Der interessante Fall Raumforderung im äußeren Gehörgang bei Hörminderung und Tinnitus Anamnese & Bei einer 23-jährigen Patientin lagen seit 2 Monaten eine rechtsseitige Hörminderung und Tinnitus sowie progrediente Schmerzen im Bereich des rechten Mastoids vor. Vertigo bestand zu keiner Zeit. Sieben Jahre vor Auftreten der aktuellen Symptomatik hatte die Patientin sich einer lateralen Parotidektomie unterzogen. In der histologischen Aufarbeitung wurde ein pleomorphes Adenom diagnostiziert. Eine Revision der lateralen Parotidektomie erfolgte fünf Monate vor Auftreten der aktuellen Symptomatik, wobei ein Rezidiv des pleomorphen Adenoms nachgewiesen wurde. Seit der Revisionsoperation bestand eine Facialisparese House/ Brackmann IV ° der rechten Seite. Klinisches Bild und Verlauf & Bei der klinischen Untersuchung fand sich auf der rechten Seite eine von der hinteren Gehörgangswand ausgehende, den Gehörgang nahezu vollständig stenosierende derbe tumoröse Raumforderung. Des Weiteren lag auf der rechten Seite eine Facialisparese House/Brackmann IV ° vor. Im Tonschwellenaudiogramm zeigte sich eine Schalleitungsschwerhörigkeit rechts bei Normakusis der Gegenseite. Im Weber-Versuch zeigte sich eine Lateralisation nach rechts, der Rinne-Versuch war beidseits positiv. In der Computertomografie zeigte sich eine 3 cm große Läsion im rechten Warzenfortsatz. Diese Tumorformation durchbrach die Kortikalis zur hinteren Schädelgrube umschrieben und die Hinterwand des äußeren Gehörgangs flächenhaft. Die Septierungen innerhalb des pneumatischen Systems waren destru▶ Abb. 1). Die ventralen medialen iert. (● Tumorausläufer erreichten das 2. Facialisknie, eine Destruktion des Bogengangssystems lag jedoch nicht vor. Kernspintomografisch zeigte sich der Tumor mit lobulierter Außenkontur und inhomogenem Binnensignal, bei T2-Wichtung ▶ Abb. 2, signalreich, bei T1 signalarm. (● ▶ Abb. 3). Nach Kontrastmittelgabe trat ● ein starkes Enhancement auf. Ein Tumor- zapfen reichte in die hintere Schädelgrube und überwucherte den angrenzenden Sinus. Angiografisch waren der rechte Sinus transversus und sigmoideus, sowie die Vena jugularis interna nicht darstellbar. Eine vermehrte Vaskularisation des Tumors bestand nicht. Nach einer Probenentnahme aus dem rechten äußeren Gehörgang, in deren Rahmen histologisch ein epithelialer Tumor ohne Anhalt für Malignität nachgewiesen wurde, erfolgte aufgrund des ausgedehnten Befundes mit partieller Knochendestruktion und bestehender Facialisparese zum sicheren Ausschluss einer malignen Entität unter Facialis- Monitoring eine subtotale Petrosektomie mit Tumorentfernung. Intraoperativ fand sich ein Tumor, der nach außen durch die Mastoidspitze durchgebrochen war. Im Antrum selbst kein Tumornachweis, die Tumormassen begannen jedoch vom lateralen Bogengang ausgehend den N. facialis komplett zu ummauern. Der Tumor hatte sich von medial bzw. unter dem N. Abb. 1 Spiral-CT, axiale Darstellung: Weichteilformation im Mastoid rechts. Destruktion der Hinterwand des äußeren Gehörgangs und der Septen im Warzenfortsatz rechts. Abb. 2 Kernspintomografie, axiale T1Wichtung: Signalarme Tumorformation im rechten Warzenfortsatz mit konvexer Vorwölbung in die hintere Schädelgrube. facialis in Richtung des Mittelohrs ausgedehnt, konnte jedoch vom Stapes und vom runden