war geprägt von streng christlichen Regeln seiner Eltern, die beide
Mitglied in einer fundamentalistisch-christlichen anglikanischen Sekte waren. Seine
Familie war reich und er erbte schon mit elf Jahren ein ansehnliches Vermögen, das
ihm lebenslang finanzielle Sorgen abnahm. Ab 1896 zeigte sich sein Interesse für
Magie und er trat verschiedenen Orden (Hermetic Order of the Golden Dawn, Ordo
Templi Orientis) bei und beeinflusste viele von ihnen relativ stark. Er war begeisterter
Bergsteiger, bereiste Amerika, Asien, Afrika und Europa und experimentierte Zeit
seines Lebens mit den verschiedensten Drogen.
694
695
Ebda, S.341.
Ebda, S.367-376.
169
1920 gründete er auf Sizilien die magische Kommune Abtei von Thelema, die
1923 von italienischen Behörden aufgrund von Skandalgeschichten über Rituale
aufgelöst wurde. In diesen Ritualen sollen die Teilnehmer Drogen konsumiert und das
Blut geopferter Katzen getrunken haben. Er wurde 1925 auf einer okkultistischen
Konferenz zum Weltheiland ausgerufen. Sein Drogenkonsum stieg immer mehr an,
bis er 1947 wegen Herzversagen und chronischer Bronchitis verstarb.
Sein skandalöses Auftreten bestand vor allem darin, sich offen zum (experimentellen)
Drogenkonsum zu bekennen und seine (damals) radikalen Ansichten über
(homosexuellen) Geschlechtsverkehr zu äußern. Er nannte sich The Great Beast
666 (gr. „to mega therion“) und verband in seinem magischen Denken östliche und
westliche magische und religiöse Traditionen, erfand aber viel dazu. Ziel seiner Magie
bestand in der Weiterentwicklung des Individuums. Der zentrale Satz „Do what thou
wilt shall be the whole of the law“ („Tu was du willst soll das ganze Gesetz sein“)
wurde und wird immer wieder zu oberflächlich interpretiert. In seinen Schriften legt er
Wert darauf, dass das Individuum erst erforschen müsse, worin dieser eigene Wille
überhaupt bestehe. Auch das Thelema-Konzept zielt auf die Verwirklichung des
wahren spirituellen Willens ab. Der Spruch bedeutet also weder „Tu, worauf immer du
Lust hast“, noch ist es ein Freibrief für Hedonismus und Egozentrik.
Eine Bewertung seiner magischen Schriften fällt schwer, da viele von ihnen auf
Drogenräusche hindeuten, oder zumindest so kryptisch formuliert sind, dass sie dem
„Uneingeweihten“ nichts sagen und nur nach Nonsens klingen.
Ein Nachwirken Crowleys ist in mehreren Formen in den esoterischen Kreisen der
Hippie-Bewegung, in vielen Bands (Led Zeppelin, Black Sabbath, The Beatles, Iron
Maiden etc.) und bei vielen Schriftstellern festzustellen. Die meisten der
Anspielungen und Zitate sind jedoch (mehr oder weniger deutlich) satirisch oder
provokant gemeint.
170
Charles
Manson,
der
von
Crowleys
Ideen
(und
von
Rassismus
und
Weltuntergangsideologien) fasziniert war, bildet eine deutliche Ausnahme. Quellen
berichten, er hielt sich für Satan und Jesus in einer Person, oder als Reinkarnation von
Crowley selbst. Seine Sekte, die Manson Familiy, beging 1969 mindestens neun
Morde, die er zwar angeordnet, aber nicht selbst mit durchgeführt hatte.
Crowley selbst sah sich nie als Satanist, und wird auch von der Church of Satan
(CoS) nicht als solcher eingestuft. Auch wird geleugnet, dass Crowley ein Vorläufer der
CoS sei obwohl man in den Schriften LaVeys oft sehr deutliche Anspielungen (v.a. die
Anlehnung an „Tu was du willst“) oder Inspirationen durch Crowley findet.696
Unter http://hermetic.com/crowley kann man viele von Crowleys Schriften auf
Englisch im Volltext lesen.
Anton Szandor LaVey
Biographie
1930 wurde er als Howard Stanton Levey als Sohn von russisch-, ukrainisch- und
französischstämmigen
Amerikanern
geboren.
Seine
Eltern
unterstützten
sein
musikalisches Talent, und er brach die High School mit etwa 15 ab um einem Zirkus
– zuerst als Hilfsarbeiter, dann als Musiker – beizutreten. Später spielte er in
verschiedenen
Burlesque-Clubs
als
Pianist.
Seine
Biographie
weist
viele
Ungereimtheiten auf, die vermutlich auf seine Erfahrungen im Showbusiness
zurückzuführen sind. So scheint er gewisse Episoden seiner Vergangenheit erfunden
oder aufgebauscht zu haben um zu einer schillernden Persönlichkeit zu werden (z.B.
behauptet er, eine kurze Affäre mit der noch unbekannten Marilyn Monroe gehabt zu
haben, was sich mittlerweile als Lüge herausgestellt hat).
Später begann er, sich mit dem Okkulten zu beschäftigen und Vorlesungen in einem
„magischen Zirkel“ zu halten, in der Walpurgisnacht (30. April) 1966 gründete er
dann schlussendlich die Church of Satan. Diese war von Anfang an nie geheim,
aber sehr mystisch aufgebaut. Schon 1967 wurde unter starker medialer Präsenz die
696
Vgl: http://de.wikipedia.org/wiki/Aleister_Crowley, 2011.
171
erste satanische Hochzeit zelebriert, und auch satanische Begräbnisse und Taufen (z.B.
seiner zweiten Tochter Zeena) wurden durchgeführt. Die Presse nannte ihn den „Black
Pope“
(„Schwarzen
Papst“).
Durch
verschiedene
Bücher,
Musikalbem
und
Presseauftritte in Zeitung und Fernsehen erlangte er und seine CoS relativ schnell
große Berühmtheit.
Mit seinen drei Lebensgefährtinnen bekam er zwei Töchter (Karla, Zeena Galatea)
und einen Sohn (Satan Xerxes Carnacki). Er starb 1997 an einem Lungenödem, wurde
eingeäschert und seine Asche wurde in einer satanischen Bestattungszeremonie unter
seinen Erben aufgeteilt.697
Interpretation
Bei LaVeys Schriften ist es wichtig, einen Unterschied zu machen zwischen Satanist
und Teufelsanbeter.698 Der erstere ist für ihn ein verantwortungsvolles Wesen, das
seinen eigenen Weg geht und sich nicht der Masse anpassen will. Satan repräsentiert
für ihn die symbolische Kraft, außerhalb der Gesellschaft stehen zu können,
deshalb führt er unter den „infernal names“699 auch die „bösen“ Götter von Indianern,
germanischen Stämmen, Indern etc. auf. Diese Namen sind für ihn auch Ausdruck
von Kraft und Stärke, und müssen in Ritualen dementsprechend rezitiert werden. In all
seinen Schriften legt er großen Wert auf den Klang und die Poetizität der
verwendeten Worte, da er weiß, dass die Formulierung oft wichtiger ist als der Inhalt.
„Teufelsanbeterei“ ist für ihn eine Form des Jugendprotestes, der sich in simpler
Umkehrung christlicher (oder gesellschaftlicher) Werte – z.B. schwarze Messen –
manifestiert und meist hirnlos ist. Er verabscheut diese „Pseudo-Satanisten“700, die
Tieropfer begehen und Friedhöfe schänden, weil es Spass macht oder „cool“ ist, ganz
deutlich
und
verurteilt
sie
aufgrund
des
mangelnden
philosophischen
Hintergrundes.701
697
Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Anton_LaVey, 2011.
Teilweise wird im deutschen Sprachraum auch ein Unterschied zwischen „satanisch“ und
„satanistisch“ (imitierend, teufelsanbeterisch) gemacht.
699
Vgl. LaVey, 1976, S. 58-60, 145.
700
Ebda, 1976, S. 104.
701
Vgl. LaVey, 1976, S.52, 100, 104.
698
172
Seine Schriften sind einfacher zu lesen als die von Crowley, und zielen sehr auf die
Psychologie seiner Leserschaft ab. Man kann LaVey auf viele verschiedene Arten
lesen. Wichtig dabei ist, sich immer daran zu erinnern, in welchem Umfeld er
geschrieben hat. In einem prüden Amerika der sechziger Jahre, aufgewachsen im
Zirkus unter „Freaks“ und den Ausgestoßenen der Gesellschaft, wollte er vielleicht
genau solchen Leuten eine Ideologie geben, die sagt: „es ist in Ordnung, so wie ihr
seid“. Wenn man die Schriften LaVeys auf diese philosophisch-psychologische Art liest,
erkennt man, dass viele seiner Ansichten darauf abzielen, den Menschen in seiner
Eigenart zu stärken, ihn von der Masse abzuheben, ihn dazu aufzufordern, selbst
Verantwortung zu übernehmen und seinen eigenen Weg zu gehen. Alle „magischen“
Rituale, die er beschreibt, sind einfache psychologische Methoden, um dieses Ziel
zu erreichen. Auch verbietet er etwa, Tiere oder Kinder zu opfern oder unschuldigen
Menschen Leid anzutun.702 Die Quintessenz des Kapitels „On the Choice of a Human
Sacrifice“703 ist, dass man diejenigen, die man hasst, in einem Ritual symbolisch
zerstören soll (psychologisch gesehen also nur für sich selbst), damit man sein Leben
harmonischer gestalten kann, ohne von ihnen belästigt zu werden. Er nennt die
satanischen Rituale eine „Form von Psychodrama“.704 Diese Psychodramen werden
in der zweiten Hälfte des Buches705 wie in einem Drehbuch detailliert beschrieben. Mit
keinem einzigen Wort billigt er dabei jemals die aktive physische Zerstörung eines
Menschen- oder Tierlebens durch einen Satanisten.
Seine Religion will die Philosophie und Ideologie einer neuen Zeit sein. Er verabscheut
jegliche Religionen, die – wie das Christentum – die menschliche Natur und dessen
fleischliche Gelüste verleugnen wollen und ruft dazu auf, genau diese Werte zu
Tugenden zu erheben. Seine Nine Satanic Statements706 sprechen davon, den
modernen Menschen zu fördern und zu bestätigen: Genuss, vitale Existenz, reines
Wissen, Liebe und Verantwortung übernehmen nur für diejenigen, die sie verdienen,
702
Ebda, S.89.
Ebda, S.87-90.
704
Ebda, S.100.
705
Ebda, S.107.
706
Ebda, S.25.
703
173
Rache statt Ertragen von Leid707 und alle sogenannten „Sünden“ – die für ihn alle zu
psychischer, mentaler oder emotionaler Befriedigung führen – werden für ihn durch
Satan repräsentiert.
Kritik
Das alles mag harmlos und rein philosophisch klingen, aber es gibt für den
gebildeten, und noch mehr für den jugendlichen Leser, Gefahren zu beachten. Durch
sein rhetorisches Talent versteckt er viele Ideologien und Prämissen in einer
Umgebung von allgemeiner Information und Fakten. Oft liest man über diese Stellen,
ohne viel nachzudenken und nimmt sie so ins Unterbewusstsein auf. Die Gefahr dabei
ist, dass seine Religion eben nicht nur das Individuum als solches stärkt, sondern auch
das Potential hat, die Gesellschaft zu verändern. Viele seiner philosophischen
Ansichten
fördern
ein
faschistoides
Menschenbild,
scheinen
oft
sogar
nationalsozialistische Ideologien gutzuheißen (jedoch ohne Rassismus, da jedes
Individuum selbst elitär werden muss, was für einen Satanisten nicht vererbbar ist708).
