Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht

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Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht
nach § 53 Absatz 2 des Arzneimittelgesetzes
Empfehlung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung
77. Sitzung
17. Januar 2017
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Bonn
4.
Zubereitung aus Aciclovir und Hydrocortison
Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht und Änderung der Positionen zu
Aciclovir sowie Hydrocortison in Anlage 1 der Arzneimittelverschreibungsverordnung
(AMVV) wie folgt:
„Aciclovir
- ausgenommen in Zubereitungen als Creme in der Kombination mit Hydrocortison in
der Konzentration von 1 % Hydrocortison zur Behandlung von Herpes labialis zur Verringerung des Risikos von ulzerativen Läsionen bei Erwachsenen und Jugendlichen ab
12 Jahren, in Packungsgrößen bis zu 2 g und einem Wirkstoffgehalt bis zu 100 mg Aciclovir je abgeteilter Arzneiform -“
„Hydrocortison und seine Ester
- ausgenommen in der Kombination mit Aciclovir - siehe Position Aciclovir“
Empfehlung des Sachverständigen-Ausschusses
Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt einstimmig, den Antrag
auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht nach § 48 des Arzneimittelgesetzes anzunehmen
und die bestehenden Positionen in Anlage 1 der AMVV wie folgt zu ergänzen:
„Aciclovir
[…]
- ausgenommen in Zubereitungen als Creme in Kombination mit Hydrocortison in einer Konzentration von 1 % Hydrocortison zur Behandlung von Herpes labialis zur Verringerung des Risikos von ulzerativen Läsionen bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren, in Packungsgrößen bis zu 2 g und mit einem Wirkstoffgehalt bis zu 100 mg Aciclovir je abgeteilter Arzneiform -“
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„Hydrocortison und seine Ester
[…]
- ausgenommen in Zubereitungen als Creme in Kombination mit Aciclovir in einer Konzentration von 1 % Hydrocortison zur Behandlung von Herpes labialis zur Verringerung des Risikos von
ulzerativen Läsionen bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren, in Packungsgrößen bis zu
2 g und mit einem Wirkstoffgehalt bis zu 100 mg Aciclovir je abgeteilter Arzneiform -“
Begründung
Regulatorischer Hintergrund
Der Wirkstoff Aciclovir wird seit Langem in Zubereitungen als Creme bei Herpes labialis angewendet. In Deutschland befinden sich mehrere Cremes mit 5 % Aciclovir in Packungsgrößen von
2 g auf dem Markt. Entsprechende Monopräparate in Packungsgrößen bis zu 2 g und mit einem
Wirkstoffgehalt bis zu 100 mg je abgeteilter Arzneiform sind von der Verschreibungspflicht ausgenommen und apothekenpflichtig.
Seit 2009 wurde in 14 europäischen Ländern im Rahmen eines Dezentralen Verfahrens (Decentralised Procedure – DCP) eine Zubereitung aus Aciclovir (5 %) und Hydrocortison (1 %) in
einer Packungsgröße von 2 g zugelassen. In Deutschland wurde die Zulassung im Jahr 2010 erteilt, seit Mai 2013 wird das Kombinationspräparat hierzulande vermarktet. 1 g Creme enthält 50
mg Aciclovir und 10 mg Hydrocortison. Die Anwendungsgebiete umfassen laut Fachinformation
die „Behandlung früher Anzeichen und Symptome von rezidivierendem Herpes labialis (Lippenherpes) zur Senkung der Progression von Lippenherpesepisoden zu ulzerativen Läsionen bei
immunkompetenten Erwachsenen und Jugendlichen (12 Jahre und älter)“. Die Behandlungsdauer ist auf fünf Tage limitiert.
Während die Zulassung in Deutschland als verschreibungspflichtiges Arzneimittel erfolgte, sind
entsprechende Arzneimittel in den folgenden acht der 14 am DCP-Verfahren beteiligten Mitgliedstatten der Europäischen Union bereits von der Verschreibungspflicht ausgenommen:
Tschechische Republik, Dänemark, Finland, Polen, Portugal, Slowakische Republik, Schweden,
Spanien.
Die aktuellen Formulierungen der Positionen für Aciclovir und Hydrocortison in Anlage 1 der
AMVV lauten wie folgt:
„Aciclovir
- ausgenommen in Zubereitungen als Creme zur Anwendung bei Herpes labialis in Packungsgrößen bis zu 2 g und einem Wirkstoffgehalt bis zu 100 mg je abgeteilter Arzneiform -“
„Hydrocortison und seine Ester
- ausgenommen in Zubereitungen zum äußeren Gebrauch
a) in einer Konzentration bis zu 0,25 % Hydrocortison oder Hydrocortisonacetat, berechnet als
Base und in Packungsgrößen bis zu 50 g, sowie
b) in einer Konzentration von über 0,25 bis zu 0,5 % Hydrocortison oder Hydrocortisonacetat,
berechnet als Base und in Packungsgrößen bis zu 30 g zur kurzzeitigen (maximal zwei Wochen andauernden) äußerlichen Anwendung zur Behandlung von mäßig ausgeprägten entzündlichen, allergischen oder juckenden Hauterkrankungen,
und sofern auf Behältnissen und äußeren Umhüllungen eine Beschränkung der Anwendung auf
Erwachsene und Kinder ab dem vollendeten 6. Lebensjahr angegeben ist -“
Die o. g. aciclovirhaltigen Monopräparate zur Behandlung des Herpes labialis sind damit in Packungsgrößen bis zu 2 g nicht verschreibungspflichtig, nicht jedoch die Zubereitung aus Aciclovir und Hydrocortison.
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Klinische Aspekte
Ein Großteil der erwachsenen Bevölkerung ist latent Träger einer Infektion mit dem Herpessimplex-Virus. Zwischen 15 % und 40 % der Infizierten erkranken mehr oder weniger häufig an
Rezidiven; etwa ein Drittel der Patienten mit Herpes labialis recidivans leidet unter mehr als fünf
Rezidiven/Jahr. Der Herpes labialis verläuft unbehandelt in fünf Phasen, wobei sich virale und
inflammatorische Prozesse überlagern [nach Hull, 2014]:
1. Prodromalphase (Kribbeln) bis Rötung/Papel (Tag 0 – 1)
2. Bläschenphase (Tag 1 – 2)
3. Wunde und erste Verkrustung (Tag 2 – 3)
4. Harte Kruste (Tag 4 – 8)
5. Abschwellung Tag (9 – 10)
Für die Selbstmedikation eines Herpes labialis stehen in Deutschland Monopräparate zur topischen Anwendung mit den Wirkstoffen Aciclovir sowie Penciclovir – beide wirken ausschließlich antiviral – zur Verfügung. Eine möglichst frühzeitige Anwendung, idealerweise bereits in der
Prodromalphase, ist hinsichtlich eines optimalen Behandlungserfolgs sinnvoll.
Die verschreibungspflichtige Zubereitung aus Aciclovir und Hydrocortison stellt eine Alternative
dar und kombiniert die antivirale bzw. antientzündliche Wirkung der beiden Einzelwirkstoffe.
Hierdurch soll die Bläschenbildung verhindert und der Krankheitsverlauf insgesamt günstig beeinflusst bzw. die Episodendauer verkürzt werden. Wie auch bei den Monopräparaten ist eine
frühzeitige Anwendung angezeigt, um die Bläschenphase möglichst zu vermeiden.
Hydrocortison gehört zur Gruppe der schwachen Glucocorticoide (Klasse I). Für die topische
Anwendung liegen umfangreiche klinische Erfahrungen vor. Monopräparate mit dem Wirkstoff
Hydrocortison in einer Konzentration zwischen 0,25 % und 0,5 % sind im Indikationsbereich
„äußerliche Anwendung zur Behandlung von mäßig ausgeprägten entzündlichen, allergischen
oder juckenden Hauterkrankungen" bereits seit 1996 (0,25 %) bzw. seit 2006 (0,5 %) apothekenpflichtig. Monopräparate, die Hydrocortison in einer Konzentration von 1 % im selben Indikationsbereich enthalten, sind in Deutschland hingegen verschreibungspflichtig, nicht jedoch in den
folgenden zehn Mitgliedstaaten der Europäischen Union: Belgien, Tschechische Republik, Dänemark, Irland, Italien, Portugal (nur in Kombination mit Aciclovir), Slowakische Republik, Spanien, Schweden und Großbritannien.
