DAS SOLARE REGIERUNGSVIERTEL BERLIN Die Bundesbauten im Spreebogen – ein technischer Überblick Bernhard Lützke Der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung hatten für die Gebäude des Bundes im Berliner Spreebogen weitreichende ökologieorientierte Ziele gesetzt und hierbei die Erwartung geäußert, dass wenigstens 15 % des Energiebedarfs der zu versorgenden Bauten aus regenerativen Quellen gedeckt werden. Die Bundesbaugesellschaft und die von ihr beauftragten Planer haben daher für die Gesamtheit der Regierungs- und Parlamentsbauten im Spreebogen ein umweltfreundliches, zukunftweisendes Energieversorgungskonzept entwickelt, demzufolge alle Gebäude in einem Strom-, Wärmeund Kälteverbund mit Nutzenergie versorgt werden. Bild 1: Kanzleramt 8 Solarzeitalter 3/2002 ENERGIEVERSORGUNGSKONZEPT ENERGIEBEDARF ie planerischen Prognosen für den Nutzenergiebedarf lassen erkennen, dass die Gebäude in energetischer Hinsicht vor allem ein Strom-"Problem" darstellen; d.h., der Jahresenergiebedarf an Strom ist größer als an den Nutzenergien Wärme oder Kälte. Das ist besonders für Verwaltungsgebäude typisch und unterscheidet sie von Wohngebäuden. Anders sind die Verhältnisse bei der jeweils benötigten Maximalleistung, die bei der Installation der benötigten Maschinen und Systeme berücksichtigt werden muss. So wird an sehr kalten Wintertagen der Wärmeleistungsbedarf den Stromleistungsbedarf deutlich übersteigen. D Im Mittelpunkt eines ökologisch und wirtschaftlich orientierten Energieversorgungskonzepts für Verwaltungsgebäude muss die Erzeugung des benötigten Stroms stehen, zumal die Stromversorgung sowohl beim Primärenergieaufwand als auch bei der Maschinentechnik und der Versorgungszuverlässigkeit die höchsten Anforderungen stellt. Das Energieversorgungskonzept umfasst daher im wesentlichen folgende Komponenten: – dezentrale Blockheizkraftwerke (BHKWs) zur gekoppelten Produktion von Strom und Wärme für die Grundlast sowie für einen möglichen autarken Betrieb, Bild 2: Dachintegrierte PV-Anlage im Paul-Löbe-Haus DAS SOLARE REGIERUNGSVIERTEL BERLIN Bild 3: Bundespresseamt – Pflanzenöl in Form von Pflanzenölmethylester (PME, allgemein als "Biodiesel" bekannt) als Treibstoff für die BHKWs (Der BiodieselEinsatz ermöglicht einen Anteil von ca. 80 % an regenerativer Energie), – Strombezug aus dem öffentlichen Netz 1. für die Spitzenlast und zur Erhöhung der Netzstabilität, 2. für die Ersatzstromversorgung durch Anschlüsse an zwei unabhängige Hochspannungssysteme, – Energieverbund (Strom, Wärme, Kühlung) der Gebäude des Deutschen Bundestages, – Anbindung des Kanzleramts an den Wärmeverbund / Wärmespeicher, – Einbeziehung zweier voneinander unabhängiger, saisonaler AquiferEnergiespeicher innerhalb des Energieverbundes zur 1. Speicherung momentan überschüssiger BHKW-Abwärme (Wärmespeicher), 2. Speicherung von Umweltkälte des Winters zur Verwendung für die Kühlung der Gebäude im Sommer (Kältespeicher), 3. Abführung und Speicherung von Kältemaschinenabwärme zur Nutzung als Wärmequelle für Wärmepumpen in den Wintermonaten Bild 4: Lehrter Bahnhof (Kältespeicher), – Absorptionskältemaschinen/-wärmepumpen, Kühlungsanlagen zur Raumluft-behandlung - jeweils mit BHKW-Abwärme angetrieben, – Photovoltaik in erheblichem Umfang, um diese Zukunftstechnologie zu fördern. Die Bestandteile dieses Energiekonzepts wirken zusammen und bauen funktionell und v. a. hinsichtlich der Dimensionierung