Schweizerische Vereinigung für Kleintiermedizin Association Suisse pour la Médecine des Petits Animaux Associazione Svizzera per la Medicina dei Piccoli Animali Swiss Association for Small Animal Medicine Positionspapier der SVK-ASMPA Leishmaniose April 2017 AUSGANGSLAGE LEISHMANIOSE DES HUNDES Leishmanien (einzellige Blutparasiten) verursachen bei Menschen und Hunden, seltener bei Katzen und anderen Tierarten, die sogenannte Leishmaniose. In Europa ist Leishmania infantum der Erreger der Leishmaniose beim Hund. Er ist in Südeuropa, im Nahen Osten und in einigen aussereuropäischen Regionen verbreitet. In Südeuropa, abhängig vom Vorhandensein der Sandmücken, sind bei bis zu 50 % aller Hunde Antikörper gegen Leishmanien im Blut nachweisbar. Dies bedeutet, dass der Hund mit dem Erreger infiziert wurde. Mehr als die Hälfte der infizierten Hunde zeigen jedoch keine Symptome, bleiben daher oft lange unerkannt und stellen eine Infektionsquelle dar. Aus Sicht der Veterinärmedizin ist vor allem die Leishmaniose des Hundes von Bedeutung. Aufgrund zunehmender Reiseaktivität mit Hunden sowie des vermehrten Imports aus Endemiegebieten (Regionen, in denen die Krankheit verbreitet ist) z. B. über Tierheime und Tierschutzorganisationen, ist die Leishmaniose zu einer der häufigsten Reiseerkrankungen beim Hund in Mitteleuropa geworden. Die Leishmanien werden durch den Stich blutsaugender Sand- oder Schmetterlingsmückenweibchen übertragen, welche in Südeuropa verbreitet vorkommen. Adulte Sandmücken sind dämmerungs- und nachtaktiv. Im Allgemeinen beginnt die Saison für Sandmücken in endemischen Gebieten im April und hält bis November an. Die Aktivität kann jedoch variieren. In der Südschweiz und in Süddeutschland wurden Sandmücken vereinzelt nachgewiesen. Nach einer Infektion durch die Sandmücken können 1 – 3 Monate bis einige Jahre vergehen, bis sich die Krankheit bemerkbar macht, dies abhängig von der immunologischen Abwehr des einzelnen Hundes. Einige infizierte Tiere erkranken nicht, andere zeigen Symptome wie Abgeschlagenheit, Leistungsschwäche, Apathie, chronische Abmagerung, Lymphknotenschwellung, schuppige Hautveränderungen, Haarausfall, übermässige Hornhautbildung (v. a. am Nasenspiegel und an den Pfotenballen) lange Krallen, Fieber, Lahmheit, Milz- und Lebervergrösserung, Nierenversagen, zentralnervöse Störungen oder Augenveränderungen. Der Krankheitsverlauf ist meistens chronisch und kann sich über mehrere Jahre erstrecken. Ein tödlicher Verlauf ist auch bei entsprechender Behandlung möglich. 1 Schweizerische Vereinigung für Kleintiermedizin Association Suisse pour la Médecine des Petits Animaux Associazione Svizzera per la Medicina dei Piccoli Animali Swiss Association for Small Animal Medicine Die Verdachtsdiagnose erfolgt durch Vorbericht eines Aufenthaltes in einem betroffenen Gebiet, durch typische klinische Symptome sowie durch veränderte blutchemische Befunde. Sie wird mit Laboruntersuchungen bestätigt. Hierfür kann der Erregernachweis indirekt stattfinden (Antikörper-Nachweis im Blut) oder direkt, durch Erregernachweis aus Lymphknoten-, Milz- oder Knochenmarkpunktaten. VORBEUGENDE MASSNAHMEN Vorbeugende Massnahmen gegen Stiche der Sandmücken werden empfohlen, um das Risiko einer Übertragung von Leishmanien zu verringern. Dazu gehören Massnahmen, die eine Exposition von Hunden gegenüber Sandmücken vermindern. In der Schweiz lebende Hunde sollten nicht in Regionen mitgenommen werden, in denen die Leishmaniose vorkommt. Lässt sich dies nicht vermeiden, sollten die Tiere vor Ort nach Einbruch der Abenddämmerung (wenn die Mücken am aktivsten sind) im Haus gehalten werden. Fenster und Türen von Räumen, in denen Hunde untergebracht sind, sollten mit engmaschigen Mückennetzen gesichert werden. Darüber hinaus wird der Einsatz von Insektiziden mit Geruchswirkung (sogenannte Repellentien) empfohlen. Die regelmässige Anwendung dieser Wirkstoffe während der gesamten Saison der Sandmücken kann das Risiko einer Infektion mit L. infantum deutlich verringern, jedoch