Die Indikation der Zubereitung aus Aciclovir und Hydrocortison 1 % unterscheidet sich jedoch
von Monopräparaten mit Hydrocortison, da erstere ausschließlich für die Behandlung von klar
abgegrenztem Herpes labialis auf Lippen und im Gesicht indiziert ist, nicht jedoch für eine großflächigere Anwendung. Erfahrungen aus der Selbstmedikation mit Arzneimitteln, die ausschließlich Hydrocortison enthalten, sind daher nur von begrenzter Aussagekraft im Hinblick auf die
Bewertung für das Kombinationspräparat.
Bei Entzündungsreaktionen, die mit einer bakteriellen, viralen oder mykotischen Infektion assoziiert sind, ist eine topische Monotherapie mit Glucocorticoiden aufgrund des Risikos einer
Exazerbation der Infektion durch die immunsuppressive Wirkung der Glucocorticoide kontraindiziert. Eine kurzzeitige Kombinationstherapie mit antibakteriellen bzw. antimykotischen Wirkstoffen und Glucocorticoiden wird hingegen aufgrund der dualen (antiinfektiösen und antientzündlichen) Wirkung in der klinischen Praxis angewendet. Entsprechende Fertigarzneimittel
sind verfügbar.
Eine Anwendung von Hydrocortison auf ausgedehnten Arealen im Gesicht über einen längeren
Zeitraum wird durch die Indikation des Kombinationspräparates – Herpes labialis – und die damit einhergehende Begrenzung auf einen eindeutig erkennbaren, kleinen Hautbereich verhindert. Weiterhin ist die Anwendungsdauer gemäß Produktinformation auf maximal fünf Tage
begrenzt. Zusätzlich wird eine Packungsgrößenbegrenzung auf 2 g (maximal 20 mg HydrocortiSeite 3 von 5
son pro Packung) vorgeschlagen. Bei einer vorgesehenen Anwendung des Arzneimittels fünfmal
täglich für fünf Tage ist eine Packung von 2 g für die Behandlung einer Herpesepisode aufgebraucht.
Für eine Entlassung aus der Verschreibungspflicht ist eine sichere und eindeutige Selbstdiagnose
des Herpes labialis erforderlich. Die meisten Patienten zeigen charakteristische Symptome, eine
Selbstdiagnose und anschließende Selbstbehandlung erscheint insbesondere bei rezidivierendem
Herpes labialis somit unproblematisch. Die Erkrankung ist zudem in der Regel selbstlimitierend
und erfordert auch in dieser Hinsicht keinen Arztbesuch. Bezüglich Selbstdiagnose durch den
Patienten liegen langjährige Erfahrungen mit rezeptfreien, antiviralen Monopräparaten zur Behandlung des Herpes labialis vor, die auch auf die Zubereitung aus Aciclovir und Hydrocortison
übertragen werden können, da es sich um dieselbe Erkrankung handelt. Weiterhin bestehen bereits Erfahrungen aus der verschreibungsfreien Vermarktung des Kombinationsarzneimittels in
anderen europäischen Ländern, die bisher bezüglich der Arzneimittelanwendung ohne direkte
Überwachung durch den Arzt keine Hinweise auf negative Aspekte gezeigt haben.
In Deutschland besteht für die verschreibungsfreie Anwendung von Aciclovir als Monotherapie
des Herpes Labialis keine Altersbeschränkung. Hydrocortison in Konzentrationen bis zu 0,5 % ist
ab dem vollendeten 6. Lebensjahr von der Verschreibungspflicht ausgenommen. Das Kombinationspräparat aus Aciclovir und Hydrocortison ist ausschließlich für Erwachsene und Kinder ab 12
Jahren zugelassen, da für Kinder unter 12 Jahren keine kontrollierten Wirksamkeitsdaten generiert wurden. Eine Sicherheitsstudie an Kindern von 6 bis 11 Jahren ergab, dass die Creme insgesamt gut vertragen und nur wenige Nebenwirkungen, darunter keine schwerwiegenden Fälle,
beobachtet wurden. Vor diesem Hintergrund erscheint ein zusätzlicher Hinweis auf die Altersbegrenzung auf Behältnissen und äußeren Umhüllungen, wie es die AMVV-Position zu Hydrocortison als Monosubstanz vorsieht, als nicht notwendig.
Nebenwirkungen und Risiken
Es liegen langjährige, umfangreiche Erfahrungen zu den beiden Wirkstoffen Aciclovir und Hydrocortison in der verschreibungsfreien Anwendung vor. Da wesentliche Unterschiede zwischen
hydrocortisonhaltigen Monoarzneimitteln und dem hier betrachteten Kombinationspräparat
hinsichtlich Indikation, Packungsgröße sowie Anwendungsdauer bestehen, sind für die Bewertung der Sicherheit im Wesentlichen die Erfahrungen zu Aciclovir als Monotherapie des Herpes
labialis von Bedeutung.
Die Nebenwirkungsprofile des Mono- und des Kombinationspräparates sind nahezu deckungsgleich und umfassen hauptsächlich Lokalreaktionen. Vereinzelt wurden Überempfindlichkeitsreaktionen vom Soforttyp einschließlich Angioödem beobachtet. Einzige Unterschiede sind eine
andere Häufigkeit für Austrocknung und Abschuppung der Haut und das zusätzliche Auftreten
von Pigmentveränderungen (bekannte Nebenwirkung von Hydrocortison) bei der Kombination.
Die Erfahrungen nach Zulassung im Rahmen der Pharmakovigilanz zeigen, dass die Anzahl der
gemeldeten Nebenwirkungen gering ist. Von den seit 2012 berichteten 27 Nebenwirkungsfällen
wurden drei als schwerwiegend eingestuft, bei denen es sich jedoch durchweg um lokale Reaktionen handelte.
Weiterhin gibt es seit Markteinführung des Kombinationspräparates keine Hinweise auf beabsichtigten oder unbeabsichtigten Fehlgebrauch in der Selbstmedikation:
Eine Verwechslung mit einer anderen entzündlichen Hauterkrankung im Gesicht wie beispielsweise Impetigo contagiosa wäre denkbar. Hierfür bestünde ein theoretisches Risiko, da es sich
hierbei um eine bakterielle Infektion handelt, die auch perioral auftreten kann. Dies erscheint
jedoch unwahrscheinlich, da die Impetigo contagiosa vorwiegend bei Kindern mit einem Erkrankungsgipfel von 3 bis 8 Jahren auftritt, keine Beteiligung der sensorischen Nerven stattfindet
und sich das klinische Bild bezüglich Ausbreitungsfläche (mehrere Herde), Lokalisation (zentroSeite 4 von 5
fazial) und Effloreszenzen (honiggelbe Krusten) vom Herpes labialis unterscheidet. Weiterhin
wurden dem Antragsteller diesbezüglich keine entsprechenden Fälle berichtet.
Die Anwendung des Kombinationspräparates bei Herpesinfektionen in anderen Körperregionen
(z. B. Genitalbereich) ist gemäß Produktinformation explizit kontraindiziert. Zudem erlaubt die
Packungsgrößenbegrenzung auf 2 g letztlich keine großflächige Anwendung.
Zusammen mit dem Antrag wurden drei Periodic Safety Update Reports (PSURs) für das Kombinationspräparat vorgelegt, welche den Zeitraum von Dezember 2011 bis Juli 2014 abdecken. In
der Berichtsperiode ergaben sich keine sicherheitsrelevanten Aspekte hinsichtlich der Verkaufsabgrenzung. Ein möglicher Off-Label-Use ist Gegenstand des Routinemonitorings im Rahmen
der PSURs.