aufeinander auf. Bei der Energieversorgung kann damit ein Höchstmaß an Primärenergieausnutzung und ökologischer Qualität realisiert werden. ENERGIEVERBUND Zum Ausgleich der unterschiedlichen Bedarfsverläufe der einzelnen Gebäude sowie zur besseren Auslastung der Energieerzeugungsmaschinen und der Wärme-Kältespeicher ist ein energetischer Verbund zwischen den Gebäuden des Deutschen Bundestages im Spreebogen vorgesehen. Dieser Verbund ist ein entscheidender Bestandteil der gesamten Energieversorgung. Im Zusammenwirken mit den anderen Bestandteilen ermöglicht er – weitgehende Ausschöpfung des vorhandenen Potenzials für die Verwendung der Abwärme der Stromproduktion in Kraft-Wärme-Kopplung, – maximale Auslastung, d.h. wirtschaftliches Optimum bei größerer BHKW-Gesamtkapazität, – Beherrschung von Störfällen in der Energieversorgung, weil die Gesamtleistung von verschiedenen Erzeugern erbracht wird. WÄRME- UND KÄLTESPEICHER AUF DER GRUNDLAGE VON WASSERLEITERN (AQUIFERE) Eine Besonderheit des Konzeptes ist die Einbindung je eines saisonalen Wärmeund Kältespeichers, die beide nach dem selben Grundprinzip, aber technisch voneinander völlig getrennt wirken: Im Untergrund vorhandene, natürliche Wasserleiter (Aquifere) werden genutzt, um Wärme bzw. Kälte zu speichern. Die wasserführende Schicht wird durch zwei ausreichend voneinander entfernte Bohrungen erschlossen, so dass insgesamt ein Kreislaufsystem entsteht, durch das das Wasser des Aquifers zirkuliert. Der Wärmespeicher bildet eine nutzbare Schicht aus porösem Sandstein in ca. Solarzeitalter 2/2002 9 DAS SOLARE REGIERUNGSVIERTEL BERLIN natürliche Temperatur abgekühlt - anschließend über die erste Bohrung in die tiefgelegene Erdschicht verpresst, von wo aus es im Sommer wieder entnommen werden kann. Für den Kältespeicher wird das "normale" Grundwasser in einer Tiefe von ca. 60 m genutzt. Hier sind zur Erhöhung der förderbaren Wassermenge zwei Bohrungsgalerien mit je 5 Bohrungen angelegt. Die Funktion ist die gleiche wie beim Wärmespeicher, nur dass es hier auf die Nutzung des Kaltwasserreservoirs ankommt: Während winterlicher Frostperioden wird Grundwasser an der kalten Außenluft mittels spezieller Trockenkühler auf ca. 5° abgekühlt und wieder in den Untergrund eingeleitet. Dieses Kältereservoir wird im Sommer zur Kühlung der Gebäude benutzt. Bei beiden Speichern bleibt die eingelagerte Energie weitgehend ortsstabil, da die Aquifere im Spreebogen keiner nennenswerten Abdrift unterliegen. PHOTOVOLTAIK Bild 5: Wärme- und Kältespeicher auf der Grundlage von Wasserleitern (Aquifere) 280 bis 320 m Tiefe, die salzhaltiges Wasser (Sole) enthält. Zur Wärmespeicherung wird die Sole mit einer natürlichen Temperatur von ca. 20° C durch einen Brunnen und ein Rohrleitungssystem (erste Bohrung) nach oben gefördert und in Wärmetauschern durch die Abwärme des Heizkraftwerks erwärmt. Durch einen zweiten Brunnen wird das aufgeheizte Speichermedium wieder in den Untergrund eingeleitet, wodurch sich der Sole-Kreislauf schließt. Im Umfeld dieser zweiten Bohrung entsteht 10 Solarzeitalter 3/2002 Entsprechend dem Willen des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung, einen erheblichen Anteil regenerativer Energien zu verwirklichen und dem Einsatz entsprechender Techniken beispielhaft Vorschub zu leisten, werden bei den Gebäuden architektonisch möglichst günstig integrierte Solarzellen zur Stromerzeugung vorgesehen. Der photovoltaisch