keinen hundertprozentigen Schutz gewährleisten. Geeignete Präparate gegen Sandmücken sind in der Tierarztpraxis erhältlich. Die Schutzwirkung tritt innerhalb weniger Tage ein und hält je nach Präparat 2 – 4 Wochen (spot-on 2 Präparate mit Permethrin oder PermethrinKombinationen) oder 5 – 6 Monate (Deltamethrin-Halsband) an. Das Tier ist 48 Stunden (spot-on Präparate) bis zu einer Woche (Halsband) vor Besuch des Endemiegebietes zu behandeln. Während des Aufenthaltes muss der Schutz regelmässig aufgefrischt werden. Eine Impfung ist seit kurzer Zeit in einigen Ländern erhältlich. Auch in der Schweiz ist die Impfung für Hunde ab einem Alter von 6 Monaten zugelassen. Die Grundimmunisierung beinhaltet 3 Impfungen im Abstand von 3 Wochen und muss mindestens 10 Wochen vor Reise-Antritt in ein Leishmania-Gebiet begonnen werden. Der Impfschutz hält 12 Monate an. Geimpfte Hunde können in serologischen Tests aufgrund der gebildeten Antikörper positiv ausfallen. In der Schweiz muss bei mit Leishmaniainfizierten Hunden (auch wenn sie klinisch unauffällig sind) vor allem in Gebieten, in denen Sandmücken nachgewiesen wurden (Südschweiz), zwingend eine Mückenprophylaxe (Halsband oder spot-on) während der Mückensaison erfolgen, um das Risiko einer möglichen Übertragung vor allem auch auf Menschen oder andere Hunde zu minimieren. Schweizerische Vereinigung für Kleintiermedizin Association Suisse pour la Médecine des Petits Animaux Associazione Svizzera per la Medicina dei Piccoli Animali Swiss Association for Small Animal Medicine Bei mit Leishmanien infizierten Hunden lässt sich mittels Chemotherapie eine Verbesserung des Gesundheitszustandes und längerfristig eine klinische Heilung erzielen; in der Regel wird jedoch der Erreger nicht vollständig eliminiert. Bei Hunden mit nachgewiesener Infektion, typischen klinischen Anzeichen und/oder veränderten Blutwerten ist eine Therapie indiziert. Infizierte Hunde ohne Symptome und ohne Laborveränderungen werden nicht behandelt, sollten jedoch engmaschig überwacht werden. Eine erste Kontrolle (Blut- und Harnwerte) erfolgt ein Monat nach Therapiebeginn, in der Folge alle 3 Monate und nach einem Jahr alle 6 Monate. Die Symptome verschwinden i.d.R. nach 1 – 6 Monaten, und auch die Laborwerte sollten sich innerhalb von 6 Monaten normalisieren. Übertragung, z. B. vom trächtigen Muttertier auf die Welpen oder bei Bluttransfusionen Es ist ratsam, die Therapie bei Hunden, die nach 6 – 12 Monaten klinisch und blutchemisch unauffällig sind, abzusetzen. Bei Anzeichen eines Rückfalls muss erneut behandelt werden. Die Prognose für die Hunde ist gut, solange sie nicht an einer Niereninsuffizienz (Folge einer LeishmanienInfektion) erkranken. Bei Wiederkäuern gibt es nur spärliche Angaben über Befall mit Leishmanien, z. B. bei Ziegen. In der Schweiz wurde bei einigen Rindern in Hautläsionen mit Selbstheilungstendenz Leishmanien diagnostiziert, welche sich jedoch genetisch von L. infantum unterschieden. LEISHMANIOSE BEI ANDEREN TIERARTEN Hunde sind die wichtigsten Wirte und spielen für die Übertragung auf den Menschen eine wesentliche Rolle. Auch Füchse, Katzen, Hasen und Ratten können in selteneren Fällen Parasitenträger sein. Nicht selten erfolgt die Einschleppung der Leishmaniose durch Hunde aus betroffenen Gebieten in nicht klassische Regionen nördlich der Alpen. Sehr selten ist hingegen eine von Sandmücken unabhängige Leismaniose-Fälle bei Katzen sind während den letzten Jahren in Europa sowie in Asien und Lateinamerika nachgewiesen worden. Spontan erkrankte Katzen zeigen knotige Hautläsionen vorwiegend im Gesichtsbereich (Lippen, Nase, Augenlidern und Ohren). Unklar ist noch, ob Katzen als Reservoirwirte eine Rolle spielen. Bei Pferden liegen Berichte über Fälle von kutaner Leishmaniose (Hautform) mit L. infantum aus Südeuropa und Süddeutschland vor. Kürzlich wurden vereinzelte Fälle bei Pferden aus Deutschland und der Schweiz beschrieben. LEISHMANIOSE BEIM MENSCHEN Beim Menschen verursachen verschiedene Leishmanien-Arten