LaVey werden Sympathien mit Alfred Rosenberg (ein führender Ideologe im
Nationalsozialismus) und Adolf Hitler nachgesagt, Einflüsse von Nietzsche,
Crowley und radikalen sozialdarwinistischen Schriften sind spürbar. Die Zerstörung
von Feinden wird zwar nur symbolisch propagiert, gewisse Stellen lassen dies jedoch
zweideutig erscheinen (z.B. Punkt 11 der „Satanischen Regeln der Erde“: „If someone
bothers you, ask them to stop. If they don’t stop, destroy them.“ „Wenn dich jemand
belästigt, fordere ihn dazu auf, dies zu unterlassen. Wenn er nicht damit aufhört,
vernichte ihn.“).
Eine Gesellschaft von LaVey-Satanisten würde zwar aus klugen Menschen bestehen,
die jedoch, um ihre Ziele zu erreichen, vermutlich auch über Leichen gehen würden.
Alle christlich-humanitären Werte, die das soziale Zusammenleben erleichtern und
angenehmer gestalten sollten, wären dabei wertlos. Altruismus und Selbstaufopferung
707
Hier als ideologischer Hintergrund gemeint, als Umkehrung des christlichen „die-andere-Backebieten“. Was genau er oder seine Jünger unter Rache verstehen, wird nirgends direkt angesprochen.
Selbstjustiz ist jedoch verpönt, und die gesamte CoS macht sich stark für ein striktes Befolgen aller
Gesetze der Gesellschaft, in der ein Satanist lebt.
708
http://www.churchofsatan.com/Pages/Feared.html, 2011.
174
wären die neuen Sünden, Demokratie würde zu einem Fremdwort werden. Es würde
nicht mehr um gesellschaftliche Harmonie sondern um persönlichen Erfolg gehen.
Angesichts des heute vorherrschenden Neoliberalismus und Turbokapitalismus ist das
natürlich hauptsächlich eine Religion für die (Erfolg-)Reichen und Starken, oder
diejenigen, die es um jeden Preis werden wollen. In gewissem Sinne leben wir also
schon unter der Herrschaft von Menschen mit einer solchen Ideologie, auch wenn sie
sich nicht als Satanisten bezeichnen würden. Die CoS heißt auch eine Stratifizierung
der Gesellschaft gut (eine Einteilung in Stände, Klassen, Intelligenzniveaus o.ä.), auch
wenn das bedeutet, dass es Reichenghettos und Armenviertel gibt. Sie ist gegen
jegliche egalitäre gesellschaftliche Theorie und betont die Verschiedenheit der
Menschen.709
Die weitere Entwicklung der Church of Satan nach dem Tod von LaVey geht einen
noch kompromissloseren Weg. Besonders die Schriften von Peter Howard Gilmore
(seit 2001 Hohepriester der CoS) sprechen eine deutliche Sprache: Eugenik wird
befürwortet
(die
Auswahl
von
elitären
Individuen
vor
der
Geburt,
auch
Genmanipulation ist für ihn etwas Positives; die Vernichtung von behinderten Kindern
im Mutterleib wird nicht angesprochen aber scheint implizit mitgemeint zu sein) und
Satanisten seien die höchste Stufe der menschlichen Entwicklung, sozusagen eine Art
Herrenrasse. Sie stehen über der Gesellschaft (nicht außerhalb wie bei LaVey!) und
haben das Recht (oder die Pflicht), alle anderen Menschen für ihre Zwecke zu
instrumentalisieren. Der Wohlfahrtsstaat und Antidiskriminierungskampagnen (wie
etwa die Frauenquote) sollen abgeschafft, weltweite Hilfs- und Spendenaktionen
gestoppt werden. Außerdem führt er LaVeys „Lex Talionis“ (Gesetz der Vergeltung,
Auge um Auge) weiter und scheint auch Selbstjustiz gutzuheißen.710
Einige ehemalige Mitglieder der CoS haben sich auch deswegen abgespalten, so
wurde 1975 der Temple of Set aufgrund von administrativen und philosophischen
709
LaVey, 2000, S. 95 und http://www.churchofsatan.com/Pages/Feared.html, 2011.
Vgl http://en.wikipedia.org/wiki/Peter_H._Gilmore, www.thesatanicscriptures.com,
www.churchofsatan.com/Pages/Feared.html, 2011.
710
175
Meinungsunterschieden gegründet, und 1997 gründete LaVeys Tochter Karla die First
Satanic Church die sie im Geist ihres Vaters weiterführen will.711
Persönliches Fazit
Die Autorin dieses Artikels hat sich selbst ab dem Alter von 14 Jahren (bis heute in
unterschiedlicher Intensität) mit Aleister Crowley und später mit LaVey und der CoS
intensiv beschäftigt (war jedoch niemals Mitglied dieser Organisation). Aufgrund der
Tatsache, dass dieses Interesse weder bleibende geistige oder körperliche Schäden
nach
sich
gezogen
hat,
noch
sie
zu
einem
gewaltverherrlichenden
oder
menschenverachtenden Wesen gemacht hat, mag es sein, dass dieser Abriss über
Satanismus ein wenig zu positiv ausfällt. Die Autorin ist jedoch der festen
Überzeugung, dass Jugendliche, die sich für eine ähnliche Thematik interessieren,
nicht in erster Linie gefährdet oder mental instabil, sondern eben interessiert sind. Als
Historiker und Atheist ist sie der Überzeugung, dass die großen Weltreligionen viel
mehr geistigen und körperlichen Schaden anrichten können (Verleugnung der eigenen
Triebe und Vorlieben, Verbot von Homosexualität und der Verwendung von
Kondomen etc.), vor allem bei Jugendlichen.
Die sogenannte Teufelsanbeterei – mit „Tische rücken“, Geisterbeschwörung,
Zelebrieren von schwarzen Messen usw.
– stellt ein größeres Risiko dar
(Realitätsverlust, Angstzustände, Selbstmordgefährdung), darf jedoch nicht mit den
Praktiken der CoS in Verbindung gebracht werden. Oft sind das kleinere Gruppen von
meist gleichaltrigen Jugendlichen, die gegen die Gesellschaft rebellieren wollen, sich
für Okkultes interessieren, geheimnisvoll erscheinen wollen und in Wirklichkeit keine
Ahnung haben, was sie eigentlich tun. Wie auch bei größeren Sekten ist hier die
Gefahr vor allem bei einem charismatischen Anführer zu suchen, der die anderen
dazu zwingt, Dinge zu tun, die sie eigentlich nicht tun wollen, und psychische Kontrolle
über sie ausübt. Gefährlich wird es vor allem dann, wenn diese Gruppen anfangen,
711
Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Temple_of_Set, http://en.wikipedia.org/wiki/First_Satanic_Church,
2011.
176
zu „missionieren“, d.h. Leute für ihre Gruppierung zu rekrutieren, „Mutproben“
fordern etc.712
Ein extremer Fall von Jugendstrafdelikt in diesem Umfeld stellt der sogenannte
„Satansmord von Sondershausen“ aus dem Jahr 1993 dar, der kein eigentlicher
satanistischer Akt war, von der Presse jedoch als solcher betitelt wurde, da sich die
Beteiligten „mit satanistischem Gedankengut und mit Tötungsdarstellungen in Filmen“
beschäftigt hatten. Der wahre Hintergrund ist umstritten, es scheint jedoch, dass der
Hauptverantwortliche Hendrik Möbus vor allem aus rechtsradikalen Motiven heraus
gehandelt hatte.713
Das Wichtigste bei der Kontaktaufnahme mit Jugendlichen, die vielleicht in dieser
Szene sein könnten, ist immer das Gespräch zu suchen, Motive und Hintergründe
herauszufinden, und immer auch argumentieren zu können. Viele Jugendliche
interessieren sich für Rechtsradikalismus, Satanismus und dergleichen aus einer
gewissen
Orientierungslosigkeit
heraus,
kommen
vielleicht
aus
zerrütteten
Verhältnissen oder aus einem lieblosen Umfeld, und suchen in Gruppierungen der
Jugendsubkultur eine Ersatzfamilie. Einige interessieren sich vielleicht nur aus
Neugierde dafür, kommen dann aber eventuell in einen Sog, aus dem sie von alleine
nicht mehr herauskommen. Wenn man diesen Menschen mit Interesse an und
Verständnis für ihre Situation begegnet, und mit ihnen ernsthaft kommuniziert, ist
ihnen mehr geholfen als jegliche Verurteilung oder Tabuisierung. Satanismus soll
dabei weder verniedlicht noch verdammt werden, es ist im Gegensatz wichtig, sowohl
Positives als auch Negatives zu (er)kennen und herauszustreichen. Der beste Schutz für
Jugendliche ist immer Information und Förderung der eigenen Selbstverantwortung.
712
713
Gugenberger, 1999, S. 13.
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Mordfall_von_Sondershausen, 2011.
177
EXKURS: VAMPIRISMUS
Roman Schweidlenka
Die meisten „Vampire“ sind Mitglieder der schwarzen Szene und betreiben den
Vampirismus als Mode, Gesellschaftsspiel, künstlerische Gestaltung oder Zeitvertreib,
meist verbunden mit einer Mittelaltersehnsucht, einer Ablehnung der modernen
Gesellschaft und magischen Übungen. Beliebt sind Vampir-Rollenspiele (u.a. White
Wolf, Requiem, Dracula Ressurrection etc.), bei denen die Spieler in die Rolle der
dämonischen Fabelwesen schlüpfen. Die Vampir-Spiele sind meist in der modernen
Welt angesiedelt, in der aber neben den Menschen allerlei Spukwesen der Dunkelheit
leben.
Eine Minderheit sieht sich im Gegensatz dazu als „echte“ Vampire, nicht als
Menschen. Sie schreiben sich im Gegensatz zu den Vampiren „Vampyre“. In dieser
Szene ist Menschenbluttrinken, verbunden mit kriminellen Handlungen (bis hin zum
Ritualmord als extreme Randerscheinung) eine beliebte Praxis. Während es in
Deutschland damit bereits Probleme gibt beschränkt sich in der Steiermark nach
vorliegender Erkenntnislage das Interesse auf Anfragen, intellektuelle Beschäftigung
und den Wunsch nach Aufklärung.
Höchst bedenklich ist „Das Buch Noctemeron. Vom Wesen des Vampirismus“ des
Frater Mordor, erschienen im satanistischen deutschen Bohmeier Verlag. In diesem
Buch
werden
zahlreiche
Tötungsarten
erklärt,
verschiedene
Formen
des
Bluttrinkens (auch tödliche) und okkulte Ritualmorde beschrieben und die Bildung
geheimer schwarzmagischer Okkultzirkeln empfohlen, die an Sekten erinnern.
„Verrätern“ droht der Tod. Feindbilder sind die moderne Gesellschaft und staatliche
und kirchliche Stellen. Während in Deutschland der Verkauf des Buchs an Jugendliche
unter 18 Jahren verboten ist, ist es in Österreich in den Buchhandlungen frei
zugängig.
