Das Alte Reich - Falck / Schmitz, ReadingSample - Beck-Shop

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Das Alte Reich
Ägypten von den Anfängen zur Hochkultur
von
Martin von Falck, Bettina Schmitz
1. Auflage
Das Alte Reich – Falck / Schmitz
schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG
Verlag Philipp von Zabern 2009
Verlag C.H. Beck im Internet:
www.beck.de
ISBN 978 3 8053 4073 1
Inhaltsverzeichnis: Das Alte Reich – Falck / Schmitz
Martin von Falck
VON DEN ANFÄNGEN ZUR HOCHKULTUR
Der Weg Ägyptens im 4. und 3. Jahrtausend v. Chr.
»DIE VORGESCHICHTE:
Schutz des Leibes, erfüllen doch viele Schmuckstücke
GRUNDLAGEN EINER HOCHKULTUR«
die Funktion von Amuletten. Kosmetische Maßnahmen
wie das Schminken des Auges werden auch als magi-
| Wie überall bezeugen auch in Ägypten vor allem Faust-
sche Schutzriten verstanden, so dass Toilettengeräte
keile, Kratzer und Schaber aus Feuerstein die Anwe-
nicht nur der reinen Körperpflege dienen (Abb. 15).
senheit von Menschen während der Altsteinzeit. Feste
Weil die Jagd und selbst die Güterproduktion als reli-
Siedlungen gibt es in Ägypten seit etwa 5000 v. Chr.,
giöse Handlungen ausdeutbar sind, stellen die in das
wobei sich die Kulturen Unterägyptens von denen Ober-
Jenseits hinübergenommene Werkzeuge und Jagd-
ägyptens markant unterscheiden.
waffen nicht allein Mittel zur Nahrungsmittelproduk-
| Für die weitere Entwicklung wird die oberägyptische,
tion oder Alltagshilfen, sondern auch Ritualgeräte dar.
nach einem wichtigen Fundort benannte Negade-Kultur
Neben echten Lebensmitteln tauchen bereits Modelle
bestimmend: Gräber der frühen Kulturphase Negade I
als Beigaben auf, und diese Sitte, Realien durch Mo-
(ca. 4000–3600 v. Chr.) enthalten rote Gefäße mit
delle zu ersetzen, wird noch im Alten Reich beibehalten
schwarz geschmauchter Randzone. Ebenso wenig wie
(vgl. Kat Nr. 32 a–c). Auch die Aussteifung der Grab-
diese kann die noch aufwendigere, figürlich bemalte
gruben mit Holz lässt sich als erstes Anzeichen der im
rote Keramik als Alltagsware angesprochen werden,
Alten Reich in Texten fassbaren Vorstellung vom Grab
vielmehr handelt es sich um repräsentatives »Tafelge-
als Haus begreifen.
schirr«. Die meisten Grabbeigaben erfüllen jenseits ih-
| Auf das Negade I folgt die Negade II-Kultur (ca. 3600–
rer konkret-praktischen auch eine rituelle Funktion: So
3200 v. Chr.), die durch Grabkeramik aus gelblichem
erfolgt die Mitnahme von Schmuck nicht allein um der
Ton mit roter Bemalung gekennzeichnet ist. In dieser
persönlichen Ausstaffierung willen, sondern auch zum
Zeit bilden sich bei der Herstellung von Elfenbein-
Abb. 15 | Amulettfigur und Toilettengegenstände:
| In ihrem spätesten Stadium hat sich die Negade II-
Pelizaeus-Museum, Inv. Nrn. 6106–6108.
Kultur über ganz Ägypten ausgedehnt. Zu dieser Zeit
figürchen erste bildhauerische Traditionen heraus.