Insgesamt liegen keine Hinweise auf direkte oder indirekte Gefahren bei Anwendung des Kombinationspräparates in der Selbstmedikation vor.
Diskussion und Zusammenfassung
Episoden eines Herpes labialis sind für den Patienten aufgrund der charakteristischen Symptome
leicht diagnostizierbar und damit für eine Selbstmedikation geeignet. Eine möglichst frühzeitige
Anwendung, idealerweise bereits in der Prodromalphase, ist hinsichtlich eines optimalen Behandlungserfolgs sinnvoll. Aciclovirhaltige Arzneimittel zur Behandlung des Herpes labialis sind
seit Langem verschreibungsfrei erhältlich. Für die Kombination aus Aciclovir und Hydrocortison
sind nach derzeitigem Kenntnisstand keine weitergehenden Risiken im Vergleich zu den von der
Verschreibungspflicht bereits ausgenommenen Monopräparaten zu erkennen. Aus den Anwendungserfahrungen in anderen europäischen Ländern ergeben sich keine Hinweise darauf, dass
von einer Selbstmedikation direkte oder indirekte Gefahren für den Patienten ausgehen. Der
Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht für die Zubereitung aus Aciclovir und Hydrocortison wird daher befürwortet. Für Anlage 1 der AMVV wird der folgende Wortlaut empfohlen:
„Aciclovir
- ausgenommen in Zubereitungen als Creme in Kombination mit Hydrocortison in einer Konzentration von 1 % Hydrocortison zur Behandlung von Herpes labialis zur Verringerung des Risikos von ulzerativen Läsionen bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren, in Packungsgrößen bis zu 2 g und mit einem Wirkstoffgehalt bis zu 100 mg Aciclovir je abgeteilter Arzneiform -“
„Hydrocortison und seine Ester
- ausgenommen in Zubereitungen als Creme in Kombination mit Aciclovir in einer Konzentration von 1 % Hydrocortison zur Behandlung von Herpes labialis zur Verringerung des Risikos von
ulzerativen Läsionen bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren, in Packungsgrößen bis zu
2 g und mit einem Wirkstoffgehalt bis zu 100 mg Aciclovir je abgeteilter Arzneiform -“
Literatur
Hull CM, Levin MJ, Tyring SK, Spruance SL. Novel composite efficacy measure to demonstrate
the rationale and efficacy of combination antiviral-anti-inflammatory treatment for recurrent
herpes simplex labialis. Antimicrob Agents Chemother 2014; 58(3): 1273-8.
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Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht
nach § 53 Absatz 2 des Arzneimittelgesetzes
Empfehlung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung
77. Sitzung
17. Januar 2017
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Bonn
6.
Ibuprofen
Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht
„- zur trans-dermalen Anwendung als Pflaster ohne Zusatz weiterer arzneilich wirksamer
Bestandteile in einer Konzentration bis zu 200 mg Ibuprofen je abgeteilter Arzneiform -“
Empfehlung des Sachverständigen-Ausschusses
Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt einstimmig, den Antrag
auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht nach § 48 des Arzneimittelgesetzes anzunehmen
und die bestehende Position in Anlage 1 der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) wie
folgt zu ändern:
„Ibuprofen
- ausgenommen zum äußeren Gebrauch (einschließlich Pflaster) in einer Konzentration bis zu 6
Gewichtsprozenten […]“
Begründung
Wirkstoff und pharmakologische Wirkung
Ibuprofen ist ein Propionsäurederivat und gehört zur Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika/Antiphlogistika (NSAR, auch NSAIDs – Non Steroidal Antiinflammatory Drugs). Die Substanz wirkt als nicht-selektiver Cyclooxygenasehemmer und führt durch einen Eingriff in die
Prostaglandinsynthese zu einer Entzündungshemmung.
Indikation, Zulassungsstatus und Verkaufsabgrenzung in Deutschland
Ibuprofen wird zur Therapie von Schmerzen, Entzündungen und Fieber eingesetzt. Der empfohlene Dosisbereich für Erwachsene und Jugendliche ab 15 Jahren liegt bei systemischer Applikation zwischen 1200 und 2400 mg Ibuprofen pro Tag. Ibuprofenhaltige Präparate waren 2014 die
am häufigsten verordneten nicht-steroidalen Antiphlogistika [Schwabe & Paffrath, 2015].
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Ibuprofen wird seit mehreren Jahrzehnten in Deutschland vermarktet. Die Substanz wurde in
oraler Darreichungsform für die Indikationen Fieber und Schmerzen in Dosierung von 200 mg je
abgeteilter Form sowie zur äußeren Anwendung in einer Konzentration bis zu 5 % bereits 1989
aus der Verschreibungspflicht entlassen.
Entsprechend Anlage 1 der AMVV ist Ibuprofen
„- zur oralen Anwendung ohne Zusatz weiterer arzneilich wirksamer Bestandteile in einer Konzentration bis zu 400 mg je abgeteilter Form und in einer Tagesdosis bis zu 1200 mg bei leichten
bis mäßig starken Schmerzen und Fieber -“
von der Verschreibungspflicht ausgenommen.
Weitere Freistellungen bestehen für orale flüssige Zubereitungen, rektale Zubereitungen, Kombinationen mit Pseudoephedrin sowie Zubereitungen in der Indikation Migräne (Wortlaut der
AMVV zu Ibuprofen siehe Anhang). In Deutschland wird eine Vielzahl ibuprofenhaltiger Monopräparate (200 – 400 mg) im OTC-Bereich angeboten. Für Säuglinge und Kinder stehen apothekenpflichtige ibuprofenhaltige Suppositorien und Suspensionen zur Verfügung.
Präparate mit höherer Wirkstoffkonzentration je abgeteilter Form und/oder solche, die zur Therapie u. a. von (rheumatoider) Arthritis eingesetzt werden, unterliegen der Verschreibungspflicht.
Neben den genannten systemischen Anwendungen ist Ibuprofen
„- zum äußeren Gebrauch in einer Konzentration bis zu 5 Gewichtsprozenten -“
von der Verschreibungspflicht ausgenommen.
Der vorliegende Antrag betrifft ebenfalls eine äußere Applikationsform – die transdermale Anwendung als Pflaster. Als topische Zubereitung fällt das Ibuprofenpflaster nicht unter die o. g.
Ausnahme, da die Konzentration in der Matrix 6 % beträgt. Derzeit ist nur das Arzneimittel des
Antragstellers als ibuprofenhaltiges Pflaster in Deutschland zugelassen. Die Zulassung erfolgte
am 15. August 2016. Der Wirkstoffgehalt je Pflaster beträgt 200 mg Ibuprofen, innerhalb von 24
Stunden soll ein Pflaster angewendet werden. Die Behandlungsdauer sollte 5 Tage nicht überschreiten. Die 10 x 14 cm großen Pflaster sind in Packungsgrößen mit 2, 4, 6, 8 und 10 Pflastern
zugelassen.
Die Indikation lautet wie folgt:
„…wird bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 16 Jahren angewendet zur kurzzeitigen, symptomatischen Behandlung
- von lokalen Schmerzen bei akuten Zerrungen,
- in der Nähe der Gelenke verstauchter Gliedmaßen nach einem stumpfen Trauma.“
Nebenwirkungen und Risiken
Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Ibuprofen bei systemischer Anwendung gehören gastrointestinale Störungen (z. B. Sodbrennen, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Ulzera), zentralnervöse Störungen wie Kopfschmerzen, Schwindel und Schlaflosigkeit sowie Überempfindlichkeitsreaktionen. Eine Reihe weiterer Nebenwirkungen treten selten oder sehr selten auf z. B.
Hypertonie, Tinnitus und Störungen der Blutbildung.
Bei der topischen Anwendung von Ibuprofen sind die am häufigsten auftretenden Nebenwirkungen Reaktionen an der Applikationsstelle und Hautreaktionen.