178
Im dunklen Blutreich des Frater Mordor
Eine Analyse vampiristischer Blutergüsse in Buchform
Seit Oktober 2005 ist der Verkauf des Buches (1. Band) an Jugendliche unter 18
Jahren in Deutschland verboten. Das Buch darf in den Buchhandlungen auch nicht
sichtbar aufgelegt werden. In Österreich gibt es eine derartige Bestimmung nicht.
Beiträge mancher Autor sind darin anonym. Das Buch wird als „voodooistsich,
vampiristisch, grausam, nekrophil, kannibalistisch, sexistisch, blutig“ beworben. Als
mögliche
Nebenwirkungen
werden
angegeben:
Alpträume,
Phobien,
Gerichtsprozesse, Kontrollverlust, psychische und physische Störungen, Krankheiten,
Verwirrungen.714 Die Praktiken werden durchaus richtig als gefährlich bezeichnet.715
Wahnsinn ist nicht ausgeschlossen.716
Das Buch wurde von einem angeblichen echten Vampyr geschrieben. Elitär ist die
Vampyrgesellschaft: Die „Erhabenheit unserer Rasse“ wird beschworen.717 „Wir
sind die Höllenengel“.718 Wahre Vampyre sind angehalten, treue Knechte um sich zu
scharen.719 Keine staatlichen und moralischen Gesetze gelten für den Vampyr, er ist
Weltenherrscher und Despot.720 Dazu hat er die ewige Jugend.721 Gegner sind
dezidiert staatliche und kirchliche Stellen, die nicht wissen, „wie nahe ihre Vernichtung
ist.“722
Da die Bücher von einem „echten“ Vampyr geschrieben sind, gibt es vielfältige
Polemiken und Abwertungen der Goths, der „Pseudo-Vampirszene“ und der
Vampir-Spiele-Fans.723
714
Mordor 2007, S.4.
Ebda, S.11.
716
Ebda, S.14.
717
Ebda, S.105.
718
Ebda, S.123.
719
Ebda, S.108.
720
Ebda, S.22 und S.182.
721
Mordor 2005, S.210.
722
Mordor 2007, S.239.
723
Vgl. Mordor 2007, S.24f, S.176f; Mordor 2005, 207.
715
179
Die Bücher versuchen zu werben: In der Esoterik-, Hexen-, Magier-, Goths - Szene:
Sucht doch den wahren Vampyrismus! U.a. in den entsprechenden Chat-Räumen des
Internet.724 Strebt doch nach mehr!
Esoteriker werden vor allem im zweiten Band725 angesprochen, wo eine durchaus
missbräuchliche Einführung in die europäische und östliche Esoterik, u.a. in den
Taoismus erfolgt. (z.B. Tao als „schwarze Pilgerfahrt“726) Eine neue Zeit, ein neues
Jahrtausend wird beschworen.727 Auch der Bezug zu gängigen, in Teilen der EsoSzene beliebten Weltverschwörungstheorien ist gegeben.728
Morde werden bejaht, ja gefordert: Weit weniger Menschen können von Vampyren
getötet werden als weltweit verhungern:729
„Wir töten und vernichten weil wir es wollen.“730
„Wir sind die Jäger der Menschen und hielten ursprünglich das Gleichgewicht seiner
Entwicklung … Ein lebensfähiges Gleichgewicht kann nur hergestellt werden, wenn die
menschliche Population um 20% reduziert wird. Wir sind die Jäger …“731
„Wir sind die Hüter der Welt!
Wir sind die Jäger der Menschen!“732
Mord an Menschen als ökologisch notwendige Tat!
Das Naturbild ist geprägt von „Fressen und Gefressenwerden“733. „Das Leben ist ein
Kampf und letztlich überleben nur die Fähigsten.“ Extremer Sozialdarwinismus, eine
wichtige ideologische Basis aller rechtsextremen Weltanschauungen, wird deutlich: „In
724
Mordor 2007, S.25.
Mordor 2005, passim.
726
Mordor 2005, S.172.
727
Ebda, S.19.
728
Mordor 2005, S.201, S.204.
729
Mordor 2007, S.20.
730
Ebda, S.20.
731
Ebda, S.28.
732
Ebda, S.28.
733
Ebda, S.28.
725
180
einem Kampf selbst gibt es keine Moral oder Fairness.“734 Der Mensch ist ein Werwolf.
„Es sind die Zähne eines Raubtieres, die wir hinter unseren leumündigen Lippen
tragen. Es sind keine Werkzeuge, um einen romantischen Adlerlass zu gewährleisten,
keine Spielzeuge, um sacht ein Gefäß zu punktieren und tröpfchenweise das Blut zu
vergießen – wir haben die Fänge der Jäger und sie dienen zum Reißen der Beute. Sie
verursachen klaffende Wunden und sprudelndes Blut – und den Tod.“735 Und: „Dein
Weinen und Flehen wird dich nicht schützen.“736
Säuglinge und bedeutende Persönlichkeiten sollen nur bei absoluter Notwendigkeit
gejagt werden.
„Außer den Geschützten können alle Menschen vogelfrei genannt werden. Ihr
Blut ist das Recht aller Schatten.“737
„Du hast das Recht, jene zu vernichten, die dir (deine) Rechte verweigern.“738
Meditationssätze wie: „Ich verschlinge die Nahrung lebendig: ich esse lebendige
Menschen.“
Finden
sich
im
Buch.739
Satanisch-schwarzmagische
Rituale
zur
Vernichtung von Feinden unter Anrufung Lucifers werden vorgestellt.740 Auch
Blutrituale zur Einweihung von Kindern.741
Die Bildung geheimer schwarzmagischer satanischer Ordenszirkeln wird angeordnet,
die sich gegenüber der Gesellschaft absolut tarnen müssen. Das bedeutet: Auch keine
auffällige Kleidung. Menschenbluttrinken muss im Geheimen erfolgen. Die Orden sind
autoritär-hierarchisch aufgebaut. Verräter werden von den „Ältesten“ „mit allen
Konsequenzen aus(ge)merz(t).“742 Das Todesurteil wird von silbernen Rittern mit engen
Sehschlitzen durchgeführt, die sich gegenseitig nicht kennen dürfen. Der Abtrünnige
734
Mordor 2005, S.23.
Mordor 2007, S.104.
736
Ebda, S.105.
737
Ebda, S.115.
738
Ebda, S.128.
739
Ebda, S.154.
740
Ebda, S.261-263.
741
Ebda, S.270f.
742
Mordor 2007, S.112, S.128, S. 282f.
735
181
wird
von
Schwerthieben
zerteilt.743
Diese
Orden
haben
einen
extremen
Sektencharakter.
Blutgewinnung, Bluttrinken wird in allen Varianten, auch den tödlichen, genau
beschrieben.744 „Der Vampir … definiert sich durch die Aufnahme der Lebensenergie
anderer Wesen, um seine eigene Macht zu potenzieren. Diese Absorption geschieht
vorwiegend über das Medium Blut.“745 Auch genaue ausführliche Anleitungen zum
effektiven Töten und Morden werden gegeben.746 Auch Anweisungen, wie man
Kopftrophäen getöteter Gegner mumifiziert, finden sich.747
Dazu gibt es das „Gebet“ an den „Geist der Finsternis“:
„Mache mich zum Männerfresser.
Mache mich zum Frauenfresser.
Mache mich zum Kinderfresser.
Mache mich zum Werwolf.“748
„Twilight“ – die neue „Mormonen-Bibel“?
Alexandra Koch
Abseits der von Schweidlenka beschriebenen „Vampyrgesellschaft“ rund um Frater
Mordor, entstand ein über die Mitglieder der schwarzen Szene hinaus bekannter Hype
zum Thema Vampire. Die Anhänger des neuen Vampir-Trends sind aber nicht einer
der ausdifferenzierten Unterkategorien aus der „Szene der Vampire“ beizuordnen. Es
sind „einfach nur“ Fans der vielen neuen Vampir-TV-Serien, –Filme und natürlich der
dazugehörigen Stars bzw. Starletts. Die wenigsten gehören dabei zu den oben
erwähnten
743
„Vampir-Kategorien“
Ebda, S.159f.
Ebda, S.183-189.
745
Mordor 2005, S.205.
746
Mordor 2007, S.189-191.
747
Ebda, S.194.
748
Ebda, S.237.
744
182
–
dem
Lifestylevampir,
dem
geistigen
oder
alternativen Vampir, oder dem Realvampire, auch Vampyres genannt.749 Dennis Sand
meint dazu, dass „der Vampir […] den Sprung in die Lebenswelt geschafft [hat], [und]
er […] Teil der Populärkultur [geworden ist]“.750 Denn der Vampir-Interessierte
beschäftigt sich nicht (nur) des Blutrinkens oder Pfahltötens wegen damit, vielmehr
geht es um die Fragen der eigenen Identität. Jeder Jugendliche ist heut zu tage
geprägt von dem Wunsch der von der Gesellschaft geforderten Individualität und
gleichzeitig dazu doch angepasst bzw. akzeptiert zu sein: Individualität durch
Gruppenzugehörigkeit. Dabei begleiten uns – nicht nur im Jugendalter – immer
ähnliche Fragen: Wer bin ich, wohin gehöre ich und welchen Platz nehme ich in der
Gesellschaft ein? Weniger offensichtlich vielleicht fragt man sich in Zeiten der
Reizüberflutung auch, ob man denn integriert genug in die bekannte Leitkultur ist bzw.
wie man sich sonst seinen Platz in alternativen Lebensformen finden könnte? Hinzu
kommt der neue Umgang mit der Frage nach Gut und Böse der Postmoderne,
welchen die Unterhaltungsindustrie nur zu gerne aufgreift und in Büchern und Filme
abhandelt. In Fantasy-Blockbustern werden die Protagonisten dabei bewusst in ein
Spannungsfeld von traditionellen Wertevorstellungen und der jetzigen scheinbar
unbegrenzten Liberalität gesetzt, mit welchem sich die Jugendlichen Suchenden nur
allzu gern beschäftigen/identifizieren.751
Und genaue diese Suche nach Identität nutzen unter anderem auch religiöse
Gemeinschaften, um ihre Ansichten und „Lösungsvorschläge“ – teils versteckt, teils
offensichtlich – unter Jugendliche zu streuen…
749
Lifestylevampir: von literarischen Vorlagen inspirierte Vampirfans, die sich hauptsächlich mit der
Vergänglichkeit auseinandersetzen und ‚nur’ als Modeerscheinung in der Szene gelten.
Alternativer Vampir: gehen davon aus eine vampirische Seele in ihrem Körper zu haben. Sie ernähren
sich nicht von Blut, sonder von der Lebensenergie anderer Personen.
Realvampir/Vampyr: sind in ihrer Selbstwahrnehmung Vampire, die sich durch sogenannte ‚Spender’
und ohne Gewaltanwendung on Blut ernähren müssen.
Vgl.: Sand, Dennis: Der wahre Vampir trinkt nur Blutkonserven. In: Welt-Online, 15.07.2010, in:
http://www.welt.de/kultur/article8480440/Der-wahre-Vampir-trinkt-nur-Blutkonserven.html
750
Zitiert nach ebda.
751
Vgl.: Heimerl, Theresia, Was, wenn der Böse der Gute ist? Theologische und kulturtheoretische
Anmerkungen zur Twilight-Saga, in: Münsteraner Forum für Theologie und Kirche 11/2009, in:
http://www.theologie-und-kirche.de/twilight.pdf.
183
…denn wer weiß schon, dass „Edward und Bella“ Erfindungen einer gläubigen und
praktizierenden Mormonin752 sind?