Fenster entfernt werden. Der Knochen im Bereich der hinteren Schädelgrube war aufgebraucht, eine Infiltration der Dura lag jedoch nicht vor. Insgesamt gelang eine vollständige Entfernung des Tumors. In der histologischen Aufarbeitung des Gewebes konnten ausgedehnte Anteile eines biphasischen, teils epithelialen, teils myxoid-chondroiden Tumors nachgewiesen werden, welche am ehesten mit dem Vorliegen eines pleomorphen Adenoms der Ceruminaldrüsen ▶ Abb. 4). Die Durchvereinbar waren (● führung einer immunhistologischen Färbung zur Darstellung der proliferativen Aktivität mit dem Proliferationsmarker MIB-1 erbrachte eine geringe Proliferationsrate (unter 5 %). Hinweise auf ein Karzinom ergaben sich nicht. Diskussion & Glanduläre Neoplasien des äußeren Gehörgangs werden nur selten beobachtet. Diese morphologisch verschiedenen glandulären Tumoren wurden früher Abb. 3 Kernspintomografie, axiale T1-Wichtung mit Fettsuppression und Kontrastmittelgabe: Starkes Enhancement der Tumorformation. Der dorsale Tumoranteil überwuchert den Sinus transversus und sigmoideus und infiltriert die hintere Schädelgrube. Abb. 4 Histologie des pleomorphen Adenoms mit biphasischem, teils epithelialen teils myxoid-chondroidem Wachstumsmuster (Hämatoxylin-Eosin, 100-fache Vergrößerung). Willenborg KM et al. Raumforderung im äußeren Gehörgang bei … Laryngo-Rhino-Otol 2010; 89: 228–229 · DOI 10.1055/s-0029-1238305 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 228 unter dem Begriff „Zeruminom“ oder „Hidradenom“ zusammengefasst. Durch Wetli et al. (Wetli et al., Cancer 1972; 19: 1169–1178) wurde eine Klassifikation zur Differenzierung der Tumoren eingeführt. Es erfolgte eine Unterteilung in 4 Gruppen: das Adenom, das pleomorphe Adenom, das adenoidzystische Carcinom und das Adenocarcinom. Nach der aktuellen WHO-Klassifikation werden pleomorphe Adenome und Adenocarcinome als von den Ceruminaldrüsen stammend angesehen. Die Ceruminaldrüsen werden auch als modifizierte apokrine Schweißdrüsen bezeichnet und produzieren gemeinsam mit den Talgdrüsen das Cerumen. Es wird die Meinung vertreten, dass die pleomorphen Adenome der Ceruminaldrüsen von ektopem Gewebe der Speicheldrüsen ihren Ausgang nehmen. Der Nachweis von ektopem Gewebe oder auch Metaplasien wurde bisher nur im Mittelohr nachgewiesen, dieser Nachweis fehlt bisher für den äußeren Gehörgang. Regulärer Bestandteil der kutanen Schweißdrüsen wie auch der Ceruminaldrüsen sind myoepitheliale Zellen. Diese sind für die Entstehung von Mischtumoren von Bedeutung. Zusammenfassend kann man also davon ausgehen, dass die pleomorphen Adenome ihren Ausgang von den Myoepithelien der ortsständigen Ceruminaldrüsen oder ihren Vorläufern nehmen. Pleomorphe Adenome der Ceruminaldrüsen sind seltene Tumoren (Selcuk et al., B-ENT 2007; 3: 195–199). Die Symptome bei Vorliegen eines pleomorphen Adenoms variieren sehr stark und sind abhängig von der Tumorgröße. Hauptsymptome sind eine Hörminderung, Otorrhoe, Schmerzen und ein Völlegefühl im Ohr. Aufgrund der Verlegung des äußeren Gehörganges werden die Tumoren in der Regel frühzeitig diagnostiziert. Beim Adenom und dem pleomorphen Adenom handelt es sich um primär gutartige Tumoren. Die Dignitätsbestim- mung der von den Ceruminaldrüsen abgeleiteten Tumoren ist möglich, die klinischen Konsequenzen sind