“Makroskopische” Größen 1. Diamagnetische Drift

Werbung
5. Übung zur Einführung in die Plasmaphysik
Prof. Kaufmann, WS 98/99
Lösungen
“Makroskopische” Größen
Durch Mittelung im Geschwindigkeitsraum
1
x f r v d3 v ; n
f r v d3 v
n
erhält man aus der Verteilungsfunktion f r v die ortsabhängigen “makroskopischen” Größen:
Strömungsgeschwindigkeit u
v
Teilchenstrom
nu n v
Temperatur
kB T
m 3
v u2
Drucktensor
Pi j m n
vi ui v j u j
Der Drucktensor beschreibt den Impulsübertrag durch die thermische Bewegung. Ein Index
gibt die Richtung des übertragenen Impulses, der zweite Index die Richtung in welche der
Impuls übertragen wird. Beide Indizes sind vertauschbar, da der Drucktensor symmetrisch ist.
Die Diagonalelemente beschreiben den hydrostatischen Druck, den (doppelten) Mittelwert der
kinetischen Energie pro Volumen. Die Nebendiagonalelemente geben den Mittelwert des in
“verscherter” Richtung übertragenen Impulses wieder. Im thermischen Gleichgewicht ist die
thermische Bewegung in orthogonalen Richtungen unkorreliert ( vi ui v j u j
0 j
i) und die Nebendiagonalelemente verschwinden. In diesem Fall wird die thermische Bewegung
durch eine Temperatur, bzw. je eine Temperatur für die Bewegung senkrecht und parallel zum
Magnetfeld, beschrieben. Dann ist der Drucktensor (B ẑ):
x
Pi j
n kB
T
0
0
0
T
0
0
0
T
Wenn jetzt auch noch (durch Stöße) die Senkrecht- und Parallel-Bewegung untereinander
im thermischen Gleichgewicht sind, wird der Druck eine skalare Größe, p nkB T .
1. Diamagnetische Drift
Wir untersuchen zunächst, wie die Kraftbilanz
mn
u
t
u
u
ne E
u
B
P
unter der Annahme eines gegen die Gradientenlängen kleinen Gyroradius vereinfacht werden kann. Dazu drücken wir die Grössenordnung der einzelnen Terme als Potenzen von krg aus,
wobei rg der Gyroradius und k die inverse characteristische Länge des Systems ist: k L 1
B B.
Die (gerichtete) Flüssigkeitsgeschwindigkeit u ist von der Größenordnung einer TeilchenDriftgeschwindigkeit, (da über die zwar hohe, aber ungerichtete thermische Geschwindigkeit
gemittelt wurde):
1
Wth B mv
B
v
rg v k vt k rg
2
e B
eB
B
wobei vt die thermische Geschwindigkeit ist. Dann ist die Lorentz-Kraft (mittlerer Term auf
der rechten Seite) von der Grösse (mit B m c e)
u
neuB
mn
c vt
k rg
m n vt2 k
Die Coulomb-Kraft haben wir nicht festgelegt und müssen sie daher weiterhin berücksichtigen.
Die Zeitableitung (erster Term auf der linken Seite) hat die Größenordnung ( t i ,
charakteristische Zeitskala 1 )
mn
u
m n vt k rg
t
1 betrachten und können damit die Zeitableitung ver-
Wir wollen nur Zeitskalen
c
nachlässigen.
Der zweite Term auf der linken Seite hat die Größenordnung (Gradient entspricht Division
durch charakteristische Länge)
m n u grad u
m n vt k rg
2
k
Wir benutzen nun, daß krg 1 und können damit auch diesen Term vernachlässigen.
Damit ergibt sich, daß die Lorentzkraft allein durch die elektrostatische Kraft und den
Druckgradienten kompensiert wird:
ne E
u
B
P
Die Geschwindigkeit u tritt nun nur einmal auf, und es kann durch das Vektorprodukt mit
B nach u aufgelöst werden. Wir schreiben außerdem
P als p. Ein skalarer Druck (anstelle eines Drucktensors) bedeutet, daß zeitliche Ausgleichsvorgänge unbedeutend sind (vernachlässigte Nebendiagonalelemente) und daß die Temperatur isotrop ist, d.h. T
T
T.
ne E
B
u
B
B
p
B
Der zweite Term auf der linken Seite kann mit Hilfe der Vektorformel
B C
2
A B C
A C B A B C aufgelöst werden. Nach Division durch B haben wir:
B uB B
p
2
2
B
neB
Die Komponente dieser Gleichung parallel zum Magnetfeld ist trivial erfüllt, da der erste
und der dritte Term auf der rechten Seite keine Parallelkomponente haben und der mittlere Term
(parallel zu B) einfach u ergibt.