Die von der amerikanischen Autorin Stephenie Meyer verfasste „Bis(s)-Tetralogie“ –
meist als die „Twilight-Romane“ bekannt, war Auslöser für den neu entstandenen
Rummel rund um die blassgesichtigen Geschöpfe. Mit Erscheinen des ersten verfilmten
Teils von „Twilight“, „Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen“753, entstand auch im
europäischem Raum eine regelrechte Hysterie rund um einen recht neuen Typus von
Vampirgeschichte.
Unter Kinokritikern gerne und oft als seichter und langweiliger Teenager-Vampirfilm
abgetan, werden die fünf Verfilmungen (der letzte der vier Teile wird in zwei Filme
aufgesplitet) aber hinsichtlich des bereits erzielten und zukünftig wohl noch größeren
Erfolgs gerne als Nachfolger der „Harry Potter“ Filme gehandelt.
Der Inhalt, der innerhalb von vier Jahren geschriebenen Romanvorlage, lässt
angesichts der Tatsache, dass sich „weiblicher Teenie in jugendlich-gutaussehenden
Vampir verliebt“, kaum bis gar nicht auf einen mormonischen Zusammenhang
schließen. Schon oft behandelte Teenageremotionen wie Liebe, Freundschaft,
Vertrauen, wie auch Hass, Tod und Eifersucht sind Grundpfeiler der Erzählungen
Meyer“s, mit dem Unterschied, dass sie in eine Liebesgeschichte zwischen einem
„normalen“ 17-jährigen Mädchen und einem schon über hundert Jahre alten 17jährig-gutaussehenden Vampir eingebettet sind. Auch keine gänzlich neue Geschichte,
aber in ihrer Ausführung und Intensität soweit verändert, dass neben der
Hauptzielgruppe der 12 bis 18-jährigen Mädchen, diesmal auch besonders deren
752
In den meisten Fällen wird der Begriff ‚Mormone’ mit dem eines Mitgliedes der ‚Kirche Jesu Christi
der Heiligen der Letzten Tage’ – im Deutschen abgekürzt mit HLT, im Englischen mit LDS für ‚Latter Day
Saints’ – gleichgesetzt. Der Ausdruck ‚Mormone’ leitet sich vom Propheten Mormon ab, welcher als
einer der Redakteure des ‚Buches Mormon’ gilt. Da das ‚Buch Mormon’ – neben der Bibel – für alle von
der Hauptkirche LDS abgespaltenen Glaubensgemeinden als Heilige Schrift gilt, sollte der Begriff
‚Mormone’ richtigerweise als Überbegriff für alle auf mormonischer Glaubensbasis existierenden
Gemeinden verwendet werden. Um Missverständnisse zu vermeiden, wird in den folgenden
Ausführungen auf die herkömmliche Handhabung – der Begriff ‚Mormone’ als Synonym für ein
Mitglied der LDS – zurückgegriffen. Falls anders gehandhabt, wird im Einzelnen darauf verwiesen.
753
Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen, engl: Thwilight (Catherine Hardwicke USA, 2008).
184
Müttergeneration angesprochen wird. Schmerz und Sehnsucht sind dabei wohl die
treibenden Kräfte.754
In welcher Beziehung steht „Twilight“ aber nun zu den Mormonen?
Bei aufmerksamer Lektüre verschiedener Interviews mit der Autorin, der Dankesworte
in ihren Büchern oder gar ihrer Homepage, eröffnet sich den Interessierten die
Tatsache, dass Meyer zeit ihres Lebens gläubige, praktizierende Mormonin (LDS) ist.
Dabei betont sie vorbehaltlos, wie intensiv die Inhalte ihrer Romane mit den Lehren
ihrer Kirche verbunden sind. Zurückhaltender ist sie allerdings bei einer detaillierteren
Darstellung dieser Verbindungen zwischen einer nach außen hin so erzkonservativen
wie wirtschaftlich fortgeschrittenen Glaubensgemeinschaft und ihrer Liebesgeschichte
zwischen einem „normalen“ Teenagermädchen und einem Vampir. Die Frage, was
ein Vampir mit den Lehren und/oder der Lebenswelt von Mormonen zu tun hat, stellt
sich also unweigerlich.
Bevor aber eine Analyse der Romane Meyers hinsichtlich mormonischer Einflüsse
angestellt wird, soll zunächst ein kurzer Einblick in den Inhalt der vier Teile der
Romanserie gegeben werden.
Weibliche Hauptprotagonistin ist Isabella Swan, die in einen kleinen, tristen Ort
namens Forks zieht, um bei ihrem Vater zu leben. In der Schule lernt sie Edward
Cullen kennen, der mit seinen „Geschwistern“ ein abgeschiedenes Teenagerleben
führt. Grund dafür ist, dass die Cullens allesamt Vampire von einem neuartigen – von
Meyer kreiertem – Schlag sind, sie sind nämlich „Vegetarier“. Damit ist gemeint, dass
sie sich nicht, wie üblich, von Menschenblut ernähren, sondern eine so hohe
Selbstbeherrschung aufbauen, dass sie sich von Tierblut ernähren können. Diese
Beherrschung gelingt nur im engen Zusammenleben und Zusammenhalt der Familie,
was der typischen Lebensweise eines Vampirs entschieden widerspricht. Ein weiterer
Grund für Edwards Entscheidung für diese ungewöhnliche Lebensweise ist der
Wunsch, dass er nicht als Monster wahrgenommen werden will. Bella, für ein 17jähriges Mädchen ebenfalls auffällig zurückgezogen, befasst sich alsbald mit dem
754
Mehr über die Hintergründe der Meyer Romane in: Bardola, 2009 und Gresh, 2009.
185
überaus attraktiven wie auch scheuen und undurchschaubaren Edward. Intensiviert
wird ihr Interesse an ihm, als er ihr auf spektakuläre Art und Weise das Leben rettet.
Kurz darauf kann sie das Geheimnis Edwards und seiner Familie lüften und einer
Liebesromanze und (schwierigen) Eingliederung in die Familie steht nichts mehr im
Wege. Probleme mit „nicht-vegetarischen“ Vampiren, eine Trennung auf Zeit von Bella
und Edward, das Erstarken von Bellas Freund Jacob – einerseits als Werwolf, und
andererseits in Bezug auf seine Zuneigung zu Bella – die zunächst unüberwindbar
scheinende Kluft zwischen Vampiren und Werwölfen und die endgültige Vereinigung
von Bella und Edward sowie deren Folgen, sind die beherrschenden Themen in den
folgenden drei Romanen.
Die Inhalte geben im ersten Moment wenig über den möglichen Einfluss
mormonischer Vorstellungen preis.
Am Beispiel von Glaubensgrundsätzen, Werten und Moralvorstellungen des
Mormonentums soll nun versucht werden, die nicht immer sofort zu erkennenden
Verbindungen
zur
„Twilight-Saga“
sichtbar
zu
machen.755
Die
Religionsgemeinschaft/en der Mormonen wird/werden in den Büchern an keiner Stelle
namentlich erwähnt, auch direkte Verweise auf bekannte mormonische Riten werden
vermieden. Wenn auch nicht offensichtlich vorhanden und von Meyer möglicherweise
auch gar nicht beabsichtigt, so ist bei genauerer Betrachtung eine Vielzahl an
mormonischen Merkmalen, Symbolen, Handlungsweisen und/oder Ritualen in allen
vier Teilen erkennbar.
Zur besseren Übersicht und Orientierung bei den zu vergleichenden Beispielen,
werden eine entsprechende Auswahl aus der von der LDS erstellten Themenübersicht
„Glaube und Lehre“756 und weitere von der Gemeinschaft angegebene Kernthemen
als Grundgerüst verwendet.
755
Die in diesem Abschnitt angeführten Verbindungen sind nur ausgesuchte Beispiele. Eine komplette
Analyse findet man in jenem von der Autorin verfassten Werk: ‚Weltabgeschieden, erzkonservativ,
strohtrocken?’ Mormonische Lebenswelten im Spannungsfeld zwischen Selbstwahrnehmung und
medialer Darstellung, Graz, Leykam Verlag, 2010. S. 84-103.
756
Siehe u. a. „Glaube und Lehre“, in: http://hlt.at/ueber-die-kirche/glauben-und-lehre.html.
186
Ehe und Familie/Siegelung/Prägung
Die
deutlichsten
Parallelen
zur
mormonischen
Lebenswelt
weisen
die
Moralvorstellungen und die Familienstruktur der Cullens im Roman auf. Schlagworte
wie Enthaltsamkeit, Heirat, die Zeugung von Kindern, penible Hirarchievorstellung von
Mann und Frau, oder die strikte Ablehnung von Sex vor der Ehe, Abtreibung und
Ehebruch sind Hauptelemente der funktionierenden fiktiven Vampirfamilie wie auch
einer
gläubigen
Mormonenfamilie
bzw.
überhaupt
einer
nach
christlichen
Wertevorstellungen lebenden Familie.
Enthaltsamkeit bezieht sich dabei nicht nur auf die Sexualität, in Hinsicht auf das Wort
der Weisheit wird damit auch der Verzicht auf Alkohol etc. angesprochen, was aber
nicht Thema dieses Abschnitts ist.
Jugendliche der LDS werden sehr früh auf „Sexuelle Reinheit“757 getrimmt:
„Unterhaltet vor der Ehe keine sexuellen Beziehungen und seid dann später
eurem Ehepartner absolut treu. Der Satan könnte euch versuchen, auf den
Gedanken zu kommen, dass sexuelle Intimität vor der Ehe in Ordnung sei, wenn
man verliebt ist. Das stimmt nicht.“758
Bei Nichteinhaltung dieses Verbots hat man allerdings die Möglichkeit der inneren
Umkehr und kann dabei auf die Vergebung des Herrn hoffen.
Meyer setzt, getreu ihrer religiösen Überzeugung, auf die in den USA allgemein sehr
populäre Praktik der Enthaltsamkeit bis zur Eheschließung. Kein Verbot hindert die
Hauptprotagonisten an einer sexuellen Vereinigung, die physische Natur Edwards –
die Unberechenbarkeit seiner Kräfte, die bei extremen Gefühlsausbrüchen nicht mehr
kontrollierbar sind – lässt die beiden Jungverliebten zunächst in Enthaltsamkeit
miteinander leben. Wie bereits Thöne erkennt, wird Geschlechtsverkehr gleichgesetzt
mit Kontrollverlust.759 Kontrollverlust wird in der mormonischen Gemeinschaft als
Schwäche und Sünde empfunden. Je stärker man an Gott und an seine Gebote
glaubt, desto weniger muss man davor Angst haben, auf den falschen Weg
abzugleiten. Der Verlust der Kontrolle über sich, über seine/ihre Gefühle usw. zeugt
757
Überschrift aus der Broschüre „Für eine starke Jugend“, LDS.
Ebda. S. 26.
759
Vgl. Thöne, 2009, S. 50.
758
187
von zu wenig Glauben bzw. von einer falschen Entscheidung, die man für sich
getroffen hat. Der eindringliche Hinweis im Film wie im Buch, auf Sex vor der Ehe zu
verzichten, hat breite Kritik nach sich gezogen:
„Das spießige Weltbild ihrer Glaubensgemeinschaft spiegelt sich eins zu eins in
den Romanen. Als Mormonin propagiert sie [Stephenie Meyer] Enthaltsamkeit
vor der Ehe. Kein Sex vor der Hochzeit ist für [...] Meyer religiöse Pflicht. [...]