unterschiedliche Krankheitsformen. Sie lassen sich grob in 3 Hauptgruppen einordnen: • viszerale (Weichteile) • kutane (Haut) • mukokutane (Schleimhaut) Leishmaniose. Ihre Unterscheidung erfolgt anhand biologischer Kriterien (Krankheitsbilder, Wirte, Überträgermücken). Klinische Fälle humaner 3 Schweizerische Vereinigung für Kleintiermedizin Association Suisse pour la Médecine des Petits Animaux Associazione Svizzera per la Medicina dei Piccoli Animali Swiss Association for Small Animal Medicine viszeraler Leishmaniose enden ohne Therapie oft tödlich, besonders bei Kindern und immunsupprimierten Patienten. Erwachsene Patienten mit einem funktionierenden Immunsystem sind geschützt, sodass die Erkrankung bei ihnen selten ausbricht. Die Infektion erfolgt meist durch Sandmückenstiche, doch ist eine Erregerübertragung auch über die Plazenta oder durch Bluttransfusion und kontaminierte Instrumente (Spritzen) möglich. Eine direkte Ansteckung durch Kontakt mit infizierten Hunden ist bisher nicht beobachtet worden. FAZIT Durch die zunehmende Reiseaktivität und den Import von Hunden hat die Leishmaniose auch bei Hunden in der Schweiz an Bedeutung gewonnen. Strassenhunde, streunende Katzen oder Tiere aus Tierheimen in südlichen und östlichen Feriengebieten mit nach Hause zu bringen oder von Tierschutzorganisationen, die sie in die Schweiz importieren, zu übernehmen, ist entgegen anderslautender Behauptungen derartiger Organisationen sehr riskant. Tiere in diesen Regionen sind häufig mit Parasiten wie Leishmanien befallen. Infektionen mit Leishmanien können bei der Einfuhr der Tiere mit Labortests oft (noch) nicht nachgewiesen werden. Die Tiere erkranken erst Monate oder gar Jahre nach Einfuhr. Antikörper lassen sich frühestens 1 Monat, im Mittel 5 Monate nach Infektion nachweisen. Leishmania-Infektionen können bei Hunden (und z. T. auch bei Katzen) zu chronischen, schweren Erkrankungen führen, welche – unbehandelt – tödlich verlaufen. Die Diagnosestellung kann u. a. wegen der langen Inkubationszeit komplex und schwierig sein. Zurzeit ist kein Medikament verfügbar, 4 das zu einer vollständigen Parasiteneliminierung führt. Somit muss bei infizierten Hunden auch nach der Therapie mit Rückfällen und lebenslangen Kontrollen gerechnet werden. Umso wichtiger gestalten sich prophylaktische Massnahmen wie Mückenschutz (spot-on Präparate, Halsbänder), eventuell in Kombination mit der Impfung, die einen Schutz vor den Parasiten bieten und somit die Infektionsgefahr in Endemiegebieten vermindern. Dieses Positionspapier hat ESCCAP Schweiz durch das folgende Team erarbeitet: • PD Dr. med. vet. Manuela Schnyder (Dipl. EVPC, Institut für Parasitologie, Vetsuisse Fakultät, Universität Zürich, Präsidentin ESCCAP Schweiz) • Prof. Dr. Bruno Gottstein (Leiter Institut für Parasitologie, Vetsuisse Fakultät, Universität Bern, Vizepräsident) • Prof. Dr. Peter Deplazes (Dipl. EVPC, Leiter Institut für Parasitologie, Vetsuisse Fakultät, Universität Zürich, Präsidiumsmitglied) • PD Dr. med. vet. Caroline F. Frey (Dipl. EVPC, ex Teamleiterin Veterinärdiagnostik, Institut für Parasitologie, Vetsuisse Fakultät, Universität Bern, ehemaliges Präsidiumsmitglied) • Dr. med. vet. Claudia Nett-Mettler (Diplomate ACVD & ECVD, Präsidentin SVK-ASMPA, Präsidiumsmitglied) • Dr. med. vet. Barbara Knutti (FVH CertESM, Präsidiumsmitglied) • Dr. Peter Frei (Geschäftsführer ESCCAP Schweiz). Literatur • Deplazes et al. Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin. 3. überarbeitete Auflage, Stuttgart, 2013 • Helm und Deplazes: Fahren Sie mit Ihrem Hund in den Urlaub? hundkatzepferd, 2013, 5, 6 – 9. • ESCCAP. Bekämpfung von durch Vektoren übertragene Krankheiten bei Hunden und Katzen. Adaption der ESCCAP-Empfehlung Nr. 5 für die Schweiz, Zürich, Februar 2012 • ESCCAP. Checkliste für Hunde aus dem Ausland. 2. revidierte Auflage, Zürich, April 2016 • ESCCAP. Mit Heimtieren in Europa reisen – was ist zu beachten? Aktuelle Empfehlungen zum Schutz vor Parasiten, Zürich, April 2014 • www.esccap.ch