Die Komponente senkrecht zum Feld lautet:
u
E
A
B
B2
B
p
2
neB
Dies ist die Flüssigkeitsgeschwindigkeit senkrecht zum Magnetfeld. Der erste Term auf der
rechten Seite beschreibt die bekannte E B-Drift. Der zweite Term ist eine Drift, die durch
u
E
B
B2
2
einen Druckgradienten p hervorgerufen wird und senkrecht zu p und B steht, die sog. diamagnetische Drift.
Da das Vorzeichen der Ladung die Richtung der diamagnetischen Drift bestimmt, ist auch in
einem neutralen Plasma (zwei Teilchensorten mit unterschiedlicher Ladung) mit ihr ein Strom
verbunden, der diamagnetische Strom.
Die Namensgebung drückt aus, daß das durch den diamagnetischen Strom hervorgerufene
Magnetfeld entgegengesetztes Vorzeichen zum äußeren Magnetfeld hat und das gesamte Magnetfeld daher absenkt.
In einer zylindrischen Plasmasäule (Achse B),
ist der diamagnetische Strom jd ein Ringstrom
um die Achse und das von ihm erzeugte Feld B j
(mit
Bj
0 jd ) antiparallel zur Achse und
zu B.
Das diamagnetische B-Feld kann zur Diagnostik des Plasma-Energieinhalts verwendet werden (integrierter Plasmadruck). Wenn um das das Plasma eine Spule so gelegt wird, daß die
Normale der eingeschlossenen Fläche parallel zum Magnetfeld liegt, wird bei Änderung des
magnetischen Flusses
BdA eine Spannung induziert:
B
dA
t
Durch zeitliche Integration und Abziehen des Vakuum-Magnetfeldes kann das durch den
diamagnetische Strom erzeugte Feld Bd gemessen werden. Bd ergibt sich aus dem Biot-Savartschen Gesetz:
˙
U
j 3
d r
4 r3
r ist der Abstand zwischen Stromelement und Aufpunkt. Es muß über das ganze Plasmavolumen integriert werden. Bei bekannter Plasmaform kann auf den Mittelwert des Druckgradienten und den Gesamtdruck im Plasma geschlossen werden.
Bd
0
2. Drift im inhomogenen B-Feld
Auf den ersten Blick schienen Teilchen- und Flüssigkeitsbild verschiedene Resultate zu liefern,
da - bis auf die E B-Drift - die Driftterme verschieden sind. Das Beispiel illustriert jedoch,
daß Sachverhalte in beiden Bildern gleichermaßen beschrieben werden können.
(a) Teilchenbild
Das Plasma sei im Innern stromlos, d.h. das gegebene Feld (Feldstärke B B0 R0 R) wird allein
durch äußere Spulen erzeugt. Die Geschwindigkeit der kombinierten B- und Krümmungsdrift
eines Gyrozentrums ist dann:
m v2
vGz
v2 2
eB3
B
B
3
kB T T
eBR0
b
2kB T
b
eBR0
wobei b B B. Mit dieser Geschwindigkeit bewegen sich die Gyrozentren, je nach Ladung,
auf die obere oder untere Endplatte zu. Jede Teilchensorte sorgt damit für die Ansammlung einer
Flächenladung ( s: Ladung pro Flächeneinheit, n: Teilchendichte) mit der Rate
d s
2nkB T
2p
evGz n
dt
BR0
BR0
wobei p der kinetische Druck p nkB T ist. Das Vorzeichen gilt jeweils für positive oder
negative Ladung.
Existieren zwei Teilchensorten mit gleicher Dichte, ist das Volumen der Kammer neutral
und eine Ladung besteht nur auf den Endplatten.