jedoch umstritten. Einigkeit besteht hinsichtlich der hohen Wahrscheinlichkeit von Lokalrezidiven und Fernmetastasen bei Karzinomen, sodass eine radikale operative Therapie mit partieller oder totaler Petrosektomie und totaler Parotidektomie, eine mandibuläre Kondylektomie oder eine Bestrahlung notwendig sind (Wetli et al., Cancer 1972; 19: 1169–1178). Die Angaben in der Literatur bezüglich der therapeutischen Konsequenzen des pleomorphen Adenoms des äußeren Gehörgangs sind widersprüchlich. Während einige Autoren der Auffassung sind, dass pleomorphe Adenome grundsätzlich als potenziell maligne angesehen werden sollten und dementsprechend eine Behandlung und Therapie wie bei malignen Tumoren erfolgen sollte (Friedman, J R Soc Med 1990; 83: 34–37), halten andere Autoren eine Exzision im Gesunden für ausreichend (Teschner et al., Laryngorhinootologie 2006; 85: 444–447; Markou et al., Am. J. Otolaryngol. 2008; 29: 142– 146). Im vorliegenden Fall lagen eine seit 3 Monaten bestehende sensorineurale Schwerhörigkeit, ein Tinnitus sowie zunehmende Schmerzen im Bereich des rechten Ohres vor. Aufgrund der Verlegung des äußeren Gehörgangs, des in der Bildgebung nachgewiesenen destruierenden Wachstums und der vorliegenden Facialisparese erschien zunächst das in der intraoperativen Gefrierschnittdiagnostik gewonnene histologische Ergebnis des pleomorphen Adenoms nicht wahrscheinlich. Somit erfolgte die o. g. Therapie mit einer totalen Petrosektomie der rechten Seite. Dabei erfolgte eine Tumorentfernung im Gesunden, sodass es sich nicht um eine per continuitatem gewachsene Ausbreitung des rezidivierten pleomorphen Adenoms der Speicheldrüse handelte. Auch ein entlang des N. facialis gewachsenes adenoidzystisches Adenom wurde histologisch ausgeschlossen. Die totale Petrosektomie erfolgte, da in Analogie zu den pleomorphen Adenomen der Speicheldrüsen die Entwicklung eines „Carcinoma ex adenoma“ im Bereich des äußeren Gehörganges möglich ist. Der postoperative Verlauf gestaltete sich in diesem Fall komplikationslos, eine weiterführende Therapie wurde bei dem vorliegenden Befund nicht durchgeführt. Die auf die Voroperation zurückzuführende Facialisparese zeigte postoperativ keine Verbesserung. Da es beim primär gutartigen pleomorphen Adenom im zeitlichen Verlauf zu einer malignen Entartung kommen kann, ist nach erfolgter Resektion eine engmaschige Kontrolle zu empfehlen. Diagnose: Pleomorphes Adenom der Ceruminaldrüsen des äußeren Gehörgangs bei Z. n. pleomorphem Adenom der Glandula parotidea. Fazit & In dieser Arbeit wird der seltene Fall einer jungen Frau mit rezidiviertem pleomorphem Adenom der Glandula parotidea beschrieben, bei der zusätzlich ein pleomorphes Adenom der Ceruminaldrüsen des äußeren Gehörgangs auftrat. Die Angaben in der Literatur bezüglich der therapeutischen Konsequenzen des pleomorphen Adenoms des äußeren Gehörgangs sind widersprüchlich. Aufgrund der Möglichkeit einer malignen Entartung des pleomorphen Adenoms ist nach erfolgter Resektion eine engmaschige Kontrolle zu empfehlen. K. M. Willenborg, F. Götz, R. Klein, T. Lenarz, B. Schwab; Hannover Willenborg KM et al. Raumforderung im äußeren Gehörgang bei … Laryngo-Rhino-Otol 2010; 89: 228–229 · DOI 10.1055/s-0029-1238305 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Der interessante Fall 229