Stephenie Meyers Romane passen perfekt in eine reaktionäre Weltanschauung,
die in den USA weit verbreitet ist und sogar staatlich gefördert wird. Die
Botschaft: Sex vor der Ehe ist gefährlich“760,
oder:
„Führe ein keusches und tugendhaftes Leben, fordert der Ehrenkodex der BYU
[Brigham Young University761], und irgendwie bringt Meyer das Kunststück fertig,
aus der alten, doch immer erotisch aufgeladenen Vampirgeschichte ein
Keuschheitstraktat zu formen.“762
Dabei ist die Geschichte Meyers durchwachsen von erotischen und sexuell
aufgeladenen Szenen und Gedanken, oder wie Freund es ausdrückt: „Meyers Prosa
wird von Hormonen nachgerade geschwemmt.“763 In einer Zeit, in der Sex einerseits
als Massenware gehandhabt wird, und der kategorische Imperativ „man muss Sex
haben“ unübersehbare Bedeutung besitzt, wächst andererseits eine Front gegen die
fortschreitende Banalisierung von Sex. Die (jugendliche) Anhängerschaft der
Enthaltsamkeit vor der Ehe nimmt in den USA stetig zu, und auch in Europa ist ein
solcher Trend inzwischen bemerkbar. Das Schlagwort „Heirat“ führt damit zum
nächsten Punkt der Gegenüberstellung „Vampir-Mormonen“.
Wie es die Kirche lehrt, strebt Edward zuerst eine Vermählung mit Bella an, bevor er
sich auf sexuellen Kontakt mit ihr einlässt. Der Grund aber, weshalb Edward auf das
760
Stamer, Dunja/Riek, Anna: Sehnsucht nach Keuschheit. 23.01.2009, in:
http://www.aspekte.zdf.de/ZDFde/inhalt/15/0,1872,7507695,00.html.
761
Universität der LDS
762
Freund, Wieland: Stephenie Meyer. Mit Vamprien gegen Potter. 12.06.2008, in:
http://www.welt.de/kultur/article2092236/Stephenie_Meyer_Mit_Vampiren_gegen_Potter.html.
763
Ebda.
188
Eheversprechen besteht, hat nichts mit religiösen Hintergründen zu tun. Edwards
Gründe könnten nach mormonischem Glauben als eher zweifelhaft angesehen
werden. Nicht das Credo, dass
„[…] körperliche Intimität […] ein heiliger Bestandteil der ehelichen Beziehung
[ist]“, und „dadurch […] Kinder in die Familie [kommen], und die Bindung
zwischen den Ehepartnern […] im Laufe ihres Lebens immer fester wird“764,
ist treibende Kraft für Edwards Verhalten, sondern ein Versprechen, das er Bella
abgerungen hat. Dieses besagt, dass sie erst dann in einen Vampir verwandelt wird,
wenn sie ihn heiratet und ein Studium abschließt. Beides widerstrebt ihr, da sie die
Vorstellung einer Hochzeit als veraltet ansieht und einem Studium nicht jenen Wert
beimisst wie es die Cullens tun. Das weiß Edward und nutzt es zu seinen Gunsten aus.
Zwar lässt sich vordergründig sexuelle Enthaltsamkeit als Ideal nach geradezu
mormonischen Grundsätzen erkennen, doch sind die Beweggründe im gegebenen
Fall andere.
Erst im letzten Teil der Tetralogie kommt es zur Hochzeit zwischen den Hauptfiguren.
Dabei sind die Motive, eine Ehe einzugehen, nicht nur in Bezug zu oben genannten
Punkten im Buch/Film eine komplett konträre.
Die „Proklamation an die Welt“ vom ehemaligen Präsidenten der Gemeinschaft,
Gordon B. Hinckley, über die Familie besagt nämlich unter anderem:
„Das erste Gebot, das Gott Adam und Eva gab, bezog sich darauf, dass sie als
Ehemann und Ehefrau Eltern werden konnten. Wir verkünden, dass Gottes
Gebot für seine Kinder, sich zu vermehren und die Erde zu bevölkern, noch
immer in Kraft ist. Weiterhin verkünden wir, dass Gott geboten hat, dass die
heilige Fortpflanzungskraft nur zwischen einem Mann und einer Frau angewandt
werden darf, die rechtmäßig miteinander verheiratet sind.“765
Zusammengefasst hieße das, dass es zum Hauptauftrag eines Menschen gehört, ein
Kind zu zeugen, und das geht nach mormonischem Glauben erst nach der
764
Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Hg.): „Lass Tugend deine Gedanken zieren“,
2006. S. 1.
765
Hinckley, Gordon B.: Die Familie. Eine Proklamation an die Welt. 23.09.1995, in:
http://hlt.at/kirchenliteratur/familienproklamation.html?0=.
189
Vermählung. Bella und Edward haben hingegen kaum mit dem Gedanken an ein
Kind gespielt, noch weniger, eine Ehe aus dem einzigen Grund der Zeugung von
Nachwuchs angestrebt. Dazu kommt noch, dass nach dem Roman die Geburt eines
Vampirs, gezeugt von einem Vampir und einem Menschen, so gut wie unmöglich ist.
Und trotzdem findet Meyer einen Weg, dieses Gebot einzulösen. Bella wird nach der
Hochzeitsnacht, ganz dem Klischee einer (der vielen) konservativ-religiösen Ansicht(en)
nach, schwanger. Abgesehen von den Schwierigkeiten und Turbulenzen die diese –
alles andere als normale – Schwangerschaft mit sich bringt, hat sich die mormonische
Grundidee einer (Gründung der) Familie wie ein roter Faden durch die
Vampirgeschichte gezogen.
Doch nicht nur die Verbindung Bellas mit Edward weist in vielen Gesichtspunkten
Hinweise zu mormonischen Werten und Glaubensinhalten auf. Die Werwölfe, bzw.
Wölfe das Pendant zu den Vampiren, heiraten nicht im herkömmlichen Sinne, sie
werden „geprägt“. Diese Prägung wird nicht allen Werwölfen zuteil und diejenigen,
die sie empfangen, können sich nicht dafür oder dagegen entscheiden, ebenso wenig
können sie darauf Einfluss nehmen, an welchen Menschen sie geprägt werden.
Prägungen sind in Meyers Romanen zwischen unterschiedlichen Geschlechtern, jedoch
unabhängig vom Alter der Partner möglich.766 Die Prägung sei mächtiger als die Liebe
auf den ersten Blick und am ehesten als Finden eines Seelenverwandten zu verstehen,
wird dem Leser vermittelt. Diese unlösbare Bindung ist vergleichbar mit der
„Siegelung“, das Sakrament der Eheschließung unter Mormonen. Nach der LDS heißt
es:
„Die Krönung heiliger Handlungen liegt in dem Sakrament der Eheschließung,
auch Siegelung genannt. Ein besonders bevollmächtigter Geistlicher stiftet diese,
über den Tod hinausreichende, ewige Verbindung, die dem Ziel dient, die
Familie für immer zu vereinen. Voraussetzung für die Eheleute, um mit all ihren
Angehörigen – Vorfahren und Nachfahren – in Ewigkeit vereint zu sein, ist die
Beachtung von Regeln und Geboten und ein christlicher, gottgefälliger
766
Jacob erfährt die „Prägung“ auf die Tochter von Bella und Edward zum Zeitpunkt von deren Geburt.
Es hat also weniger etwas mit sexueller als mit seelischer Verbindung zu tun.
190
Lebenswandel, den der Ortsbischof mit einer schriftlichen Empfehlung zum
Betreten des Tempels, Tempelschein genannt, attestiert.“767
Somit werden ein gemeinsames Weiterleben (mit den Kindern) nach dem Tod und die
Auferstehung ermöglicht. Paare, die sich nur standesamtlich trauen lassen, erlangen
zwar die Erlösung, haben aber keinerlei Möglichkeit, jemals die Stufe eines Gottes zu
erreichen. Das heißt, die Weiterexistenz der Ehe im Jenseits bedeutet nicht nur „ewige
Liebe“, sondern ist auch Grundvoraussetzung eines weiteren Fortschritts in Richtung
Gottwerdung. Die über den Tod hinaus gehende Ehe wird in Meyers Roman durch die
Unsterblichkeit der Vampire symbolisiert. Zunächst nur an den Familienmitgliedern
der Cullens ausmachbar (jeder hat seinen Partner bereits gefunden, außer Edward),
wird durch die Verwandlung Bellas in einen Vampir (nach der Hochzeit) – gebissen
von Edward – auch ihre Verbindung „lebenslänglich“. Diese unlösbaren und ewigen
Zusammenschlüsse unter Vampiren und Werwölfen fungieren somit als Vorbild
menschlichen (mormonischen) Zusammenlebens.
Im Buch und Film kurz angeschnitten wird auch die Art des Zusammenlebens der
Familie Cullens. Die Großfamilie Cullens ist in den Augen der nichtsahnenden
Mitmenschen ein seltsames Konglomerat von Adoptivkindern, die untereinander
wiederum Paare bilden. Dabei fallen Parallelen zu Großfamilien, wenn nicht sogar
polygam lebenden Familien auf. Die wichtige soziale und wirtschaftliche Funktion und
Absicherung, die einer Großfamilie zugeschrieben wird, kann auch der Familie
Cullens beigemessen werden. Als nicht nur unter Menschen ungewöhnlich wirkende
Familie, sind die Cullens auch für andere, „normal Blut trinkende“ und meist
alleinstehende, Vampire alles andere als herkömmlich und sind dadurch immer
Anfeindungen ausgesetzt. Der Zusammenschluss zu einer großen Gruppe ermöglicht
ihnen, sich gegen Angreifer zu verteidigen, um ihr auserwähltes Leben nach ihren
Maßstäben leben zu können. Klingt vertraut, oder?
767
„Tempel“, in: http://hlt.at/familie-und-tempel/tempel.html?0=.