(b) Flüssigkeitsbild
Ein Plasma mit einem gegebenen Druck in einem endlichen Volumen (und verschwindendem
Druck außerhalb) muß an seiner Peripherie einen Druckgradienten aufweisen.
In der Schicht, in der ein Druckgradient herrscht, fließt der diamagnetische Strom
jd
B
enud
p
B2
Zur Vereinfachung nehmen wir an, daß am Plasmarand ein konstanter Druckgradient herrscht
und im Zentrum der Druckgradient verschwindet.
Die Änderung der Volumenladungsdichte in der diamagnetischen Randschicht ist durch
die Kontinuitätsgleichung gegeben:
d
j
dt
In den axialen Zylinderoberflächen, die das Plasmavolumen zur Torusinnen- und Außenseite
hin begrenzen wird keine Ladungsdichte erzeugt, da der Druckgradient und der Magnetfeldgradient parallel bzw. antiparallel sind.
Nur in den Stirnflächen entsteht eine Ladungsdichte, da der Druckgradient in Achsenrichtung und der Magnetfeldgradient radial verläuft.
d
dt
j
1 d
R
R
R dR
R0 B0
p
1
p
2R
R
R0 B0
2 p
R0 B0
Die Änderung der Flächenladung ergibt sich durch Integration über die schmale Randschicht: s
dr, so daß bei konstantem Druckgradienten in der Randschicht (Breite ):
d s
2 p
2p
dt
BR0
BR0
wobei p der Druck im Plasmainnern ist. Dieses im Flüssigkeitsbild gewonnene Resultat
ist mit dem Ladungsaufbau durch die B- und Krümmungsdrift im Teilchenbild (Aufgabe a)
identisch.
Veranschaulichung: Teilchen- und Flüssigkeitsdriften
Teilchen- und Flüssigkeitsbild können, obwohl unterschiedliche Gleichungen die Driften beschreiben, in konkreten Fällen zum gleichen Ergebnis kommen. Die Flüssigkeits-Geschwindigkeit
und die Gyrozentrums-Geschwindigkeit sind nämlich nicht identisch und dürfen nicht verwechselt werden!
4
Wir veranschaulichen das Entstehen einer Flüssigkeitsdrift an einem Extremfall, nämlich
dem Fall ruhender Gyrozentren. Wir betrachten zwei Spezialfälle, nämlich einen Dichtegradienten bei konstanter Temperatur und einen Temperaturgradienten bei konstanter Dichte (B
const. in beiden Fällen):
(a) T const., n 0
jd 0
(b) T 0, n const.
jd 0
B
n
B
T
jd
jd
3. Grad-B Drift im Flüssigkeitsbild?
Warum entspricht der B-Drift keine Flüssigkeitsdrift? Die (gerichtete) B-Drift der Gyrozentren addiert sich zur Bahnbewegung. Dennoch verschwindet die Flüssigkeitsgeschwindigkeit,
da sie durch eine diamagnetische Drift ausgeglichen wird, die ihren Ursprung in dem Unterschied der Dichte der Gyrozentren und der Teilchen bei endlichem Magnetfeldgradienten (Gradient im Gyroradius) hat.
(c) T const., n const.
y
B
B
v=0
v
B
ux, Vgc=0
x
Betrachten wir den Zusammenhang zwischen der Dichte der Gyrozentren und der Teilchen.
Der Teilchenort (Koordinate in Richtung von B) ist für die in der Abbildung gewählte Feldrichtung
y
yGz
vx
c
wobei vx die Momentangeschwindigkeit in x-Richtung ist. Für die Dichteintegration benötigen wir den Zusammenhang zwischen Gyrozentrums- und Teilchenort:
dyGz
dy
1
vx m dB y
eB2 y dy
5
1
vx 1 dB y
c B dy
In dieser Näherung werten wir c am Ort des Gyrozentrums aus.