Bei der Anwendung des Pflasters wird nach 24 Stunden eine Ibuprofen-Plasmakonzentration
von 0,49 µg/ml erreicht. Nach 5 Behandlungstagen beträgt die mittlere Cmax 0,51 µg/ml. Verglichen mit oral angewendetem Ibuprofen sind die mittleren Cmax und die Bioverfügbarkeit gering.
Die Cmax nach oraler Einnahme von 200 – 400 mg Ibuprofen liegt in der Regel bei 20 – 50 µg/ml.
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Aufgrund der geringen systemischen Verfügbarkeit ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten
schwerer Nebenwirkungen bei äußerer Anwendung von Ibuprofen gering.
Diskussion
Ibuprofenhaltige Präparate zur oralen, rektalen und topischen Anwendung sind mit bestimmten
Einschränkungen seit Langem für Patienten als OTC-Präparate zugänglich. Patienten sind somit
prinzipiell mit der Anwendung von Ibuprofen in der Selbstmedikation vertraut.
Der überwiegende Teil der unerwünschten Wirkungen von Ibuprofen ist dosisabhängig und beruht auf der systemischen Wirkung von Ibuprofen. Die systemische Verfügbarkeit von Ibuprofen
nach Anwendung des Pflasters ist gering und bewegt sich in gleicher Größenordnung wie nach
Anwendung anderer topischer (und bereits von der Verschreibungspflicht freigestellter) Applikationsformen (Creme/Gel). Aufgrund der geringen systemischen Verfügbarkeit des Wirkstoffes
nach Applikation als Pflaster sind schwerwiegende Nebenwirkungen kaum zu erwarten.
Die kutanen Applikationsformen in Form von Gel oder Creme werden im Regelfall dreimal täglich aufgetragen, wobei je nach Größe des zu behandelnden Areals jeweils 100 – 250 mg Ibuprofen appliziert werden. Die täglich angewendete Gesamtmenge soll 750 – 1000 mg Ibuprofen
(15 – 20 g Gel/Creme bei einer Wirkstoffkonzentration von 5 %) nicht übersteigen. Die täglich
lokal applizierte Menge Ibuprofen ist bei diesen, von der Verschreibungspflicht bereits freigestellten Arzneimitteln, somit höher als bei Anwendung des Pflasters.
Die Indikationen für die Anwendung des Pflasters sind ähnlich denen der anderen, seit Langem
in der Selbstmedikation angewendeten topischen Darreichungsformen mit Ibuprofen. Für Diclofenac, einen anderen zur Gruppe der NSAR zählenden Wirkstoff, ist bereits seit mehreren Jahren
ein Pflaster im OTC-Bereich verfügbar. Die Indikation „symptomatische Behandlung von
Schmerzen bei akuten Prellungen, Zerrungen oder Verstauchungen in Folge eines stumpfen
Traumas“ entspricht weitgehend der des Ibuprofenpflasters.
Dem Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht für ibuprofenhaltige Pflaster wird
generell zugestimmt. Im Gegensatz zum Antragsteller, der einen eigenen Wortlaut explizit für
das Pflaster beantragt hat, wird allerdings eine Erweiterung der bisherigen Position zu Ibuprofen
– äußerer Gebrauch – mit folgendem Wortlaut vorgeschlagen (neu aufzunehmende Passagen
sind unterstrichen, zu streichende Passagen durchgestrichen):
„Ibuprofen
ausgenommen zum äußeren Gebrauch (einschließlich Pflaster) in einer Konzentration bis zu 5 6
Gewichtsprozenten -“
Diese Erweiterung der bisherigen Position erfolgt in Anlehnung an die Position zu Diclofenac in
Anlage 1 der AMVV, bei der für die verschiedenen Formulierungen zur äußeren Anwendung
ebenfalls nur ein Positionseintrag vorhanden ist, der Pflaster einschließt. Zudem dient die Vermeidung eines separaten Eintrages der besseren Lesbarkeit der Gesamtposition zu Ibuprofen. Der
Klammerzusatz „einschließlich Pflaster“ ist beim Ibuprofen (im Gegensatz zum Diclofenac) erforderlich, da hier (anders als beim Diclofenac) die Wirkstoffkonzentration nicht in den Produktinformationen und/oder auf dem äußeren Behältnis angegeben ist.
Zusammenfassung
Ibuprofenhaltige Arzneimittel sind seit Langem in verschiedenen Darreichungsformen (inklusive
kutaner Applikationsformen) mit bestimmten Einschränkungen als OTC-Präparate in Deutschland verfügbar.
Das zur Freistellung von der Verschreibungspflicht beantragte Pflaster enthält 200 mg Ibuprofen
und wird über einen Zeitraum von 24 Stunden angewendet. Die applizierte Wirkstoffmenge ist
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somit deutlich geringer als bei oralen Ibuprofenprodukten in der Selbstmedikation, die in Einzeldosen von 200 – 400 mg und einer maximalen Tagesdosis von 1200 mg verabreicht werden.
Das Pflaster weist ein günstiges Risikoprofil auf, die systemische Verfügbarkeit des Wirkstoffes ist
gering.
Der Antrag auf Freistellung von der Verschreibungspflicht wird unterstützt. Abweichend vom
Vorschlag des pharmazeutischen Unternehmers wird eine Erweiterung der bisherigen Position
zu Ibuprofen – äußerer Gebrauch – mit folgendem Wortlaut vorgeschlagen:
„Ibuprofen
- ausgenommen zum äußeren Gebrauch (einschließlich Pflaster) in einer Konzentration bis zu 6
Gewichtsprozenten -“
Literatur
Schwabe U, Paffrath D (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2015. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015.
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Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht
nach § 53 Absatz 2 des Arzneimittelgesetzes
Empfehlung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung
77. Sitzung
17. Januar 2017
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7.
Selen
Überprüfung der freigestellten Tagesdosis zum inneren Gebrauch
Empfehlung des Sachverständigen-Ausschusses
Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt mehrheitlich, die freigestellte Tagesdosis für Selenverbindungen in Zubereitungen zum inneren Gebrauch auf 70 Mikrogramm Selen anzuheben.
Begründung
Hintergrund
Selen ist ein essentielles Spurenelement für die Ernährung des Menschen, da es als Teil selenhaltiger Aminosäuren wichtige katalytische Vorgänge vermittelt. Selen kann über die Nahrung in
Form organischer Verbindungen wie vorwiegend Selenomethionin aus pflanzlichen Lebensmitteln und wie vorwiegend Selenocystein aus tierischen Nahrungsmitteln aufgenommen werden.
Anorganische Selenverbindungen wie Natriumselenit, Natriumhydrogenselenit und Natriumselenat finden Verwendung in Nahrungsergänzungsmitteln oder Arzneimitteln zur Supplementierung bzw. zur Therapie [Ekmekcioglu, 2000]. Aufgrund des geringen natürlichen Selengehaltes
von in Deutschland erzeugten pflanzlichen Lebensmitteln könnte es bei vegetarisch oder vegan
lebenden Menschen, die sich von regionalen Lebensmitteln ernähren, möglicherweise zu einem
Selenmangel kommen. Da in der Europäischen Union die Zufütterung von selenreichen Mineralstoffmischungen weit verbreitet ist, weisen Lebensmittel tierischen Ursprungs kaum Schwankungen auf. Im Trinkwasser ist Selen kaum enthalten, liegt dann aber vorrangig als Selenat vor
[EFSA, 2014].
Die Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr wurden von den Gesellschaften für Ernährung in
Deutschland (DGE), Österreich (ÖGE) und der Schweiz (SGE) – abgekürzt D-A-CH – 2015 überarbeitet und gemeinsam herausgegeben. Für männliche Jugendliche ab 15 Jahren und für Erwachsene beträgt der Referenzwert für eine angemessene Zufuhr von Selen danach 70 µg pro Tag, bei
weiblichen Jugendlichen und Erwachsenen 60 µg pro Tag [D-A-CH, 2015].