191
Offenbarungen
Nicht gerade typische Charakteristika eines Vampirs sind die verschiedenen
übernatürlichen Kräfte, die jeder einzelne im Buch vorkommende Vampir, auch jene,
die nicht der Cullens-Familie angehören, aufweisen kann. Besonders die Fähigkeit des
„Sehens“ erinnert sehr stark an die Offenbarungen des Religionsgründers Joseph
Smith jun. Insbesondere die Gabe der Figur Alice, einer „Schwester“ Edwards, in die
Zukunft schauen zu können, ähnelt jener Smiths und seiner Nachfolger bezüglich
seiner/ihrer Prophezeiungen. Dabei wäre zu beachten, dass die Zukunftsvisionen nicht
immer haltbar gemacht werden können, da sie abhängig von den Entscheidungen der
Umwelt sind. Dennoch nimmt Alice in der Geschichte die Stellung einer so genannten
„Offenbarungsempfängerin“ ein, wie es die Propheten und Präsidenten, aber auch
jeder Gläubige (natürlich nur im privaten Ausmaß), sind und sein können. An den
Reaktionen und Entscheidungen, die auf die fiktiven wie auf die „realen“ (natürlich in
keiner Weise nachweisbaren) Offenbarungen erfolg(t)en, ist eine absolute Hörigkeit
oder, abgeschwächt formuliert, ein absolutes Vertrauen auszumachen. Dabei ist ein
schon
immer
behandelter
Diskussionspunkt
jener
der
Glaubhaftigkeit
der
Offenbarungen. Denn nur allzu oft hatten Präsidenten „Eingebungen“ zur rechten Zeit
– beispielsweise wenn Smith die offenbarten Worte, die zusammengefasst als Wort der
Weisheit bekannt wurden, und deren Inhalt zum Verbot von Tabak (z.B.) führten,
gerade zu dem Zeitpunkt erhielt, als sich seine Frau Emma über den übermäßigen
Konsum von Pfeifen und Zigaretten in ihrem Haus beschwerte. Ebenso verdächtig
erscheint die Offenbarung, die Wilford Woodruff gerade im Jahre 1890 ereilte, als die
Gemeinschaft der Mormonen enorm unter dem Druck der amerikanischen Regierung
stand, die Praktizierung der Vielehe aufzugeben, um ein anerkannter Bundesstaat –
Utah – der USA werden zu können. Diese besagte angeblich, dass Gott den
Gläubigen aufgrund der veränderten Umstände nun doch vorschrieb, von der Lehre
der Polygamie abzulassen und den von der amerikanischen Regierung verlangten
Verzicht zu unterschreiben. Die Offenbarung war aber eigentlich „nur“ ein Manifest,
welches eine unter Druck getroffene Entscheidung beinhaltete. Zudem handelte es sich
ja um einen Betrug, da dieses neue „Gesetz“ von den wenigsten umgesetzt oder
eingehalten, und die Mehrehe weiterhin praktiziert wurde. Interessant ist die Tatsache,
192
dass Woodruff kurz vor dieser Offenbarung immer wieder lehrte und auch offenbarte,
dass man in keiner Weise von dieser von Gott gegebenen Lehre absehen sollte und
dem Rest der USA sogar mit Zerstörung drohte, sollte dieser seine Haltung in Bezug
auf die Polygamie nicht ändern.768
Diese willkürlich anmutende Verwendung angeblicher Offenbarungen zur Steuerung
von Vorgängen ist in ähnlicher, nur nicht negativ dargestellter Form, bei Alices
„Prophezeiungen“ erkennbar. Sie verlässt im letzten Teil der Buchreihe ihre Familie
sogar für kurze Zeit, um sie in ihren Entscheidungen nicht zu beeinflussen, damit die
Dinge ihren erhofften richtigen Lauf nehmen können. Steckt hinter dieser
Beschreibung des Umgangs mit übernatürlichen Kräften ein leiser Vorwurf Meyers an
die Autoritäten der Kirche, ihre Offenbarungen zu sehr zu ihren Gunsten und nicht
zum Nutzen der Gemeinde einzusetzen? Jedenfalls wird auch bei diesem Punkt wieder
sehr deutlich, welcher Einfluss „Entscheidungen“ auf zukünftige Geschehnisse in den
Vorstellungen der LDS beigemessen wird.
Fazit
Die Werte und Moralvorstellungen, welche die LDS predigt und lebt, sind in Bezug auf
„Enthaltsamkeit“, „Heirat“ und „Familiengründung“ als gängige und tradierte Muster
der
Gesellschaft
natürlich
auch
Nicht-Mormonen
bekannt.
Nicht
nur
die
Entstehungsgeschichte weist darauf hin, dass die LDS eine von vielen Neu(amerikanischen)-Christenformierungen des 19. Jahrhunderts ist; insbesondere die
Selbstzuschreibung, die einzigen wahren Christen zu sein, zeugt vom unmittelbaren
Einfluss christlich-, moralischer Grundsätze, Lehre und Werte. Die Miteinbeziehung der
Bibel (des Alten Testaments) in die „mormonischen Heiligen Schriften“ hat natürlich
zur Folge, dass viele Grundsätze, welche in der Analyse der „Twilight-Bücher bzw.
Filme“ als mormonisch gewertet wurden, auch als rein christliche gesehen werden
können. Dem ist ohne weiteres zuzustimmen, doch ist – wie gezeigt – zu beachten,
dass zudem spezifisch mormonische Lehren und Vorstellungen, neben den
768
Vgl. u. a. : Rudolph, Holger, Mormonen und Polygamie, in: http://www.mormonismusonline.de/index.php?inc=body_polygamie.htm.
193
oberflächlich „nur“ christlich anmutenden Argumenten, in den Büchern wie auch im
Film herausgefiltert werden können.769
Zu hinterfragen wäre der Missionsgehalt und die Intensität des Einflusses auf die
Jugendkultur, der einer so weltbekannten Buchreihe innewohnt. Ob Meyer die
Gedankenmuster ihrer Kirche nun bewusst oder unbewusst in ihre Erzählungen
eingebracht hat, kann – auch wenn sie selbst es nicht ausschließt, aus Intuition
gewisse Punkte miteinbezogen zu haben – nicht mit Gewissheit herausgefunden
werden, wäre in der Geschichte der Literatur aber auch kein absolutes Novum. Da die
LDS aber die Mission als einen zentralen Lebensinhalt jedes Gläubigen ansieht und
männlichen Mormonen ab 19 Jahren sowie neuerdings auch Frauen ab 21 Jahren
nahegelegt wird, in die Welt zu gehen und die Lehren ihrer Kirche hinauszutragen, ist
man geneigt, einen Missionshintergrund erkennen zu wollen – besonders in Hinsicht
auf die jugendliche Zielgruppe. Wesentlich einfacher, schneller und kostengünstiger ist
es natürlich, wenn ein Buch (oder mehrere Bücher) die Aufgabe der Missionare/innen
zusätzlich unterstützt. Es wäre natürlich unbedacht, zu glauben, dass Leser/innen von
Meyers Büchern nun ohne weiteres zur LDS konvertieren würden; doch allein die
Begeisterung der noch sehr jungen und leicht beeinflussbaren Teenager (und der
älteren weiblichen Generation, die in diesem Thema möglicherweise tief vergrabene
Träume wieder zu finden glauben) über die anzustrebende Enthaltsamkeit in
Verbindung mit der wahren Liebe zeigt, wie leicht sich aktuell anmutende
Verhaltensweisen (liberale Einstellung zu Sex und Beziehung) durch neue ersetzen
lassen. Wenn es der LDS (und anderen konservativen Gruppierungen) gelingt,
konservativen und als veraltet angesehenen Lebensweisheiten zu neuer Popularität zu
verhelfen und sich einige Menschen anschicken, jenen zu folgen, dann ist ein wichtiger
Schritt in Richtung Mission bereits getan. Entsprechen nämlich bereits wesentliche
Einstellungen und Überzeugungen jener, die Missionare einer religiösen Gruppierung
vertreten und transportieren, verringert sich damit automatisch die Distanz, und die
Empfänglichkeit für neues Gedankengut ist wesentlich höher.
769
Zu einer ‚rein‘ christlichen (katholischen) Untersuchung des Films Twilight siehe: Heimerl: Was, wenn
der Böse der Gute ist? 2009, in: http://www.theologie-und-kirche.de/twilight.pdf.
194
Gastkommentar Schweidlenka:
„Mit diesen Büchern wird subtil und unterschwellig der geistige Nährboden für
eine erzkonservative Lebenseinstellung und Moral bereitet.“
Mit einem Zitat über die Twilight-Romane, Vampire und heutiger Jugendkultur von
Bruno Amatruda aus dem Artikel „Vampire im Schulzimmer“ schließt dieser Exkurs:
„Die Botschaft der Twilightbücher ist wohl an die (real existierende oder
intendierte?) postmoderne Jugend gerichtet, die irgendwann merkt, dass ewig
jung, schön und ungebunden zu sein, das Leben nicht sinnvoll macht. Der
Zweifel, den die „guten“ Vampire in diesen Lebensentwurf einbrechen lassen, ist
genährt von traditionellen Familienwerten und der Idee ewiger Liebe.
Damit scheint allerdings der ursprüngliche Vampirmythos am Ende gelangt zu
sein. Ein derart verbürgerlichter, ja „christianisierter“ Vampir ist eine Umkehrung
dessen, was der Vampirmythos zu allen Zeiten darstellen wollte. Allein, der
Mythos selbst ist ewig, nur seine Form verändert sich. Daher sind ihm auch in
Zukunft neue Variationen der Vampirlegende zuzutrauen.“770
770
Zitiert nach Amatruda, Bruno: Vampire im Schulzimmer. Religiöse und psychologische Aspekte des
Vampirmythos, in: Tá katoptrizómena, Das Magazin für Kunst, Kultur, Theologie, Ästhetik, Heft 69, in:
http://www.theomag.de/69/bram2.htm.
195
6
DIE SZENE SIND WIR –
DAS JUGENDKULTURZENTRUM eXplOsiV
Alex Mikusch
Das Grazer Jugendkulturzentrum Explosiv ist einer jener Orte, an denen jugendliche
Metal-, Punk-, Pop-, Hip Hop- und Rock Bands sowie diverse DJ–Richtungen die
Chance erhalten, erstmals unter professionellen Bedingungen und öffentlich vor
Publikum zu spielen. Hier finden aber auch etliche Konzerte bekannter Bands statt, die
gut besucht sind.
Ursprünglich gegründet, um sich mit den Anliegen und Problemen einer immer stärker
werdenden jungen Musikszene in Graz zu beschäftigen, ist das „Explo“ heute aus dem
steirischen Jugend- und Kulturleben nicht mehr wegzudenken. Der Trend Jugendlicher
einer bestimmten Musikszene anzugehören, ist nach wie vor präsent – mit dem Zusatz,
dass junge Menschen heutzutage Trends selbst auf die Beine stellen, aktiv in die
Tasten hauen und Bands gründen.
Seit Jahren leistet der 1988 gegründete Verein bereits anerkannte Kulturarbeit für
Jugendliche. Nachdem das alte Explosiv Ende 2006 geschlossen werden musste,
wurde das neue Explosiv 2010 an einem anderen Standort eröffnet und strahlt
seitdem in hellem Glanz. Durch die Verlegung in den Industriekomplex der alten
Zuckerlfabrik Engelhofer am Bahnhofgürtel 55a wurde das Explosiv unter der Leitung
von Geschäftsführer René Molnar zum größten Jugendkulturzentrum der Steiermark.
In den neuen Räumlichkeiten wird das ursprüngliche Konzept um einiges erweitert und
ausgebaut. Auf insgesamt 1400 Quadratmetern finden Jugendpartizipation und
Präventionsarbeit genügend Platz zur Verwirklichung.
Unter Beteiligung von insgesamt rund 80 Jugendlichen wurde hier 3 Jahre lang
umgebaut. Die Lage ist ideal – es liegt in der Industriezone, es gibt Grünflächen und
Parkplätze, außerdem ist es wesentlich größer als vorher. Das Angebot ist riesig:
regelmäßige
196
Veranstaltungen,
offener
Jugendkulturbetrieb,
verschiedene
Projekte, ein eigener Mädchenraum, 9 Proberäume und ein Tonstudio. Das
Herzstück bilden eine große Konzerthalle für etwa 400 Besucher, sowie eine Chillout-Zone im Barbereich, wo auch Konzerte in kleinerem Rahmen stattfinden können.
Darüber hinaus finden im Explo auch Informationsveranstaltungen und
Workshops zu den Themen Jugendkultur, Rechtsextremismus und Musik statt.