Abb. 15 |
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lässt die Dominanz größerer Gräber in Abydos bereits
in U-j bestattete König »Skorpion« kontrollierte ver-
ägyptischen Zentralstaates verfolgt werden. Die später
den Kopf nach Süden und das Gesicht nach Westen ge-
an einen Fürstenfriedhof denken: Die dortigen Gru-
mutlich bereits das Ostdelta, da einige Kammern seines
mit dem initialen Ereignis der »Reichseinigung« ver-
wandt. Meist waren sie mit Matten abgedeckt. Ledig-
bengräber waren teilweise ausgesteift und mit Balken
Grabes ein umfangreiches Depot von Weingefäßen aus
bundene Herrschaft des Aha/Menes setzte also nur den
lich vier wannenförmige Tonsärge sind gefunden wor-
abgedeckt, auf denen mit Lehm abgedichtete Schilf-
Palästina enthielten. Eine weitere Kammer barg zahl-
Schlusspunkt unter eine Entwicklung, die mit der ste-
den. Die häufig mit Wellenhenkeldekor versehenen
matten lagen. In der Südhälfte dieser Gruben standen
reiche Elfenbeinetiketten, auf denen die Herkunft in-
tigen Ausbreitung der Negade II-Kultur nach Norden
zylindrischen Salbgefäße wurden in Kopfnähe aufge-
Holzsärge; unter den Beigaben fanden sich Steingefäße
zwischen größtenteils vergangener Waren mit früh-
begonnen, mit der Kontrolle der Handelswege im Ost-
stellt, die Paletten und Werkzeuge lagen in Griffweite,
und Schieferpaletten. Perlen aus Karneol, Türkis, Ame-
hieroglyphischen Schriftzeichen notiert war. So können
delta weitergeführt und mit der Unterwerfung des
die Vorratsgefäße standen am Fußende. Vor ihrer Nie-
thyst und Lapislazuli, Klingen aus Obsidian sowie die
mit einiger Sicherheit der Ortsname »Bubastis« sowie
Westdeltas vollendet worden war.
derlegung wurden die Klingen der Feuersteinmesser
Verwendung von Goldfolie belegen den hohen Rang
die Angaben »Ostgebirge« und »Westgebirge« gele-
| Auch die erste bekannte monumentale Tierplastik da-
ausnahmslos absichtlich durchgebrochen.
der Bestatteten. Da Materialien wie Lapislazuli und
sen werden. Spätestens jetzt ist der entscheidende
tiert spätestens in die Zeit des Nar-mer (Abb. 17), wie
| Im Vorfeld der Steinbrüche von Tura liegt ein Friedhof,
Obsidian von weit her beschafft werden mussten, sind
Schritt von der Vorgeschichte zur Frühgeschichte getan,
sein nachträglich eingeritzter Name nahelegt. Die Sta-
der 1910 von Hermann Junker freigelegt wurde und in
sehr weitreichende und intensive Handelskontakte
die nach traditioneller Definition mit dem Beginn der
tue gibt einen männlichen Pavian sehr überzeugend
dem der Wandel der Bestattungssitten von der spätvor-
vorauszusetzen.
Schriftkultur einsetzt.
wieder, in dem vermutlich der verstorbene König selbst
geschichtlichen zur frühdynastischen Zeit besonders
| Feinste Reliefschnitzereien zeigen die elfenbeiner-
| Bei einem Nachfolger des »Skorpion« namens Iri-Hor
als paviangestaltiger Ahne verehrt wurde. Pavianfigür-
gut fassbar ist. Die in Tura ausgegrabenen 582 Gräber
nen Messergriffe aufwendig gearbeiteter Klingen:
war die zunächst angelegte Grabgrube eingebrochen,
chen sollten bis weit in das Alte Reich hinein einen gro-
sind überwiegend in Nord-Süd-Richtung orientiert.
Neben langen Prozessionen von Tieren tauchen mit
woraufhin in geringer Entfernung eine zweite errich-
ßen Anteil der in den ägyptischen Tempeln aufgestell-
Während die Bestatteten mehrheitlich in einfachen
Reihen von Tributbringern und Gefangenen bereits
tet wurde. Iri-Hors Nachfolger Ka und Nar-mer konzi-
ten Weihgaben ausmachen (Kat. Nr. 2 c).