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In Deutschland besteht Verschreibungspflicht für Arzneimittel, die eine höhere Tagesdosis als 50
µg enthalten und die damit unter der angemessenen täglichen Zufuhrmenge liegen.
Wirkstoff
Menschen, Tiere und viele Bakterien sind auf die Zufuhr von Selen als essentielles Spurenelement angewiesen. Es findet sich in der Natur in anorganischen und organischen Verbindungen
in den Oxidationsstufen - 2, + 4 und + 6 [EFSA, 2014]. Zu den anorganischen Selenverbindungen
gehören Selenid, Selenit und Selenat, wobei am häufigsten Selenit und Selenat vorkommen.
Zu den organischen Selenverbindungen gehören Selenide, selenhaltige Aminosäuren (L-Selenomethionin, L-Selenocystein) sowie Selenoproteine und selenhaltige Proteine [EFSA, 2014]. In
selenhaltigen Proteinen erfolgt ein unspezifischer Einbau der Aminosäure Selenomethionin anstelle von Methionin. Strukturell unterscheidet sich Selenomethionin nur durch den Ersatz des
Schwefels durch Selen von Methionin. Selenocystein ist fester Bestandteil in sogenannten Selenoproteinen, die antioxidativ wirken und im Körper wichtige Funktionen ausüben.
Pharmakologische Wirkung
Zu den Selenoproteinen mit wichtigen katalytischen Funktionen gehören die Familien der
Glutathionperoxidasen, der Thioredoxinreduktasen und der Dejodasen. Dabei führen die fünf
humanen, selenhaltigen Glutathionperoxidasen die Reduktion von organischen Hydroperoxiden
aus [Brigelius-Flohe, 2001]. Da die Glutathionperoxidase des Subtyps 4 auch als Strukturbestandteil von Spermien fungiert, ist Selen auch für die männliche Fertilität von Bedeutung [Ursini,
1999].
Selen ist in hohen Konzentrationen in der Schilddrüse vorhanden und trägt als Bestandteil der
Glutathionperoxidase zum Schutz dieses Organs vor Hydroperoxidexposition während der
Schilddrüsenhormonsynthese bei. Eine ausreichende Selenzufuhr ist somit Voraussetzung für
eine normale Schilddrüsenfunktion.
Drei Dejodasen katalysieren die Dejodierung von Schilddrüsenhormonen, was zu deren Aktivierung (5‘-Dejodierung) bzw. Inaktivierung (5-Dejodierung) führt. Durch Abspaltung von Jodid aus
dem inaktiven Prohormon Thyroxin (T4) entsteht so entweder das aktive Hormon Trijodthyronin (T3) oder inaktives reverses T3(rT3). Die Dejodasen regulieren also maßgeblich die Schilddrüsenhormonhomöostase [Köhrle, 2000; D-A-CH, 2015]. Bei unzureichender Selenversorgung erhöht sich das Verhältnis von T4 zu T3 im Serum, was zu Störungen in der Schilddrüsenfunktion
führen und als funktioneller Marker des Selenstatus genutzt werden kann [Brown, 2001].
Früher wurde als Hauptkriterium für die Selenversorgung des Körpers die Aktivität der Glutathionperoxidase GPx angelegt, deren maximale Aktivität bei einer Serum- oder Plasmakonzentration von 90 – 100 µg Selen/l festgestellt wurde [Ashton, 2009]. Aktuellere Ableitungen erfolgen
auf der Basis der Konzentration von Selenoprotein P (SEPP1) [Persson-Moschos, 1995].
Bei Selenoprotein P handelt es sich um ein selentransportierendes Protein, das die Versorgung
von Organen mit Selen vermittelt [Hill, 2003].
Aus den zahlreichen katalytischen und antioxidativen Funktionen der Selenoproteine resultieren die postulierten förderlichen Effekte für die Gesundheit einer genügenden Selenzufuhr.
Indikation und Anwendung
Als Indikation selenhaltiger Arzneimittel ist der nachgewiesene Selenmangel zu nennen, der
ernährungsbedingt nicht behoben werden kann und entweder durch Verdauungs- und Verwertungsstörungen oder durch Fehl- und Mangelernährung (z. B. durch eine totale parenterale Ernährung) verursacht ist. In den in dieser Indikation angewendeten Fertigarzneimitteln ist als
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Wirkstoff ausschließlich Natriumselenit-Pentahydrat in Einzeldosierungen von bis zu 999 µg
(entsprechend 300 µg Selen) enthalten. Die üblichen Tagesdosierungen liegen zwischen 50 µg
und 300 µg Selen.
Die Schätzwerte für eine angemessene Zufuhr („Adequate Intake“) von Selen wurden von verschiedenen ernährungswissenschaftlichen Institutionen nach unterschiedlichen Methoden abgeleitet. Die European Food Safety Authority (EFSA) verwendete für die Ableitung der aktuellen
Schätzwerte die SEPP1-Konzentration im Plasma [EFSA, 2014], und auch die D-A-CHEmpfehlung 2015 basiert auf dieser Methode. Für Kinder wurden die Schätzwerte für die angemessene Selenzufuhr von den Werten für Erwachsene unter Berücksichtigung der Unterschiede
im Körpergewicht sowie unterschiedlicher Wachstumsfaktoren extrapoliert [D-A-CH, 2015].
Schätzwerte der D-A-CH in µg [D-A-CH, 2015]
Alter [in
Jahren]
Männlich
Weiblich
Säuglinge
0–
4–
< 4*
< 12*
10
15
10
15
1–
<4
15
15
Kinder
7–
10 –
< 10
< 13
30
45
30
45
4–
<7
20
20
13 –
< 15
60
60
15 –
< 19
70
60
> 19
70
60
Erwachsene
SchwanStilgere
lende
60
75
*Alter in Monaten
Schätzwerte der EFSA in µg [EFSA, 2014]
Alter [in
Jahren]
Säuglinge
0–
7–
6*
11*
15
1–
3
15
4–
6
20
Kinder
7–
10
30
11 –
14
55
15 –
17
70
≥ 18
70
Erwachsene
SchwanStillende
gere
70
85
*Alter in Monaten
Bezüglich des Versorgungsstatus der Bevölkerung in Deutschland wurde anhand von Duplikatstudien eine mittlere tägliche Selenzufuhr von 30 µg für Frauen und 41 µg für Männer ermittelt
[Drobner, 1996].
Zulassungsstatus und Verkaufsabgrenzung in Deutschland
Arzneimittel mit Selen zum inneren Gebrauch unterliegen ab einer Tagesdosierung von über 50
µg Selen der Verschreibungspflicht
Die derzeitige Positionsformulierung in Anlage 1 der Arzneimittelverschreibungsverordnung
(AMVV) lautet:
„Selenverbindungen
- ausgenommen in Zubereitungen zum inneren Gebrauch mit einer Tagesdosis bis zu 50 µg Selen
-“
In Deutschland gibt es mit Stand von 23. November 2016 zehn verschreibungspflichtige selenhaltige Arzneimittel, von denen sieben eine Tagesdosis von bis zu 100 µg aufweisen.
Nebenwirkungen und Risiken
Auch bei langfristiger Einnahme von bis zu 850 µg Selen/Tag zeigten sich in Studien keine unerwünschten Wirkungen; diese wurden erst ab einer dauerhaften Tageszufuhrmenge von circa
1200 µg Selen und höher beobachtet [EFSA, 2006]. Bei dauerhafter Zufuhr hoher Selenmengen
kann es zu einer sogenannten Selenose kommen, die sich in neurologischen Störungen, Müdigkeit, Gelenkschmerzen, Übelkeit und Durchfall äußert. Im späteren Verlauf geht eine Selenose
mit Symptomen wie dem Verlust von Haaren, gestörter Nagelbildung und einem charakteristiSeite 3 von 5
schen knoblauchartigen Geruch der Atemluft einher. Eine akute Selenvergiftung durch Zufuhr
von mehreren Gramm Selen kann zu Herzversagen sowie Kammerflimmern und damit zum Tod
führen [Nuttall, 2006].