Wie hängen nun die Teilchen- und die Gyrozentrums-Verteilungsfunktionen f bzw. fGz zusammen? Da beide Koordinaten dasselbe physikalische System und damit dieselbe Anzahl von
Teilchen beschreiben sollen, haben wir:
f y v dy
fGz yGz v dyGz
Dies soll für beliebige Integrationsgrenzen gelten. Daher müssen die Integranden gleich
sein:
f yv
dyGz
dy
fGz yGz v
fGz y
vx
v
vx 1 dB y
c B dy
1
c
(1)
Wir verwenden im folgenden unsere Annahme, daß die Gyrozentrumsdichte konstant ist,
d.h. fGz y vxc v
fGz y v . Die mittlere Flüssigkeits-Geschwindigkeit in x-Richtung ergibt
sich als
ux
1
n
1
n
d3 v f y v
d3 v fGz vx 1
vx 1 dB y
c B dy
Das Integral über den ersten Term in der Klammer verschwindet, da der Integrand eine
ungerade Funktion ist. Es bleibt:
1
1 dB y
d3 v fGz v2x
n
c B dy
Man kann nun eine spezielle Form der Verteilungsfunktion annehmen, z. B. eine MaxwellVerteilung, und das Integral berechnen. Wir wollen nun jedoch zuerst formal die mittlere Geschwindigkeit durch die B-Drift der Gyrozentren berechnen:
ux
u
B
1
n
d3v fGz v
B
1
n
d3 v fGz
mv2 dB y
2eB2 dy
1
n
d3 v fGz
m v2x v2y dB y
2eB2
dy
Durch die Drift in x-Richtung sind v2x und v2y leicht unterschiedlich. Wir können
aber mit v B vx vy diesen Unterschied vernachlässigen und erhalten
u
B
1
n
d3 v fGz
mv2x dB y
eB2 dy
ux
Die B-Drift der Gyrozentren und die diamagnetische Drift aufgrund des Dichtegradienten
der Teilchen im inhomogenen B-Feld heben sich also auf.
Diamagnetische Drift bei inhomogenem Feld
Es ist interessant, noch die Flüssigkeitsdrift bei gleichzeitiger Anwesenheit von Dichte (Druck) und B-Feld- Gradienten direkt aus der Verteilungsfunktion zu berechnen. Dazu gehen wir zu
Gl. (1) zurück und entwickeln die Verteilungsfunktion nach dem Ort (“Linearisieren”). Dann
folgt:
f yv
fGz y v
vx d fGz
c dy
1
vx 1 dB y
c B dy
6
fGz
vx d fGz
c dy
vx 1 dB y
fGz
c B dy
wobei wir den quadratischen Term 2. Ordnung weggelassen haben. Für die Berechnung der
Flüssigkeitsgeschwindigkeit ux
f vx dv f dv nehmen wir für f eine Maxwell’sche Geschwindigkeitsverteilung an. Im eindimensionalen Fall (alle Geschwindigkeitselemente haben
gleiches Gewicht) gilt:
mv2x
2kB T
m
n y exp
2 kB T y
f y vx
Im Integral fällt der erste Term weg (ungerader Integrand). Für den zweiten Term benötigen
d f y vx
wir die Ableitung von f nach y (Notation: f
dy :
n
1 T
mv2x T
f
f
f
n
2 T
2kB T T
Für die Integration entnehmen wir der Integraltabelle:
f
e
a2 x 2
dx
x2 e
2a
0
a2 x 2
dx
4a3
0
a2 x 2
x4 e
dx
3
8a5
0
und erhalten für den zweiten Term (mit a2
m 2kB T ):
n
1T
3T
T
T
T
nT
n
2T
2T
Nach Integration auch des dritten Terms ergibt sich:
v2x f
ux
1 dp
neB2 dy
nT
1
n
p
n
kB T dB
eB2 dy
Der linke Term ist die bekannte diamagnetische Drift, der rechte Term gleicht die überlagerte Drift der Gyrozentren aus (s.o.).
Schlußfolgerung:
Die Flüssigkeitsgeschwindigkeit ist der Mittelwert der Geschwindigkeit aller in einem Volumenelement sich befindenen Teilchen, nicht der Gyrozentren. Die Gyrozentrums-Geschwindigkeit
kann zur Flüssigkeitsgeschwindigkeit in einem Abstand von max. einem Gyroradius rg beitragen. Alle Geschwindigkeitsgradienten werden somit über eine Länge von einem Gyroradius
“verschmiert”. Die Standard-Flüssigkeitsgleichungen betrachten jedoch die lokale Geschwindigkeit (in einem infinitesimal kleinen Volumen) und ignorieren dadurch solche “endlicheLarmor-Radius”-Effekte.
7
Herunterladen