erzeugte Strom wird in das allgemeine Elektroenergiesystem der Gebäude eingespeist. im Aquifer durch die Zufuhr der erwärmten Sole in die Erdschicht ein allmählich größer werdender Bereich mit erhöhter Temperatur (bis zu 65° C). Die in Tabelle 1 aufgeführten Anlagen sind vorgesehen und bereits fertiggestellt bzw. in Produktion. Zur Wärmeausspeicherung im Winter wird die Strömungsrichtung innerhalb dieses Kreislaufs umgekehrt, das heißt, das warme Wasser wird aus der zweiten Bohrung wieder nach oben gefördert. Es gibt seine Wärme über einen Wärmetauscher an die haustechnischen Systeme ab und wird - jetzt wieder fast auf die MARIE-ELISABETH-LÜDERS-HAUS Durch die Einbindung in das übergeordnete Technikverbundsystem der Parlamentsbauten ist auch im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus für eine Minimierung der Umweltbelastung gesorgt: Eine effiziente Wärmedämmung und der Ein- DAS SOLARE REGIERUNGSVIERTEL BERLIN satz regenerativer Energiequellen sollen eine nachhaltige Senkung des Energieverbrauchs bewirken. Thermoaktive Decken werden eine gezielte Wärmelastabfuhr ermöglichen und dadurch die Lüftungsanlage entlasten. Das zentrale Blockheizkraftwerk mit Standorten im Reichstagsgebäude und im Paul-LöbeHaus gewährleistet durch Ausnutzung von Primärenergie neben ökologiegerechter Wärme- und Kälteerzeugung zugleich die Erzeugung von Eigenstrom zur Entlastung des öffentlichen Netzes. JAKOB-KAISER-HAUS Ebenso wie in den anderen Parlamentsund Regierungsbauten werden auch beim Jakob-Kaiser-Haus zukunftsweisende ökologische Konzepte umgesetzt. Hierbei steht die Versorgung auf der Ba- Tabelle 1: Photovoltaikanlagen auf den Regierungsbauten. Reichstagsgebäude Dorotheenblöcke Paul-Löbe-Haus Bundeskanzleramt Summe Spreebogen Modulfläche max. Leistung m2 kWpeak 321 419 3.302 1.392 5.434 38 46 123 164 370 sis von Blockheizkraftwerken im Vordergrund und die Minimierung des Heizenergiebedarfs durch erhöhte Wärmedämmung. Die Senkung des Strombedarfs soll u.a. durch energieeffiziente Beleuchtung, Energieverteilsysteme und Tageslichtumlenksysteme erzielt werden. Jahres-StromErzeugung kWel/a 30.600 32.200 65.000 135.000 262.800 Dipl.-Ing. Bernhard Lützke, Leiter Energieversorgung und Haustechnik, Bundesbaugesellschaft Berlin mbH Weitere Informationen unter www. bundesbaugesellschaft.de KONFERENZBÄNDE ÜBER SOLARENERGIE IN ARCHITEKTUR UND STADTPLANUNG Hiermit bestelle ich Exemplar(e) des Konferenzbandes: DAS SOLARE REGIERUNGSVIERTEL – EINE BRÜCKE INS SOLARZEITALTER, Internationales Architektur-Symposium 2002 (E.T. November 2002) zum Preis von 30,- € (EUROSOLAR-Mitglieder 25,- €) Exemplar(e) des Konferenzbandes: DIE KOSTEN DES SOLAREN BAUENS, 1. Konferenz, 2001 zum Preis von 18,- € (EUROSOLAR-Mitglieder 15,- €) Exemplar(e) des Konferenzbandes: DIE STADT ALS SONNENKRAFTWERK, 6. Konferenz, 2000 zum Preis von 60,- € (EUROSOLAR-Mitglieder 50,- €) Exemplar(e) des Konferenzbandes: EIN NEUES JAHRHUNDERT BAUEN, 5. Konferenz, 1998 zum Preis von 58,- € (EUROSOLAR-Mitglieder 48,- €) Name, Vorname _______________________________________________ Mitglieds-Nr. _________________ PLZ, Ort, Straße ____________________________________________________________________________ Datum, Unterschrift ____________________________________________________________________________ Bitte senden oder faxen an: EUROSOLAR e.V., Kaiser-Friedrich-Str. 11, 53113 Bonn, Fax: 0228-361279 Solarzeitalter 2/2002 11