Das US-amerikanische Food and Nutrition Board hat für Erwachsene eine tolerierbare Gesamtzufuhrmenge von 400 µg/Tag bzw. 7 µg/kg Körpergewicht/Tag festgelegt („Tolerable Upper
Intake Level“) [Institute of Medicine, Food and Nutrition Board, 2000], während der von der EFSA
vorgeschlagene Wert bei 300 µg/Tag beträgt [EFSA, 2006].
Diskussion und Zusammenfassung
Der für Deutschland ermittelte Versorgungsstatus an Selen durch die Nahrungsmittelzufuhr liegt
mit 30 µg für Frauen und 41 µg für Männer unter den von der D-A-CH und EFSA angegebenen
Schätzwerten für eine angemessene Selenzufuhr. Diese werden von der D-A-CH mit 70 µg für
Männer und 60 µg für Frauen und mit 70 µg unabhängig vom Geschlecht von der EFSA angegeben.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Schätzwerte für eine angemessene Selenzufuhr kann eine
Erhöhung der verschreibungspflichtigen Tagesdosis in der AMVV empfohlen werden. Eine Anhebung der freigestellten Tagesdosis für Selenverbindungen in Zubereitungen zum inneren Gebrauch auf 70 Mikrogramm Selen wird daher befürwortet.
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Seite 5 von 5
Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht
nach § 53 Absatz 2 des Arzneimittelgesetzes
Empfehlung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung
77. Sitzung
17. Januar 2017
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Bonn
9.
Zubereitung aus Methopren und Fipronil - zur Anwendung bei Hunden und Katzen Anträge auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht
Empfehlung des Sachverständigen-Ausschusses
Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt mehrheitlich, Zubereitungen aus Methopren und Fipronil - zur Anwendung bei Hunden und Katzen - aus der Verschreibungspflicht nach § 48 des Arzneimittelgesetzes (AMG) zu entlassen.
Begründung
Wirkstoffe
Fipronil
Fipronil ist ein Ektoparasitikum und gehört zur Gruppe der Phenylpyrazole und ist ein schnell
wirkendes Kontaktgift mit insektiziden und akariziden Eigenschaften. Seine Wirkung beruht auf
einer Interaktion mit Rezeptoren der Chloridionenkanäle, insbesondere mit solchen, die auf den
Neurotransmitter Gamma-Aminobuttersäure (GABA) ansprechen. Hierbei kommt es zu einer
Hemmung des prä- und postsynaptischen Chloridionenaustausches durch die Zellmembranen.
In Folge der gestörten ZNS-Aktivität tritt der Tod der Insekten und Acari (Milben und Zecken)
ein.
Fipronil hat eine höhere, selektive Spezifität für GABA-Rezeptoren der Wirbellosen, als für GABA-Rezeptoren von Säugern. Somit verfügen fipronilhaltige Veterinärprodukte über eine sehr
gute Verträglichkeit und geringe Toxizität bei Säugetieren (Moffat, 1993). Ausnahme: Wesentlich
empfindlicher sind Kaninchen. Bereits nach oraler Gabe von 8 mg/kg der Reinsubstanz kann es
zu Todesfällen kommen. Unverträglichkeiten sind auch bei Hühnervögeln und geschwächten
Igeln beschrieben (Löscher et al., 2014).
Fipronil ist weder teratogen noch mutagen und kann somit bei trächtigen und laktierenden
Hunden und Katzen angewendet werden (Curtis, 1996; Tanner, 1997).
Fipronil erfasst auch frühe Entwicklungsstadien und verhindert die Fortpflanzung des erwachsenen Flohs, der noch vor der Eiablage getötet wird. Durch die Unterbrechung des FlohSeite 1 von 7
Lebenszyklus eignet sich Fipronil auch zur Sanierung flohverseuchter Haushalte über das Tier.
Nach drei bis fünf Behandlungen in monatlichem Abstand wird dies ohne zusätzliche Umgebungsbehandlung erreicht (Wiedemann, 2000).
Bei Hunden und Katzen ist innerhalb von 24 Stunden nach Applikation eine 100%ige Residualwirkung aufgebaut (Wiedemann, 2000). Grundlage für die lange Wirkungsdauer ist die Speicherung des Wirkstoffes. Fipronil reichert sich in den Talgdrüsen an, löst sich im Talg und wird kontinuierlich an das Haar und die oberen Hautschichten abgegeben (Birckel, 1997).
Fipronil wird aus den Formulierungen (Spot on oder Spray) nur in geringen Mengen nach dermaler und oraler Verabreichung resorbiert. Daher sind nach Ablecken nur geringe Mengen systemisch bioverfügbar, die schnell umfangreich metabolisiert und vorwiegend biliär ausgeschieden werden (Löscher et al., 2014).
Fipronil tötet Flöhe (Ctenocephalides canis, Ctenocephalides felis) innerhalb 24 Stunden und
Zecken (Dermacentor reticulatus, Dermacentor variabilis, Rhipicephalus sanguineus, Ixodes scapularis, Ixodes ricinus, Haemaphysalis longicornis, Haemaphysalis flava, Haemaphysalis campanulata) und Haarlinge innerhalb 48 Stunden nach Kontakt ab.
Methopren
(S)-Methopren ist ein Wachstumsregulator für Insekten aus der Wirkstoffgruppe der Juvenilhormon-Analoga, der die Entwicklung der unreifen Stadien der Insekten hemmt. Diese Substanz
imitiert die Wirkung des Juvenilhormons und führt zu einer gestörten Entwicklung und damit
zum Tod der unreifen Flohstadien.
Methopren weist eine sehr geringe Toxizität für Säugetiere auf. Eine orale Gabe von 34.000
mg/kg Körpergewicht bei der Ratte und 5000 mg/kg Körpergewicht beim Hund hat zu keinen
toxischen Effekten geführt (Adams, 1995).
Es kommt zu keiner insektiziden Wirkung auf adulte Insekten und bestimmte Larvenstadien, so
dass kein sofortiger Effekt auftritt. Es besteht jedoch aufgrund der Schädigung der Tochtergeneration eine gute Residualwirkung.
Methopren besitzt bei Schweinen, Schafen, Hamstern, Ratten und Kaninchen keine teratogene
Wirkung. Es ist lichtempfindlich und bis zu 75 Tage stabil in der Umwelt (Barragry, 1994).
Methopren wird in der Veterinärmedizin hauptsächlich zur Flohbekämpfung bei Hund und Katze eingesetzt (Löscher et al., 2014).
Kombination Fipronil/Methopren
Durch die kombinierte Verabreichung des Insektenwachstumhemmers Methopren mit larvizider und ovizider Wirkung werden auch die Entwicklungsstadien von Flöhen abgetötet, die von
dem nur adultizid wirkenden Fipronil nicht erreicht werden und es wird die Flohentwicklung bis
sechs Wochen gehemmt (Löscher et al., 2014).
Verkaufsabgrenzung
Fipronil
Fipronil wurde erstmalig zugelassen am 13.05.1996 und damit automatisch verschreibungspflichtig. Mit Wirkung vom 01.07.2001 wurde dieser Stoff aus der Verschreibungspflicht entlassen (apothekenpflichtig).
Methopren
Methopren wurde erstmalig zugelassen in einem Tierarzneimittel am 16.12.2003 in Kombination
mit Fipronil. Methopren wurde nicht als Einzeleintrag in die Arzneimittelverschreibungsverordnung aufgenommen. Es gibt keine methoprenhaltigen Monopräparate.
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Kombination Fipronil/Methopren
Bei Erstzulassung der Kombination von Fipronil und Methopren wurde diese aufgrund § 49 Absatz 1 Nummer 3 AMG („…Stoffe mit in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannten Wirkungen …“) der Verschreibungspflicht unterstellt (64. Verordnung zur Änderung der Verordnung über die automatische Verschreibungspflicht vom 21.06.2004, Nr. 1754 - Zubereitungen
aus Methopren und Fipronil - zur Anwendung bei Hunden und Katzen -).