Jugendkulturzentrum eXplOsiV
Bahnhofgürtel 55a, 8020 Graz
Tel: 0676 | 3478028
[email protected], www.explosiv.at
197
7
FÜR EINE OFFENE DISKUSSION
Veronika Strauß, 2004
Das Einfließen von rechten Ideologien in die Metalszene ist kein Märchen, das die
bösen Medien erfunden haben, sondern Tatsache. Ich selbst gehöre erst seit
verhältnismäßig kurzer Zeit (etwa 5 Jahren) in den engeren „Dunstkreis“ des Metal,
d.h. ich würde mich nicht als dem „eingeschworenen Kern“ der Szene zugehörig
bezeichnen. Um meinen Blickwinkel etwas klarer darzulegen: ich gehöre zum in erster
Linie konsumierenden Teil, d.h. ich besuche regelmäßig einschlägige Konzerte und
Festivals, trage Band-Wear, lese Szene-Magazine, habe viele Bekannte/Freunde „in
der Szene“ etc.
Die (größtenteils) unkritische Einbindung von Gedankengut (vor allem Symbolen und
Parolen) verschiedenster Kulturkreise und ideologischer Strömungen ist in der
gesamten „Dark Scene“ nichts Ungewöhnliches. Meines Erachtens ist vor allem durch
das verstärkte Bedürfnis der Menschen nach Spiritualität und Identitätsfindung in
„hehren Kulturen“ (Keltentum, Germanen, indianische Kulturen, etc.) ein neues, altes
Gefahrenpotential (wieder) aufgetaucht. Natürlich, auch die wissenschaftliche
Beschäftigung mit diesen Themen hat sich dadurch verstärkt. Es ist aber nicht zu
erwarten,
dass
sich
jeder
zuerst
Gedanken
über
die
Absicherung
des
Wahrheitsgehaltes und die meist mehrfachen Bedeutungen der verwendeten Begriffe
macht. Die Neigung zu Okkultem („Verborgenem“; dieser Begriff wird leider häufig
nur in seiner negativen Bedeutung verwendet) ist, so denke ich, beinah jedem
Menschen eigen und hat in erster Linie mit Neugier zu tun! Das Lernen von
Runenreihen, das Zeichnen von „bedeutungsschwangeren“ Symbolen und rezitieren
von „magischen“ Formeln übt einen spielerischen Reiz auf viele aus. Sogar im „Bravo“
bekommen die Leser Anleitung zu Liebeszaubertränken und ähnlich „Magischem“.
Gefährlich wird es aber an dem Punkt, an dem sich jemand diese Neugier zu Nutzen
macht und nicht mehr die Interessen des Individuums, das sich mit solchen Dingen
beschäftigt, im Vordergrund stehen, sondern die Interessen einer Einzelperson oder
198
Gruppe, die ein bestimmtes Ziel verfolgt. Manipulation. Der wirksamste Schutz
dagegen ist die kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Lebensbereichen.
Ich
habe
festgestellt,
dass
auf
gezieltes
Nachfragen
nach
möglicherweise
rechtsradikalen Hintergründen von Bands gehäuft drei Arten von Reaktionen auftreten:
- die Verharmlosung des Angesprochenen; regelrechtes „Herunterspielen“ auch
immer wieder mit einer Anspielung auf die (angebliche) Engstirnigkeit des Fragenden
und das „Diktat der Gesellschaft“.
- Gleichgültigkeit, meist verbunden mit Aussagen wie „I hör net auf die Texte!“, „Mich
interessiert nur die Musik, was die Typen sonst machen is mir wurscht!“ (Interessanter
Weise kommen Aussagen dieser Art in erster Linie beim jüngeren Publikum (ca. 13-21
Jahre) vor)
- der/die Befragte sieht sich und die Szene angegriffen und reagiert verbal aggressiv.
(„Immer auf uns!)
Es stellt sich die Frage, aus welchem Grund solche Reaktionen auftreten. Unwissenheit
oder bewusste/unbewusste „Verdrängung“ um die Szene zu schützen spielen sicherlich
eine große Rolle.
Eine interessante Dynamik hat auch die Vereinnahmung von randkulturspezifischem
durch die Massenkultur in die Metal-Szene gebracht. Szenetypische „Acessoires“ sind
auf einmal „hip“ und werden bei großen Modemärkten en masse verkauft, SongKlassiker werden ausgegraben, quasi entweiht, und im Fernsehen von „trendigen“
Moderatoren angepriesen.
Ist es da nicht verständlich, dass eine Szene, die sich zu einem guten Teil BEWUSST
am Rand positioniert hat, WEIL man nicht so sein möchte wie die anderen, immer
radikalere Mittel und Wege suchen muss um in der ach so toleranten Gesellschaft
noch eine Identität zu finden? Ich habe mir oft überlegt, ob ich nicht mit den
Bemühungen, die Szene von Vorwürfen des Satanismus und Rechtsradikalismus
freizuschaufeln, auch die Seele der Bewegung mit Füßen trete. Vielleicht ist ein
gewisser Abstand, eine Mystifizierung und auch Angst notwendig um die „Dark Scene“
vor dem Ausverkauf zu bewahren?
199
Nichts desto Trotz: Das Gefahrenpotential, das durch die Unterwanderung der Szene
entsteht ist zu groß um es unter dem Aspekt der Individualität unter den Tisch zu
kehren. Es liegt nun an den Menschen die sich dieser Szene zugehörig fühlen, einen
Schritt nach vorne zu machen und, auf der einen Seite die Toleranz gegenüber
Andersartigem zu demonstrieren um selbst nicht unter die Räder zu kommen,
andererseits aber auch dem „Rest der Welt“ zu zeigen, dass es sich sehr wohl um eine
eigenständige, wichtige kulturelle Strömung handelt, die dieselbe Existenzberechthing
hat wie andere.
Die offene Diskussion und Förderung der eigenen Kritikfähigkeit ist meiner Meinung
nach einer der besten Wege um einerseits den „Geist der Szene“ zu bewahren und
gleichzeitig
jene
zu
bremsen,
die
versuchen
„gefährliches“
Gedankengut
einzuschleusen.
Zur überarbeiteten Auflage
Veronika Strauß, 2011
Die Neubearbeitung dieser Fachbroschüre hat mich erneut darauf aufmerksam
gemacht, wie aktiv und lebendig die Metal Szene ist. Ob noch immer oder schon
wieder sei dahingestellt. Der permanente Diskurs erscheint mir nach wie vor
wesentlich, sowohl für das Selbstverständnis der sich innerhalb dieser Kulturszene
Bewegenden als auch für das Verständnis der Außenstehenden.
Gerade die gegenwärtigen politischen Umwälzungen zeigen sehr deutlich, dass eine
fruchtbare Diskussion nur zwischen Menschen stattfinden kann, welche solide
informiert sind und die Grundbereitschaft zu einer zivilisierten Auseinandersetzung
mitbringen. Politischer wie religiöser Fundamentalismus und Dogmatismus können
dafür keinen fruchtbaren Boden bieten und so möchte ich mich, wie auch schon vor
sechs Jahren, erneut für die Förderung der Kritikfähigkeit und den Mut zur offenen
Diskussion hinsichtlich aller Belange unserer Gesellschaft aussprechen.
200
Durch die intensive Recherche-, Analyse und Schreibarbeit, die mir vorallem das
Kapitel „Headbanger schocken das System“ beschert hat, konnte ich meinen Einblick
in die Historie des metallischen Szenegeschehens um ein Vielfaches erweitern. Es
scheint, als habe sich seit der wissenschaftlichen Aufbruchsstimmung, zu der „Frau Dr.
Death Metal“ Bettina Roccor mit ihren Arbeiten zum Thema Metal sicher wesentlich,
wie schon innerhalb des Textes angemerkt, beigetragen hat, zwar einiges in
Bewegung gesetzt, sieht man sich die Arbeiten aber im Detail an erwächst die
Vermutung, dass es immer noch zu wenige sind, die NEUE Erkenntnisse zur Szene
publizieren. Einige Werke werden fast überall – und wie ich eingestehen muss: auch in
dieser Broschüre – wiedergekäut. Das besondere an der Neuauflage der „Schwarzen
Szene“ sind vor allem die vielfältigen und vielfärbigen Einschätzungen der Experten
aus unterschiedlichsten wissenschaftlichen und szeneinternen Kreisen denen ich
vielmals für ihre Unterstützung danken möchte. Erst ihre Beiträge und auch ihre
moralische Unterstützung während des Schreibprozesses geben dem vorliegenden
Werk den besonderen Anstrich, der es hoffentlich sowohl für wissenschaftliche als
auch
für
private
Zwecke
zu
einem
interessanten
und
nicht
undiskutierten
Informationsmedium macht.
201
8
Quellenverzeichnis
Aufgrund mangelnder Quellennachweise in der ersten Auflage konnten einige Belege
nicht mehr nachvollzogen werden. Im Falle von Weblinks kann dies auch bedeuten,
dass nicht mehr aufrufbare Seiten angeführt sind. Diese sind durch eine Jahrszahl
VOR 2011 erkennbar.
Druckwerke
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Videoclips und ihre Bedeutung für Jugendliche. Band 2: Das Material: Die
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Diplomarbeit, Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaften, Abteilung für
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Dieses Buch enthält eine weiterführende Bibliographie, die jedem zu empfehlen ist,
der intensiv Studien zu dieser Thematik betreiben möchte.
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A black metal interview project
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Der „Metalfilm“ im Überblick
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A on the Jordanian metal scene
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Forthcoming mega-compilation containing 26 songs by metal bands from South Asia,
the Middle East, and Southeast Asia
www.jorzine.com/default.aspx?page=MidEastNews&id=645 &
Informationen zu Jugendszenen
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Madagascar metal scene (in French)
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The ultimate metal subgenre guide
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Transcix’s Metal Archive
http://metalarchives.transcix.com/
Metal matters - Heavy Metal als Kultur und Welt
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Greene forthcoming on Duke University Press.
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Documentary about Aboriginal metal gangs of Australia
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Website for Heavy Metal Islam/Flowers in the Desert
www.meaning.org/hmi_index.html
Diplomarbeit, die Einblick in Entstehung und Werte der Gothic-Szene
www.nonpop.de/nonpop/uploads/5_downloads/schriften/diplomarbeit_schwarze_sze
ne.php
Mike Hill’s Massive “The History of Metal” Visualization Project:
www.thehistoryofmetal.com/images.html#map
Plattform zur weltweiten Vernetzung von Metal-Fans
http://worldmetalalliance.com/forum/
Soziosemiontik im heavy metal
http://wupperhead.wordpress.com/
218
10 Abbildungen
Ganzseitige Abbildungen
Foto S. 1: Veronika Strauß
Fotos S. 5-7: Politische Büros
Grafik S. 14: Veronika Strauß mittels „wordle“ www.wordle.net.
Foto S. 17: Veronika Strauß
Grafik S. 162-163 Eric Lestrade, www.metaluniverse.net
Grafik S. 164: Xtra-Undergroundfashion Katalog „Gothic Dreams“, 10 Jahre
Jubiläumsausgabe, 2001, bearbeitet von Veronika Strauß.