Gruben mit Holzabdeckung beigesetzt sind, unter-
klassische Themen pharaonischer Herrscherideologie
pierten ihre Grabgruben bereits von Beginn an als zwei
auf. Siegelabrollungen belegen die Existenz einer frü-
voneinander isolierte Kammern im Boden. Die be-
hen Verwaltung. Manche dieser Siegelabdrücke kön-
rühmte Palette des Nar-mer, die in der damaligen Reichs-
DIE FRIEDHÖFE VON
der: Im spätvorgeschichtlichen Südteil des Friedhofs
nen bereits als Schrift gedeutet werden. Zwar sind zu
hauptstadt Hierakonpolis gefunden wurde, zeigt den
ABUSIR EL-MELEQ UND TURA
(vor 3000 v. Chr.) liegen die Angehörigen der Elite in
dieser Zeit weder die Schriftzeichen noch die Darstel-
Sieg dieses Königs über die Libyer im Westdelta. Spä-
lungen dem »kanonischen« Regelsystem unterworfen,
testens Nar-mer scheint also das gesamte ägyptische
| In Hildesheim ist die spätvorgeschichtliche, sogenannte
3000 v. Chr.) bestehen die Ziegelgräber aus einer Sarg-
das die klassische Kunst Ägyptens so typisch und unver-
Territorium beherrscht zu haben.
Reichseinigungszeit durch Fundkonvolute aus den Pro-
kammer mit angeschlossenen kleinen Nebenräumen
wechselbar erscheinen lässt, doch wird mit der linearen
| Nar-mers Nachfolger Aha, der mit dem mythischen
vinzfriedhöfen Abusir el-Meleq und Tura vertreten.
für die Beigaben, und außerdem kommen neuartige
Anordnung der Einzelfiguren bereits ein Gestaltungs-
»Reichseiniger« Menes identisch ist, gründete an der
Der 1905 und 1906 von Otto Rubensohn und Georg
Schachtgräber auf. Auch bei Särgen und Grabbeigaben
prinzip der Pharaonenzeit erkennbar.
Nahtstelle von Niltal und Delta die neue Hauptstadt
Möller ausgegrabene Friedhof von Abusir el-Meleq wur-
ist eine markante Zäsur feststellbar: Särge aus Ton
| Die in den Boden eingesenkten und meist mit Ziegeln
Memphis, »die Waage der beiden Länder«. Erst mit
de in den Zeitstufen Negade II d bis III (ca. 3300–3000
(Abb. 18; Kat. Nr. 1 a) fanden sich ausschließlich im
ausgemauerten Gräber der anschließenden Negade III-
ihm beginnt die klassische Zählung nach Dynastien.
v. Chr.) belegt. Bei den nord-südlich ausgerichteten
Südteil, während sie im Nordteil durch Holzsärge ab-
Zeit auf dem abydenischen Friedhof U waren häufig in
Alle vor ihm herrschenden gesamtägyptischen Könige
Gräbern handelt es sich überwiegend um rechteckige
gelöst wurden. Sind im südlichen Areal Steinperlen
zwei Kammern unterteilt. Das größte dortige Grab U-j
werden daher einer »Dynastie 0« zugewiesen. Damit
Gruben, die vereinzelt mit Ziegeln ausgemauert oder
verbreitet, überwiegen im nördlichen Perlen aus künst-
mit seinen zahlreichen unterirdischen Kammern für
kann im oberägyptischen Abydos der nahtlose Über-
mit Holz verstärkt und bedeckt sein konnten. Die Ver-
lich hergestellter Ägyptischer Fayence. Die Keramik in
die Beigaben imitiert einen Wohnpalast (Abb. 16). Der
gang eines fürstlichen Gräberfeldes zur Nekropole des
storbenen lagen mit angezogenen Beinen auf der Seite,
den Gräbern des Südteils (Kat. Nr. 1 b–c) übertrifft hin-
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scheiden sich die aufwändigeren, mit Ziegeln ausgekleideten Gräber der Oberschicht markant voneinan-
Einraumgräbern. Im frühdynastischen Nordteil (nach
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gegen die des Nordteils (Kat. Nr. 1 d) im Hinblick auf
gesetzten Gefolgsleute erst anlässlich der Bestattung
Qualität deutlich. In frühdynastischer Zeit (seit 3000
des Königs getötet. Das königliche Begräbnis selbst
v. Chr.) wurden nämlich wertvolle Gefäßbeigaben zu-
fand in einer neu errichteten Dreikammeranlage Auf-
nehmend aus technisch anspruchsvolleren Gesteinen
nahme. Die drei separaten, mit Ziegeln ausgekleide-
und seltener aus Ton gefertigt. Dieser Trend lässt sich
ten Gruben waren jeweils mit Balken abgedeckt, auf
auch am höheren Steingefäßaufkommen im Nordteil
denen Schilfmatten mit einer verputzten Ziegelschicht
des Friedhofs von Tura ablesen.