Zulassungsstatus
Es gibt derzeit (Stand 18.10.2016) in Deutschland 27 zugelassene Tierarzneimittel mit der Kombination aus Fipronil und Methopren. Weiterhin gibt es eine Vielzahl zugelassener fipronilhaltiger
Tierarzneimittel (Monopräparate). Fipronilhaltige Monopräparate werden seit 2001 in der Apotheke vertrieben; daher werden die vorliegenden Erfahrungen und Daten zur Bewertung mit
herangezogen.
Anwendungsgebiete

Floh- und Zeckenbefall bei Hund und Katze

Haarlingsbefall bei der Katze
Diagnose durch den Tierhalter
Für die Anwendung der Präparate bei Befall mit Ektoparasiten ist keine vorherige tierärztliche
Diagnose notwendig. Einen Befall mit Ektoparasiten (Floh-, Haarlings- und/oder Zeckenbefall)
kann der Tierhalter ohne besonderes Fachwissen feststellen.
Fipronilhaltige Monopräparate mit den gleichen Indikationen bezüglich der Abtötung von adulten Flöhen, Zecken und Haarlingen sind seit 2001 apothekenpflichtig.
Bezüglich der Flohstichallergie siehe Punkt „Erschwerung späterer diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen“.
Anwendersicherheit bei bestimmungsgemäßem Gebrauch
Die Darreichungsform für das Kombinationsprodukt (alle Stärken) ist eine Einmalpipette mit
den entsprechenden Wirkstoffmengen für die jeweilige Stärke. Der Inhalt einer Pipette ist für die
einmalige Anwendung für die jeweilige Tierart und Gewichtsklasse konzipiert.
Die Anwendung ist einfach und erlaubt dem Laien eine korrekte Anwendung. Das Risiko für eine
inkorrekte Anwendung wie Überdosierung ist gering. Die Anwendung des Produktes erfordert
keine Sachkenntnis. Es sind die folgenden Vorsichtsmaßnahmen für den Anwender formuliert:
„Dieses Tierarzneimittel kann Schleimhaut-, Haut- und Augenreizungen verursachen. Deshalb
jeden Kontakt mit Mund, Haut und Augen vermeiden.
Tiere und Anwender, von denen eine Überempfindlichkeit gegen Insektizide oder Alkohol bekannt ist, sollten nicht in Kontakt mit [Produktname] kommen.
Kontakt mit den Fingern vermeiden. Falls dies doch geschieht, Hände mit Wasser und Seife waschen.
Nach versehentlichem Kontakt mit dem Auge dieses sofort sorgfältig mit klarem Wasser ausspülen. Hände nach der Anwendung waschen.
Behandelte Tiere sollten nicht berührt werden und Kinder sollten nicht mit behandelten Tieren
spielen, bevor die Applikationsstelle trocken ist. Deshalb empfiehlt es sich, Tiere nicht während
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des Tages, sondern in den frühen Abendstunden zu behandeln. Frisch behandelte Tiere sollten
nicht in engem Kontakt mit den Besitzern, insbesondere nicht mit Kindern, schlafen.
Während der Anwendung nicht rauchen, trinken oder essen.“
Die Vorsichtsmaßnahmen entsprechen denen der fipronilhaltigen Monopräparate.
Während der Zeiträume der Periodic Safety Update Reports (PSURs) von 2010 bis 2016 waren die
beim Menschen am häufigsten aufgetretenen Symptome (VeDDRA) Augenirritationen, Geschmacksveränderungen, Parästhesie, Dermatitis und Juckreiz. Die meisten Symptome verschwanden ohne zurückbleibende Schäden. In den meisten Fällen traten die Nebenwirkungen
nach akzidenteller topikaler, dermaler oder okularer Exposition auf. Die Gesamtinzidenz (Anzahl
betroffener Menschen im Verhältnis zur Anzahl behandelter Tiere) für den gesamten Zeitraum
2010 bis 2016 beträgt 0,00026 %.
Zusammenfassend werden die genannten Vorsichtsmaßnahmen für den Anwender als ausreichend erachtet.
Sicherheitsprofil
Die neu zugelassenen Produkte werden erst im Juli 2019 den ersten PSUR einreichen (Data Lock
Point Mai 2019). Parallelimporte sind von der gesetzlichen Verpflichtung, PSURs einzureichen,
befreit. Im nationalen spontanen Meldesystem sind keine Meldungen für diese Produkte eingegangen (Stand 18.10.2016). Daher liegen Verkaufszahlen und langjährige Erfahrungen durch
PSURs ausschließlich für die Produkte mit Erstzulassung in 2003 vor.
Während der PSUR-Zeiträume (2010 bis 2016) waren die bei Hund und Katze am häufigsten aufgetretenen Symptome (VeDDRA-Terms) Veränderungen an der Applikationsstelle (Haarveränderungen, Juckreiz, Läsionen, Erytheme), Reaktionen an Haut- und Gliedmaßen (meist Juckreiz),
Verhaltensänderungen (meist Hyperaktivität), systemische Veränderungen (Lethargie, Anorexie),
Störungen im Verdauungstrakt und Störungen des Immunsystems (Urtikaria). Selten wurden
neurologische Symptome beobachtet wie Krämpfe und Ataxie. Die beobachtete Hyperaktivität
und die Verhaltensänderungen treten meist aufgrund des Juckreizes und der lokalen Hautirritationen auf. Lethargie und Anorexie sind bekannte Symptome, die in das Profil der Wirkstoffe
passen. Symptome im Bereich des Verdauungstrakts (Erbrechen, Diarrhoe, Speicheln) treten üblicherweise nach Ablecken und Abschlucken der Präparate auf. Die aufgetretenen Symptome
entsprechen denen der Monopräparate.
Die Schlussfolgerung nach Auswertung aller Daten zur Kombination von Fipronil und Methopren zur Anwendung bei Hund und Katze im EU-weiten PSUR-Worksharing 2013 ist, dass das
Nutzen-Risiko-Verhältnis positiv ist und keine Maßnahmen erforderlich sind. Die Kombination
kann während der Trächtigkeit und Laktation angewendet werden. Es sind keine Wechselwirkungen bekannt.
Resistenzentwicklung
Derzeit gibt es keine Anhaltspunkte für die Existenz von Resistenzen gegen Fipronil (Pfister,
2009). Zitat Pfister (2009): „Die immer wieder von Tierhaltern beobachtete, als „nachlassend“ bezeichnete Wirksamkeit ist auf andere Ursachen zurückzuführen: Im Vordergrund stehen mangelhafte oder inadäquate Applikation des Produkts, falsche Gewichtsschätzung des zu behandelnden Patienten, Unterdosierung oder Auswaschen der Substanz bei häufiger Durchnässung.
Es ist deshalb unerlässlich, dass bei Feststellen einer als „nachlassend“ bezeichneten Wirkung das
Behandlungsintervall bzw. die Anwendungsweise entsprechend angepasst bzw. konkret verkürzt
wird.“ Sowohl in adulten als auch larvalen Bioassays gab es keine Hinweise auf eine verringerte
Empfindlichkeit von Flöhen gegenüber Fipronil (Rust, 2016).Daher ist derzeit durch die Entlas-
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sung der Kombination von Fipronil und Methopren aus der Verschreibungspflicht nicht von
einer beschleunigten Resistenzentwicklung auszugehen.
Ökotoxikologische Auswirkungen
Fipronil wird in vielen Ländern als Wirkstoff in Bioziden und begrenzt in Pflanzenschutzmitteln
eingesetzt ((EU) No 781/2013). Es ist allerdings aufgrund seiner toxischen Wirkung auf Bienen
umstritten. Derzeit wird Fipronil von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit
(EFSA) erneut auf seine Bienentoxizität bewertet, ein „Call for Data“ der EFSA endete im Januar
2016. Durch die Darreichungsform und die Art der Anwendung von Fipronil als Spot on beim
Tier wird kein Risiko für Bienen gesehen. Fipronilhaltige Spot-on-Monopräparate sind seit 2001
apothekenpflichtig. Es liegen keine Meldungen aus dem spontanen Meldesystem zu Bienen vor.