Foto S. 202: Veronika Strauß
Fortlaufend Nummerierte Abbildungen
Abb. 1 http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Szene
Abb. 2 www.evilwalks.com
Abb. 3-4 www.ironmaidencommentary.com
Abb. 5-6 www.officialabyssrecords.com
Abb. 7 www.flickr.com, feinsteinphotos
Abb. 8 http://cceviyxec.blogspot.com
Abb. 9 http://soulmusicmetal.blogspot.com
Abb. 10 http://backstage2.fr
Abb. 11 http://vanrockout.com/?p=1653
Abb. 12 http://jpc.de
Abb. 13-16: http://de.wikipedia.org/wiki/Church_of_Satan und Grafik V.Strauß
Abb. 17 Nordisk familjebok (1904–1926)
Abb. 18: Foto Veronika Strauß
Abb. 19: http://pointersviewpoint.wordpress.com/2010/08/09/top-10-commonhand-symbols/
Abb. 20: Foto Edi Herič
Abb. 21: Foto Veronika Strauß
Abb. 22: www.metaltravelguide.com
Abb. 23-24: http://last.fm
219
Abb. 25-26: http://moviestore.nl
Abb. 27-29: www.nsbm.org/
Abb. 30: www.thepaganfront.com
Abb. 31: www.amazon.com
Abb. 32: Molnar, 2011, S. 35.
Abb. 33: www.thepaganfront.com/bbh
Abb. 34: www.party-san.net
Abb. 35-36: www.metalheadsagainstracism.org
Abb. 37: www.lastfm.jp/user/Cadderly13
Abb. 38: www.netz-gegen-nazis.de/artikel/unklare-distanzierungen-black-metal
Abb. 39: www.metropolis-radio.de
220
11 Autorenbiographien
Dr. Roman Schweidlenka
Geboren 1952 in Wien.
Historiker, zahlreiche Bücher und Artikel, Mitarbeiter an wissenschaftlichen
Forschungsprojekten (gemeinsam mit E. Guggenberger), intensive Referententätigkeit,
seit 1996 Leiter der LOGO ESO.INFO.
Mag. Veronika Strauß
Geboren1980 in Graz.
Studium der Volkskunde und Kulturanthropologie in Graz. Förderpreis für
wissenschaftliche Arbeiten der AK Steiermark, Mitarbeit an Forschungspublikationen.
Seit 2000 Mitarbeiterin von LOGO in den Bereichen JUGEND.INFO und ESO.INFO.
Hobbymusikerin. Seit ca. 1999 als aktiver „Fan“ in der Metalszene. Mitbegründerin
und Organisatorin des W:O:A-Forum-Camps. Weitere Infos auf xing.com.
Simone Philipp, MA (Co-Autorin der 1. Auflage)
Geboren 1976 in Deutschland.
Studium der Klassischen Archäologie, Religionswissenschaft und Kunstgeschichte an
den Universitäten Tübingen und Heidelberg. Abschluß im Herbst 2002 mit dem Titel
Magistra Atrium, Thema der Magisterarbeit: Der Hekate-Kult in der Antike und seine
Rezeption im Internet. Mitarbeit an einigen wissenschaftlichen Lexika und
Ausstellungskatalogen.
Durch Textbeiträge waren an der Überarbeitung der 2. Auflage beteiligt:
Katharina Ganster BA
Geboren 1982 in Graz.
Maturathema im Fach Religion: Church of Satan; Studium: Volkskunde, Geschichte
und Russisch in Graz. Seit 1993 Heavy-Metal Fan (Iron Maiden, Manowar etc.), seit
1996 auch der härteren Gangart (Death Metal, Black Metal), Interesse für Satanismus
und involviert in die Grazer/steirische „Szene“.
Mag. Roland Filzwieser BA
Geboren 1982.
Studierte Geschichte und Skandinavistik in Wien. Diplomarbeit über Gesellschaft und
Mythologie des mittelalterlichen Skandinavien. Seit frühen 90ern großes Interesse an
Black- Viking- Pagan- Power-und Melodic Death Metal.
Univ. Doz. Mag. Dr. Benjamin M. Grilj
Geboren 1981 in Graz.
Philosoph, Historiker, seit 2008 im Auftrag der Österreich Kooperation / des OeAD
als Dozent für Kulturwissenschaft an der Universität Czernowitz, Ukraine. Gründer von
perspectiv.east, Mitbegründer vom east center, (teilweise aktives) Mitglied bei
221
unterschiedlichen NGO Vorträge und Publikationen im In- und Ausland zu Themen
wie Grenze, Judentum, österreichische Geschichte, Identität und Sprache.
Alex Mikusch
Geboren 1975.
Diplomsozialpädagoge, Spielpädagoge, Erlebnispädagoge und Outdoortrainer, kurz:
Jugendarbeiter. Seit 1994 in verschiedenen Bereichen der offenen Jugendarbeit tätig.
Seit 2006 bei Jugendstreetwork Graz. Seit 2003 Obmann Jugendkulturzentrum
Explosiv. Mitglied der Plattform gegen antidemokratische Strömungen.
Referententätigkeiten zum Thema Jugendkulturen und Rechtsextremismus.
René Molnar
Geboren 1963 in Graz.
Akademischer
Jugendund
Soziokulturpädagoge,
Geschäftsführer
des
Jugendkulturzentrums
Explosiv.
Fachliche
Schwerpunkte:
Musik,
Gewalt,
Unterwanderung der Jugendkulturszene durch rechtextreme Kreise. Thema der
Abschlussarbeit: Metalszene. Referent für die steirische ARGE Jugend gegen Gewalt in
Schulen und Jugendzentren, Mulitplikatorenausbildner.
Mag. Alexandra Koch, M. phil.
Geboren 1980 in Graz.
Studium der Geschichte und Religionswissenschaft an der Universität Graz;
Forschungen zur Österreichischen Geschichte des17.-19. Jahrhunderts und zur
medialen Repräsentanz der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage
(Mormonen) sowie zu Fragen des interreligiösen Dialogs. Projektleiterin (u.a.) in der
LOGO JUGEND.INFO.
DANKSAGUNG
Folgenden Personen möchten wir besonders für die zur Verfügung-Stellung ihrer Zeit,
Geduld und ihres Fachwissens danken:
Frank Kumnig für das musikgeschichtliche Fachwissen und das sorgfältige
Ausdiskutieren von Genre-Zuordnungen und musikgeschichtlichen Detailfragen.
MMag.a Susanne Sackl für das genaue Lesen und Tipps zu Fachliteratur.
Reaktionen auf diese Fachbroschüre, auch Korrekturen und Ergänzungen nehmen wir
gerne entgegen und sind bereit, diese bei einer eventuellen weiteren Auflage zu
berücksichtigen.
Die Szene ist im Wandel. Für aktuelle Informationen und Mitteilungen sind wir
dankbar.
222
12
Impressum
Medieneigentümer und Herausgeber: LOGO Jugendmanagement GmbH.
2., vollständig überarbeitete, umfassend ergänzte und erweiterte Auflage, Graz,
2011.
Wissenschaftliche Leitung: Roman Schweidlenka.
Inhaltliche Ausarbeitung: Roman Schweidlenka, Veronika Strauß; Simone Phillip.
Textbeiträge: Katharina Ganster, Benjamin Grilj, Alexandra Koch, Alex Mikusch, René
Molnar.
Redaktion: Veronika Strauß.
Information und Beratung:
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Karmeliterhof/3.Stock
Karmeliterplatz 2, 8010 Graz
ESO-Hotline: 0676|86630-227
[email protected] | www.logo.at
ESO-Hotline:
Mo, Di und Do von 14:00-18:00 Uhr
Persönliche Termine nach Vereinbarung
223
13
Medien der LOGO ESO.INFO
Alle Medien können über die LOGO JUGEND.INFO bezogen werden:
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Karmeliterplatz 2, 8010 Graz
Mo-Fr: 12:00-17:00 Uhr
Tel.: 0316|9037090
[email protected] | www.logo.at
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INFOblätter
Verfassungsfeindliche, antidemokratische & rechtsextreme Strömungen
Hilfestellungen für den Jugend(arbeits)bereich.
quickINFOs
ESOreader
Der ESOreader ist eine Art „Lexikon“, das von der ESO.INFO gemeinsam mit Schüler
erstellt wurde. Die für beide Seiten wichtigsten Stichworte wurden aufgenommen und
umfassend erklärt.
Fuck the System? Jugend & Jugendkulturen zwischen Rechtsextremismus,
Anpassung und Emanzipation
Blitzlichter und Stimmungsbilder, Gedankensplitter und ausgesuchte Informationen;
von Experten, Jugendarbeiter, Jugendlichen. Damit soll ein kleiner Beitrag zum
politischen Verständnis und zum zeitgenössischen engagierten Wirken geleistet
werden. Die Beiträge spiegeln die große politische Bandbreite demokratischer
Meinungsäußerungen wider.
Satanismus
Dem eigentlichen Wortsinn nach ist Satanismus eine Verehrung des Teufels als
dualistischer Gegenpol zu Gott. Satanismus umfasst viele künstlerische
Ausdrucksformen, die den Teufel symbolisch, oft als Medium gesellschaftskritischen
Protests, betrachten. Auf der anderen Seite gibt es den sogenannten harten
Satanismus (Hard Core Satanismus), der rituell den leibhaftigen Teufel beschwört.
Scientology
Scientology (häufig als Scientology-Organisation / SO bezeichnet) wurde einer breiten
Öffentlichkeit durch medienwirksame „Kriege“ gegen führende Politiker und
Sektenexperten in Deutschland, Österreich, Frankreich und anderen Staaten bekannt.
224
Trend Sinnsuche: Spiritualität positiv
Im Rahmen der neuen religiösen Bewegungen hat sich eine lebhafte und umfassende
Diskussion über die Gefahren entwickelt, die mit der Suche des Menschen nach
spirituellen Sinnwelten verbunden sind.
Facbroschüren/Sonderdrucke:
Die braune Aura der Esoterik. Esoterik und Rechtsextremismus.
Esoterik war nach 1945 lange Zeit verpönt. Wer sich mit den neuen spirituellen
Bewegungen oder deren „Schatten“, den esoterischen Ideologien und Weltbildern,
beschäftigte, wurde bestenfalls als Spinner eingeschätzt. Im Zuge der New AgeBewegung der achtziger Jahre, einer Form entpolitisierter, verbürgerlichter
Hippiebewegung, wurde die einst verpönte alte Dame Esoterik schrittweise
salonfähig...
Die Schwarze Szene. Populäre Jugendkulturen und ihr Verhältnis zu
Spiritualität, Satanismus und Rechtsextremismus
Die Fachbroschüre arbeitet erstmals die genaue Verbindung verschiedener
Jugendkulturen zu Satanismus und politischem Extremismus heraus und klärt deren
Verhältnis zu Esoterik und neuer Spiritualität.
Rechte Symbole, Codes, Slogans und Kleidung
Angelehnt an deutsche Literatur und Broschüren wird eine Zusammenfassung der
wichtigsten Erkennungsmerkmale der rechtsextremen Szene in der Steiermark und
Österreich dargelegt.
Wer fürchtet sich vorm weißen Mann?!
Die Broschüre von Alex Mikusch zeigt verständlich, sich am Wesentlichen orientierend,
aktuelle Vereinnahmungsstrategien rechtsextremer Kräfte auf, die für Jugendkulturen
oft zu einem Problem wurden und werden. Gleichzeitig wird ein kurzer Einblick in die
zeitgenössische österreichische rechtsextreme Szene geboten, über die jeder
demokratisch gesinnte Bürger informiert sein sollte.
Website
www.logo.at
Im Bereich der ESO.INFO finden Sie aktuelle Meldungen, Buchbesprechungen,
Fachartikel zu den Themenbereichen Religion, So genannte Sekten, Satanismus /
Okkultismus / Esoterik, Jugendszenen, Antidemokratische Strömungen und einiges
mehr.
Über das Formular „Broschürenbestellung“ können Medien bequem online
bestellt werden.
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