verlegt waren. Wahrscheinlich wurden alle drei Kammern von einem aus Sand aufgeschütteten Tumulus
bedeckt. Zum Grabkomplex gehörte auch ein ca. 1,5
DIE FRÜHDYNASTISCHE ZEIT
km entfernter, mit einer nischengegliederten Ziegelmauer umwallter Bezirk, in dem festliche Riten be-
| Als frühdynastische Zeit bezeichnet man die ersten
gangen wurden.
beiden Dynastien der konventionellen, auf dem Ge-
| Bereits die Grabanlage des Königs Djer bestand aus
schichtswerk des ägyptischen Priesters Manetho fußen-
einer großen Zentralkammer, die ringsum von mehre-
den Zählung. Dieser lebte zur Zeit Ptolemaios II. (285
ren Reihen von Nebenkammern für die Aufnahme von
bis 246 v. Chr.), dem zweiten König der makedonischen
Beigaben und Satellitengräbern umgeben war. Unter
Ptolemäerdynastie. Offensichtlich griff Manetho auf
ihm erreichte die Zahl der Nebenbestattungen ihren
ältere ägyptische Königslisten zurück, die schon seit
Höhepunkt. Danach endete die Sitte, dem König sein
Jahrhunderten geführt wurden. Nur eine dieser alten
Gefolge in den Tod nachzuschicken.
Listen, der Turiner Königspapyrus aus der Ramessiden-
| Bei Djers Nachfolger Djet trug die Abdeckung der in
zeit, ist in fragmentarischem Zustand erhalten. Neuere
den Boden eingesenkten zentralen Grabkammer eine
Forschungen erhellen zudem den Umstand, dass ägyp-
Ziegeleinfassung, die unterhalb des damaligen Boden-
tische anders als europäische Dynastien nicht gänzlich
niveaus lag. Sie umgab einen unterirdischen Sandhügel,
Abb. 16 |
mit Herrscherfamilien identisch waren. Nach ägyptischer Definition unterscheiden sich Dynastien auch
Abb. 16 | Das Mehrkammergrab U-j in Abydos.
durch ihre jeweiligen Residenzen oder das von ihnen
Grundriss und Türschlitze verweisen auf
beherrschte Territorium und nicht allein durch ihre
den Hausgedanken. Eine Kammer ist noch mit
Abstammung.
importierten Weingefäßen gefüllt.
| Horus Aha, der erste König der 1. Dynastie erweiter-
Abb. 17 | Pavian-Statue aus der Zeit des Nar-mer:
te sein zunächst errichtetes herkömmliches Doppel-
Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung,
kammergrab durch zusätzliche 35 Nebengräber zu einer
Inv. Nr. 22607.
Bestattungsanlage für sein Gefolge einschließlich sei-
Abb. 18 | Grab 15.h.9 in Tura: Tonsarg Pelizaeus-
ner Haustiere (Abb. 19). Offenbar wurden die hier bei-
Museum, Inv. Nr. 2776 mit Inventar in situ.
Abb. 17 |
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Abb. 18 |
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