Methopren ist lichtempfindlich und daher nicht stabil in der Umwelt. Es ist nicht toxisch für
Bienen und Fische (Löscher et al, 2014).
In der Fachinformation der Kombinationspräparate ist unter Punkt 4.4 „Besondere Warnhinweise für jede Zieltierart“ u. a. aufgeführt:
„Hunde sollten für zwei Tage nach der Behandlung nicht in Gewässern schwimmen (siehe Punkt
6.6).“
Und unter Punkt 6.6 „Besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Entsorgung nicht verwendeter
Tierarzneimittel oder bei der Anwendung entstehender Abfälle“ heißt es:
„Fipronil und (S)-Methopren können im Wasser lebende Organismen schädigen. Deshalb dürfen
Teiche, Gewässer oder Bäche nicht mit dem Tierarzneimittel oder leeren Behältnissen verunreinigt werden.
Nicht aufgebrauchte Tierarzneimittel sind vorzugsweise bei Schadstoffsammelstellen abzugeben.
Bei gemeinsamer Entsorgung mit dem Hausmüll ist sicherzustellen, dass kein missbräuchlicher
Zugriff auf diese Abfälle erfolgen kann. Tierarzneimittel dürfen nicht mit dem Abwasser bzw.
über die Kanalisation entsorgt werden.“
In den PSUR-Zeiträumen zwischen 2010 und 2016 sind im spontanen Meldesystem keine Meldung zur Ökotoxizität zu den Kombinations- oder Monopräparaten eingegangen. Das Risiko für
die Umwelt durch Anwendung von fipronil- und methoprenhaltigen Tierarzneimitteln wird
daher als gering angesehen.
Gefahr durch häufigen nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch
Die Ursachen von nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch waren in den meisten Fällen ein
Nichtbeachten des vom Zulassungsinhaber empfohlenen Behandlungsschemas, Unter- und
Überdosierung sowie die Verabreichung auf eine von der Fachinformation abweichende Art (ungeeignete topische Anwendung, Verabreichung oral oder ins Auge).
In der Fachinformation der Kombinationspräparate sind umfangreiche Vorsichtsmaßnahmen
sowie Hinweise zum Schutz der behandelten Tiere formuliert. Diese entsprechen denen der Monopräparate und werden als ausreichend erachtet.
In seltenen Fällen wurde die Kombination an Nicht-Zieltierarten verabreicht.
Anwendung bei Nicht-Zieltierarten
Fipronil hat eine geringe therapeutische Breite bei Kaninchen, Igeln und Hühnervögeln und ist
bei Kaninchen und Hühnervögeln kontraindiziert (Löscher et al., 2014). Das Kaninchen als Hobbytier wird häufig gehalten (geschätzte 5,1 Millionen Kleintiere [Meerschweinchen, Kaninchen,
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Goldhamster] 2015 in Deutschland)1 und auch ggf. mit Hunden und Katzen im selben Haushalt.
Daher wird in allen fipronilhaltigen Präparaten die Gegenanzeige „Nicht bei Kaninchen anwenden, da es zu Unverträglichkeiten, u. U. auch mit Todesfolge, kommen kann.“ aufgeführt.
Im spontanen Meldesystem gibt es eine geringe Anzahl Meldungen zur Anwendung bei NichtZieltierarten. Die bei den betroffenen Kaninchen am häufigsten aufgetretenen Symptome waren
Anorexia, Lethargie, Konvulsionen und Tod. Diese Symptome entsprechen dem pharmakologisch-toxikologischen Profil von Fipronil bei dieser Tierart. Die Inzidenz für Kaninchen beträgt
0,00006 % für beide PSUR-Intervalle.
Im direkten Vergleich mit apothekenpflichtigen fipronilhaltigen Monopräparaten zeigt sich, dass
die Inzidenz für Kaninchen bei einer Apothekenpflicht von Fipronil nicht signifikant höher ist.
Anwendung bei Lebensmittel liefernden Tieren
Fipronil und auch Methopren ist nicht für die Anwendung bei Lebensmittel liefernden Tieren
zugelassen. Daher ist die Gegenanzeige „Nicht bei Tieren anwenden, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen.“ aufgeführt. Eine häufige Anwendung bei Lebensmittel liefernden Tieren ist
unwahrscheinlich (Indikationen, Körpergewicht, Kontraindikationen). Es liegen keine Daten aus
dem spontanen Meldesystem oder der Literatur über eine gehäufte missbräuchliche Anwendung
der Kombination vor.
Zusammenfassend kann man davon ausgehen, dass die Gefahr durch häufigen nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch gering ist.
Erschwerung späterer diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen
Es besteht die Möglichkeit der Verwechslung einer häufig vorkommenden lokalen Reaktion auf
Inhaltsstoffe des Tierarzneimittels mit lokalen Hautirritationen an der Applikationsstelle bis zu
einer lokalen Dermatitis mit Juckreiz und einer durch Flohbisse ausgelösten Flohspeichelallergie.
Diese tritt durch die allergenen Bestandteile des Flohspeichels auf. Symptome sind generalisierter Juckreiz, papulokrustöse Dermatitis, Lymphknotenschwellungen (bei der Katze) und Sekundärinfektionen, Schuppen und Haarausfall durch Kratzen. Charakteristisch ist die Lokalisation
auf dem Rücken in der Lumbosakralregion, am Unterbauch, den Flanken und der Innenseite der
Oberschenkel und am Hals. Die Therapie besteht unter anderem in der Flohbekämpfung (Reedy
et al., 2002). Die meisten Tierhalter wissen, dass ihr Tier mit Flöhen befallen werden kann und
werden bei sich entwickelndem Juckreiz das Tier auf Flöhe untersuchen. Die meisten Tierhalter
behandeln die Flöhe, ohne den Tierarzt aufzusuchen (Reedy et al., 2002).
Eine Indikation für Fipronil und Methopren ist die Anwendung des Tierarzneimittels als Teil
einer Behandlungsstrategie zur Behandlung und Kontrolle der Flohstichallergie. In Fällen, in
denen der Tierhalter die Symptome nicht in den Griff bekommt, ist davon auszugehen, dass er
einen Tierarzt konsultieren wird. Die Diagnose wird durch eine Vorbehandlung nicht erschwert
oder überlagert. Zudem sind fipronilhaltige Monopräparate mit der gleichen Indikation seit 2001
apothekenpflichtig.
Schlussfolgerung
2001 wurde Fipronil aus der Verschreibungspflicht entlassen. Es liegen somit langjährige Erfahrungen zu einem Vertrieb über die Apotheke vor. Die Präparate, die die Kombination von Fipronil und Methopren enthalten, wurden 2003 erstmals zugelassen. Anwendungsgebiete, Darreichungsform und Art der Anwendung sind nahezu identisch mit denen der Monopräparate.
Durch die Kombination mit Methopren ist von keiner Änderung des Sicherheitsprofils auszugehen. Die PSURs der Kombinationspräparate zeigen, dass keine unerwarteten Wechselwirkungen
1
http://www.ivh-online.de/de/der-verband/daten-fakten.html
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aufgetreten sind oder sich ein anderes toxikologisches Profil gegenüber den Monopräparaten
entwickelt hat.
Fazit
Das Risiko für die Gesundheit des behandelnden Menschen, des Tieres oder der Umwelt durch
die Entlassung der Kombination von Methopren und Fipronil aus der Verschreibungspflicht
wird als gering angesehen. Es ist nicht von einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch in erheblichem Umfang auszugehen und die Anwendung erfordert keine vorherige tierärztliche Diagnose.
Daher werden die Voraussetzungen nach § 48 Absatz 2 Nummer 3 des Arzneimittelgesetzes als
erfüllt angesehen und die Entlassung der Kombination von Fipronil und Methopren aus der Verschreibungspflicht empfohlen.
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